2002
Joseph Smith, der Prophet
Juni 2002


Joseph Smith, der Prophet

Der junge und ungebildete, demütige Joseph Smith war das Werkzeug, mit dessen Hilfe der Allmächtige sein Werk in den Letzten Tagen erneut errichtete.

Die Grundsätze, Lehren und Verordnungen des Evangeliums unseres Herrn Jesus Christus sind nun von neuem offenbart worden – unter anderem auch das Wissen um das wahre Wesen Gottes, des liebevollen ewigen Vaters, und um Jesus Christus, den buchstäblichen Sohn Gottes, für dessen göttliches Wesen das Buch Mormon ein weiterer Zeuge ist. Die Worte Ezechiels, nämlich dass das Holz Judas (die Bibel) mit dem Holz Josefs (dem Buch Mormon) vereint werden solle und beide gemeinsam Zeugnis geben sollen, sind in Erfüllung gegangen (siehe Ezechiel 37:15–22). Dies verkünde ich feierlich.

Die Vollmacht, im Namen Gottes zu handeln, das heilige Priestertum also, ist in unserer Zeit den Menschen übertragen worden, und zwar durch diejenigen, die seine Schlüssel in alter Zeit innehatten: Petrus, Jakobus und Johannes. Sie waren Apostel des Herrn, die der Erretter selbst ordiniert hatte, als er hier auf der Erde weilte.

Die Kirche Jesu Christi ist von neuem errichtet worden. Das Priestertum Gottes ist wieder unter den Menschen zu finden. Gott hat sich erneut zum Segen seiner Kinder kundgetan.

Es macht Freude, über diese Ereignisse nachzudenken, die von Gott ausgegangen sind und alle Kennzeichen aufweisen, die die Kirche der ersten Apostel ausmachten. Zu diesen Kennzeichen gehört auch, dass es direkte Weisung durch Jesus Christus, von Gott offenbarte Lehren, von Gott berufene Führer, fortdauernde Offenbarung und das Zeugnis des Heiligen Geistes gibt, das allen zuteil wird, die gehorsam sind. Ich bezeuge, dass das Werkzeug, durch das diese Offenbarungen Gottes ergingen, vorherordiniert worden war. Es war der junge Joseph Smith, dessen Glaube und Wunsch „eines der wichtigsten religiösen Ereignisse in der Menschheitsgeschichte ermöglicht haben“. (Milton V. Backman jun., „Joseph Smith’s Recitals of the First Vision“, Ensign, Januar 1985, Seite 8.)

Seit meiner frühen Jugend glaube ich an Joseph Smith und trage ein deutliches Bild von ihm im Herzen, wie er sich als Junge eine abgelegene Stelle sucht, im stillen Wald niederkniet und mit kindlichem Glauben seinen innigsten Wunsch ausspricht. Er muss fest daran geglaubt haben, dass der Herr ihn hören und ihm irgendwie Antwort geben würde. Da erschienen ihm zwei herrliche Gestalten, zu deren Beschreibung ihm, wie er selbst sagte, die Worte fehlten.

Im Laufe der Jahre habe ich viel Ungewöhnliches mit Menschen und Orten erlebt, aber es gab auch Erlebnisse ganz persönlicher und geistiger Art. Und durch die Macht des Heiligen Geistes habe ich ein sich immer weiter vertiefendes Zeugnis und eine ebensolche Gewissheit von der Wiederherstellung des Errettungsplanes des Herrn erlangt. Diese Wiederherstellung ist vom Himmel ausgegangen. Was Joseph Smith über die Ereignisse im Zusammenhang mit der Wiederherstellung gesagt hat, ist wahr.

Die Vision

Wir alle können im Herzen das erhebende, das heilig machende und verherrlichende Gefühl spüren, dass die Wiederherstellung wahr ist. Der Heilige Geist wird diese Gewissheit unserem Herzen offenbaren und sie ihm einprägen, wenn wir wirklich den Wunsch danach haben. Für unsere ewige Errettung ist es unerlässlich, dass wir „die Vision“ (wie wir sie nennen) verstehen und daran glauben, nämlich dass Gott Vater und sein einziggezeugter Sohn dem jungen Joseph Smith erschienen sind und dadurch diese letzte Evangeliumszeit mit ihren großen und kostbaren Wahrheiten eingeleitet haben. Nur durch Christus wird uns Errettung zuteil. Joseph Smith ist das Werkzeug bzw. der Offenbarer dieses Wissens. Er wurde von Gott berufen, die Bedingungen des Plans darzulegen, den der Vater aufgestellt hatte. Außerdem wurden ihm die Schlüssel zur Errettung aller Menschen gegeben.

Ich weiß, dass Gott sich Joseph Smith, seinem Zeugen dieser letzten Evangeliumszeit, wirklich offenbart hat. Wir wissen etwas über das Erscheinungsbild, das Aussehen und sogar den Charakter dieses mächtigen intelligenten Wesens, dessen Weisheit, Schöpfungskraft und Macht das Universum beherrschen. Gott selbst hat gesagt, dass Jesus Christus das genaue Abbild des Vaters sei.

Um es mit Joseph Smiths Worten auszudrücken: Die Helligkeit war größer als alles, was er je geschaut hatte. Er blickte nach oben. Vor ihm standen zwei herrliche Gestalten. Die eine der beiden sagte, auf die andere deutend: „Dies ist mein geliebter Sohn. Ihn höre!“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:17; Hervorhebung im Original.)

Für den jungen Joseph Smith, der zu Gott, dem himmlischen Vater, und seinem Sohn aufschaute, mag es kaum zu begreifen gewesen sein, dass der Herr gekommen war, um sich ihm zu zeigen und ihn zu unterweisen.

Wie der Vater es gewünscht hatte, sprach der Sohn zum knienden Jungen. Er sagte Joseph Smith, dass alle Kirchen im Irrtum seien. Sie hatten die Lehre verderbt, die Verordnungen gebrochen und die Vollmacht des Priestertums Gottes verloren. Er erfuhr auch, dass die geistlichen Führer der von Menschen gegründeten Kirchen dem Herrn missfielen und dass die Zeit gekommen war, da alle Wahrheiten und alle Vollmacht wiederhergestellt werden sollten. Dazu gehörte auch die Gründung der Kirche. Und dann wurde ihm, dem jungen, ungebildeten und demütigem Jungen, zu seinem unendlichen Erstaunen noch gesagt, er, Joseph Smith, solle das Werkzeug sein, mit dessen Hilfe der Allmächtige sein Werk in diesen Tagen, nämlich den Letzten Tagen, wo das Evangelium nie wieder weggenommen werden solle, erneut errichten wolle. Das war der erhabene Beginn der Wiederherstellung der Kirche Jesu Christi.

Etwa drei Jahre später, als Joseph Smith etwas älter geworden war, erschien ihm ein weiteres himmlisches Wesen. Dieses Mal kam ein Engel, der aus der Gegenwart Gottes gesandt worden war, und sagte, er heiße Moroni. Dann offenbarte er dem jungen Mann das Versteck eines Satzes goldener Platten, auf denen in alter Zeit Bewohner Amerikas die Geschichte ihres Volkes festgehalten hatten. Später wurden diese Aufzeichnungen durch die Gabe und die Macht Gottes übersetzt und Anfang des Jahres 1830 veröffentlicht.

Einem Bestimmten Zweck Geweiht

Das Buch Mormon ist das bemerkenswerteste Buch der Welt, was die darin enthaltenen Lehren sowie die historischen Ereignisse und die Weltanschauungen betrifft. Seine Wahrheit ist seit mehr als 170 Jahren mit blinder Wut auf die Probe gestellt worden, und dennoch stehen seine Bedeutung und sein Einfluss heute unerschütterlicher fest als je zuvor.

Das Buch Mormon sollte nicht nur einfach ein ungewöhnliches Buch sein. Er war vielmehr zu einem bestimmten Zweck geschrieben worden, und jeder Leser sollte diesen Zweck spüren können. Dem Titelblatt entnehmen wir, was für ein Zweck das ist: „Auch sollen die Juden und die Andern davon überzeugt werden, dass JESUS der CHRISTUS ist, der EWIGE GOTT, der sich allen Nationen kundtut.“ Das ist die Botschaft dieses Buches: Es ist ein Zeuge für Christus und macht deutlich, dass Gott alle Menschen liebt. Sein Zweck besteht darin, alle Menschen dazu zu bringen, Jesus als den Messias anzunehmen. Das Buch erzählt vom Erscheinen Christi im alten Amerika und gibt die Lehren und die Weisungen wieder, die er den Menschen klar und eindringlich erteilte. Das Buch Mormon bestätigt die Lehren der Bibel bezüglich des Erretters, spricht mehr über Christus als über jedes andere Thema und lehrt, dass der Erretter der Erlöser der Menschen ist und für sie gesühnt hat. Immer wieder hält es uns vor Augen, dass er der Mittelpunkt des Errettungsplanes Gottes ist. Diese von Gott inspirierten Aufzeichnungen überzeugen den Leser von der Wahrheit des Buches und der Kirche, die daraus lehrt.

Staunend denke ich an die Weisheit, die Gott bewies, als er diese Aufzeichnungen aus alter Zeit auf die uns bekannte Art und Weise hervorbrachte. Diese Aufzeichnungen geben auch eindrucksvoll Zeugnis von der Mission Joseph Smiths, der von Gott berufen war. Am Sonntag, den 28. November 1841, schrieb der Prophet Joseph Smith: „Ich verbrachte den Tag in Beratung mit den Zwölf Aposteln im Haus Präsident [Brigham] Youngs und sprach mit ihnen über mehrere verschiedene Themen. Bruder Joseph Fielding war auch anwesend; er war viele Jahre lang auf Mission in England gewesen. Ich habe den Brüdern gesagt, das Buch Mormon sei das richtigste aller Bücher auf Erden und der Schlussstein unserer Religion, und wenn man sich an dessen Weisungen hielte, würde man dadurch näher zu Gott kommen als durch jedes andere Buch.“ ( Lehren des Propheten Joseph Smith, Seite 198.)

Joseph Smith war vorherordiniert worden, dieser Evangeliumszeit, der größten und letzten von allen, rechtmäßig vorzustehen. Nach dem Erscheinen des Engels Moroni übertrugen weitere himmlische Boten Joseph Smith die heilige Vollmacht des Priestertums sowie Schlüssel, Macht und Offenbarungen von Gott.

Aber nicht nur die Kirche selbst wurde aufgrund von Inspiration und Weisung von Gott gegründet, sondern es wurden auch die notwendigen Lehren zur Führung der Kirche offenbart. Nun gab es wieder Glauben und Licht, die Finsternis zu vertreiben, die über der Erde lag. Nachdem Joseph Smith geforscht hatte und vom Urheber der Wahrheit unterwiesen worden war, kristallisierten sich die folgenden Punkte heraus:

  1. Gott besitzt das äußere Erscheinungsbild eines Menschen; seine Herrlichkeit lässt sich mit Worten nicht schildern.

  2. Er hat eine Stimme; er spricht.

  3. Er ist gütig und freundlich.

  4. Er erhört unser Beten.

  5. Der Sohn gehorcht dem Vater und ist der Mittler zwischen Gott und den Menschen.

  6. „Der Vater hat einen Körper aus Fleisch und Gebein, so fühlbar wie der eines Menschen, ebenso der Sohn; aber der Heilige Geist hat keinen Körper aus Fleisch und Gebein, sondern ist eine Person aus Geist.“ (LuB 130:22.)

Obwohl in Schriftstellen aus alter Zeit auf Tempel und die Taufe für die Verstorbenen angespielt wird, war Joseph Smith der Erste, dem der Zweck des Tempels und die Errettung aller Menschen offenbart wurde – auch derer, die ohne Kenntnis vom Evangelium gestorben waren. Außerdem wurden ihm der ewige Bund der Ehe und der Siegelung von Mann und Frau als Voraussetzung für die Erhöhung offenbart.

Als Joseph Smith über die erste Konferenz der Kirche im Juni 1830 berichtete, wies er dabei auf das große Glücksempfinden hin, das es ihm bereitete, „in derselben Sache tätig zu sein wie die heiligen Apostel in alter Zeit“. ( History of the Church, 1:85.)

Ein Prophet Des Herrn

Und da die Kirche vom allmächtigen Gott inspiriert war, begann sie zu erblühen. Der Herr hatte verheißen, dass „ein wunderbares Werk“ im Begriff sei, „unter den Menschenkindern hervorzukommen“ (LuB 4:1). Diese Verheißung ging nun auf wundersame Weise in Erfüllung. Die Botschaft des Evangeliums verbreitete sich schnell. Der Geist der Missionsarbeit ließ die Menschen nicht unberührt. Das Buch Mormon wurde gelesen. Die Menschen schlossen sich erst vereinzelt und bald zu Hunderten und Tausenden der Kirche an. Durch Joseph Smith verkündete der Herr:

„Denn wahrlich, die Stimme des Herrn ergeht an alle Menschen, und es gibt keinen, der ihr entrinnt; und es gibt kein Auge, das nicht sehen wird, auch kein Ohr, das nicht hören wird, und auch kein Herz, das nicht durchdrungen werden wird. …

Das Schwache der Welt [wird] hervorkommen und die Mächtigen und Starken niederbeugen, auf dass der Mensch seinen Mitmenschen nicht rate und auch nicht auf den Arm des Fleisches vertraue –

ja, auf dass jedermann im Namen Gottes des Herrn, ja, des Erretters der Welt, sprechen könne, …

damit den Enden der Welt und vor Königen und Herrschern die Fülle meines Evangeliums … verkündigt werde.“ (LuB 1:2,19,20,23.)

Die Politiker fingen an, sich wegen dieses neuen Phänomens Sorgen zu machen. Die Gegner schlossen sich zusammen, und das Leben des Propheten geriet in Gefahr. Als Joseph Smith monatelang im Gefängnis zu Liberty, einem dunklen, feuchten Loch, eingesperrt gewesen war, schrie er mutlos zum Herrn:

„O Gott, wo bist du? Und wo ist das Gezelt, das deine Verborgenheit bedeckt?

Wie lange noch wird deine Hand sich zurückhalten und dein Auge … vom ewigen Himmel her das Unrecht erblicken, das deinem Volk und deinen Knechten widerfährt? …

Ja, o Herr, wie lange noch sollen sie dieses Unrecht und diese gesetzwidrige Unterdrückung leiden, ehe dein Herz sich erweichen … wird?“ (LuB 121:1–3.)

Da gab ihm der liebevolle Erretter als Antwort die folgende Verheißung:

„Die Enden der Erde werden sich nach deinem Namen erkundigen, und Narren werden dich verspotten, und die Hölle wird gegen dich wüten,

während die Herzensreinen, die Weisen und die Edlen und die Tugendhaften beständig nach Rat und Vollmacht und Segnungen von dir trachten werden.

Und dein Volk wird sich niemals auf das Zeugnis von Verrätern hin gegen dich wenden. …

[Du] wirst … doch in Ehren gehalten werden, und … deine Stimme … [wird] schrecklicher sein als ein wilder Löwe, wegen deiner Rechtschaffenheit; und dein Gott wird zu dir stehen für immer und immer.“ (LuB 122:1–4.)

In seiner letzten öffentlichen Ansprache vor einer größeren Menschenmenge in Nauvoo sagte Joseph Smith:

„Es geht mir nicht um mein Leben. Ich lasse mich freiwillig für dieses Volk als Opfer darbringen; denn was können unsere Feinde schon tun? Nur den Körper töten – dann ist es aus mit ihrer Macht. Bleibt fest, meine Freunde; wankt niemals. Seid nicht bestrebt, euer Leben zu retten, denn wer Angst davor hat, für die Wahrheit zu sterben, der verliert das ewige Leben. …

Gott hat euch auf die Probe gestellt. Ihr seid ein gutes Volk, und darum liebe ich euch von ganzem Herzen. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr habt in der Stunde der Not zu mir gehalten, und ich bin bereit, mein Leben zu opfern, damit euch nichts geschieht.“ ( History of the Church, 6:500.)

Diese Aussage ist um so bemerkenswerter, als sich der Prophet noch in der Blüte des Lebens befand – er war erst 38 Jahre alt. So groß er geistig auch schon geworden war – den Zenit seiner intellektuellen und geistigen Fähigkeiten hatte er noch nicht erreicht. Das Leben und die Möglichkeiten, die noch vor ihm lagen, waren ihm kostbar. Dennoch war er bereit, es hinzugeben.

„Ein Prophet“, schrieb Truman Madsen, „ist jemand, der große Leiden auf sich nimmt, um seine Mission zu erfüllen, und dabei trotz allem Freude ausstrahlt. Kurz gesagt: Ein Prophet ist ein Heiliger.“ ( Joseph Smith Among the Prophets [1965], Seite 21.)

„Wäre er [Joseph Smith] bis ins hohe Alter vor dem Märtyrertod bewahrt geblieben“, sagte Elder Parley P. Pratt vom Kollegium der Zwölf Apostel, „dann hätte er sicher die Kraft und Fähigkeit gehabt, die Welt in vielerlei Hinsicht [beeinflussen] zu können.“ ( Autobiography of Parley P. Pratt [1985], Seite 32.)

Wenn man sich die Ereignisse im Leben von Joseph Smith vergegenwärtigt, wird einem bewusst, wie sehr er und auch seine Anhänger leiden mussten.

„Sei Geduldig In Deinen Bedrängnissen“

Die Kirche war, wie in der Schrift vorhergesagt worden war, im Begriff, wie ein Stein ohne Zutun von Menschenhand vom Berg loszubrechen und bis an die Enden der Erde hinzurollen und die ganze Erde zu erfüllen (siehe Daniel 2:44,45; LuB 65:2). Da die Politiker befürchteten, die Kirche könne sich immer weiter ausbreiten, wurden falsche Anschuldigungen erhoben, ergingen Gerichtsbeschlüsse und Vorladungen, und Mitglieder der Bürgerwehr sammelten sich in Carthage, dem Sitz des Gouverneurs. Joseph und Hyrum Smith sollten dort erscheinen, um sich gegen die Beschuldigungen zu verteidigen, die gegen sie erhoben worden waren.

Als Joseph Smith an jenem 24. Juni Nauvoo verließ, um nach Carthage zu reisen, schaute er wohl ein letztes Mal auf die Stadt und den herrlichen Tempel, der fast fertig gestellt war. Er wusste, dass er beides niemals wieder sehen würde.

„Sei geduldig in deinen Bedrängnissen“, sagte der Herr zu ihm, „denn du wirst viele haben“ (LuB 24:8). Später sagte Joseph Smith, Drangsal sei ihm „zur zweiten Natur“ geworden (LuB 127:2), habe ihn aber dennoch „um so näher zu Gott gebracht“ (B. H. Roberts, The Gospel and Man’s Relationship to Deity [1965], Seite 279). Präsident Brigham Young (1801–1877) hat gesagt, wenn Joseph Smith tausend Jahre alt geworden wäre und keine Verfolgung erlitten hätte, so wäre er nicht so vollkommen geworden wie in seinen 38 Lebensjahren (siehe Deseret News, 3. August 1854, Seite 72).

An die Männer, die ihn nach Carthage begleiteten, richtete der Prophet Joseph Smith die folgenden prophetischen Worte: „Ich gehe wie ein Lamm zur Schlachtbank, aber ich bin so ruhig wie ein Sommermorgen; mein Gewissen ist frei von Schuld gegenüber Gott und allen Menschen. … MAN WIRD VON MIR NOCH SAGEN: ER WURDE KALTBLÜTIG ERMORDET.“ (LuB 135:4.)

Warum kehrte er nicht um? Er hätte doch noch fliehen können. Er befand sich ja noch nicht in der Hand seiner Feinde. Er hatte vielmehr Freunde an seiner Seite, die notfalls auch für ihn gestorben wären. Man riet ihm, auf die andere Seite des Mississippi zu fliehen, wo er in Sicherheit gewesen wäre. Er aber setzte seinen Weg nach Carthage fort.

Joseph Smith muss an die Gefahren gedacht haben, die er schon gemeistert hatte, beispielsweise an jene Winternacht, wo der Pöbel in sein Haus einbrach und ihn mit unflätigen Flüchen aus dem Bett zerrte, weg von seiner Frau und seinen kranken Kindern, und ihn nach draußen schleifte und dort bis zur Bewusstlosigkeit würgte. Als er das Bewusstsein wiedererlangt hatte, zogen sie ihn nackt aus und beschmierten ihn von Kopf bis Fuß mit Teer und Federn. Sie rissen ihm auch gewaltsam den Mund auf, um dieselbe Masse hineinzupressen. Dann ließen sie ihn auf dem gefrorenen Boden liegen, damit er erfröre.

Als er nach Carthage ritt, dachte er vielleicht auch an die Zeit in Missouri, wo er und weitere Brüder an ihre Feinde verraten worden waren. Der Anführer des Pöbels hatte ein Gericht einberufen; Joseph Smith und seine Kameraden wurden verhört und zum Tod verurteilt. Am darauf folgenden Morgen um acht Uhr sollten sie auf einem öffentlichen Platz in Far West erschossen werden. Doch unter dem Pöbel brach Streit aus, und das rettete ihnen das Leben.

Sie wurden hierhin und dorthin gebracht und der johlenden Menge gezeigt. Den Mitgliedern sagte man, dass sie ihre Führer niemals wieder sehen würden. Doch Joseph Smith machte seinen Mitgefangenen Mut, indem er ihnen verhieß, dass niemand von ihnen sterben würde.

„Seid guten Mutes, Brüder“, sagte er, „ gestern Abend ist das Wort des Herrn an mich ergangen, dass uns das Leben geschenkt wird, … dass keinem von uns das Leben genommen wird. “ ( Autobiography of Parley P. Pratt, Seite 164; Hervorhebung im Original.)

Wenn Joseph Smith über die trostlosen Monate im Gefängnis in Missouri nachdachte, dann dachte er sicher auch an die Nacht zurück, als er, der im Kerker Eingesperrte, die Wärter zurechtgewiesen hatte. Er und die anderen Brüder waren damals bemüht, ein wenig zu schlafen, wurden aber von den schrecklichen Gotteslästerungen und obszönen Witzen ihrer Wärter wach gehalten. Sie erzählten sich die fürchterlichsten Räuber- und Mordgeschichten davon, wie sie die Mormonen drangsaliert hatten. Das war nicht bloß Prahlerei; solche schrecklichen Grausamkeiten hatte es tatsächlich gegeben. Plötzlich erhob sich Joseph Smith und donnerte mit einer Stimme, die das Gefängnis in seinen Grundfesten zu erschüttern schien: „SCHWEIGT, ihr Ausgeburten der Hölle! Im Namen Jesu Christi gebiete und befehle ich euch, still zu sein! Ich will keine Minute mehr leben, wenn ich mir solches Reden anhören muss. Hört sofort auf damit, oder ihr oder ich sterben in DIESEM AUGENBLICK!“ ( Autobiography of Parley P. Pratt, Seite 180; Hervorhebung im Original.)

Das muss den Wärtern wie der Blitz in die Knochen gefahren sein. Einige baten um Verzeihung, andere verkrochen sich in die finstersten Winkel des Gefängnisses, um nicht zu zeigen, dass sie sich schämten.

Die Macht Jesu Christi, dessen Namen Joseph Smith in seinen tadelnden Worten angerufen hatte, ruhte auf ihm. Seine Hände und Füße steckten zwar in Ketten, aber darauf achteten die Wärter nicht. Sie sahen nur den rechtschaffenen Zorn, der ihm aus den Augen sprühte, und spürten die Macht Gottes in seiner Stimme, als er sie zurechtwies.

Doch auch wenn Joseph Smiths Stimme wie das Brüllen des Löwen klang, wenn er die Schlechten zurechtwies, so konnte sie doch auch so sanft wie die Stimme einer Mutter klingen, wenn er die Rechtschaffenen tröstete. Im selben Namen und mit derselben Vollmacht, mit der er die Gotteslästerungen der Wärter zum Schweigen gebracht hatte, hatte er auch kleine Kinder gesegnet, umkehrwillige Sünder getauft, den Heiligen Geist übertragen, die Kranken geheilt und vielen Tausenden Trost zugesprochen.

„Hast Du Angst Vor Dem Sterben?“

Es war Mitternacht, als die Reise, die in Nauvoo begonnen hatte, zu Ende war. Joseph Smith und die anderen Brüder waren in Carthage angekommen, und damit war sein Schicksal besiegelt. Seine Gegner hatten ihr Kommen mit großer Spannung erwartet. Der Gouverneur, der ebenfalls anwesend war, brachte den Pöbelhaufen dazu, sich nun aufzulösen, indem er versprach, dass allen vollständig Genugtuung zuteil werden solle.

Am nächsten Tag wurde Joseph Smith nach einer Anhörung gegen Kaution freigelassen, dann aber unter dem erfundenen Vorwurf des Verrats von neuem verhaftet. Diesmal wurde die Kaution verweigert, und Joseph und Hyrum Smith wurden in das Gefängnis von Carthage gebracht.

Während der letzten Nacht seines Erdenlebens gab Joseph Smith den Wärtern und allen, die sich am Eingang des Gefängnisses zusammengefunden hatten, eindrucksvoll Zeugnis, dass das Buch Mormon von Gott stammt. Außerdem verkündigte er, dass das Evangelium wiederhergestellt und das Gottesreich auf der Erde errichtet worden war. Dies war der Grund dafür, dass er in das Gefängnis geworfen worden war, und nicht etwa, weil er irgendein Gesetz Gottes oder der Menschen übertreten hatte.

Es war schon später Abend, als die Gefangenen sich schlafen legen wollten. Zuerst teilten sich Joseph und Hyrum Smith das einzige Bett in der Zelle, doch dann hörte man mitten in der Nacht einen Schuss und Stimmen. Joseph Smiths Freunde bestanden nun darauf, dass er sich zwischen sie auf den Boden legte; sie wollten ihn mit ihrem Körper schützen. Joseph Smith fragte John S. Fullmer, ob er den Kopf auf Bruder Fullmers Arm legen dürfe, während sie sich unterhielten. Dann wandte er sich Dan Jones zu, der auf der anderen Seite lag, und flüsterte: „Hast du Angst vor dem Sterben?“ Darauf gab sein treuer Freund zur Antwort: „Meinst du denn, es ist soweit? Ich glaube, wenn man im Dienst einer solchen Sache steht, hat der Tod nicht viel Schrecken.“

Joseph Smith antwortete: „Ehe du stirbst, wirst du noch Wales wiedersehen und die Mission erfüllen, die dir bestimmt worden ist.“ ( Lehren des Propheten Joseph Smith, Seite 391.)

Am nächsten Tag, dem schicksalhaften 27. Juni des Jahres 1844, mussten bis auf zwei alle Freunde Joseph Smiths das Gefängnis verlassen, so dass sich nur noch vier Führer der Kirche dort befanden – Joseph und Hyrum Smith sowie zwei Apostel, die beide im Verlauf des Tages anboten, für ihn zu sterben. Sie verbrachten den Tag damit, an ihre Frauen zu schreiben, über Evangeliumsgrundsätze zu sprechen und Lieder zu singen. Zwischen drei und vier Uhr am Nachmittag bat der Prophet Elder John Taylor, ihm das Lied „Ein armer Wandrer“ vorzusingen.

Dieses tröstliche Lied spricht in jeder Zeile vom Geist und der Botschaft Christi. Nur wer den Erretter und seine Mitmenschen liebt, wünscht sich zu solch einem Zeitpunkt gerade dieses Lied.

Als Elder Taylor zu Ende gesungen hatte, waren die Augen des Propheten feucht von Tränen, und er bat: „Singst du das Lied bitte noch einmal für mich, John?“ (Claire Noall, Intimate Disciple: A Portrait of Willard Richards, Apostle to Joseph Smith – Cousin of Brigham Young [1957], Seite 440.)

John Taylor „entgegnete, dass ihm nicht nach Singen zumute sei. Er habe eine Vorahnung der bevorstehenden Katastrophe.“ (George Q. Cannon, Life of Joseph Smith the Prophet [1986], Seite 524.)

„Wenn du erst einmal angefangen hast, geht es dir besser und mir auch“, gab Joseph Smith zur Antwort. (Noall, Intimate Disciple, Seite 440.)

Auch Hyrum bat ihn, das Lied noch einmal zu singen. Also kam Elder Taylor diesem Wunsch nach.

Dieses Mal klang seine Stimme noch trauriger und sanfter als beim ersten Mal, und als er zu Ende gesungen hatte, waren alle still. Doch ihr Herz schlug schneller, denn sie hatten genau auf den schicksalsschweren Text geachtet:

Als letzte Probe er mich fragt‘,

ob ich für ihn zu sterben wagt.

Mein Fleisch war schwach, mein Herz stand still,

doch sprach der freie Geist: „Ich will!“

(Gesangbuch, Nr. 18)

Die drei hörten Joseph Smith wie als Echo auf das Lied leise sagen: „Ich will!“

Die Liebe zu Christus sprach aus dem Text; die Liebe zu den Menschen war in der Zelle im Gefängnis zu Carthage zu spüren.

Während ein Geist der Liebe und der Dienstbereitschaft, wie er aus diesem Lied und den Gebeten sprach, in das Herz aller Gefangenen zog, rottete sich draußen der Pöbel zusammen. Den Rest der Geschichte kennen Sie.

Nur Liebe Bringt Liebe Hervor

Als die Nachricht von diesem schrecklichen Verbrechen Nauvoo erreichte, waren die Bewohner der Stadt von Kummer und Entsetzen erfüllt. Solche Trauer hatte es nie zuvor in Nauvoo gegeben. Trotz der warmen Sommersonne fröstelten sie. Ihr Prophet und ihr Patriarch waren tot. Sonst zählte nichts mehr.

Als die Wagen mit den Leichen noch ein ganzes Stück entfernt waren, ging ihnen die gesamte Bevölkerung von Nauvoo entgegen. Joseph und Hyrum Smith hätte keine größere Ehre zuteil werden können. Solch eine große Zuneigung, wie sie die Menschen, die sie am besten kannten, für sie empfanden, hätten sie niemals gewinnen können, wenn sie egoistisch und berechnend gewesen wären. Nur Liebe bringt Liebe hervor. Als Joseph Smith einmal gefragt wurde, wie er so viele Anhänger gewonnen und behalten habe, gab er zur Antwort: „Das liegt daran, dass ich das Prinzip der Liebe besitze. Ich habe der Welt nichts weiter anzubieten als ein gutes Herz und eine gute Hand.“ ( History of the Church, 5:498.)

Schwester Sariah Workman schrieb: „Ich habe immer göttlichen Einfluss gespürt, wenn ich in seiner Nähe war.“ („Joseph Smith, the Prophet“, Young Woman’s Journal, Dezember 1906, Seite 542.)

John Taylor, der in Carthage verwundet worden war und später selbst Prophet wurde, hat über ihn gesagt: „Joseph Smith, der Prophet und Seher des Herrn, hat mehr für die Errettung der Menschen in dieser Welt getan als irgendein anderer Mensch, der je auf Erden gelebt hat – Jesus allein ausgenommen. In der kurzen Spanne von zwanzig Jahren hat er das Buch Mormon hervorgebracht, das er durch die Gabe und Macht Gottes übersetzte und in zwei Erdteilen veröffentlichen ließ; hat er die Fülle des immerwährenden Evangeliums, die darin enthalten ist, in die vier Himmelsrichtungen gesandt; hat er die Offenbarungen und Gebote, die dieses Buch ‚Lehre und Bündnisse‘ bilden, hervorgebracht, dazu noch viele andere weise Dokumente und Belehrungen zum Nutzen der Menschenkinder; hat er viele tausend Heilige der Letzten Tage gesammelt, eine große Stadt gegründet und einen Namen und Ruf hinterlassen, der nicht zerstört werden kann. Er war groß im Leben, und er war groß im Sterben in den Augen Gottes und seines Volkes; und wie die meisten Gesalbten des Herrn in alter Zeit, so hat auch er seine Mission und sein Werk mit seinem Blut besiegelt.“ (LuB 135:3.)

Voller Liebe bezeuge ich, dass Gott, der Vater, lebt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn des lebendigen Gottes, der für die Sünden der Welt gekreuzigt wurde, „um sie von allem Unrecht zu säubern; durch ihn können alle errettet werden“ (LuB 76:41,42). Er ist unser Erlöser, unser Herr, unser König. Sein Reich ist wieder auf der Erde errichtet worden. Im Jahr 1820 sind Gott, der ewige Vater, und sein Sohn, Jesus Christus, Joseph Smith erschienen, der dazu vorherordiniert worden war, das Werkzeug der Wiederherstellung des Werkes zu sein, und dies ist die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Die Kirche macht die Welt auf Gottes Weisung hin für das Zweite Kommen des Herrn bereit – denn er wird wiederkehren. Das sage ich demütig in seinem heiligen Namen.