2022
Ich will nicht groß werden!
Juli 2022


„Ich will nicht groß werden!“

Chakell hatte große Angst vor der Zukunft.

Bild
mom giving girl a hug

Zum Geburtstag viel Glück!“, sangen alle.

Mit einem Atemzug blies Chakell alle Kerzen auf der Torte aus. Ihre Familie jubelte, und sie grinste.

Zehn Jahre alt war sie jetzt! Und der heutige Geburtstag sollte ihr bislang bester werden.

„Du wirst viel zu schnell groß“, sagte Mama.

„Jetzt ist dein Alter schon im zweistelligen Bereich!“, rief Papa laut.

„Bald bist du so alt wie ich jetzt!“, fügte Chantele, ihre ältere Schwester, hinzu.

Chakells Lächeln erstarrte. „Na ja, sooo alt bin ich noch nicht!“, sagte sie. „Ich bin doch erst zehn.“

„Aber nächstes Jahr kommst du schon zu den Jungen Damen und bist mit der Grundschule fertig“, meinte Chantele. „Bald bist du schon erwachsen und machst deinen Führerschein!“

Ganz plötzlich hatte Chakell ein mulmiges Gefühl. In letzter Zeit hatte sie öfters Bauchweh, ganz besonders, wenn sie an die Zukunft dachte.

Sie ignorierte das Gefühl und lächelte. „Wer will Torte?“

Später am Abend saß Chakell auf ihrem Bett und blätterte in einem ihrer Lieblingsbücher. Sie war mit den Gedanken aber völlig woanders. Das flaue Gefühl im Magen wollte einfach nicht weggehen.

An Geburtstagen musste Chakell immer ans Älterwerden denken. Und je älter sie wurde, desto beängstigender erschien ihr die Zukunft. Sie wurde ganz nervös, weil sie keine Ahnung hatte, was noch alles auf sie zukam!

Immer wieder erfüllten Sorgen Chakells Gedanken.

Ich werde nie wieder Kind sein!

Was, wenn ich zu blöd fürs Gymnasium bin?

Was, wenn ich keine Freunde finde?

Mein ganzes Leben wird anders sein!

Tränen strömten ihr das Gesicht hinunter. Sie wischte sich die Augen und schluchzte.

Da klopfte es leise an die Zimmertür. „Aber wieso weinst du denn?“, fragte Mama. Sie setzte sich zu Chakell aufs Bett. „Hat dir dein Geburtstag nicht gefallen?“

Chakell rückte zu Mama, die sie fest in die Arme nahm.

„Doch, mein Geburtstag war schön“, sagte sie und lehnte sich an Mamas Schulter. „Aber ich will nicht groß werden! Ich hab solche Angst.“

Mama strich ihr übers Haar. „Klar ist es beängstigend, wenn man groß wird. Aber es ist doch auch schön!“

Chakell wischte sich die Tränen aus den Augen. „Es klingt aber gar nicht danach, dass es schön ist“, meinte sie. „Es klingt nur so, als ob es sehr schwer ist.“

Mama nickte. „Manchmal ist es auch schwer“, sagte sie. Aber du kannst doch mutig sein! Weißt du nicht, dass dein Leben ein Abenteuer sein soll? Der Vater im Himmel hat dich hier hergeschickt, damit du tolle Erfahrungen sammeln kannst.“

Bild
girl as a grownup in graduation clothes

Chakell blickte auf das Buch in ihren Händen. Sie mochte Abenteuergeschichten. Aber das Leben hatte sie bislang noch für kein Abenteuer gehalten.

„Aber wie kann ich mutig sein, wenn ich keine Ahnung hab, was noch alles geschehen wird?“

„Deswegen haben wir ja Glauben.“ Mama lächelte. „Glaube bedeutet, dass wir uns vom Vater im Himmel führen lassen und wissen, dass er uns dabei hilft, mutig zu sein. Er hat mir schon oft geholfen, mutig zu sein, wenn ich vor etwas Neuem Angst hatte. Und er wird dir auch helfen!“

„Wirklich?“

„Wirklich!“, sagte Mama. „Du kannst jederzeit beten und um Hilfe bitten.“

Nun ging es Chakell ein bisschen besser. „Na gut.“

Bevor Chakell zu Bett ging, kniete sie nieder und betete. „Bitte hilf mir, mutig zu sein“, flüsterte sie. „Hilf mir, keine Angst vor der Zukunft zu haben.“

Nach dem Gebet verspürte Chakell ein ruhiges, friedliches Gefühl. Auch wenn die Zukunft ein wenig beängstigend erschien – mit der Hilfe des himmlischen Vaters konnte sie auch ein tolles Abenteuer sein!

Bild
Page from the July 2022 Friend Magazine.

Illustrationen von Natalie Briscoe