Andachten 2023
Tretet für die Wahrheit ein


Tretet für die Wahrheit ein

Andacht für junge Erwachsene in aller Welt

Sonntag, 21. Mai 2023

Präsident Dallin H. Oaks: Vielen Dank für diese schöne Musik. Und danke, Bruder Gilbert, für diese liebe Begrüßung.

Liebe junge Erwachsene und Schüler kurz vor dem Schulabschluss, Schwester Oaks und ich freuen uns sehr, euch unsere Wertschätzung auszudrücken und in dieser wichtigen Andacht zu euch zu sprechen. Wir alle sind dieser Tage stark belastet, doch das Evangelium Jesu Christi gibt uns reichlich Grund, guten Mutes zu sein. Gott hat uns durch seinen Propheten aufgefordert, trotz Widrigkeiten auszuharren. Die Lehren Jesu Christi geben uns vor, wie wir es schaffen, unsere göttliche Bestimmung, das ewige Leben, zu erreichen.

I.

Präsident Russell M. Nelson hat in einer Ansprache vor einem ähnlichen Publikum folgende Medizin verschrieben: „Je säkularer und weniger geistig gesinnt die Welt wird, desto geistiger gesinnt und weniger säkular müsst ihr werden. Bemüht euch, für Prinzipien einzutreten, auch wenn es auf Kosten eurer Beliebtheit geht.“

Dann sprach er folgende Aufforderung aus, die wir als Titel dieser Andacht übernehmen: „Kennt die Wahrheit und tretet für sie ein, auch wenn sie politisch nicht populär ist.“1

Das Ziel unseres Erdenlebens und der Weg, dem wir folgen sollen, um auszuharren, sind im Erlösungsplan vorgegeben, und unlängst auch in der Proklamation zur Familie. Betrachten wir einmal die Sichtweise aus dieser hilfreichen Zusammenfassung von Präsident Nelson:

„Das Leben ist kein Einakter. Es gibt wirklich ein vorirdisches Leben. Und es gibt tatsächlich das Leben nach dem Tod. Das vorirdische und das irdische Leben sind nur ein Vorspiel zum künftigen Leben. Die Kenntnis von den drei Graden der Herrlichkeit, wie sie den Propheten offenbart wurde, gibt uns einen kleinen Einblick in unser Potenzial nach diesem Leben. Das ewige Leben ist herrlich und die Reise wert.“2

Als Heilige der Letzten Tage sind wir mit neuzeitlicher Offenbarung gesegnet, die uns den Zweck des Erdenlebens besser verstehen lässt. Wie Präsident Nelson sagte, ist das Leben für uns kein Einakter. Für uns besteht unsere ewige Reise aus mindestens drei Akten. Der erste Akt ist unser vorirdisches Dasein. Darauf folgt unser derzeitiges Erdenleben, wie ein zweiter Akt. Unser Leben nach dem Tod ist der dritte Akt. In diesem letzten Akt findet auch die buchstäbliche Auferstehung aller Menschen, die je gelebt haben, statt sowie das Jüngste Gericht, bei dem wir einem Reich der Herrlichkeit zugewiesen werden, entsprechend unserer Taten, Entscheidungen und Wünsche.

Das wiederhergestellte Evangelium Jesu Christi bietet auf einzigartige Weise Zugang zur Wahrheit über den Erlösungsplan, den der Vater im Himmel in seiner Liebe für seine Kinder aufgestellt hat.

Der Zweck unseres Erdenlebens, des zweiten Akts, besteht darin, uns auf das ewige Leben, zu dem wir bestimmt sind, hin zu entwickeln. Dies geschieht dadurch, dass wir das überwinden, was im Buch Mormon als Gegensatz in allen Dingen beschrieben wird, darunter viele Versuchungen, die Gebote Gottes zu übertreten. Sich der Versuchung zu stellen und sie zu überwinden und Gott durch richtige Entscheidungen und Umkehr von falschen näherzukommen, lässt uns den ewigen Fortschritt machen, der der Zweck des Erdenlebens der Kinder Gottes ist.

Wir, die wir die Gabe des Heiligen Geistes und erleuchtende neuzeitliche Offenbarung besitzen, sind mit vielen Einsichten gesegnet. So wird im Buch Mormon beispielsweise verheißen, dass diejenigen, die eifrig suchen, finden werden „und die Geheimnisse Gottes … ihnen durch die Macht des Heiligen Geistes entfaltet werden“3. Ich bete dafür, dass alle, die mir am Herzen liegen – und das schließt alle Kinder Gottes ein, die meine Stimme gerade hören – dieser Einladung, die Wahrheit zu finden und zu kennen, folgen.

II.

Die erste Wahrheit betrifft die Ehe. Die Ehe ist für den Zweck des Erdenlebens und für alles, was danach kommt, von entscheidender Bedeutung. Wir sind Kinder eines liebevollen Vaters im Himmel, der uns mit der Fähigkeit erschaffen hat, sein Gebot, uns zu vermehren und die Erde zu füllen, zu befolgen. Die Fortpflanzungskraft ist eine der kostbarsten Gaben, die wir in diesem Leben besitzen. Entscheidend verknüpft mit dieser Gabe ist jedoch das Gesetz der Keuschheit: das Gebot, dass unsere Fortpflanzungskraft nur innerhalb einer Ehe zwischen Mann und Frau zur Anwendung kommen darf. Dieses Gebot spielt im Evangelium Jesu Christi eine wesentliche Rolle. Diese Tatsache erklärt, warum wir andere Werte haben und manches nicht tun, was vielen um uns herum normal erscheint.

Beispiele dafür sind unsere Haltung dazu, wie die Ehe definiert wird, und zur Ehe selbst. Die Führer der Kirche Jesu Christi sind besonders besorgt darüber, wie sich die Auffassung von der Ehe und die Anzahl der Eheschließungen in den USA in jüngerer Vergangenheit verändert haben. Darunter fällt die zunehmende Tendenz der US-Bürger, auch einiger würdiger junger Männer und Frauen in der Kirche, die Ehe aufzuschieben. Ich möchte diese Tendenz anhand zweier Diagramme zur Ehe veranschaulichen. Auch wenn die Zahlen aus den USA stammen, zeigen sie ein Problem auf, das weltweit besteht.

Das erste Diagramm zeigt einen deutlichen Rückgang der Prozentzahl der Bürger in den USA, die jemals verheiratet waren. In den letzten 30 Jahren ist die Prozentzahl für Männer wie Frauen um acht bis neun Prozentpunkte gesunken. Mit der Ehe geht es in den USA klar bergab.

Das zweite Diagramm zeigt einen damit verbundenen Anstieg des Alters bei der Eheschließung unter jungen Mitgliedern der Kirche. Es zeigt das durchschnittliche Alter von Männern und Frauen in der Kirche zum Zeitpunkt ihrer ersten Heirat. Man erkennt einen Anstieg um etwa fünf Jahre für Männer und Frauen.4

Überlegt einmal, was jungen erwachsenen Mitgliedern der Kirche entgeht, wenn sie mit Absicht wesentlich später heiraten: Gelegenheiten werden verpasst und Segnungen zurückgestellt. Es bedeutet einen Aufschub des wichtigen persönlichen Wachstums, das in einer Beziehung zwischen Ehemann und Ehefrau stattfindet, zum Beispiel bei den Eigenschaften Opferbereitschaft und Demut. Es bedeutet weniger Gelegenheiten, zusammen das Reich Gottes aufzubauen. Und vor allem bedeutet es, dass weniger Kinder geboren werden, die mit den Segnungen des Evangeliums aufwachsen. Ihr wisst das alles. Und ihr müsst wissen, dass eure Führer wissen, dass viele unserer Alleinstehenden nicht früher heiraten, weil die Umstände es nicht erlauben. Darüber später mehr.

Kristen, wie stehst du dazu?.

Schwester Kristen M. Oaks: Also gut. Eigentlich ist die Ehe eine Geschenk. Eine Ehe gibt uns nicht nur die Gelegenheit, Kinder auf die Welt zu bringen, sondern sie gibt uns auch die Gelegenheit und den Anreiz, uns auf eine Reise des gemeinsamen Fortschritts zu begeben. Wir lernen, Opfer zu bringen und zu dienen, wie es nur wenige andere Situationen ermöglichen.

Als Alleinstehende hielt ich stets nach Möglichkeiten Ausschau, anderen zu dienen. Jetzt sitzt mir mein Dienstprojekt jeden Abend beim Abendessen gegenüber. Ich lerne, wie ich meinen Ehemann mehr lieben und ihm besser helfen kann. Ich habe einen Freund, mit dem ich lachen und weinen kann. Ich habe einen Fürsprecher, einen Lehrer und einen Unterstützer, der wiederum mir hilft. Mit der Ehe erhalten wir automatisch die Gelegenheit, zu lernen, wie man kommuniziert und mit unterschiedlichen Sichtweisen umgeht. Ich möchte sagen, dass das Leben schöner wird, wenn unsere Ehe mit etwas verknüpft wird, was größer ist als wir selbst, und wir unserem Erretter dadurch näherkommen. Das wünschen wir jedem von euch.

Im Musical Les Misérables heißt es: „Zu lieben einen Menschen heißt: Das Antlitz Gottes sehʼn.“5 Das geschieht am ehesten in einer Ehe.

Präsident Oaks: Dass viele erst später Kinder bekommen – und bedeutend weniger Wert auf Kinder gelegt wird –, zeigt sich auf säkularer Ebene in einem Trend, von dem kürzlich im Rahmen einer angesehenen landesweiten Umfrage berichtet wurde: Vor 25 Jahren war es noch 66 Prozent der Erwachsenen wichtig, Kinder zu bekommen, heute sind es nur noch 33 Prozent.6

Kristen und ich haben darüber nachgedacht, was es für die wiederhergestellte Kirche bedeutet, dass Kinder landesweit an Bedeutung verlieren, als Kristens Schwester erzählte, was ihr kleiner Enkel gesagt hatte. Als sie gemeinsam in der Zeitschrift Unser Freund lasen, sahen sie sich ein Bild von Jesus an. Sie fragte sich, warum der Erretter die Kinder zu sich bat. Der vierjährige Anders lieferte diese inspirierte Erklärung: „Das weißt du nicht? Jesus mag Kinder!“

Denkt daran, unser liebevoller himmlischer Vater hat einen Plan für seine jungen Erwachsenen, und Ehe und Kinder sind ein Teil davon.

Jetzt wollen wir euch – nur zum Spaß – zeigen, was wir früher über Verabredungen und das Abhängen gesagt haben. Hier ist ein Video davon, was ich 2005 gesagt habe, als die ältesten heute anwesenden jungen Erwachsenen um die 12 Jahre alt waren und ihr anderen noch Kinder oder nicht einmal geboren wart.

Viele Jahre lang hat die Kirche ihren Jugendlichen geraten, sich nicht vor dem 16. Lebensjahr zu verabreden. Vielleicht haben einige junge Erwachsene – vor allem die Männer – diesen klugen Ratschlag zu ernst genommen und sich entschlossen, sich nicht eher als mit 26 Jahren oder gar mit 36 zu verabreden. Ich möchte nun mit euch in der Zeit zurückreisen und dieses Video von 2005 anschauen.

Präsident Oaks [Video]: „Ihr Männer, wenn ihr von eurer Mission zurückgekehrt seid und noch immer dem Jungen-und-Mädchen-Schema folgt, das euch mit 15 empfohlen wurde, dann wird es Zeit für euch, erwachsen zu werden. Fasst Mut und haltet nach jemand Ausschau, mit dem ihr euch zusammentun könnt. Verabredet euch zunächst mit den verschiedensten jungen Frauen, und wenn sich da eine gute Aussicht ergibt, macht etwas Ernstes daraus. Es ist an der Zeit, zu heiraten. Das ist die Absicht des Herrn in Bezug auf seine jungen erwachsenen Söhne und Töchter. Die Initiative liegt bei den Männern, und ihr müsst sie ergreifen. Wenn ihr nicht wisst, was eine Verabredung ist, hilft euch vielleicht die folgende Definition. Die habe ich von meiner 18-jährigen Enkeltochter. Eine Verabredung muss drei Punkte erfüllen: 1.) sie ist gut geplant, 2.) der Mann bezahlt, 3.) man ist zu zweit. …

Meine alleinstehenden jungen Freunde, wir raten euch, eure Beziehungen zum anderen Geschlecht über Verabredungen anzubahnen, die zu einer Eheschließung führen können, und nicht über das Abhängen, das nur zu Mannschaftssportarten wie Fußball führen kann. Die Ehe ist keine Gruppenaktivität – zumindest solange nicht, bis sich Kinder in reichlicher Anzahl einstellen.“7

[Ende des Videos]

Ihr Schwestern scheint diese Hinweise an die alleinstehenden Männer genossen zu haben. Nun hat Kristen den alleinstehenden Frauen etwas zu sagen.

Schwester Oaks: Präsident Oaks, dieses Video ist wirklich in die Jahre gekommen, aber der Grundsatz gilt heute wie damals: ohne Verabredungen keine Hochzeit.

Da ich mit 53 geheiratet habe, weiß ich, wie es ist, auf einen würdigen Partner zu warten, und dass Sehnsucht, Kummer und Tränen auf meinem Kissen keine Seltenheit waren. Aber ich kann bezeugen, dass der Herr die tapferen Schwestern, die warten müssen, lieb hat, denn ich habe seine Liebe verspürt. Ich fühle auch mit den treuen Brüdern, die sich dies ebenfalls wünschen. Dies sind echte Nöte. Keine Verabredungen zu haben kann ebenso aufreibend sein wie welche zu haben.

Als mein Glaube und meine Zukunft auf der Probe zu stehen schienen, als ich mich wunderte, warum das Leben so schwer war, obwohl ich doch mein Bestes gab, das Evangelium zu leben, hatte ich immer wieder das Gefühl, dass ich etwas falsch machen musste. Aber das war nicht der Fall!

Schwester Michelle D. Craig hat gesagt: „Prüfungen bedeuten nicht, dass der Plan scheitert.“ Der Plan sieht Wachstum vor und soll uns helfen, uns Gott zuzuwenden. Schwester Craig fügte hinzu: „Dem Vater im Himmel [ist] mehr an [eurem] Wachstum als [Jünger] Jesu Christi gelegen … als an [eurer] Behaglichkeit.“8

Wenn ihr lediglich auf der Stelle tretet und auf eine Gelegenheit zur Heirat wartet, hört auf damit und fangt an, euch vorzubereiten. Bereitet euch auf das Leben vor durch Bildung, Erfahrungen und Pläneschmieden. Wartet nicht, dass das Glück euch hinterherläuft. Sucht euch Gelegenheiten zu dienen und zu lernen. Und vor allem vertraut auf den Herrn, ruft den Namen des Herrn täglich an und steht standhaft da „im Glauben an das, was kommen wird“9. Ich verspreche euch, wenn ihr das tut, werdet ihr glücklich sein.

Präsident Oaks: Kristen hat euch Schwestern einige wertvolle Ratschläge gegeben, die noch nicht in die Jahre gekommen sind. Mein Rat an die alleinstehenden Männer ist es eigentlich auch nicht. Wir als Führer der Kirche Jesu Christi sind heute genauso besorgt um die Ehe wie vor 20 Jahren. Dabei bereiten uns auch die Gründe Sorgen, wie etwa, dass sich jung Verheiratete kaum ein Haus leisten können und die Schulden aufgrund von Studienkrediten stetig steigen.

Wie ihr jungen Erwachsenen nur zu gut wisst, seid ihr nicht der Grund für diese Umstände, ihr seid ihnen ausgeliefert. Was kann man da tun? Geht im Glauben vorwärts und macht das Beste aus dieser Situation mit einem Wohnungsmarkt, der euch weniger Chancen bietet als es bei mir und euren Großeltern in unseren jungen Jahren der Fall war. Und bemüht euch vor allem, eure Studienschulden gering zu halten.

Nach Gottes Plan können wir alles haben, aber nicht in der Reihenfolge, die die Welt vorzugeben scheint. Wir möchten euch helfen, indem wir euch an Gottes Plan und an das ehrenwerte Beispiel unserer Vorfahren erinnern. Die Pioniere aus der Anfangszeit der Kirche haben ihre Häuser und ihren Besitz zurückgelassen, um ihre Familie in den Bergen im Westen geistig in Sicherheit zu bringen. Heute bitten wir euch inständig, nicht geistige Sicherheit und Familie zurückzlassen, um materiellen Besitz anzuhäufen.

III.

Nun spreche ich einige Probleme an, die auch die uns sehr am Herzen liegenden Achtzehnjährigen betreffen, die heute zuhören.

Landesweit leiden Jugendliche in eurem Alter unter Angstzuständen, sind für Drogen anfällig, süchtig nach sozialen Medien und begeben sich in Rekordzahlen in psychologische Behandlung. Das alles wirkt sich auf euch aus, aber die frohen Botschaften, die es für euch gibt, übertreffen all dies.

Ihr wisst, dass ihr Kinder Gottes seid und somit ein einzigartiges, göttliches Erbe habt. Gott liebt euch. Niemand kann euch besser anleiten, und er hat euch versprochen, euch zu helfen, wenn ihr euch nur auf die Weise an ihn wendet, die er gelehrt hat. Prägt euch die machtvolle Wahrheit ein, dass ihr geliebte Kinder Gottes seid, und setzt eure Prioritäten entsprechend. Seine Liebe gibt euch die Selbstachtung, die Kraft und die Motivation, euch allen Problemen entgegenzustellen, die ihr habt. Und vergesst niemals, dass auch seine Diener euch lieb haben. Wir haben euch lieb.

Ich habe vor kurzem einen eindrucksvollen Brief von einem sechzehnjährigen Mädchen erhalten, das in einem Bundesstaat mit nur wenigen Mitgliedern lebt. Ich nenne sie hier Amy. Ihr Brief ist bedeutsam, weil sie Gefühle ausdrückt, die junge Menschen überall in der Kirche haben. Amy schrieb unter anderem diese Zeilen, die eine andere Jugendliche auf meine Bitte hin vorliest.

Amy: „Ich habe das Gefühl, manchmal widersprüchliche und verwirrende Botschaften von der Kirche zu erhalten. In meinem Alltag sehe ich, dass Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sich in sozialen Medien verhalten, als würden sie nicht zu dieser Kirche gehören. … Ich habe das Gefühl, ich bin die einzige Junge Dame in meiner Gemeinde, die erkennt, was in der Welt falsch läuft. … Ich verstehe wirklich nicht, warum so viele Jugendliche in unserer Kirche kein Problem damit haben, dass manche jeden zweiten Tag ihr Geschlecht wechseln, mit anderen vom selben Geschlecht ausgehen oder sich als geschlechtslos bezeichnen. …

Bei Gemeinde- oder Pfahl-Jugendaktivitäten werde ich gefragt, welche Pronomen ich für mich verwende. Und in der Schule soll ich mit einem Mädchen tanzen, das denkt, sie sei ein Junge. Ich weiß, wir sollen jedem Nächstenliebe und Respekt zeigen, und das tue ich immer. Aber ich habe das Gefühl, dass eine Grenze überschritten wird. … Ich wünschte, die Führer der Kirche würden öfter über dieses Problem reden.“10

Präsident Oaks: Das ist ein Brief von einer jungen Frau, die in etwa so alt ist wie die Zwölftklässler in diesem Publikum. Warum hat mich ihr Brief so tief berührt? Sie möchte tun, was richtig ist, aber sie hat das Gefühl, von Werten und Verhaltensweisen umgeben zu sein, die ihr falsch vorkommen. Und sie weiß einfach nicht, wie sie damit umgehen soll. Sie möchte für die Wahrheit eintreten, weiß aber nicht, wie sie das mit Liebe tun soll. In einer Andacht für junge Erwachsene am Ensign College haben Elder Clark G. Gilbert und ich über diese Herausforderung, liebevoll zu sein und gleichzeitig standhaft die Wahrheit zu verkünden, gesprochen. Wir können andere immer noch gern haben und Gemeinsamkeiten finden, ohne die Wahrheiten, die wir kennen, in Frage zu stellen.11

Amy schreibt in ihrem Brief von Freunden in der Kirche, die sich über ihr Geschlecht unsicher sind. Diesen Zustand nennt man Geschlechtsdysphorie. Diese Unsicherheit kann sich in unterschiedlichen Phasen des Lebens unterschiedlich äußern. Betroffene und ihre Angehörigen sollten daher langfristig denken und sich auf ewige Grundsätze verlassen und danach handeln. Ich habe über dieses Thema lange nachgedacht. Der Geist drängt mich, diese Gelegenheit zu nutzen, voller Liebe für diejenigen, die von diesen Themen betroffen sind, wertvolle Wahrheiten im Evangelium Jesu Christi hervorzuheben, die bei solchen Unsicherheiten helfen.

Liebe junge Männer und junge Frauen, eure Führer und Lehrer in der Kirche und im Seminar und Institut und eure Eltern tragen die Verantwortung, euch die Wahrheiten des wiederhergestellten Evangeliums Jesu Christi zu lehren, und werden dabei inspiriert. Ihr habt das nützliche Heft Für eine starke Jugend, das auf den Grundsätzen des Erlösungsplans unseres himmlischen Vaters aufbaut, auf dem Sühnopfer Jesu Christi und auf den Bündnissen, die wir eingehen, wenn wir getauft werden, und die wir jeden Sabbat erneuern, wenn wir vom Abendmahl nehmen. Auf den ersten Seiten findet ihr dort diese Verheißung: „Wenn du diese Wahrheiten als Richtschnur verwendest, kannst du inspirierte Entscheidungen treffen, die dir … in alle Ewigkeit ein Segen sind.“12

Als Jesus gefragt wurde, welches Gebot das wichtigste sei, nannte er zwei. Das erste war, Gott zu lieben, was wir unter Beweis stellen, wenn wir seine Gebote halten. Das zweite war, unseren Nächsten zu lieben.13 Wir müssen beides tun, und das ist nicht leicht. Viele von uns haben die Neigung, der Nächstenliebe weniger Aufmerksamkeit zu schenken und das Halten des Gesetzes (der Gebote) übermäßig zu betonen. Ich selbst neige dank meines Hintergrunds als Jurist ganz gewiss dazu. Schließlich ist Gott zu lieben und unsere Liebe für Gott zu zeigen, indem wir seine Gebote halten, das wichtigste und erste Gebot. Und natürlich fällt es uns leichter, uns selbst und andere anhand dessen zu beurteilen, ob wir das Gesetz halten. Dennoch ist es für jeden von uns auch unverzichtbar, das zweite Gebot zu halten, das „ebenso wichtig“14 ist, nämlich unseren Nächsten so zu lieben, wie Jesus uns liebt.15

Mein liebstes göttliches Beispiel dafür, wie man die beiden wichtigsten Gebote verbindet und hält, ist, was der Erretter getan hat, als er vor dieses Problem gestellt wurde. In Kapitel acht im Johannesevangelium wird beschrieben, wie eine Gruppe Schriftgelehrter und Pharisäer eine Frau zu Jesus brachte, damit er sie richtete. Sie stellten dem Erretter damit eine Falle, weil er sich entscheiden musste, entweder dem Gesetz des Mose zu widersprechen oder dem römischen Gesetz, das die Todesstrafe, die das Gesetz des Mose in solchen Fällen vorsah, nicht erlaubte. Für uns ist dieses Beispiel heute jedoch von Wert, weil Jesus die Falle umging und eindrucksvoll vermittelte, wie man beide der wichtigsten Gebote anwendet.

Zuerst entwaffnete der Erretter unmittelbar diejenigen, die nach einer sofortigen Anwendung des Gesetzes trachteten. Das tat er, indem er sie zwang, in sich zu gehen. „Wer von euch ohne Sünde ist“, sagte er, „werfe als Erster einen Stein auf sie.“16 Als die beschämte Menge sich zerstreut hatte, wandte der Erretter die Macht der Liebe an. Voller Gnade lehnte er es ab, die Frau zu verurteilen, und diese liebevolle Geste hob sie zu einem neuen Leben empor. Die Anwendung des Gesetzes sollte später erfolgen, wenn sie für ihr ganzes Leben gerichtet werden würde, einschließlich ihrer Umkehr. Bei dieser Gelegenheit jedoch zeigte der Erretter Liebe und Gnade, verurteilte sie nicht und bekräftigte anschließend das Gesetz, als er sagte: „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“17

Die Notwendigkeit, das Gesetz und die Nächstenliebe gleichermaßen walten zu lassen und beides inspiriert zum richtigen Zeitpunkt, begegnet uns überall. Elder Christofferson hat uns an Folgendes erinnert: „Wenn wir das erste Gebot an die erste Stelle setzen, schmälert das nicht unsere Fähigkeit, das zweite Gebot zu halten. Im Gegenteil, sie wird erweitert und gestärkt. … Unsere Liebe zu Gott erhöht unsere Fähigkeit, andere in der Vollkommenheit näherkommender Weise zu lieben, weil wir letzten Endes Hand in Hand mit Gott arbeiten, während er sich seiner Kinder annimmt.“18

Hört euch diese zwei Aussagen an, eine jüngeren Datums von einem Redner an der BYU und eine ältere von einer Generalautorität.

„Der ganze Sinn und Zweck des Erlösungsplans, der im großen sühnenden Opfer des Herrn Jesus Christus gipfelt, besteht darin, uns zu befähigen, in tiefster Verbundenheit mit anderen ein von Liebe erfülltes Wesen zu werden. …

Das bedeutet, dass die Gebote und [alle Ratschläge der Propheten] – auch die kostbaren Wahrheiten in der Proklamation zur Familie – uns die Wege Gottes aufzeigen sollen, damit wir von Liebe erfüllte Wesen werden.“19

Und nun die zweite Aussage:

„Wenn wir anderen mehr gefallen wollen als Gott, kehren wir die Reihenfolge der beiden wichtigsten Gebote um. Wir vergessen, in welche Richtung wir blicken. Dennoch haben wir alle schon aus Furcht vor den Menschen diesen Fehler begangen. …

Der Heiland, unser großes Vorbild, blickte stets auf seinen Vater. Er liebte seine Mitmenschen und diente ihnen, doch sagte er: ‚Meine Ehre empfange ich nicht von Menschen.‘ (Johannes 5:41.) Er wollte, dass die Menschen, die er belehrte, ihm folgen, aber er buhlte nicht um ihre Gunst.“20

Diese Aussagen zur Nächstenliebe und zum Gesetz sind beide gute Wegweiser dazu, was Gott uns geboten hat. Ich habe zuvor davon gesprochen, dass wir „ständig versuchen, die verflochtenen Gebote von Liebe und Gesetz ins Gleichgewicht zu bringen21, doch inzwischen glaube ich, das Ziel lässt sich besser beschreiben als: versuchen, beide dieser Gebote genauer zu halten. Wenn jemand Personen, die mit ihrer Geschlechtsidentität hadern, nicht mit Liebe und Würde begegnet, ist er mit den Lehren der beiden wichtigsten Gebote nicht in Einklang. Was das Gesetz Gottes angeht, dürfen wir also nicht vergessen, dass Gott immer und immer wieder offenbart hat, dass er die Menschen männlich und weiblich erschaffen hat.22 Und was unsere Pflicht, unseren Nächsten zu lieben, angeht, dürfen wir nicht vergessen, dass Gott uns geboten hat, auch die zu lieben, die nicht alle Gebote halten.

Wenn ihr euch eurer Identität unsicher seid, oder ein Angehöriger oder Freund betroffen ist, bitte ich euch eindringlich, sowohl das Gesetz des Evangeliums als auch die Liebe und Gnade unseres Erretters und Erlösers anzuwenden. Er wird euch helfen und anleiten, wenn ihr geduldig auf seinen Pfaden wandelt. Jesus Christus, der sagte, er sei „das Licht der Welt“23, zeigt uns den Pfad, dem wir folgen müssen, um die größten Segnungen unseres himmlischen Vaters zu erlangen. Er zeigt uns ihn mithilfe der heiligen Schriften, mithilfe seiner Propheten und mithilfe persönlicher Offenbarung. Er liebt uns und wird uns führen, wenn wir uns bemühen, ihm auch dahin zu folgen, wohin er uns führt.

IV.

Ein verwandtes und häufiger aufkommendes Thema ist das Gefühl, sich zu jemandem von eigenen Geschlecht romantisch hingezogen zu fühlen. Solange diese Anziehung nicht ausgelebt wird, ist sie natürlich keine Sünde. Aber wie gehen wir damit um, wenn wir oder andere solche Gefühle haben?

Mein erster Rat ist folgender: Denkt daran, dass unser Vater im Himmel uns liebt, wie unterschiedlich wir in der Vielfalt seiner Schöpfungen auch sein mögen. In seinem vollkommenen Plan des Glücklichseins gibt es für alle einen Platz. Wir zeigen unsere Liebe zu ihm, indem wir seine Gebote halten. Dazu gehört, seine Kinder zu lieben.

Wenn man selbst oder jemand in der Familie solche Gefühle hat, sollte man vorsichtig damit sein, ein Etikett dafür zu finden. Präsident Russell M. Nelson hat letztes Jahr in der weltweiten Andacht darüber gesprochen. Er erklärte, dass Etiketten immer einschränken, weil sie spalten und beschränken, was wir von uns selbst und von anderen halten. Dementsprechend sagte er: Keine Bezeichnung sollte „diese drei dauerhaften wie ‚Kind Gottes‘, ‚Kind des Bundes‘ und ‚Jünger Jesu Christi‘ verdrängen, ersetzen oder ihnen den Vorrang abspenstig machen“. Dann warnte er:

„Jede Bezeichnung, die mit diesen drei grundlegenden unvereinbar ist, endet für euch letztlich in Enttäuschung. Andere Etiketten werden euch letztlich ebenfalls enttäuschen, weil sie nicht die Macht haben, euch in Richtung ewiges Leben im celestialen Reich zu führen.“24

Was tatsächlich die Macht hat, uns zum ewigen Leben und zum celestialen Reich zu führen, sind die Bündnisse, die wir eingehen. Dazu hat Präsident Nelson ebenfalls erst letztes Jahr gesagt:

„Sobald wir einen Bund mit Gott geschlossen haben, wird unsere Beziehung zu ihm sehr viel enger als zuvor. Jetzt sind wir aneinander gebunden. Aufgrund unseres Bundes mit ihm wird Gott nie müde, uns zu helfen, und seine barmherzige Geduld mit uns erschöpft sich niemals. Im Herzen Gottes hat jeder von uns einen ganz besonderen Platz.“25

Und dann hat Präsident Nelson uns vor nur wenigen Monaten erneut daran erinnert, „dass das Schließen und Halten von Bündnissen das Leben eigentlich viel leichter macht“! Jeder, der Bündnisse schließt, „kann vermehrt auf die Macht Jesu Christi zugreifen“26.

Zu der inneren Stärke, die mit dem Halten der Bündnisse einhergeht, kommt die wunderbare Aufforderung unseres Erretters, dass wir inmitten der Herausforderungen des Erdenlebens guten Mutes sein sollen.27

Vor ein paar Monaten hat Elder Jeffrey R. Holland uns in einer weltweiten Andacht daran erinnert, dass Jesus diese Aufforderung am Abend vor seiner Kreuzigung aussprach. Wie konnte er angesichts all der Qualen, die ihm bevorstanden, davon sprechen, guten Mutes zu sein? Elder Holland hat erklärt:

„Selbst in der schicksalsschweren Stimmung, die beim letzten Abendmahl geherrscht haben muss, erinnert Christus seine Jünger noch an den Grund, weshalb sie guten Mutes sein sollen. [Siehe Johannes 16:33.] …

Gewiss beruht diese Kundgebung seines Glaubens, seiner Hoffnung und seiner Nächstenliebe darauf, dass er das Ende der Geschichte kennt. Er weiß, dass bei der Endabrechnung die Rechtschaffenheit siegen wird. Er weiß, dass das Licht stets die Finsternis bezwingt, und zwar für immer und immer.“28

Kristen, möchtest du zum Schluss dieser wunderbaren Gruppe noch etwas sagen?

Schwester Oaks: Alles, was wir hier gesagt haben, kann uns Segnungen bringen. Wir alle kennen die Geschichte, als die Kinder Israel in der Wüste von Giftschlangen angegriffen werden. Doch heute Abend ist dies auch eure Geschichte. Wie Gott befohlen hatte, machte Mose einen Stab, der unseren Erretter Jesus Christus symbolisierte. Dann rief Mose alle auf, aufzuschauen, damit sie von ihren Wunden geheilt würden.

Ähnlich wie die Israeliten werden wir heute für einige Glaubensansichten angegriffen, die uns heilig sind. Ich fordere auch euch auf, auf Gott zu schauen und zu leben. Schaut auf die Worte, die heute Abend gesprochen wurden, auf die Worte unserer Propheten, auf die heiligen Schriften, auf den Erlösungsplan und auf euren Patriarchalischen Segen. Betet, und der Herr wird mit euch sein. Das heißt nicht, dass uns nie etwas zustoßen wird, aber es heißt, dass wir nicht allein sein werden. Wir werden auf unserem Weg geführt und vor dem Bösen um uns herum beschützt. Es heißt, wir werden die Wahrheit kennen und uns am Geist erfreuen. Ich lade euch ein, auf Gott zu schauen und zu leben.

V.

Präsident Oaks: Wir haben über den Erlösungsplan gesprochen – über alle drei Akte, die offenbart wurden – und insbesondere über den Zweck dieses Erdenlebens.

Wir haben über die Bedeutung von Ehe und Kindern und den rechten Zeitpunkt dafür gesprochen.

Wir haben erklärt, dass wir uns eifrig bemühen müssen, Jesus Christus zu kennen, seine Liebe zu spüren, und Glauben zu haben an ihn und seine liebevollen Anleitung entlang des Wegs der Bündnisse hin zu unserer ewigen Bestimmung.

Wir haben über die beiden wichtigsten Gebote gesprochen: Gott zu lieben und unseren Nächsten zu lieben. Und haben erklärt, dass beide befolgt werden müssen.

Mögen wir trotz all unserer Sorgen, während wir uns unseren Herausforderungen stellen, guten Mutes sein, weil Jesus Christus die Welt überwunden hat. Auch uns kann das gelingen. Denkt daran: Der Plan unseres Vaters ist ein Plan des Glücklichseins.

Ich lege Zeugnis für unseren Erretter Jesus Christus ab, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. In seinem heiligen Namen, im Namen Jesu Christi. Amen.