1990–1999
Kommt zu Christus
April 1998


Kommt zu Christus

Wir wollen zu Christus kommen, weil wir nur in ihm und durch ihn zum Vater zurückkehren können.

Wenn die Osterzeit naht, freuen wir uns, wie schon das ganze Jahr über, über die bedeutsamste Aufforderung, die je an die Menschheit ergangen ist, die Aufforderung nämlich, zu Christus zu kommen. Sie gilt für uns alle. überall in den heiligen Schriften findet sich diese herrliche Aufforderung, die in dem folgenden Lied so wundervoll zum Ausdruck kommt:

„Kommet zu Jesus aus allen Landen,

von nah und fern versammelt euch hier;

denn allen Menschen, die Gottes Kinder,

rufet er zu: Kommt zu mir!’“

Alle sind wir eingeladen, denn er liebt uns und weiß, daß wir ihn brauchen. Er kann uns helfen und uns heilen. Er versteht uns aufgrund seiner eigenen Erfahrungen. In den heiligen Schriften steht: „Und er wird hingehen und Schmerzen und Bedrängnisse und Versuchungen jeder Art leiden; … damit er … wisse, wie er seinem Volk beistehen könne gemäß dessen Schwäche.“ (Alma 7:11,12.) Wir wollen zu Christus kommen, weil wir nur in ihm und durch ihn zum Vater zurückkehren können.

Vor vielen Jahren habe ich etwas ganz Einfaches erlebt, was ich nie vergessen werde, weil es mich an die Mission des Erretters erinnert. Es ist nur ein kleiner Vorfall aus dem Leben meiner Kinder, aber er steckt doch voll Bedeutung. Unsere Zwillinge waren damals etwa fünf Jahre alt. Sie lernten gerade radfahren. Ich schaute aus dem Fenster und sah die beiden ziemlich schnell die Straße hinunterfahren. Wahrscheinlich waren sie für ihr Können ein bißchen zu schnell, denn Adam hatte plötzlich einen schrecklichen Unfall. Er und sein Fahrrad bildeten ein unentwirrbares Knäuel, worin ich nur noch die Lenkstange und die Reifen sowie zwei Arme und zwei Beine erkennen konnte. Sein Zwillingsbruder Aaron sah das alles; er hielt an und sprang vom Fahrrad. Er warf das Fahrrad einfach hin und rannte, um seinem Bruder zu helfen, den er sehr liebte. Die Zwillinge waren wirklich ein Herz und eine Seele. Wenn einer litt, litt der andere mit ihm. Wenn man den einen kitzelte, lachten beide. Wenn einer einen Satz begann, konnte ihn der andere zu Ende führen. Was einer fühlte, fühlte auch der andere. Aaron tat es also sehr weh, seinen Bruder Adam fallen zu sehen. Adam war ziemlich übel zugerichtet. Seine Knie waren aufgeschürft, er blutete am Kopf, sein Ego war angekratzt, und er weinte. Auf eine für einen Fünfjährigen recht sanfte Weise befreite Aaron seinen Bruder, sah sich die Wunden an und versuchte etwas sehr Liebes. Er hob seinen Bruder auf und versuchte, ihn nach Hause zu tragen. Das war nicht einfach, denn die beiden waren ja gleich groß, aber er bemühte sich. So mühte er sich ab, halb trug, halb zerrte er ihn, und endlich waren sie zu Hause. Der verletzte Adam hatte inzwischen aufgehört zu weinen, dafür weinte aber Aaron, der ihm geholfen hatte. Auf die Frage: „Aaron, weshalb weinst du denn?“ entgegnete er: „Weil Adam sich wehgetan hat.“ Deshalb hatte er ihn nach Hause gebracht, wo ihm jemand helfen konnte, der sich auskannte, jemand, der wußte, was getan werden mußte, der seine Wunden säubern und verbinden und ihm wirklich helfen konnte. Er brachte ihn nach Hause, wo er geliebt wurde.

So wie ein Zwillingsbruder dem anderen beigestanden hat, so kann der geliebte Erretter Jesus Christus uns alle emporheben, helfen und gelegentlich auch tragen. Er empfindet das, was wir empfinden; er weiß, was in uns vorgeht. Sein Auftrag lautete ja, uns die Tränen abzuwischen, unsere Wunden zu reinigen und uns durch seine heilende Macht zu segnen. Er kann uns durch die Macht seiner unvergleichlichen Liebe nach Hause zum himmlischen Vater tragen.

Der Herr hat gewiß Freude daran, wenn wir als seine Kinder einander beistehen, einander auf dem Weg unterstützen und einander näher zu Christus bringen. Er hat gelehrt: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25:40.) Er möchte, daß wir „mit den Trauernden … trauern, ja, und diejenigen trösten, die Trost brauchen,“ (Mosia 18:9) und daß wir „einander in Liebe“ dienen (siehe Galater 5:13).

In dem Lied von Susan Evans McCloud kommt dies so schön zum Ausdruck:

„O mein Heiland, dich zu lieben,

dir zu folgen wünsch ich mir;

dich durch keine Sünd betrüben,

sondern treulich dienen dir.

Ich will meinem Nächsten dienen,

heilend, tröstend bei ihm sein;

wenn er mutlos wird und müde,

neue Hoffnung ihm verleihn.

Ich will meinen Nächsten lieben,

wahrhaft, so wie du mich liebst,

weiß ich doch, daß du zum Dienen

Kraft mir und Erleuchtung gibst.“

Liebe Brüder und Schwestern, diese Zeilen bringen zum Ausdruck, was ich voll Demut tief im Herzen empfinde, wo ich doch jetzt mit Freude darangehe, den Auftrag des himmlischen Vaters zu erfüllen und für die Jungen Damen seiner Kirche dazusein. Ich bete ständig darum, daß ich, die ich ihm willig dienen möchte, im Herrn Kraft und Erleuchtung finden möge.

Die Aufgabe jeder Jungen Dame ist es ­ und unser sehnlichster Wunsch ist es, den Jungen Damen dabei behilflich zu sein ­ geistig zu wachsen und ihrer Familie zu helfen, sich dafür bereit zu machen, zu Christus zu kommen. Viele von ihnen machen das schon ganz gut. Als wir beispielsweise einige Junge Damen gefragt haben, was ihnen an der Abendmahlsversammlung gefällt, sagte eine: „Das Abendmahl, denn es erinnert mich an Jesus und was er alles für mich getan hat.“ Eine andere hat gesagt: „Ich gehe nie mit leeren Herzen aus der Abendmahlsversammlung, und ich nehme gern das Abendmahl.“ Als sie gefragt wurden, ob sie beten, sagten viele: „Morgens und abends.“

Diese Jungen Damen sind ihren Mitmenschen ein Segen. Ich möchte Ihnen aus einem Brief vorlesen, den jemand geschrieben hat, der durch solch liebevolles Dienen gesegnet worden ist?

„Die Jungen Damen [meiner Gemeinde] haben mir buchstäblich das Leben gerettet. Ich war ein junger Bischof, erst 29 Jahre alt, und Vater von vier hübschen kleinen Mädchen, wovon die Jüngste noch ein Baby war, als der himmlische Vater meine Frau von der Erde abberief. Ich setzte mich mit meinen kleinen Mädchen zusammen und fragte sie, welche Auswirkungen das nun auf sie haben würde. Die sechsjährige Emily, die älteste der vier, wollte unter anderem wissen: Wer macht mir jetzt die Haare, wenn wir in die Kirche gehen, wer kämmt mich und tut die Haarbänder und Haarspangen in mein Haar?’ Eine gute Frage ­ auch für mich. Ja, wer denn? Ich war von dem Gedanken beseelt, daß unser Leben so normal’ wie möglich weitergehen solle ­ woraus sich ergab, daß ich eine ganz neue Lebensweise erlernen mußte. Ich war ihr Vater, und ich war der einzige Elternteil, den sie hatten. Mir wurde klar, daß mir die mütterlichen Fertigkeiten fehlten, die ich brauchte. Ich bat die Jungen Damen in der Gemeinde, mir zumindest beizubringen, wie ich meinen Töchtern bei der Haarpflege behilflich sein konnte. Sie kamen mehrmals zu mir nach Hause und zeigten mir, wie ich es machen sollte. Sie zeigten mir sogar, wie ich meinem sechs Monate alten Baby ohne allzu große Schwierigkeiten die Haare waschen sollte. Als ich den Kurs’ abgeschlossen hatte, konnte ich meinen Töchtern ohne viel Aufwand eine flotte Frisur machen. Aber diese Mädchen haben mir mehr vermittelt als bloß eine Fertigkeit. Sie haben mir das Selbstvertrauen gegeben, meine vier Töchter als Vater zu lieben, zu umsorgen und für sie dazusein, egal wie mein weiteres Leben verlief.“ Danke, Bruder Michael Marston, für Ihren lieben Brief.

Ich bete darum, daß die Eltern dieser kostbaren Mädchen immer dankbar sind für ihre Treuhandschaft, nämlich ihre Töchter in Liebe zu führen. Mögen die JD-Führerinnen verstehen, daß ihre Aufgabe von ewiger Bedeutung ist. Und möge jede Junge Dame erkennen, wie gesegnet sie ist, weil sie eine Tochter des himmlischen Vaters ist, der sie sehr liebt und möchte, daß sie erfolgreich ist!

Ich möchte zum Schluß meiner Dankbarkeit Ausdruck verleihen: Ich bin dankbar für meine Eltern, denn unser Zuhause war erfüllt von jener Liebe, die Christus gelehrt hat; ich bin dankbar, daß ich an der Seite meines lieben Mannes Stephen stehen darf, wodurch ich immer gesegnet und vorbereitet und unterstützt worden bin, und ich bin dankbar für die kostbaren Kinder, deren ständige liebevolle Unterstützung uns inspiriert, uns Freude bereitet und uns oft den Weg weist.

Ich bezeuge, daß wir, wenn wir die Einladung annehmen, zu Christus zu kommen, erkennen werden, daß er alle Wunden heilen kann. Er kann uns die Bürde abnehmen und sie für uns tragen, und wir können das Gefühl haben, daß wir „auf ewig von den Armen seiner Liebe“ umfangen sind (siehe 2 Nephi 1:15). Im Namen Jesu Christi, amen.