2003
Lehren, verkünden, heilen
Januar 2003


Lehren, verkünden, heilen

Wenn wir an Christus denken, denken wir gleich – und auch mit Recht – daran, dass er ein Lehrer war – der größte Lehrer, der je gelebt hat bzw. jemals leben wird. Das Neue Testament ist voll von seinen Lehren, seinen Aussprüchen, seinen Predigten und seinen Gleichnissen. Wie man es auch wenden mag – jede neue Seite ist ein Beweis dafür, dass er immer darauf bedacht war zu unterweisen. Doch er lehrte nicht nur, sondern tat bewusst noch etwas anderes – etwas, was seine Lehren in den richtigen Zusammenhang stellte.

Nachdem die ersten Jünger (die noch keine Apostel waren) auf den Ruf des Erretters gehört hatten, begann das Werk. Matthäus sagt dazu: „Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden.“ (Matthäus 4:23; Hervorhebung hinzugefügt.)

Lehren und verkünden – das wissen wir und hätten wir erwartet. Aber heilen – das hätten wir vielleicht nicht in diesen Zusammenhang gestellt. Doch gleich von Anfang an, von der ersten Stunde an, taucht der Begriff heilen auf, und zwar so, als ob er ein Synonym für lehren und verkünden sei. Zumindest aber fällt die enge Verwandtschaft der drei Begriffe ins Auge. Ja, im folgenden Absatz ist sogar mehr vom Heilen als vom Lehren oder Verkünden die Rede.

Matthäus fährt nämlich fort: „Und sein Ruf verbreitete sich in ganz Syrien. Man brachte Kranke mit den verschiedensten Gebrechen und Leiden zu ihm, Besessene, Mondsüchtige und Gelähmte, und er heilte sie alle.“ (Vers 24.)

Dann folgt die meisterliche Bergpredigt – sechseinhalb Seiten lang. Wahrscheinlich würde man sechseinhalb Jahre brauchen, um sie richtig zu erklären. Doch als der Erretter die Bergpredigt beendet hatte, stieg er gleich vom Berg hinunter und begann wieder zu heilen. In schneller Folge heilte er einen Aussätzigen, den Knecht des römischen Hauptmanns, die Schwiegermutter des Petrus und mehrere Personen, über die nur gesagt wird, es habe sich um „viele Besessene“ gehandelt (Matthäus 8:16). Kurz gesagt, er „heilte alle Kranken“ (Vers 16).

Die Menschentrauben, die sich um ihn drängten, ließen ihn über den See von Galiläa fliehen. Danach heilte er zwei Besessene, die in den Grabhöhlen von Gadara hausten, und kehrte dann in „seine Stadt“ (Matthäus 9:1) zurück, wo er einen Mann heilte, der gelähmt und deshalb ans Bett gefesselt war, und eine Frau, die zwölf Jahre lang an Blutungen gelitten hatte (ich finde, dies ist eine der bewegendsten und bemerkenswertesten Stellen im ganzen Neuen Testament). Außerdem erweckte er die Tochter des königlichen Beamten vom Tod.

Danach gab er zwei Blinden das Augenlicht zurück und trieb einen Dämon aus, der dem Mann, in dem er gewohnt hatte, die Sprachfähigkeit geraubt hatte. Dies ist nur eine kurze Zusammenfassung der ersten sechs Kapitel im Neuen Testament, in denen es um das Wirken Christi geht. Dann kommt der folgende Vers. Erinnert er Sie an etwas? „Jesus zog durch alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte alle Krankheiten und Leiden.“ (Matthäus 9:35; Hervorhebung hinzugefügt.)

Dies ist, von wenigen Wörtern einmal abgesehen, genau der Vers, den wir fünf Kapitel zuvor gelesen haben. Anschließend heißt es:

„Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.

Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter.

Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.“ (Vers 36–38.)

Dann rief er die Zwölf zusammen und gab ihnen einen Auftrag. „Geht“, sagte er, „zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.

Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe.

Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.“ (Matthäus 10:6–8; Hervorhebung hinzugefügt.)

Wir wissen, dass der Erretter der größte aller Lehrer ist. Er ist aber noch mehr. Und wenn er sagt, der größte Teil der Ernte liege noch vor uns und es gäbe viel zu wenig Arbeiter, dann denken wir doch sofort an die Missionare und andere, die zum Lehren berufen sind. Der Herr aber braucht eine bestimmte Art von Lehrer, nämlich den Lehrer, der auch heilt.

Eines will ich an dieser Stelle ganz deutlich machen. Wenn ich von „heilen“ spreche, dann meine ich nicht den formellen Gebrauch des Priestertums bzw. die Krankensegnung oder Ähnliches. Das ist nämlich nicht die Aufgabe derjenigen, die in den Organisationen unserer Kirche zum Lehren berufen sind.

Ich glaube aber, dass unser Lehren zu einer geistigen Heilung führen kann. Ich kann jedoch nicht glauben, dass sich ein so großer Teil dessen, was Matthäus geschrieben hat, mit dem Wirken des Erretters bei den Unglücklichen, Niedergedrückten und Verzweifelten beschäftigt hätte, wenn es dafür keinen Grund gäbe. Wäre es nicht herrlich, wenn wir – wie der Meister – den Erfolg unseres Lehrens an der Heilung messen könnten, die sich im Innern anderer Menschen vollzieht?

Lassen Sie mich das konkretisieren. Wenn Sie lehren, dann nehmen Sie nicht nur eine Lektion durch, sondern machen Sie sich bitte die Mühe, beispielsweise diesem geistig blinden Basketballstar die Augen zu öffnen, jener geistig tauben Schönheitskönigin die Ohren zu öffnen oder jenem geistig gelähmten Schülervertreter Kraft in den Beinen zu schenken. Können wir uns nicht ein wenig mehr anstrengen, um andere Menschen so nachhaltig zu wappnen, dass sie widerstehen können – welche Versuchungen der Teufel ihnen auch in den Weg legen mag –, und dadurch in diesem einen Augenblick wirklich frei von Bösem sind? Können wir uns nicht ein wenig mehr anstrengen, um so eindrucksvoll und geistig gesinnt zu lehren, dass wir dem Menschen wirklich helfen können, der allein seinen Weg geht, der allein lebt, der in der Dunkelheit der Nacht weint?

„Und weiter?“

Vielleicht kann eine Begebenheit aus der Zusammenarbeit im Kollegium der Zwölf deutlich machen, was ich sagen will, damit Sie mich nicht missverstehen.

Präsident Boyd K. Packer, Amtierender Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel und selbst ein hervorragender Lehrer, stellt oft eine bestimmte Frage, wenn einer von uns Zwölf eine Präsentation gehalten oder einen bestimmten Punkt veranschaulicht hat. Er schaut dann nämlich auf, als ob er sagen wollte: „Sind Sie fertig?“ und fragt dann den Sprecher (und damit auch die übrigen Brüder): „Und weiter?“

„Und weiter?“ Ich glaube, der Erretter hat diese Frage tagein, tagaus beantwortet, denn sie gehört einfach zu seinem Lehren und Verkünden dazu. Seine Predigten und Ermahnungen hätten doch nichts genützt, wenn seine Jünger sich nicht geändert hätten.

„Und weiter?“ Sie und ich – wir wissen, dass es allzu viele Menschen gibt, die keine Übereinstimmung herstellen zwischen dem, woran sie ihren eigenen Worten zufolge glauben, und der Art und Weise, wie sie ihr Leben führen.

Beten Sie darum, dass Ihr Lehren Veränderungen bewirkt. Beten Sie darum, dass Ihr Unterricht jemanden veranlasst, sein Leben in Ordnung zu bringen und seine Flügel auszubreiten. Wir wollen, dass unsere Mitglieder geradlinig sind, wir wollen, dass sie das Rechte tun. Wir wollen, dass sie gesegnet werden, dass sie glücklich sind und in der künftigen Welt Errettung finden.

Gott hat das Ruder in der Hand

Mit der Apostelgeschichte beginnt der Teil des Neuen Testaments, in dem von der Zeit nach der Auferstehung berichtet wird. Dieses Buch macht deutlich, dass die Apostel zu Stellvertretern des Herrn Jesus Christus ordiniert worden waren und daher die Vollmacht besaßen, die Kirche in seinem Namen weiterzuführen.

Doch bedenken Sie einmal, womit sie zu kämpfen hatten. Denken Sie an die Bedrängnis, die Angst, die Verwirrung und die Verzweiflung, der sich die Mitglieder der neuen kleinen christlichen Kirche nach der Kreuzigung Christi ausgesetzt sahen. Vielleicht verstanden sie ein wenig von dem, was sich da zutrug, aber sie können unmöglich alles verstanden haben. Sie müssen große Angst gehabt haben und sehr verwirrt gewesen sein, und die führenden Brüder hatten alle Hände voll zu tun, um ihrer Führungsrolle gerecht zu werden.

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass es von Anfang an (zumindest vom ersten Vers der Apostelgeschichte an) heißt, die Kirche werde weiterhin von Gott geführt und nicht von sterblichen Menschen. Und genau das brauchten die Menschen in jener schrecklichen Stunde der Verwirrung und der Angst. Ein noch vollständigerer Titel für die Apostelgeschichte könnte etwa folgendermaßen lauten: „Die Geschichte des auferstandenen Christus, der durch den Heiligen Geist auf das Leben und das Wirken der von ihm ordinierten Apostel Einfluss nahm“. Nun, wo ich dies gesagt habe, ist Ihnen sicher klar, warum der kürzere Titel das Rennen gemacht hat – aber mein Titel ist genauer! Hören Sie, was Lukas zu Beginn seiner Aufzeichnungen schreibt:

„Im ersten Buch, lieber Theophilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus getan und gelehrt hat, bis zu dem Tag, an dem er (in den Himmel) aufgenommen wurde. Vorher hat er durch den Heiligen Geist den Aposteln, die er sich erwählt hatte, Anweisungen gegeben.“ (Apostelgeschichte 1:1,2; Hervorhebung hinzugefügt.)

Die Führung der Kirche hatte sich nicht geändert. Der Erretter befand sich nun zwar an einem anderen Ort, aber die Führung der Kirche vollzog sich noch genauso wie vorher. Nach diesen einleitenden Worten stoßen wir auf jeder neuen Seite auf Beispiele dafür, wie sich die Macht des Herrn durch den Heiligen Geist kundtat. Die erste Lehre, die der auferstandene Christus den Zwölf in der Apostelgeschichte erteilt, lautet folgendermaßen: „Ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft“ (Apostelgeschichte 1:5) und „ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird“ (Vers 8).

Nachdem Christus vor den Augen der Mitglieder, die übrig geblieben waren, in den Himmel aufgestiegen war, rief Petrus diese zusammen – es waren insgesamt 120. (Merken Sie, wie sehr sich die Schwierigkeiten und der Widerstand schon auf die Anzahl der Mitglieder ausgewirkt hatte?) Einhundertzwanzig Menschen kamen zusammen, und Petrus sagte: „Brüder! Es musste sich das Schriftwort erfüllen, das der Heilige Geist durch den Mund Davids im Voraus über Judas gesprochen hat.“ (Vers 16, Hervorhebung hinzugefügt.) Als es darum ging, den Platz neu zu besetzen, den Judas bei den Zwölf hinterlassen hatte, beteten sie auf die gleiche Weise, wie heute das Kollegium der Zwölf und die Erste Präsidentschaft beten: „ Herr, du kennst die Herzen aller; zeige, wen von diesen… du erwählt hast.“ (Vers 24; Hervorhebung hinzugefügt.) Matthias wurde berufen.

Doch das erste Kapitel, das die Augen eines jeden Lesers auf den Himmel richtet und so deutlich darlegt, dass Gott die Kirche weiterhin führte, dient nur als Vorbereitung auf das 2. Kapitel. Hier wird nämlich der Begriff Pfingsten in das christliche Vokabular eingeführt. Er bezeichnet eine außergewöhnliche geistige Kundgebung und das Ausgießen des Heiligen Geistes. Vom Himmel erging Offenbarung, und zwar begleitet von einem Geräusch „vom Himmel her [wie] ein Brausen, … und erfüllte das ganze Haus“ (Apostelgeschichte 2:2). Und es erfüllte die führenden Brüder. „Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten. … Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, … zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“ (Vers 3,4.)

In seiner Eigenschaft als oberster Apostel und Präsident der Kirche erhob sich Petrus und erkannte diese Ausgießung an. Er zitierte Joël, der gesagt hatte, Gott werde in den letzten Tagen „von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und eure Töchter werden Propheten sein, eure jungen Männer werden Visionen haben, und eure Alten werden Träume haben.

Auch über meine Knechte und Mägde werde ich von meinem Geist ausgießen in jenen Tagen und sie werden Propheten sein.“ (Vers 17,18.)

Petrus fuhr fort: „Israeliten [er spricht hier zu einer größeren Zahl von Anwesenden], hört diese Worte: Jesus, den Nazoräer, den Gott vor euch beglaubigt hat, … diesen Jesus hat Gott auferweckt. … Nachdem er durch die rechte Hand Gottes erhöht worden war und vom Vater den verheißenen Heiligen Geist empfangen hatte, hat er ihn ausgegossen, wie ihr seht und hört.“ (Vers 22,32,33; Hervorhebung hinzugefügt.)

Ist diese Schriftstelle nicht herrlich? Wer noch nicht getauft worden war, fragte – vom Geist getrieben –, was er nun tun solle. Petrus erklärte den Menschen, sie sollten sich zur Sündenvergebung taufen lassen und „die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Vers 38). Dreitausend Menschen kamen seiner Aufforderung nach. Als Petrus und Johannes später den Gelähmten auf der Tempeltreppe heilten, waren die Menschen der Ansicht, sie hätten ein Wunder vollbracht. Doch Petrus wies sie zurecht und erklärte ihnen, nicht menschliche Macht bzw. die Heiligkeit der Jünger habe dem Mann Kraft in den Beinen gegeben, sondern vielmehr Jesus, den die Bewohner Jerusalems „verraten“ und „getötet“ hatten (Apostelgeschichte 3:13,15). Dann bezeugte er, dass Jesus die Kirche noch immer führte, und zwar durch den Heiligen Geist, und dass er sie auch weiterhin führen werde, bis er wiederkehre „zu den Zeiten der Wiederherstellung von allem“ (Vers 21).

Als sich fünftausend weitere Menschen der Kirche anschlossen, waren die Pharisäer und die Sadduzäer am Ort fassungslos. Sie wollten nun wissen, wie dies alles vor sich gegangen war. Petrus gab ihnen die klassische Antwort, die auch Sie geben sollten: „ Erfüllt vom Heiligen Geist“ erklärte er, dies alles sei geschehen „im Namen Jesu Christi, des Nazoräers“ (Apostelgeschichte 4:8,10; Hervorhebung hinzugefügt). Christus lenkte nicht nur die Taten seiner Apostel durch den Heiligen Geist, sondern sprach durch diesen Geist auch noch zu ihnen. Hier kann man etwas darüber lernen, wie die Kirche Jesu Christi geführt wird, und zwar sowohl in alter als auch in neuer Zeit.

Der Vater und der Sohn lenken auch heute dieses Werk und wirken durch den Heiligen Geist auf Führer, Lehrer und einzelne Menschen ein. Und auf eben diese Weise müssen auch wir auf diejenigen einwirken, die wir unterweisen.

Durch den Geist lehren

Bitte lehren Sie durch den Heiligen Geist. Wer nicht auf diese Weise lehrt, der lehrt laut den heiligen Schriften „auf eine andere Weise“ (LuB 50:17). Jede andere Weise aber ist „nicht von Gott“ (Vers 20). Geben Sie Ihren Schülern auf jede erdenkliche Weise die Möglichkeit, eine geistige Erfahrung zu machen. Darum geht es im Neuen Testament. Darum geht es in den Evangelien. Darum geht es in der Apostelgeschichte. Darum geht es in den gesamten heiligen Schriften. Die geistigen Erlebnisse, die in diesen heiligen Aufzeichnungen festgehalten sind, helfen uns Menschen heute, auf dem richtigen Weg und in der Kirche zu bleiben, so wie es auch damals bei den Mitgliedern der Fall war, die zur Zeit des Neuen Testaments lebten.

In den heiligen Schriften heißt es: „Der Geist wird euch durch das Gebet des Glaubens gegeben; und wenn ihr den Geist nicht empfangt, sollt ihr nicht lehren.“ (LuB 42:14.) Das heißt nicht nur, dass Sie nicht lehren sollen bzw. können und dass Ihr Unterricht ziemlich minderwertig ausfallen dürfte. Nein, es heißt noch viel mehr. Beachten Sie bitte die deutlichen Worte: „ Sollt ihr nicht lehren.“ Ersetzen Sie ihr durch du und ändern Sie die Wortfolge ein wenig. Schon klingt dieser Satz wie ein Gebot. Und es ist auch ein Gebot. Es handelt sich um Gottes Schüler, nicht um Ihre eigenen, so wie es sich auch um die Kirche Christi handelt und nicht um die Kirche von Petrus oder von Paulus oder von Joseph Smith oder von Brigham Young.

Fassen Sie Mut. Lassen Sie den Geist in sich wirken, und zwar auf eine Weise, die zu sehen bzw. zu erkennen Sie möglicherweise gar nicht das Recht haben. Wenn Sie im Herzen ehrlich sind und sich bemühen, ein so reines Leben zu führen wie möglich, dann geschieht mehr, als Sie sich vorstellen können. Und wenn Sie dann im Unterricht zu Getsemani, zum Kreuzestod und der Auferstehung kommen – was man im Unterricht eigentlich gar nicht richtig vermitteln kann –, dann bitte ich Sie, unter anderem an die folgenden beiden Anwendungsmöglichkeiten zu denken, die ich Ihnen vorstelle.

Christus blieb treu

Erstens: Bei seinem unaussprechlichen Kampf und dem fast nicht zu ertragenden Schmerz blieb Christus treu.

Matthäus sagt: „Da ergriff ihn Angst und Traurigkeit, und er sagte: Meine Seele ist zu Tode betrübt.“ (Matthäus 26:37,38.) Er ging allein in den Garten und ließ die Apostel absichtlich draußen zurück, wo sie warten sollten. Dies musste er allein tun. Er ließ sich auf die Knie sinken und fiel dann – wie der Apostel berichtet – mit dem Gesicht zuerst „zu Boden“ (Vers 39). Lukas erklärt, er sei in „Angst“ gewesen und habe so ernstlich gebetet, dass sein Schweiß „wie Blut“ war, „das auf die Erde tropfte“ (Lukas 22:44). Markus berichtet, er sei niedergefallen und habe gerufen: „Abba, Vater.“ Das ist keine abstrakte Theologie mehr. Das ist ein Sohn, der seinen Vater anfleht: „Alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir!“ (Markus 14:36.)

Wer könnte diesem Flehen seines Kindes widerstehen, vor allem, wenn es sich um ein vollkommenes Kind handelt? „Du kannst alles. Ich weiß, du kannst alles. Bitte, nimm diesen Kelch von mir.“

Markus erklärt, in diesem Gebet habe Jesus gefragt, ob es möglich sei, dass diese Stunde aus dem Plan entfernt würde. Der Herr sagte sinngemäß: „Wenn es einen anderen Weg gibt, möchte ich lieber diesen beschreiten. Wenn es eine andere – irgendeine andere – Möglichkeit gibt, werde ich sie gerne wahrnehmen.“ „Wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber“, berichtet Matthäus (Matthäus 26:39). „Nimm diesen Kelch von mir!“, berichtet Lukas (Lukas 22:42). Doch am Ende ging der Kelch nicht an ihm vorüber.

Am Ende unterwarf er doch seinen Willen dem Willen des Vaters und sagte: „Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen.“ (Lukas 22:42.) Dies ist praktisch der letzte Augenblick im Gespräch zwischen Vater und Sohn während des irdischen Wirkens Jesu. Nun waren die Würfel gefallen. Er sollte es durchstehen – was auch immer geschah.

Und dem letzten Ausspruch in der Alten Welt entspringt der erste Ausspruch in der Neuen Welt. Den Nephiten, die sich am Tempel versammelt hatten, sagte er nämlich: „Siehe, ich bin Jesus Christus, … das Licht und das Leben der Welt; und ich habe aus dem bitteren Kelch getrunken, den der Vater mir gegeben hat, und… darin habe ich den Willen des Vaters in allem von Anfang an gelitten.“ (3 Nephi 11:10,11.) Das sind die Worte, mit denen er sich vorstellt und die den Menschen seiner Meinung nach am besten vermitteln, wer er ist.

Wenn es Ihnen gelingt, Ihren Schülern bewusst zu machen, dass sie aufgrund des unvergleichlichen Opfers, das der Erretter für sie gebracht hat, und aufgrund der Tatsache, dass er für ihre Übertretungen gezahlt und ihrer Sünden wegen getrauert hat, eine wichtige Verpflichtung eingehen müssen, dann erklären Sie ihnen, dass sie dem Herrn gehorchen müssen – dass sie ihren Willen im persönlichen Bereich und in entscheidungsschweren Stunden dem „Willen des Vaters“ (Vers 11) unterwerfen müssen, wie hoch der Preis dafür auch sein mag. Dies wird ihnen nicht immer gelingen, so wie es Ihnen und auch mir nicht immer gelingt, aber es muss zumindest ihr Ziel, ihre Absicht sein. Was Christus bezüglich seiner Mission anscheinend immer wieder deutlich machen will – über seine Tugenden und seine herrlichen Predigten und auch die Heilungen hinaus, die er bewirkt hat –, ist doch die Tatsache, dass er seinen Willen dem Willen des Vaters unterworfen hat.

Wir alle lassen unserem Eigenwillen doch nur zu oft Raum. Deshalb legt der Erretter uns allen ja auch ans Herz, dass unser Opfer – ähnlich seinem Opfer – in einem reuigen Herzen und einem zerknirschten Geist bestehen muss (siehe 3 Nephi 9:20; LuB 59:8). Wir müssen uns von egoistischen Wünschen befreien und unserer Sünden und der Sünden der Welt wegen weinen. Wir müssen andere Menschen auffordern, sich dem Vater zu unterwerfen, sich dem Sohn zu unterwerfen und sich dem Heiligen Geist zu unterwerfen. Es gibt keine andere Möglichkeit. Ohne uns zu sehr mit ihm zu vergleichen – denn das wäre Gotteslästerung –, müssen wir uns doch bewusst machen, dass der Kelch, der nicht vorübergehen kann, genauso in unserem Leben erscheinen wird, wie er in seinem erschienen ist. Natürlich ist der Kelch bei uns kleiner und nicht so bitter, aber er wird uns oft genug gereicht, damit wir lernen, dass wir gehorchen müssen – was immer auch von uns verlangt wird.

Christus kennt den Weg

Die zweite Lektion, die das Sühnopfer uns vermittelt und die Sie sich bewusst machen sollen, hat mit der ersten zu tun. Wenn diejenigen, die Sie unterweisen, der Meinung sind, sie hätten bereits zu viele Fehler begangen, wenn sie meinen, sie lebten und wirkten auf einer Ebene, die das Licht Christi nicht erreicht, dann erklären Sie ihnen, dass Gott die „Neigung hat zu vergeben“ und dass Christus „barmherzig und großzügig ist, sich nur langsam zum Zorn reizen lässt und dafür langmütig und gütig ist“ ( Lectures on Faith, 1985, Seite 42). Barmherzigkeit und ihre Schwestern Umkehr und Vergebung stehen im Mittelpunkt des Sühnopfers Jesu Christi. Alles im Evangelium lehrt uns, dass wir uns ändern können, wenn wir es wirklich wollen, dass uns Hilfe zuteil wird, wenn wir wirklich um Hilfe bitten, und dass wir heil gemacht werden können – welche Schwierigkeiten wir in der Vergangenheit auch gehabt haben mögen.

Trotz der Schwierigkeiten, die das Leben mit sich bringt, können wir alle auf unserer Reise Hilfe finden. Wenn Christus uns auffordert, uns zu unterwerfen und dem Vater zu gehorchen, dann weiß er auch, wie er uns dabei helfen kann. Er ist diesen Weg ja selbst gegangen und fordert uns auf, das zu tun, was er getan hat – nur dass er uns den Weg viel leichter gemacht hat. Er weiß, wo die spitzen Steine und die Stolpersteine liegen und wo Dornen und Disteln am dichtesten stehen. Er weiß, wo der Pfad gefährlich ist, und er weiß, welchen Weg wir einschlagen müssen, wenn sich die Straße teilt und die Nacht herabsinkt. Er weiß das, weil er die „Schmerzen und Bedrängnisse und Versuchungen jeder Art“ gelitten hat, „damit er… wisse, wie er seinem Volk beistehen könne gemäß dessen Schwächen“ (Alma 7:11,12). Beistehen bedeutet „auf jemanden zugehen“. Ich bezeuge, dass Christus auf uns zukommt, ja, dass er gerade in diesem Augenblick auf uns zukommt. Wir müssen den ausgestreckten Arm seiner Barmherzigkeit nur ergreifen.

Wenn wir ins Stolpern geraten, ist er da, um uns zu halten und uns Kraft zu verleihen. Am Ende ist er da, um uns zu erretten. Dafür hat er ja sein Leben hingegeben. Wie trübe die Tage uns auch erscheinen mögen – für den Erretter der Welt waren sie noch viel trüber. Zur Erinnerung an diese Tage hat Jesus zum Wohle seiner Jünger die Wunden an seinen Händen und Füßen und in seiner Seite selbst als auferstandenes, in jeder Beziehung vollkommenes Wesen behalten – sozusagen als Zeichen dafür, wenn man so will, dass selbst die Reinen und Vollkommenen hier auf der Erde Schmerzen leiden müssen und dass dies eben kein Beweis dafür ist, dass Gott einen nicht liebt. Sie sind vielmehr das Zeichen dafür, wenn man so will, dass Probleme vorübergehen und dass wir glücklich sein können. Halten Sie den Menschen vor Augen, dass der verwundete Christus uns durch dieses Leben hindurchhelfen kann, denn er trägt ja noch immer die Narben der Vergebung, die uns zuteil wird, die Wunden seiner Liebe und Demut, das misshandelte Fleisch des Gehorsams und des Opferns.

Diese Wunden sind auch das Haupterkennungsmerkmal bei seiner Wiederkehr. Vielleicht fordert er uns auf – so wie er auch andere aufgefordert hat –, vorzutreten und diese Wunden anzuschauen und zu betasten. Wenn wir es nicht bereits getan haben, dann werden wir gewiss in diesem Augenblick wie Jesaja wissen, dass ein Gott gerade für uns „verachtet und von den Menschen gemieden“ wurde, „ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut“, doch „er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jesaja 53:3,5.)

Ich liebe dieses Werk. Nutzen Sie freudig die Möglichkeit, sich in diesem Jahr in das erhabene Neue Testament und das Leben dessen zu vertiefen, von dem es Zeugnis gibt. Dies ist seine Kirche, und wir sind in einem großen Werk tätig. Wir dürfen die Schriften lieben, aus ihnen lernen und einander Zeugnis geben, dass sie wahr sind.

Nach einer Ansprache vor Religionserziehern an der Brigham-Young-Universität, 8. August 2000.