2021
Jesus Christus kennt den Schmerz derer, die unter Diskriminierung zu leiden haben
September 2021


Jesus Christus kennt den Schmerz derer, die unter Diskriminierung zu leiden haben

Die Verfasserin lebt in der Provinz Gauteng in Südafrika.

Mir liegt daran, die Menschen so zu sehen, wie der Erretter sie sehen würde

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people gathered on the Rome Italy Temple grounds

Bei den Tagen der offenen Tür des Rom-Tempels fanden sich Mitglieder und Freunde bei der Christus-Statue ein, wie ein Blick durch das Fenster des Besucherzentrums zeigt

An die zwanzig Jahre lang erlebe ich nunmehr schon Ausgrenzung oder Diskriminierung in der einen oder anderen Form.

Nachdem ich mich in Mosambik der Kirche angeschlossen hatte, zog ich nach Südafrika, einem wunderschönen Land und eines der wohlhabendsten Länder Afrikas. Die Diversität der Bürger und die so mannigfaltigen Kulturen unterstreichen Südafrikas Schönheit zusätzlich.

Das Land trägt allerdings immer noch die Narben seiner durch die Rassentrennung getrübten Geschichte. Obwohl die Apartheid 1994 offiziell abgeschafft wurde, sind Auswirkungen jenes früheren behördlich verfügten Rassismus noch vorhanden.

Als schwarze Mosambikanerin, die der Kirche angehört und seit achtzehn Jahren in Südafrika lebt, muss ich mich mit Diskriminierung und Ausgrenzung verschiedenster Art auseinandersetzen. Oft zeigt sie sich als Mikroaggression. Rassismus, Klassen- und Stammesdenken, Sexismus und Fremdenfeindlichkeit sind nur einige Beispiele der Segregation, die in der Gesellschaft immer noch herrscht. Es scheint, der Mensch neige von Natur aus dazu, die Gesellschaft spalten und uns glauben machen zu wollen, Anderssein sei schlecht.

Was wir zu tun versuchen

Sind Mitglieder der Kirche für diese Denkweise empfänglich? Auf jeden Fall. In unserem lebenslangen Bemühen, durch das Sühnopfer Christi Heilige zu werden, müssen wir alle den natürlichen Menschen ablegen (siehe Mosia 3:19).

Wann immer meine Kinder und ich uns ausgegrenzt, übersehen, in eine Schublade gesteckt oder als Kuriosität betrachtet fühlen, sprechen wir zuhause darüber. Wir sagen dann: „Was ist da gerade passiert? Schauen wir uns das mal genauer an. Lasst uns darüber sprechen, warum sich Menschen so verhalten.“ Wenn wir über die Situation sprechen, hilft uns das, Gefühle nicht zu verhärten.

Ich versuche meinen Kindern beizubringen, dass unsere innere Größe dadurch bestimmt wird, wie wir jene behandeln, die von der Gesellschaft ins Abseits gedrängt oder geächtet werden (siehe Matthäus 25:40). Das kann auch bedeuten, dass wir nach Möglichkeiten suchen, auf andere zuzugehen, statt sie auszuschließen.

Ich möchte so sein wie Jesus

So schmerzlich derartige Erfahrungen mitunter auch sind: Die Lektionen, die wir daraus lernen, machen meine Kinder zu besseren Menschen. Und mich auch. Unsere Enttäuschungen haben uns geholfen, Mitgefühl und Empathie zu entwickeln.

Ich kann wählen, wie ich auf Diskriminierung reagiere. Werde ich verbittert und rachsüchtig oder bin ich gewillt, dem Betreffenden nicht nur eine zweite Chance, sondern auch eine dritte oder vierte zu geben? Sehe ich die Welt, in der wir leben, als einen grässlichen Ort – oder bin ich darin jemand, der positive Veränderungen vorantreibt?

Auch der Erlöser hatte aufgrund seiner Persönlichkeit, seines Glaubens und seiner Herkunft mit Vorurteilen zu tun (siehe Johannes 1:46). Doch er reagierte nicht mit Gewalt, Wut, Bitterkeit oder Hass. Er sprach sich vielmehr gegen eine solche Denk- und Verhaltensweise aus und handelte liebevoll und im Dienste der Wahrheit. Er lehrte, dass Macht und Einfluss auf überzeugender Rede, Langmut, Milde, Sanftmut und Liebe basieren (siehe Lehre und Bündnisse 121:41). Er lehrte, dass wir mit unserem Bruder, der uns gekränkt hat, das Vorgefallene gemeinsam besprechen und aus dem Weg räumen sollen (siehe Matthäus 18:15). Er lehrte uns, für die zu beten, die uns verfolgen (siehe Matthäus 5:44). Und als er zu Unrecht zum Tod verurteilt und gekreuzigt wurde, lehrte er uns, zu vergeben (siehe Lukas 23:34).

Letztlich ist es die Liebe Jesu, die uns und die Welt verändern wird (siehe 2 Nephi 26:24).

Ich versuche es weiterhin

Ich bin nicht vollkommen. Ich vergebe nicht immer sofort, nachdem mich jemand gekränkt hat. Dafür brauche ich Zeit – Zeit zur Heilung, und ich brauche den Heiligen Geist, der auf mich einwirkt. Manchmal folge ich seinen Eingebungen nicht sofort, sondern entscheide ich mich dafür, beleidigt zu sein. Aber wenn ich für die Stimme des Geistes offen bin, arbeitet er geduldig mit mir, bis ich in der Lage bin zu verstehen, was der Vater im Himmel in dieser Situation von mir erwartet.

Mir liegt daran, die Menschen wirklich so zu sehen, wie der Erretter sie sehen würde. Um dazu fähig zu sein, müssen wir zu der Einsicht bereit sein, dass wir nicht alle Antworten haben. Wenn wir es schaffen zu sagen: „Ich bin nicht vollkommen. Ich habe noch viel zu lernen. Was kann ich also aus der Perspektive des anderen lernen?“ – genau dann sind wir imstande, wirklich zu hören. Genau dann sind wir imstande, wirklich zu sehen.

Es hilft mir, daran zu denken, dass ich zu einem bestimmten Zweck hier bin. Die Prüfungen des Lebens sind nur vorübergehend – ein notwendiger Teil des Erdenlebens –, und ich gehe diesen Weg nicht allein. Was auch geschieht, ich möchte so sein wie Jesus und mich anstrengen! Wenn wir uns anstrengen, ergreifen wir die Initiative. Nach einem Fehlschlag können wir es erneut versuchen.