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Zion in Missouri


Viertes Kapitel

Zion in Missouri

Die Anfänge in Missouri

Während die Heiligen bemüht waren, in Kirtland das Gottesreich aufzubauen, hatten viele Mitglieder der Kirche im Kreis Jackson in Missouri schwer zu kämpfen.

Als der Ruf ergangen war, sich in Kirtland zu sammeln, hatten viele Heilige in Colesville, New York, bereitwillig ihr Zuhause verlassen (siehe Seite 18). Sie kamen Mitte Mai 1831 in Ohio an und mußten feststellen, daß das Land, das für sie vorgesehen war, nicht zur Verfügung stand. Der Prophet Joseph Smith brachte die Sorgen dieser Heiligen im Gebet vor den Herrn. Kurz zuvor war Joseph offenbart worden, daß er, Sidney Rigdon und 28 weitere Älteste in Missouri eine Mission erfüllen sollten. Der Herr wies Joseph an, daß die Heiligen aus Colesville auch „in das Land Missouri“ (LuB 54:8) reisen sollten. Sie wurden die ersten Heiligen, die sich in dem Land niederließen, das später als Zion bekannt wurde.

Newel Knight, der Präsident des Zweiges Colesville, sammelte sofort die Mitglieder seines Zweiges. Emily Coburn berichtete: „Wir waren richtige Pilger, die aufgebrochen waren, ein besseres Land zu suchen.“1 In Wellsville, Ohio, gingen sie an Bord eines Dampfschiffes und fuhren über den Ohio, den Mississippi und den Missouri in den Kreis Jackson, Missouri. Der Kapitän des Dampfschiffes sagte über die Heiligen, daß sie „die friedlichsten und ruhigsten Emigranten waren, die [er] bisher nach Westen gebracht hatte. Kein Fluchen, keine schlechte Sprache, kein Glücksspiel und kein Alkohol.“2

Der Prophet und andere Kirchenführer eilten den Heiligen aus Colesville auf dem Landweg voraus, um Vorkehrungen zu treffen, damit sich die Heiligen im Kreis Jackson niederlassen konnten. Die Gruppe des Propheten erreichte Independence, Missouri, am 14. Juli 1831. Sie besichtigten das Land und beteten um Weisung vom Herrn. Der Prophet sagte: „[Der Herr] tat sich mir kund, und zeigte mir und anderen die genaue Stelle, von der aus das Sammlungswerk beginnen soll, und wo eine heilige Stadt, die Zion heißen wird, erbaut werden soll.“3

In dieser Offenbarung wurde gesagt, daß Missouri der Ort sei, den der Herr für die Sammlung der Heiligen vorgesehen habe, und daß „der Ort, der jetzt Independence genannt wird, [das] Zentrum [ist]; und der Platz für den Tempel ist westlich davon, auf einem Grundstück nicht weit vom Amtsgebäude“ (LuB 57:3). Die Heiligen sollten das ganze Land westlich der Stadt kaufen – bis an die Linie, die den Staat Missouri vom Territorium der Indianer trennte (siehe LuB 57:1–5).

Joseph Smith und Bischof Partridge kauften für die Mitglieder des Zweiges Colesville Land in der Gemeinde Kaw, die etwa 18 Kilometer westlich von Independence liegt. Am 2. August 1831, nach der Ankunft der Heiligen aus Colesville, wurde eine feierliche Zeremonie vollzogen, die voller Symbole war. Zwölf Männer, die die zwölf Stämme Israels darstellten, trugen einen frisch geschlagenen Eichenstamm und legten ihn über einen Stein, den Oliver Cowdery gesetzt hatte. So legten sie das sybolische Fundament für die Errichtung Zions. Nach diesem bescheidenen Beginn errichteten die Heiligen ein Gebäude, das als Kirche und Schule benutzt wurde.4

Am darauffolgenden Tag versammelten sich einige Brüder an einer höhergelegenen Stelle, die etwa einen Kilometer westlich vom Amtsgebäude in Independence gelegen war. Der Prophet Joseph Smith legte den Grundstein für den geplanten Tempel und weihte ihn im Namen des Herrn. Das Haus des Herrn sollte der Mittelpunkt des Landes Zion sein.5

Der Prophet kehrte nach Kirtland zurück. Von Bischof Edward Partridge erhielt jeder Heilige im Kreis Jackson ein Stück Land zugewiesen. Die Leute waren sehr arm und hatten nicht einmal Zelte, um sich während der Zeit, in der sie ihre Holzhütten bauten, vor den Unbilden des Wetters zu schützen. Auch hatten sie nur wenige Geräte, um das Land zu bearbeiten. Also reisten Gruppen in das 300 Kilometer östlich gelegene St. Louis und besorgten die benötigten Geräte. Als die Heiligen auf diese Weise ausgerüstet waren, begannen sie, das Land für die Aussaat und Anpflanzung vorzubereiten. Emily Coburn war sehr beeindruckt von dem, was sie sah, und sie berichtete: „Es war wirklich ein seltsamer Anblick. Vier, fünf Ochsen pflügten das Land. Zäune und andere Verbesserungen wurden rasch erstellt. So schnell es die Zeit und das Geld und die Arbeitskraft zuließen, wurden Hütten gebaut und für die Familien hergerichtet.“6

Das Leben am Rand der Wildnis war zwar beschwerlich, aber die Heiligen aus Colesville blieben fröhlich und guten Mutes. Parley P. Pratt, der sich bei ihnen niedergelassen hatte, sagte: „Wir erlebten in unseren Gebetsversammlungen und in unseren anderen Versammlungen glückliche Stunden, und der Geist des Herrn wurde über uns ausgegossen. Selbst unsere kleinen Kinder, die nur acht, zehn, zwölf Jahre alt waren, sprachen, beteten und prophezeiten in unseren Versammlungen und in den Familienandachten. In dieser kleinen Kirche in der Wildnis herrschten Frieden und Einigkeit, Liebe und Güte. Die Erinnerung daran wird mir immer sehr kostbar sein.“7

Im April 1832 freuten sich die Heiligen, als der Prophet und Sidney Rigdon zum zweiten Mal zu Besuch kamen. Die beiden hatten gerade auf der Farm von John Johnson in Hiram, Ohio, wo sie an der Übersetzung der Bibel gearbeitet hatten, Schlimmes erlebt. Joseph war eines Nachts von einer Gruppe von Feinden der Kirche aus dem Haus gezerrt, gewürgt, entkleidet, geteert und gefedert worden. Sidney Ridgon war an den Fersen gegriffen und über gefrorenen rauhen Boden gezerrt worden, wobei er sich schwere Kopfverletzungen zugezogen hatte.

Nach den Mißhandlungen waren sie nun unter Freunden und in Sicherheit. Joseph sagte, daß ihm „ein Willkommen zuteil wurde, wie es nur unter Brüdern und Schwestern möglich ist, die eines Glaubens und einer Taufe sind und die von demselben Herrn getragen werden. Besonders die Heiligen aus Colesville freuten sich so, wie die Heiligen vor alters sich mit Paulus gefreut haben. Es ist gut, sich mit dem Volk Gottes zu freuen.“8

Die Verfolgung im Kreis Jackson

Bischof Partridge kaufte, so wie es der Herr geboten hatte, im Kreis Jackson Hunderte Morgen Land, das für die vielen Heiligen bestimmt war, die aus Ohio und anderen Gebieten übersiedelten. Für diese Mitglieder gründeten die Führer zunächst die folgenden Zweige: Independence, Colesville, Whitmer, Big Blue und Prairie. Bis Ende 1833 wurden zehn Zweige gegründet.9 Als im April 1833 der dritte Jahrestag der Gründung der Kirche gefeiert wurde, versammelten sich über 1000 Heilige am Ufer des Big Blue River. Newel Knight sagte, daß diese Versammlung die erste Feier dieser Art in Zion war und daß die Heiligen fröhlich waren. Newel beobachtete aber auch: „Wenn die Heiligen sich freuen, ärgert sich der Teufel, und die Kinder und Diener des Teufels haben am Geist des Teufels Anteil.“10

Noch im April setzte die Verfolgung ein. Zunächst erklärten die Einheimischen den Heiligen, der Zuzug so vieler Heiliger der Letzten Tage werde nicht gern gesehen, denn man befürchtete, daß die Heiligen bei den Wahlen bald die Mehrheit bekommen würden. Die Heiligen stammten hauptsächlich aus den Nordstaaten und waren mehrheitlich gegen die Versklavung der Neger. Die Sklaverei war in Missouri damals noch gesetzlich erlaubt. Es beunruhigte die Einheimischen, daß die Heiligen an das Buch Mormon als heilige Schrift glaubten, daß sie sagten, daß der Kreis Jackson einmal ihr Zion sein werde, und daß sie behaupteten, sie würden von einen Propheten geführt. Die Heiligen wurden auch deshalb von den Einheimischen verdächtigt, weil man ihnen vorwarf, sie hätten Kontakte zu den Indianern.

Von den Gegnern der Kirche wurde ein Rundbrief, der auch als Geheimverfassung bezeichnet wurde, in Umlauf gebracht. Durch diesen Brief versuchte man Unterschriften von denjenigen zu bekommen, die bereit waren, die „Mormonengeißel“ auszumerzen. Am 20. Juli 1833 erreichten die Feindseligkeiten ihren Höhepunkt, als über 400 Männer am Amtsgebäude in Independence zusammenkamen, um ihr weiteres Vorgehen zu besprechen. Den Kirchenführern wurden Schreiben vorgelegt, in denen verlangt wurde, daß die Heiligen den Kreis Jackson verlassen sollten; die Heiligen sollten ihre Zeitung, The Evening and Morning Star, nicht mehr drucken dürfen, und weiteren Mitgliedern sei der Zuzug in den Kreis Jackson zu verwehren. Als sich die Kirchenführer diesen ungesetzlichen Forderungen nicht beugen wollten, griffen die Männer das Büro der Zeitung an, das zum Wohnhaus von William W. Phelps gehörte. Die Angreifer stahlen die Druckerpresse und zerstörten das Gebäude.

Das Buch der Gebote wird vernichtet

Das Buch der Gebote war das wichtigste Buch, das in der Zeitungsdruckerei gedruckt wurde. Es war die erste Zusammenstellung der Offenbarungen, die der Prophet Joseph Smith empfangen hatte. Als die Männer das Gebäude angriffen, warfen sie die ungebundenen Seiten des Buches auf die Straße. Dabei wurden sie von zwei jungen Heiligen der Letzten Tage beobachtet, Mary Elizabeth Rollins und ihrer Schwester Caroline, die unter dem Einsatz ihres Lebens zu retten versuchten, was zu retten war. Mary Elizabeth berichtet:

„Die Männer brachten große Papierbögen nach draußen und sagten: ‚Hier sind die Mormonengebote.‘ Meine Schwester Caroline und ich saßen an einer Zaunecke und beobachteten sie. Als die Männer von den Geboten sprachen, wollte ich einige davon holen. Meine Schwester sagte, wenn ich einige Bögen holte, würde sie mitkommen, aber sie meinte: ‚Sie werden uns umbringen.‘“ Während die Männer am anderen Ende des Gebäudes beschäftigt waren, rannten die beiden Mädchen los und sammelten die wertvollen Bögen auf. Die Männer entdeckten dies und befahlen den Mädchen, damit aufzuhören. Mary Elizabeth berichtet: „Wir rannten, so schnell wir konnten. Zwei von ihnen verfolgten uns. Wir fanden ein Loch im Zaun, liefen in ein großes Maisfeld, legten die Bögen auf den Boden und uns schützend darüber. Das Getreide war fünf bis sechs Fuß hoch und stand sehr dicht; die Männer suchten uns angestrengt. Sie kamen uns zwar sehr nahe, aber sie fanden uns nicht.“

Als die Schurken fort waren, machten sich die Mädchen auf den Weg zu einem alten Stall. Hier sahen sie, so berichtet Mary Elizabeth, wie „Schwester Phelps mit ihren Kindern Strauchwerk in den Stall trug und es an einer Wand des Stalls als Bett herrichtete. Sie fragte mich, was ich bei mir trüge – ich sagte es ihr. Sie nahm die Bögen an sich. … Aus den Bögen wurden kleine Bücher gebunden, und ich erhielt eins davon. Dieses Buch ist mir sehr kostbar.“11

Bischof Partridge wird geteert und gefedert

Als nächstes griffen sich die Männer Bischof Edward Partridge und Charles Allen. Die beiden wurden zum öffentlichen Platz von Independence gebracht, und man befahl ihnen, das Buch Mormon zu widerrufen und die Gegend zu verlassen. Bischof Partridge sagte: „Ich erklärte ihnen, die Heiligen seien zu allen Zeiten verfolgt worden und ich hätte nichts getan, was bei irgend jemandem von ihnen Anstoß erregen könnte; falls sie Hand an mich legten, so mißhandelten sie einen unschuldigen Menschen und ich sei bereit, um Christi willen zu leiden, sei aber jetzt nicht bereit, wegzuziehen.“

Nach diesen Worten wurden beide bis auf die Unterwäsche entkleidet und geteert und gefedert. Bischof Partridge berichtet: „Ich ertrug die Mißhandlung mit solcher Ergebenheit und Demut, daß die Menge erstaunt schien. Die Leute ließen es zu, daß ich mich still entfernte, und viele sahen sehr ergriffen aus, und ich glaube, daß ihr Mitgefühl angesprochen worden war. Ich selbst war so sehr vom Geist und von der Liebe Gottes erfüllt, daß ich weder für meine Peiniger noch für irgend jemanden sonst Haß empfand.“12

Die Schlacht am Big Blue River

Der Mob kehrte am 23. Juli zurück. Die Führer der Kirche boten sich als Geiseln an, wenn dadurch die Mitglieder verschont blieben. Aber die Männer drohten, die ganze Kirche zu vernichten, und sie zwangen den Brüdern die Zusage ab, daß alle Heiligen der Letzten Tage die Gegend verließen. Weil der Mob gegen das Gesetz und die Verfassung der Vereinigten Staaten und des Staates Missouri verstieß, suchten die Kirchenführer Unterstützung beim Gouverneur des Staates Missouri, Daniel Dunklin. Er klärte die Brüder über ihre Bürgerrechte auf und empfahl ihnen, rechtlichen Beistand zu suchen. Alexander W. Doniphan und andere wurden beauftragt, die Mitglieder der Kirche juristisch zu vertreten. Dies brachte den Mob noch mehr auf.

Zunächst versuchten die Heiligen noch, direkte Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die Mißhandlungen und der Vandalismus gipfelten dann aber in einem Kampf, der am Big Blue River ausgetragen wurde. Zwei Männer aus dem Mob wurden getötet, und die Heiligen verloren Andrew Barber. Philo Dibble wurde dreimal in den Bauch geschossen. Newel Knight wurde gebeten, ihm einen Krankensegen zu geben, der wunderbare Folgen haben sollte. Bruder Dibble berichtet:

„Bruder Newel Knight sah nach mir und setzte sich an mein Bett. … Ich spürte, wie der Geist über meinem Kopf ruhte, noch bevor die Hände von Bruder Knight mich berührten, und ich wußte in demselben Augenblick, daß ich geheilt werden würde. … Ich erhob mich sofort und verlor drei Liter Blut oder noch mehr. Darin befanden sich einige Stoffreste, die mit den Kugeln in meinen Körper gelangt waren. Dann zog ich mich an und ging nach draußen. … Seitdem habe ich keinen Tropfen Blut mehr verloren und auch nicht den geringsten Schmerz oder Unannehmlichkeiten wegen meiner Wunden gespürt, außer daß ich wegen des Blutverlusts etwas geschwächt war.“13

Gouverneur Dunklin griff ein und wies Oberst Thomas Pitcher an, beide Seiten zu entwaffnen. Die Symapthien Oberst Pitchers gehörten aber dem Mob, und er nahm den Heiligen die Waffen ab und gab sie dem Mob. Die wehrlosen Heiligen wurden angegriffen, und ihre Häuser wurden zerstört. Die Männer suchten in den Wäldern Schutz oder wurden mißhandelt. Zum Schluß riefen die Kirchenführer die Mitglieder auf, ihre Habseligkeiten zu sammeln und aus dem Kreis Jackson zu fliehen.

Zuflucht im Kreis Clay

Die Mehrzahl der Heiligen überquerte Ende 1833 den Missouri nordwärts, um in den Kreis Clay zu gelangen, wo sie vorübergehend Zuflucht fanden. Parley P. Pratt berichtet darüber:

„Dort, wo die Fähre an beiden Ufern anlegt, begannen Männer, Frauen und Kinder mit Gütern, Wagen, Kisten, Vorräten usw. die Ufer zu säumen, während die Fähre beständig hin- und herfuhr; und als die Nacht über uns hereinbrach, sah das Pappelwäldchen wie ein Zeltlager aus. Hunderte lagerten in jeder Richtung, einige in Zelten, andere im Freien um ihr Feuer, und der Regen strömte herab. Männer suchten nach ihrer Frau, Frauen nach ihrem Mann, Eltern nach ihren Kindern, Kinder nach ihren Eltern. Einige hatten Glück gehabt und konnten zusammen mit ihrer Familie, ihrem Haushalt und ihren Vorräten fliehen, während andere nicht einmal um das Schicksal ihrer Freunde wußten und all ihre Habe verloren hatten. Der Anblick … hätte jedem Menschen das Herz erweicht, nur nicht unseren Unterdrückern und dem blinden und ignoranten Gemeinwesen.“14

So wurde den Heiligen vorübergehend die Möglichkeit genommen, im Kreis Jackson Zion zu errichten und dort ihrem Gott einen Tempel zu bauen. Rund 1200 Heilige unternahmen nun alles Notwendige, um den ungastlichen Winter am Fluß im Kreis Clay zu überleben. Einige nahmen Zuflucht in Wagenaufbauten, Zelten oder ausgehobenen Erdlöchern am Hügel, während andere in verlassene Hütten zogen. Newel Knight überstand den Winter in einem Indianer-Wigwam.

Eines der ersten Gebäude, das die Heiligen im Kreis Clay errichteten, war ein kleines Blockhaus, in dem sie sich zum Gottesdienst versammelten. Hier „vergaßen sie nicht, dem allmächtigen Gott dafür zu danken, daß er sie aus den Händen ihrer niederträchtigen Feinde befreit hatte, und sie baten ihn um seine schützende Fürsorge für die Zukunft – daß er den Menschen, zu denen sie geflohen waren, das Herz erweichen möge und daß sie etwas fänden, um sich selbst zu versorgen.“15

Die Verfolgung des Zionslagers

Wie im dritten Kapitel geschildert hatte der Herr Joseph Smith geboten, mit einer Gruppe von Männern von Kirtland nach Missouri zu marschieren, um den Heiligen zu helfen, die von ihrem Land im Kreis Jackson vertrieben worden waren. Als das Zionslager in den letzten Junitagen 1834 im östlichen Kreis Clay ankam, lief ein Pöbelhaufen von mehr als 300 Einwohnern zusammen, um sie in Empfang zu nehmen und das Zionslager zu vernichten. Auf Weisung des Propheten Joseph begannen die Brüder, am Zusammenfluß des Little Fishing River und des Big Fishing River ein Lager zu errichten.

Der Mob griff mit Kanonen an, aber der Herr war mit den Heiligen. Am Himmel zogen sich rasch Wolken zusammen. Der Prophet schilderte das Geschehen: „Es begann zu regnen und zu hageln. … Der Sturm war gewaltig; Wind und Regen, Hagel und Donner brachen mit Macht über sie herein und nahmen ihnen den schrecklichen Mut und machten ihre Absicht zunichte, ‚Joe Smith und seine Armee zu töten‘… Sie krochen unter die Wagen, in hohle Bäume, drängten sich in eine alte Hütte usw., bis der Sturm sich legte und ihre Munition durchweicht war.“ Nachdem der Sturm die ganze Nacht gewütet hatte, zog sich diese „‚verlorene Hoffnung‘ nach Independence zurück, um sich dort mit der Hauptgruppe des Mobs zu vereinigen. Sie wollten, wenn Jehova kämpft, lieber nicht dabei sein. … Es schien, daß vom Gott der Schlachten der Auftrag zur Vergeltung ausgegangen war, damit seine Diener vor der Vernichtung durch ihre Feinde geschützt waren.“16

Als es offensichtlich wurde, daß ein Heer des Mobs gegen die Heiligen aufgestellt war und daß Gouverneur Dunklin sein Versprechen, den Heiligen zu helfen, nicht hielt, betete der Prophet zum Herrn um Weisung. Der Herr erklärte ihm, die Umstände ließen es nicht zu, daß Zion jetzt erlöst werde. Die Heiligen müßten noch viel tun, um sich für die Errichtung Zions bereit zu machen. Viele hatten noch nicht gelernt, den Forderungen des Herrn zu gehorchen: „Und Zion kann nicht anders erbaut werden als nur nach den Grundsätzen des Gesetzes des celestialen Reiches; andernfalls kann ich es nicht zu mir nehmen. Und mein Volk muß notwendigerweise gezüchtigt werden, bis es Gehorsam lernt – wenn es sein muß, durch das, was es leidet.“ (LuB 105:5,6.)

Der Herr wies an, daß das Zionslager seine militärischen Ziele nicht weiter verfolgen solle: „Im Hinblick auf die Übertretungen meines Volkes ist es mir darum ratsam, daß meine Ältesten eine kurze Zeit auf die Erlösung Zions warten, damit sie selbst sich bereitmachen können und damit mein Volk noch vollkommener belehrt werde.“ (LuB 105:9,10.) Die Brüder des Zionslagers wurden ehrenhaft entlassen, und der Prophet kehrte nach Kirtland zurück.

Der Hauptsitz der Kirche in Far West

Die Mehrzahl der Heiligen aus Missouri blieb bis 1836 im Kreis Clay. Dann wurden sie von den Einwohnern des Kreises an ihr Versprechen erinnert, nur so lange zu bleiben, bis sie in den Kreis Jackson zurückkehren konnten. Da dies nun nicht mehr möglich war, wurden die Heiligen aufgefordert zu gehen. Rechtlich waren sie nicht dazu verpflichtet, aber um Auseinandersetzungen zu vermeiden, zogen sie wieder fort. Durch das Bemühen ihres Freundes im Parlament von Missouri, Alexander W. Doniphan, entstanden im Dezember 1836 aus dem Kreis Ray zwei neue Kreise, Caldwell und Daviess. Den Heiligen wurde es gestattet, etwa 90 Kilometer nördlich vom Kreis Clay ihre Stadt Far West zu gründen, die Sitz des Kreises Caldwell sein sollte. Die maßgeblichen Beamten des Kreises waren Heilige der Letzten Tage, und viele glaubten, die Verfolgungen seien nun zu Ende.

Im März 1838 kam der Prophet Joseph Smith nach einer schwierigen Reise von Kirtland her in Far West an und etablierte dort den Hauptsitz der Kirche. Im Mai reiste er nach Norden in den Kreis Daviess. Als er den Grand River besuchte, erkannte er prophetisch das Gebiet als Adam-ondi-Ahman, den „Ort, an dem Adam sein Volk besuchen wird“ (LuB 116:1).17 Adam-ondi-Ahman wurde das wichtigste Gemeinwesen der Heiligen im Kreis Daviess. Am 4. Juli 1838 wurden in Far West die Ecksteine für einen Tempel geweiht, und die Heiligen glaubten, daß sie nun von ihren Feinden verschont bleiben würden.

Die Schlacht am Crooked River

Trotzdem setzte die Verfolgung bald wieder ein. Am 6. August 1838 verhinderte eine Gruppe von 100 Leuten in Gallatin im Kreis Daviess daß die Heiligen bei der Wahl ihre Stimme abgaben. Daraus entstand ein Handgemenge, in dem mehrere Menschen verletzt wurden. Die wachsende Unruhe, die durch den Mob in den Kreisen Caldwell und Daviess geschürt wurde, zwang Gouverneur Lilburn W. Boggs, die Staatsmiliz in das Gebiet zu entsenden, um den Frieden zu wahren.

Hauptmann Samuel W. Bogart, ein Offizier der Staatsmiliz, war in Wirklichkeit ein Verbündeter des Mobs. Er löste einen Konflikt aus, indem er drei Heilige der Letzten Tage entführen und in sein Lager am Crooked River im Nordwesten des Kreises Ray bringen ließ. Eine Gruppe der Mormonenmiliz wurde entsandt, die Männer zu befreien. Am 25. Oktober 1838 kam es zur erbitterten Schlacht. Hauptmann David W.Patten, einer der zwölf Apostel, führte die Gruppe an und war einer derjenigen, die in der Schlacht tödlich verletzt wurden. Seine Frau, Phoebe Ann Patten, Joseph und Hyrum Smith sowie Heber C. Kimball reisten aus Far West heran, um David Patten vor seinem Tod noch zu sehen.

Heber sagte über David Patten: „Die Grundsätze des Evangeliums, die ihm bisher so kostbar gewesen waren, schenkten ihm nun in der Stunde seines Dahinscheidens Unterstützung und Trost, und dem Tod wurden der Stachel und Schrecken genommen.“ Der Sterbende sprach mit denjenigen, die an sein Sterbebett gekommen waren, über einige Heilige, die nicht mehr standhaft, sondern abgefallen waren, und er rief: „‚O daß sie doch in meiner Lage wären! Denn ich spüre, daß ich dem Glauben treu geblieben bin.‘ Dann sagte er zu Phoebe Ann: ‚Was immer du auch tust – verleugne nie den Glauben.‘ Kurz bevor er starb, betete er: ‚Vater, ich bitte dich im Namen Jesu Christi, befrei meinen Geist und nimm ihn zu dir.‘“ Dann bat er die Umstehenden: „Brüder, ihr habt mich durch euren Glauben getragen, nun laßt mich los und laßt mich gehen, ich bitte euch.“ Bruder Kimball sagte: „Wir übergaben ihn also Gott, und bald tat er den letzten Atemzug und entschlief, ohne zu klagen, in Jesus.“18

Die Armee von Hauptmann Samuel Bogart verhielt sich nicht wie die Staatsmiliz, sondern mehr wie der Mob. Dennoch benutzte Gouverneur Lilburn W. Boggs den Tod eines Soldaten, der in der Schlacht am Crooked River gefallen war, und andere Berichte dazu, seinen unrühmlichen „Ausrottungsbefehl“ zu erlassen. Dieser Befehl vom 27. Oktober 1838 besagte unter anderem: „Die Mormonen müssen als Feinde behandelt werden und müssen, falls dies notwendig ist, um des öffentlichen Friedens willen aus dem Staat vertrieben oder ausgelöscht werden – ihre Untaten spotten jeder Beschreibung.“19 Ein Offizier der Miliz wurde damit beauftragt, den Befehl des Gouverneurs auszuführen.

Das Massaker bei Haun’s Mill

Am 30. Oktober 1838, drei Tage nachdem der Ausrottungsbefehl erlassen worden war, fielen 200 Männer in einem Überraschungsangriff über die kleine Siedlung der Heiligen bei Haun’s Mill am Shoal Creek im Kreis Caldwell her. Die Angreifer riefen die Männer, die sich retten wollten, in betrügerischer Absicht auf, in die Schmiede zu kommen. Dann umstellten die Angreifer das Gebäude und schossen so lange hinein, bis sie glaubten, daß alle im Haus tot waren. Andere wurden bei dem Versuch zu fliehen erschossen. Insgesamt wurden 17 Männer und Jungen erschossen und 15 verwundet.

Nach dem Massaker kam Amanda Smith zur Schmiede und fand ihren Mann Warren und ihren Sohn Sardius tot vor. Inmitten des Schreckens freute sie sich, daß ihr zweiter Sohn, Alma, der schwer verwundet worden war, noch lebte. Mit einer Muskete war ihm die Hüfte weggeschossen worden. Die meisten Männer waren tot oder verwundet. Amanda kniete nieder und flehte zum Herrn um Hilfe:

„‚Oh, himmlischer Vater‘, rief ich, ‚was soll ich tun? Du siehst meinen armen verwundeten Sohn und weißt, daß ich mich nicht auskenne. Oh, himmlischer Vater, leite mich, damit ich weiß, was ich tun soll!‘“ Sie berichtete, daß sie dann angeleitet wurde, als ob eine Stimme zu ihr sprach. Sie sollte aus Asche eine Lauge mischen und die Wunde reinigen. Dann fertigte sie aus Ulmenrinde einen Breiumschlag an, mit dem sie die Wunde füllte. Am nächsten Tag goß sie eine Flasche Balsam in die Wunde.

Amanda sagte zu ihrem Sohn: „‚Alma, mein Kind, … glaubst du, daß der Herr deine Hüfte geschaffen hat?‘

‚Ja, Mutter.‘

‚Dann kann doch der Herr anstelle deiner Hüfte auch etwas anderes wachsen lassen, glaubst du nicht, Alma?‘

‚Glaubst du, daß der Herr das kann, Mutter?‘ fragte das Kind schlicht.

‚Ja, mein Sohn‘, erwiderte ich, ‚er hat mir alles in einer Vision gezeigt.‘

Dann drehte ich ihn so, daß er bequem auf dem Bauch lag, und sagte: ‚Jetzt bleibst du so liegen und bewegst dich nicht, dann wird der Herr dir eine neue Hüfte machen.‘

Alma lag fünf Wochen lang auf dem Bauch, bis er ganz gesund war – anstelle des fehlenden Gelenks und der Gelenkpfanne war beweglicher Knorpel gewachsen.“20

Amanda und andere mußten selbst dafür sorgen, daß ihre Angehörigen beerdigt wurden. Nur wenige arbeitsfähige Männer waren übriggeblieben, unter ihnen Joseph Young, der Bruder Brigham Youngs. Weil man befürchtete, daß der Mob zurückkam, blieb keine Zeit, Gräber auszuheben. Die Leichen wurden in ein Massengrab, einen ausgetrockneten Brunnen, geworfen. Joseph Young half, den Körper des kleinen Sardius zu tragen, aber „er konnte den Jungen nicht in das schreckliche Grab werfen“. Er hatte auf der Reise nach Missouri mit dem „interessanten Jungen“ gespielt, und sein Tod ging ihm so nahe, daß er diese Aufgabe nicht erfüllen konnte. Amanda wickelte Sardius in ein Laken. Am nächsten Tag half ihr ihr Sohn Willard, den Leichnam in den Brunnen zu legen. Dann wurden Erde und Stroh hinabgeworfen, die den schrecklichen Anblick zudeckten.21

Der zwanzigjährige Benjamin F. Johnson entging in Adam-ondi-Ahman einem ähnlichen Schicksal, als ein Bürger von Missouri ihn erschießen wollte. Benjamin war gefangengenommen und acht Tage lang bei offenem Feuer und sehr kaltem Wetter bewacht worden. Während er auf einem Baumstamm saß, kam einer der Rohlinge mit einem Gewehr in der Hand auf ihn zu und sagte: „Schwör dem Mormonismus sofort ab, oder ich erschieße dich.“ Benjamin lehnte entschieden ab, worauf der Übeltäter anlegte und abdrückte. Das Gewehr versagte den Dienst. Der Mann fluchte entsetzlich und bemerkte, „er habe das Gewehr seit 20 Jahren benutzt und es habe noch nie versagt“. Er untersuchte das Schloß, verfluchte die Waffe, zielte erneut und drückte ab – ohne Erfolg.

Dann versuchte er es ein drittes Mal mit demselben Ergebnis. Ein Zuschauer riet dem Mann: „Reparier dein Gewehr doch mal, dann kannst du den Kerl erschießen.“ So bereitete der Möchtegern-Mörder die Waffe ein viertes und letztes Mal vor und lud sogar nach. Benjamin beschrieb die Szene: „Dieses Mal explodierte die Waffe und tötete den Schuft auf der Stelle.“ Einer der anwesenden Missourianer sagte: „Diesen Mann versucht man besser nicht zu töten.“22

Der Prophet im Gefängnis

Nicht lange nach dem Massaker bei Haun’s Mill wurden Joseph Smith und weitere Führer der Kirche von der Staatsmiliz gefangengenommen. Ein Kriegsgericht wurde abgehalten, und der Prophet und seine Leute wurden zum Tode verurteilt. Am nächsten Morgen sollte das Urteil auf dem Marktplatz von Far West durch Erschießen vollzogen werden. General Alexander W. Doniphan, der der Miliz angehörte, weigerte sich, den Erschießungsbefehl auszuführen und nannte das Urteil „kaltblütigen Mord“. Er warnte den General, der die Staatsmiliz führte, davor, diesen Männern weiter nach dem Leben zu trachten. Er werde ihn sonst „vor einem irdischen Gericht zur Verantwortung ziehen, so wahr ihm Gott helfe“.23

Der Prophet und die anderen wurden zunächst nach Independence gebracht und von dort nach Richmond im Kreis Ray, wo sie im Gefängnis auf ihren Prozeß warteten. Parley P. Pratt war einer der Männer, die bei dem Propheten waren. Er berichtete, daß die Wachen eines Abends die Gefangenen reizen wollten, indem sie mit ihren Greueltaten, mit Vergewaltigung, Mord und Raub, die sie unter den Heiligen der Letzten Tage begangen hatten, prahlten. Parley wußte, daß der Prophet neben ihm wach lag, und berichtete, daß Joseph plötzlich aufstand und die Wachen mit Macht zurechtwies:

„‚RUHE, ihr Teufel aus der Hölle. Im Namen Jesu Christi weise ich euch zurecht und befehle euch: Schweigt! Ich werde keine Minute länger leben und diese Sprache ertragen. Hört auf damit, sonst werdet ihr oder ich AUF DER STELLE tot umfallen!’

Er verstummte. Er stand aufrecht in furchtbarer Majestät. Gekettet und ohne Waffen; ruhig, unerschüttert und würdevoll wie ein Engel blickte er die eingeschüchterten Wachen an, die die Waffen niederlegten beziehungsweise zu Boden fallen ließen; ihnen schlotterten die Knie; und sie zogen sich in eine Ecke zurück oder hockten sich zu seinen Füßen, baten um Verzeihung und blieben bis zur Wachablösung ruhig.“

Parley schrieb weiter: „Ich habe schon versucht, mir Könige und ihren Hofstaat vorzustellen, Throne und Kronen, Kaiser, die über das Schicksal von Reichen bestimmen; aber Würde und Majestät habe ich nur einmal gesehen, in Ketten, zur Mitternacht, in einem Verlies in einem unbekannten Dorf in Missouri.“24

Nachdem die Beweisaufnahme abgeschlossen war, wurden Joseph und Hyrum Smith, Sidney Rigdon, Lyman Wight, Caleb Baldwin und Alexander McRae in das Gefängnis zu Liberty im Kreis Clay gebracht, wo sie am 1. Dezember 1838 ankamen. Der Prophet beschrieb die Situation: „Wir werden Tag und Nacht streng bewacht und befinden uns in einem Gefängnis mit doppelten Wänden und Türen, unserer Gewissensfreiheit beraubt; wir haben nur wenig zu essen. … Wir sind gezwungen, auf dem Boden, der mit Stroh bedeckt ist, zu schlafen, und wir haben nicht genügend Decken, um uns zu wärmen. … Die Richter haben uns von Zeit zu Zeit feierlich mitgeteilt, daß sie wissen, daß wir unschuldig sind und freigelassen werden sollten, aber sie wagen es nicht, uns Recht geschehen zu lassen, weil sie den Mob fürchten.“25

Der Auszug nach Illinois

Während der Prophet im Gefängnis saß, überquerten mehr als 8000 Heilige den Missouri ostwärts nach Illinois, um dem Ausrottungsbefehl zu entgegen. Sie waren gezwungen, im kältesten Winter aufzubrechen. Brigham Young, der Präsident der zwölf Apostel, führte die Heiligen an und gab ihnen jede erdenkliche Hilfe, trotzdem litten sie sehr. Die Familie von John Hammer gehörte zu denen, die Zuflucht suchten. John berichtet über diese schwierige Zeit:

„Ich erinnere mich noch gut an die Leiden und Beschwernisse jener Tage. … Unsere Familie besaß nur einen Wagen und ein blindes Pferd – mehr Zugtiere hatten wir nicht – und das eine blinde Pferd mußte unsere Habe in den Staat Illinois transportieren. Mit einem Bruder, der zwei Pferde besaß, tauschten wir unseren Wagen gegen einen leichten Wagen, der von nur einem Pferd gezogen werden konnte, und so war beiden Familien geholfen. In diesem kleinen Wagen verstauten wir unsere Kleidung, Bettzeug, etwas Maismehl und die paar Vorräte, die wir zusammenbrachten. Dann begannen wir unsere Reise zu Fuß durch die Kälte und durch den Frost. Wir aßen und schliefen am Wegesrand mit dem Himmelszelt als Zudecke. Der beißende Frost in den Nächten und der schneidende Wind waren nicht halb so schlimm und mitleidslos wie die Dämonen in Menschengestalt, vor deren Zorn wir flohen. … Unsere Familie, so wie viele andere, war so gut wie barfuß, und einige wickelten sich Stoffreste um die Füße, damit sie vor dem Frost und dem gefrorenen Boden geschützt waren. Dies war aber nur ein ungenügender Schutz, und oft hinterließen unsere Füße auf dem gefrorenen Boden eine blutige Spur. Meine Mutter und meine Schwester waren die einzigen in unserer Familie, die Schuhe besaßen, aber noch bevor wir die gastfreundlichen Ufer von Illinois erreichten, waren die Schuhe abgelaufen und so gut wie nutzlos.“26

Der Prophet mußte im Gefängnis bleiben und konnte nicht helfen, als sein Volk aus dem Bundesstaat vertrieben wurde. Mit welcher Seelenqual er zum Herrn flehte, geht aus Abschnitt 121 von Lehre und Bündnisse hervor:

„ O Gott, wo bist du? Und wo ist das Gezelt, das deine Verborgenheit bedeckt?

Wie lange noch wird deine Hand sich zurückhalten und dein Auge, ja, dein reines Auge vom ewigen Himmel her das Unrecht erblicken, das deinem Volk und deinen Knechten widerfährt, und dein Ohr von ihrem Schreien durchdrungen werden?“ (LuB 121:1,2.)

Der Herr antwortete mit den tröstenden Worten: „Mein Sohn, Frieden deiner Seele! Dein Ungemach und deine Bedrängnisse sollen nur einen kleinen Augenblick dauern,

und dann, wenn du sie gut bestehst, wird Gott dich hoch erhöhen; du wirst über alle deine Feinde triumphieren.

Deine Freunde stehen doch zu dir, und sie werden dich wieder willkommen heißen, mit warmem Herzen und freundlicher Hand.“ (LuB 121:7–9.)

Im April 1839 erfüllten sich die Worte des Herrn buchstäblich. Nachdem die Gefangenen sechs Monate gesetzwidrig gefangengehalten worden waren, brachte man sie wegen eines Wechsels der zuständigen Gerichtsbarkeit zunächst nach Gallatin im Kreis Daviess in Missouri und dann nach Columbia im Kreis Boone. Sheriff William Morgan hatte aber die Anweisung, „sie unter keinen Umständen in den Kreis Boone zu bringen“. Eine oder mehrere einflußreiche Personen hatten entschieden, daß die Gefangenen die Möglichkeit bekommen sollten zu fliehen. Vielleicht wollte man auf diese Weise die öffentliche Bloßstellung umgehen, die unvermeidlich gewesen wäre, wenn die Gefangenen vor Gericht gestellt worden wären und man keinen Anklagegrund gegen sie gehabt hätte. Die Gefangenen bekamen die Möglichkeit, zwei Pferde zu kaufen und ihren Wachen zu entkommen. Hyrum Smith sagte: „Wir nutzen den Wechsel der zuständigen Gerichtsbarkeit und gelangten in den Bundesstaat Illinois, und nach neun, zehn Tagen kamen wir ohne Schaden in Quincy im Kreis Adams an. Wir fanden unsere Familien in Armut, aber bei guter Gesundheit vor.“27 Sie wurden „mit warmem Herzen und freundlicher Hand“ willkommengeheißen.

Wilford Woodruff sagte über das Wiedersehen mit dem Propheten: „Ich durfte Bruder Joseph wieder die Hand reichen. … Er begrüßte uns voller Freude. … Wie gewöhnlich war er direkt, offen und herzlich, und wir freuten uns sehr. Nur wer um des Evangeliums willen gelitten hat, kann verstehen, welche Freude ein solches Wiedersehen mit sich bringt.“28 Der Herr hatte seinen Propheten und die Kirche auf wundersame Weise bewahrt. Das neuzeitliche Israel begann, sich erneut zu sammeln. An diesem Ort lagen neue Möglichkeiten und neue Bündnisse vor ihnen.

Anmerkungen

  1. Emily M. Austin, Mormonism; or, Life Among the Mormons (1882), 63.

  2. Emily M. Austin, Mormonism, 64.

  3. Joseph Smith, Latter Day Saints’ Messenger and Advocate, Sep. 1835, 179.

  4. Larry C.Porter, „The Colesville Branch in Kaw Township, Jackson County, Missouri, 1831 to 1833“, Regional Studies in Latter-day Saint Church History: Missouri, Hg. Arnold K. Garr and Clark V. Johnson (1994), 286f.

  5. History of the Church, 1:199.

  6. Emily M. Austin, Mormonism, 67.

  7. Autobiography of Parley P. Pratt, Hg. Parley P. Pratt jun. (1938), 72.

  8. History of the Church, 1:269.

  9. Far West Record, Hg. Donald Q. Cannon and Lyndon W. Cook (1983), 65.

  10. „Newel Knight’s Journal“, Scraps of Biography (1883), 75.

  11. Mary Elizabeth Rollins Lightner, Utah Genealogical and Historical Magazine, Juli 1926, 196.

  12. History of the Church, 1:391.

  13. „Philo Dibble’s Narrative“, Early Scenes in Church History (1882), 84f.

  14. Autobiography of Parley P. Pratt, 102.

  15. „Newel Knight’s Journal“, Scraps of Biography, 85.

  16. Andrew Jenson, The Historical Record (1888), 7:586.

  17. LuB 116:1; siehe auch LuB 107:53–57; History of the Church, 3:34f.

  18. Orson F. Whitney, Life of Heber C. Kimball, 3. Aufl. (1945), 213f.

  19. Leland Homer Gentry, „A History of the Latter-day Saints in Northern Missouri from 1836 to 1839“, (Ph.D. diss., Brigham Young University, 1965), 419.

  20. Amanda Barnes Smith, zitiert in Edward W. Tullidge, Women of Mormondom (1877), 124, 128.

  21. Amanda Barnes Smith, zitiert in Tullidge, Women of Mormondom, 126.

  22. E. Dale LeBaron, „Benjamin Franklin Johnson: Colonizer, Public Servant and Church Leader“ (master’s thesis, Brigham Young University, 1966), 42f.

  23. Leland Homer Gentry, „A History of the Latter-day Saints in Northern Missouri“, 518.

  24. Autobiography of Parley P. Pratt, 211.

  25. „Copy of a Letter from J. Smith to Mr. Galland“, Times and Seasons, Feb. 1840, 52.

  26. Lyman Omer Littlefield, Reminiscences of Latter-day Saints (1888), 72f.

  27. History of the Church, 3:423.

  28. Matthias F. Cowley, Wilford Woodruff (1909), 102.