2003
Der richtige Zeitpunkt
Oktober 2003


Der richtige Zeitpunkt

Bei allen wichtigen Entscheidungen des Lebens kommt es in erster Linie darauf an, dass man das Richtige tut. Fast ebenso wichtig ist es, das Richtige zur richtigen Zeit zu tun.

Vor vielen Jahren hörte ich bei der Amtseinführung eines Universitätspräsidenten eine Geschichte, die aufzeigt, wie wichtig der richtige Zeitpunkt ist. Ein Universitätspräsident war am Ende seiner Dienstzeit angekommen und ein anderer nahm seinen Dienst auf. Wohlwollend händigte der kluge scheidende Präsident seinem jungen Nachfolger drei verschlossene Umschläge aus. „Bewahren Sie sie auf, bis Sie in Ihrer Amtszeit die erste Krise erleben“, erklärte er. „Öffnen Sie dann den ersten, er enthält einen wertvollen Rat.“

Es dauerte ein Jahr, bis der neue Präsident die erste Krise erlebte. Als er den ersten Umschlag öffnete, fand er ein einziges Blatt Papier, auf dem geschrieben stand: „Geben Sie Ihrem Vorgänger die Schuld.“ Er befolgte den Rat und überstand die Krise.

Zwei Jahre später wurde seine Führung wieder in Frage gestellt. Er öffnete den zweiten Umschlag und las: „Strukturieren Sie die Verwaltung um.“ Das tat er, und die Umstrukturierung ließ die Kritiker verstummen und festigte seine Position.

Viele Jahre später erlebte der inzwischen erfahrene Präsident die dritte größere Krise. Gespannt öffnete er den letzten Umschlag und erwartete den Rat, der seine Probleme lösen konnte. Wieder fand er nur ein einziges Blatt Papier, doch diesmal stand darauf: „Bereiten Sie drei Umschläge vor.“ Es war Zeit für einen Führungswechsel.

Wenn es heißt, es komme auf den richtigen Zeitpunkt an, dann ist daran etwas Wahres. Wir lesen in Kohelet:

„Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit:

eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen, …

eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz; …

eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, die Umarmung zu lösen, …

eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden.“ (Kohelet 3:1,2,4,5,7.)

Bei allen wichtigen Entscheidungen des Lebens kommt es in erster Linie darauf an, das Richtige zu tun. Fast ebenso wichtig ist es, das Richtige zur richtigen Zeit zu tun. Wer das Richtige zur falschen Zeit tut, kann enttäuscht werden und ist nicht effektiv. Vielleicht ist er sogar unsicher, ob er überhaupt das Richtige getan hat, obwohl doch nur der Zeitpunkt falsch war.

Der Zeitplan des Herrn

Wenn ich über den richtigen Zeitpunkt spreche, möchte ich zuerst deutlich machen, dass der Herr seinen eigenen Zeitplan hat. „Meine Worte sind sicher und werden nicht vergehen“, erklärte der Herr den ersten Ältesten dieser Evangeliumszeit. „Aber“, fuhr er fort, „alles muss zu seiner Zeit geschehen.“ (LuB 64:31,32.)

Der erste Grundsatz des Evangeliums ist der Glaube an den Herrn Jesus Christus. Glaube bedeutet Vertrauen – auf Gottes Willen zu vertrauen, auf seine Vorgehensweise und auf seinen Zeitplan. Wir dürfen nicht versuchen, ihm unseren Zeitplan aufzudrängen. Wie Elder Neal A. Maxwell vom Kollegium der Zwölf Apostel gesagt hat:

„Für uns geht es darum, Gott genug zu vertrauen, um auch seinem Zeitplan zu vertrauen. Wenn wir wirklich glauben können, dass ihm unser Wohlergehen am Herzen liegt, können wir dann nicht auch zulassen, dass sich seine Pläne so entwickeln, wie er es für richtig hält? Das gilt für das Zweite Kommen, aber auch für alle Belange, wo unser Glaube auch den Glauben an den Zeitplan des Herrn für unser Leben, nicht nur für seine allgemeinen Pläne und Absichten, einschließen muss.“1

Wir können wirklich keinen wahren Glauben an den Herrn haben, ohne auch seinem Willen und seinem Zeitplan völlig zu vertrauen.

In unserem Dienst in der Kirche des Herrn dürfen wir nicht vergessen, dass das Wann genauso wichtig ist wie das Wer , das Was , das Wo und das Wie .

Wie wichtig der richtige Zeitpunkt ist, wird deutlich, wenn wir das irdische Wirken des Herrn und seine späteren Anweisungen an seine Apostel betrachten. Während seines Lebens auf der Erde wies der Herr die zwölf Apostel an, nicht den Heiden zu predigen, sondern „den verlorenen Schafen des Hauses Israel“ (Matthäus 10:6; siehe auch Matthäus 10:5; 15:22-26). Dann, zum richtigen Zeitpunkt, erhielt der Apostel Petrus in einer bedeutenden Offenbarung die genau entgegengesetzte Anweisung. Erst dann, genau zu der Zeit, die der Herr bestimmte, wurde das Evangelium den Heiden gebracht. (Siehe Apostelgeschichte 10 und 11.)

Wie dieses Beispiel zeigt, ist fortdauernde Offenbarung das Mittel, wodurch der Herr seinen Zeitplan verwirklicht. Wir brauchen diese offenbarte Weisung. Beispielsweise werden viele unserer Nachkommen zweifellos an der Erfüllung der Prophezeiungen über den Bau der Stadt Neu-Jerusalem mitwirken (siehe LuB 84:2-4). Doch hier gilt der Zeitplan des Herrn, nicht unserer. Es wird uns nicht erlaubt sein, für dieses große Projekt den Boden zu bereiten oder das Fundament zu legen, bis der Herr sagt, die Zeit sei nun da. Hier, wie bei vielen anderen Angele-genheiten, geht der Herr zu seiner Zeit und auf seine Weise vor.

Wir bereiten den Weg, wie der Herr es bestimmt hat. Wir halten uns bereit, um zu der vom Herrn bestimmten Zeit handeln zu können. Er wird uns sagen, wann es Zeit ist, den nächsten Schritt zu tun. Bis dahin konzentrieren wir uns einfach auf die Aufgaben, die uns für heute aufgetragen worden sind. Dabei denken wir an die Zusicherung des Herrn: „Ich werde mein Werk in seiner Zeit beschleunigen.“ (LuB 88:73.)

Menschen, die kontinuierliche Offenbarung nicht annehmen, geraten manchmal in Schwierigkeiten, weil sie etwas zu früh, zu spät oder zu lange tun. Die Ausübung der Mehrehe ist ein Beispiel dafür.

Wie wichtig der richtige Zeitpunkt ist, zeigt sich auch in den Gesetzen des Herrn, in denen es um unsere Ernährung geht. Die Israeliten hatten vom Herrn Anweisungen in Bezug auf ihre Ernährung erhalten. Viel später hat uns der Herr wegen der „Frevel und bösen Absichten“, die in diesen „letzten Tagen“ vorhanden sind (siehe LuB 89:4), das Wort der Weisheit gegeben, das den Umständen unserer Zeit angepasst ist und auch die verheißenen Segnungen enthält, die wir heute brauchen.

Der Zeitplan des Herrn spielt auch bei den wichtigen Ereignissen unseres Lebens eine Rolle. In einer bedeutenden Schriftstelle in Lehre und Bündnisse heißt es, dass wir eine bestimmte geistige Erfahrung „zu der von ihm bestimmten Zeit“ und „auf seine Weise und gemäß seinem eigenen Willen“ machen (LuB 88:68). Dieser Grundsatz bezieht sich auf Offenbarung2und auf alle wichtigen Ereignisse des Lebens: Geburt, Ehe, Tod und selbst einen Umzug von einem Ort zum anderen.

Es reicht nicht aus, in die richtige Richtung zu gehen. Der Zeitpunkt muss richtig sein, und wenn die Zeit noch nicht da ist, sollten wir unser Tun an den Zeitplan des Herrn anpassen, wie er von seinen Knechten offenbart wird.

Vor ein paar Jahren kündigte Präsident Gordon B. Hinckley den Bau einer großen Anzahl neuer Tempel an, wodurch die Zahl der in Betrieb befindlichen Tempel der Kirche in wenigen Jahren verdoppelt wurde, von etwa 50 auf etwa 100. Zusätzliche Tempel zu bauen, war schon immer ein Ziel gewesen, aber dass so plötzlich so viele Tempel für die Kirche und ihre Mitglieder gebaut wurden, hätte niemand vorantreiben können, solange der Prophet des Herrn nicht das Startsignal dazu gegeben hatte. Nur der Prophet des Herrn konnte der Kirche das Zeichen dafür geben, die Anzahl der in Betrieb befindlichen Tempel innerhalb weniger Jahre zu verdoppeln.

In meiner Konferenzansprache vom Oktober 2001 führte ich ein weiteres Beispiel an, nämlich wie wichtig es ist, dass wir uns bei denen, die wir für die Evangeliumsbotschaft interessieren möchten, an den Zeitplan des Herrn halten.3Die Verkündigung des Evangeliums ist sein Werk, nicht das unsere, und deshalb muss es gemäß seinem Zeitplan getan werden, nicht gemäß unserem. Es gibt Völker, die das Evangelium hören müssen, ehe der Herr wiederkommt. Das wissen wir, aber wir können es nicht erzwingen. Wir müssen warten, bis der Herr sagt, die Zeit ist da. Er wird es uns sagen und er wird Türen öffnen oder Mauern einreißen, wenn es an der Zeit ist. Wir sollen um die Hilfe und Führung des Herrn beten, damit wir ein Werkzeug in seiner Hand sein können, um den Ländern und den Menschen das Evangelium zu verkündigen, die heute bereit sind – Menschen, denen wir heute helfen sollen. Der Herr liebt alle seine Kinder und es ist sein Wunsch, dass sie alle die Fülle seiner Wahrheit und eine Fülle seiner Segnungen haben. Er weiß, wann ganze Gruppen oder einzelne Menschen bereit sind, und er will, dass wir auf ihn hören und seinen Zeitplan beachten, um ihnen sein Evangelium zu bringen.

Die Entscheidungsfreiheit anderer

Ob wir manche wichtigen Ziele im Leben erreichen, hängt nicht allein vom Zeitplan des Herrn ab. Manches persönliche Ziel hängt auch von der Entscheidungsfreiheit anderer ab. Das wird vor allem in zwei Bereichen deutlich, die gerade für junge Erwachsene von besonderer Bedeutung sind – Taufen für einen Missionar und das Heiraten.

Im Sommer 2001 war ich mit meiner Frau in Manaus in Brasilien. Ich sprach in dieser großen Stadt am Amazonas zu etwa 100 Missionaren. Als ich aufstand, um zu sprechen, hatte ich die Eingebung, meine Notizen beiseite zu legen, die ich sonst für diese Anlässe nutze, und stattdessen über die Bedeutung des richtigen Zeitpunkts zu sprechen – mit einigen Schriftstellen und Grundsätzen, die ich hier besprochen habe.

Ich erinnerte die Missionare daran, dass einige unserer wichtigsten Pläne ohne die Entscheidungsfreiheit und das Handeln anderer nicht verwirklicht werden können. Ein Missionar kann diesen Monat nicht fünf Menschen taufen, ohne dass diese sich dafür entscheiden und entsprechend handeln. Ein Missionar kann planen und arbeiten und alles tun, was in seiner Macht steht, aber das gewünschte Ergebnis ist von der Entscheidungsfreiheit und dem Handeln anderer abhängig.

Deshalb müssen sich die Ziele eines Missionars an seiner eigenen Entscheidungsfreiheit und seinem Handeln orientieren, nicht an der Entscheidungsfreiheit und dem Handeln anderer. Aber hier möchte ich nicht darauf eingehen, was ich den Missionaren über Ziele erzählt habe. Stattdessen möchte ich aufzeigen, wo der Zeitpunkt sonst noch eine Rolle spielt und dabei auf eigene Erfahrungen eingehen.

Der Bezug zu unserem Leben

Da es vieles gibt, worauf wir keinen Einfluss haben, können wir nicht alles planen und verwirklichen, was wir uns wünschen. Es gibt viele wichtige Ereignisse, die wir nicht geplant haben, und manche davon sind uns nicht willkommen. Selbst unsere rechtschaffensten Wünsche bleiben uns vielleicht versagt oder erfüllen sich auf andere Weise oder zu einer anderen Zeit, als wir es vorgesehen hatten.

Wir können beispielsweise nicht sicher sein, dass wir so früh heiraten, wie wir es uns wünschen. Vielleicht sind wir gesegnet, zur – aus unserer Sicht – rechten Zeit zu heiraten, vielleicht aber auch nicht. Meine Frau Kristen ist ein Beispiel dafür. Sie heiratete erst viele Jahre nach ihrer Mission und nach dem Abschluss ihres Studiums.

Der Zeitpunkt unserer Heirat ist vielleicht das beste Beispiel für ein äußerst wichtiges Ereignis im Leben, das man unmöglich planen kann. Wie andere wichtige Ereignisse im Leben, die von der Entscheidungsfreiheit anderer oder dem Willen und Zeitplan des Herrn abhängen, kann eine Heirat nicht mit Sicherheit erwartet oder geplant werden. Wir können und sollen uns anstrengen und für unsere rechtschaffenen Wünsche beten, aber trotzdem werden viele noch lange über den Zeitpunkt hinaus, zu dem sie gern geheiratet hätten, allein bleiben.

Was soll man also in der Zwischenzeit tun? Der Glaube an den Herrn Jesus Christus bereitet uns auf alles vor, was das Leben bereithält. Dieser Glaube macht uns bereit, mit dem, was das Leben bringt, zurechtzukommen – die Möglichkeiten zu nutzen, die sich uns bieten, und mit der Enttäuschung über das, was uns versagt bleibt, fertig zu werden. Während wir uns in diesem Glauben üben, sollten wir festlegen, an welche Prioritäten und Grundsätze wir uns bei den Belangen halten wollen, auf die wir keinen Einfluss haben, und dann treu daran festhalten, was immer auch aufgrund der Entscheidungsfreiheit anderer oder des Zeitplans des Herrn geschieht. Das bringt eine Beständigkeit in unser Leben, die uns Führung und Frieden schenkt. Unabhängig von den Umständen, auf die wir keinen Einfluss haben, können wir beständig an unseren Grundsätzen festhalten.

Diese Selbstverpflichtung und der Dienst, den Alleinstehende leisten, können ihnen in den schwierigen Jahren, in denen sie auf die richtige Zeit und die richtige Person warten, Halt geben. Ihre Selbstverpflichtung und ihr Dienst können auch andere inspirieren und stärken. Klug sind diejenigen, die sich dazu verpflichten: Ich setze den Herrn in meinem Leben an die erste Stelle und halte seine Gebote. Jeder hat es selbst in der Hand, sich an diese Verpflichtung zu halten. Wir können dieser Verpflichtung nachkommen, unabhängig davon, wofür andere sich entscheiden, und diese Verpflichtung gibt uns Halt, ganz egal, welche Zeit der Herr für die wichtigen Ereignisse unseres Lebens vorgesehen hat.

Erkennen Sie den Unterschied zwischen der Verpflichtung zu dem, was Sie selbst tun wollen, und dem Versuch, planen zu wollen, dass man bereits verheiratet ist, wenn man das Studium beendet, oder in seiner ersten Anstellung mindestens soundso viel Geld verdient?

Wenn wir an Gott glauben und uns diesen Grundlagen verpflichtet haben, nämlich seine Gebote zu halten und ihn an die erste Stelle zu setzen, müssen wir nicht jedes Ereignis planen – nicht einmal jedes wichtige Ereignis – und wir brauchen nicht deprimiert sein oder uns abgelehnt fühlen, wenn manches – selbst manches wichtige Ereignis – nicht zu der Zeit geschieht, die wir dafür vorgesehen, erhofft oder im Gebet erfleht haben.

Verpflichten Sie sich dazu, den Herrn in Ihrem Leben an die erste Stelle zu setzen, seine Gebote zu halten und das zu tun, wozu die Knechte des Herrn Sie auffordern. Dann sind Sie auf dem Weg zum ewigen Leben. Dann spielt es keine Rolle, ob Sie als Bischof oder FHV-Leiterin berufen werden, ob Sie verheiratet oder allein stehend sind oder ob Sie morgen sterben. Sie wissen nicht, was geschehen wird. Tun Sie Ihr Bestes bei dem, was grundlegend ist und was Sie tun können, und vertrauen Sie dann auf den Herrn und seinen Zeitplan.

Das Leben nimmt oft seltsame Wendungen. Ich möchte einige persönliche Erlebnisse erzählen, die das verdeutlichen.

Als junger Mann dachte ich, ich würde eine Mission erfüllen. Ich schloss im Juni 1950 die Highschool ab. Eine Woche nach meinem Highschool-Abschluss überquerte die nordkoreanische Armee Tausende von Kilometern entfernt den 38. Breitengrad, und unser Land befand sich im Krieg. Ich war 17 Jahre alt, aber als Mitglied der Nationalgarde Utahs erhielt ich schon bald den Befehl, mich auf die Mobilmachung vorzubereiten. Plötzlich war für mich und viele andere junge Männer meiner Generation die Vollzeitmission, die wir geplant oder erhofft hatten, nicht mehr möglich.

Ein weiteres Beispiel: Nachdem ich neun Jahre lang als Präsident der Brigham-Young-Universität gedient hatte, wurde ich entlassen. Ein paar Monate später berief mich der Gouverneur des Staates Utah für zehn Jahre an das Oberste Gericht des Bundesstaats Utah. Da war ich 48 Jahre alt. Meine Frau June und ich versuchten, unser weiteres Leben zu planen. Wir wollten eine Vollzeitmission erfüllen, die wir beide nicht hatten erfüllen können. Wir gingen davon aus, dass ich zwanzig Jahre am Obersten Gericht von Utah bleiben würde. Dann, nach zweimal zehn Jahren Amtszeit, wollte ich mit knapp 69 Jahren in den Ruhestand gehen, wir wollten unsere Papiere einreichen und gemeinsam eine Mission erfüllen.

An meinem 69. Geburtstag vor zwei Jahren fiel mir jener wichtige Plan ein. Wenn alles so gekommen wäre, wie wir es geplant hatten, hätte ich die Papiere eingereicht, um mit meiner Frau June eine Mission zu erfüllen.

Vier Jahre nachdem wir jene Pläne geschmiedet hatten wurde ich ins Kollegium der Zwölf Apostel berufen – was wir uns nie hätten träumen lassen. Ich erkannte damals, dass der Herr andere Pläne und einen anderen Zeitplan hatte, als wir angenommen hatten, und ich trat als Richter am Obersten Gericht zurück. Das war jedoch nicht der einzige wichtige Unterschied. Als ich 66 Jahre alt war, starb meine Frau June an Krebs. Zwei Jahre später heiratete ich Kristen McMain, die nun als meine Partnerin für die Ewigkeit an meiner Seite steht.

Wie grundlegend anders mein Leben ist, als ich versucht hatte zu planen! Im beruflichen Bereich ist es anders. Im persönlichen Bereich ist es anders. Aber die Verpflichtung, die ich dem Herrn gegenüber eingegangen bin, nämlich ihn in meinem Leben an die erste Stelle zu setzen und bereit zu sein für alles, was er mir aufträgt, hat mich durch diese Veränderungen, die von ewiger Bedeutung sind, getragen.

An den Herrn zu glauben und ihm zu vertrauen gibt uns die Kraft, was auch immer in unserem Leben geschehen mag anzunehmen und weiter vorwärts zu gehen. Ich wusste nicht, warum ich als Antwort ein „Nein“ erhielt, als ich viele Jahre lang für die Genesung meiner Frau betete, aber der Herr gab mir ein Zeugnis, dass es sein Wille war, und er gab mir Kraft, dies anzunehmen. Zwei Jahre nach ihrem Tod begegnete ich der wunderbaren Frau, die nun meine Frau für die Ewigkeit ist. Und ich weiß, dass auch dies der Wille des Herrn war.

Ich kehre zu dem Thema zurück, mit dem ich begonnen habe. Verlassen Sie sich nicht darauf, jedes Ereignis Ihres Lebens zu planen – nicht einmal jedes wichtige Ereignis. Halten Sie sich bereit, in Belangen, die auch Sie betreffen, den Plan des Herrn und die Entscheidungsfreiheit anderer zu akzeptieren. Natürlich sollen Sie planen, aber konzentrieren Sie sich dabei auf das, wozu Sie sich selbst verpflichten können, denn das wird Sie tragen, was immer auch geschieht. Halten Sie an ewigen Grundsätzen fest, leben Sie danach, unabhängig von den Umständen und dem Verhalten anderer. Dann können Sie auf den Zeitplan des Herrn vertrauen und sich des Resultates in der Ewigkeit sicher sein.

Das wichtigste Prinzip im Zusammenhang mit dem richtigen Zeitpunkt ist die lange Sicht. Das Erdenleben ist nur ein kleiner Ausschnitt der Ewigkeit, aber wie wir uns hier verhalten – was aufgrund unseres Handelns und unserer Wünsche aus uns wird, was durch unsere Bündnisse und die heiligen Handlungen, die mit der richtigen Vollmacht an uns vollzogen werden, bestätigt wird – formt unsere Bestimmung für alle Ewigkeit. Wie der Prophet Amulek gelehrt hat: „Dieses Leben ist die Zeit, da der Mensch sich vorbereiten soll, Gott zu begegnen.“ (Alma 34:32.) Diese Tatsache sollte uns helfen, alles langfristig zu sehen – gemäß dem Zeitplan der Ewigkeit.

Ich bete, dass jeder von uns das Wort des Herrn hören und beachten möge, wie wir uns im Erdenleben verhalten sollen, und sich seinen Grundsätzen verpflichtet, sodass wir mit dem Zeitplan des himmlischen Vaters im Einklang sein können.

Nach einer Ansprache bei einer Andacht an der Brigham-Young-Universität, 29. Januar 2002.

Reden Wir Darüber

  1. Bitten Sie die Familie, darüber zu sprechen, wie anders ihr Leben verlaufen wäre, wenn sich Ereignisse wie ihre Taufe, der Umzug in eine andere Stadt oder ihre Heirat zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt zugetragen hätten. Lesen Sie abwechselnd den Abschnitt „Der Zeitplan des Herrn“ vor und erzählen Sie, warum es für Sie ein Segen war, bereit zu sein, gemäß dem Zeitplan des Herrn zu handeln.

  2. Bitten Sie jemand aus der Familie, beispielsweise einen Gegenstand aufzuheben oder etwas auf ein Blatt Papier zu schreiben. Hindern Sie ihn dann daran, diesen Auftrag auszuführen. Sprechen Sie darüber, welche Rolle die Entscheidungsfreiheit und das Verhalten anderer spielt, wenn es darum geht, unsere Ziele zu erreichen. Lesen Sie die Abschnitte „Die Entscheidungsfreiheit anderer“ und „Der Bezug zu unserem Leben“. Erzählen Sie, wie „die lange Sicht“ Ihnen oder jemand anders geholfen hat, eine rechtschaffene Entscheidung zu treffen.

Anmerkungen

  1. Even As I Am, 1982, Seite 93.

  2. Siehe Dallin H. Oaks, „Durch den Geist lehren und lernen“, Der Stern, Mai 1999, Seite 21.

  3. Siehe „Andere am Evangelium teilhaben lassen“, Liahona, Januar 2002, Seite 8f.