2023
Die Segnungen, die aus der Verbindung mit den Vorfahren entstehen
Juni 2023


Nur online: Junge Erwachsene

Die Segnungen, die aus der Verbindung mit den Vorfahren entstehen

Meine verstorbene Großmutter hat mir geholfen, das Evangelium Jesu Christi anzunehmen und ein Zeugnis von der Familienforschung zu erhalten

Bild
Freiberg-Tempel in Deutschland

Schon mein ganzes Leben lang vermutete ich, dass es zwischen meinen Vorfahren und mir eine geistige Verbindung geben müsse.

Meine Großeltern erzählten mir oft Geschichten und zeigten mir Bilder von meinen Vorfahren. Jedes Mal, wenn wir über sie sprachen, fühlte ich mich ihnen näher. Meine Familie und ich gehörten nicht der Kirche an. Meine Großmutter brachte mir dennoch bei, täglich zu beten. Durch diese Gebete begann ich, an Gott zu glauben und die Vorstellung zu entwickeln, dass meine verstorbenen Vorfahren auf irgendeine Weise weiterlebten.

Allerheiligen

In Ungarn gibt es einen Feiertag, der am Tag nach Halloween begangen wird: Allerheiligen. An diesem Tag zieht es uns auf die Friedhöfe – dorthin, wo Angehörige und Vorfahren begraben sind. Wir schmücken die Gräber mit frischen Blumen und zünden Kerzen an, um der Verstorbenen zu gedenken und sie zu ehren.

Als Kind fühlte ich mich deswegen sogar noch weitaus mehr mit meinen Vorfahren verbunden, denn ich wurde an Allerheiligen geboren. Daher war das für mich immer ein ganz besonderer Tag.

Oft protestierte ich aber auch gegen die Friedhofsbesuche. Schließlich wollte ich nicht meinen gesamten Geburtstag zwischen Grabsteinen verbringen. Mir war nicht klar, was so besonders daran sein sollte, jedes Jahr die gleichen Gräber aufzusuchen. Ich kannte die Verstorbenen ja nicht einmal.

Als ich jedoch heranwuchs und ein Zeugnis vom Evangelium erlangte, erfuhr ich viel mehr über Gottes Plan des Glücklichseins und darüber, wie heilig Familienforschung eigentlich ist. Ich weiß, dass jeder seine Vorfahren schätzen kann und soll und sich bemühen sollte, sich diesen Familienmitgliedern tief verbunden zu fühlen. Ohne sie gäbe es uns ja nicht.

Ich wollte meiner Großmutter helfen

Die Kirche lernte ich Anfang 2018 kennen. Ich ließ mich gern von den Missionaren unterweisen, und als sie mir davon erzählten, wie wichtig Familienforschung und Tempelarbeit sind, war ich nicht überrascht. Ich wusste bereits, dass es irgendwie wichtig sein musste, etwas über verstorbene Familienmitglieder in Erfahrung zu bringen und etwas für sie zu tun.

Elder Dale G. Renlund vom Kollegium der Zwölf Apostel hat erklärt:

„Familienforschung und Tempelarbeit sind nicht nur für die Verstorbenen gedacht, sondern auch den Lebenden ein Segen. …

Das ist weitaus mehr als nur ein uns empfohlenes Hobby, denn die errettenden heiligen Handlungen haben alle Kinder Gottes nötig.“1

Als ich das hörte, wollte ich mich unbedingt weiter mit dem Evangelium befassen und schließlich die Tempelarbeit für meine Vorfahren verrichten und noch mehr mit ihnen verbunden sein.

Am 1. November 2018 besuchten meine Familie und ich das Grab meiner Großmutter. Sie hatte zeit meines Lebens für mich eine besondere Rolle gespielt, und seit ihrem Tod fehlte sie mir sehr. Damals setzte ich mich noch immer mit der Kirche auseinander, und ich war mir ziemlich sicher, dass meine Großmutter – wäre sie noch am Leben gewesen – mein Interesse an der Kirche argwöhnisch beäugt und keineswegs gutgeheißen hätte. Was ihre Religion betraf, pochte sie auf Tradition.

Als ich vor ihrem Grab stand und für sie betete, überraschte es mich daher, dass ich die deutliche Eingebung erhielt, sie wisse bereits von den Wahrheiten des Evangeliums Jesu Christi. Ich spürte, dass sie stolz auf mich war, weil ich die Möglichkeit hatte, mein Leben am Beispiel des Erretters auszurichten.

Ich war sprachlos.

Die Missionare hatten mir kurz zuvor beigebracht, dass die Menschen auf der anderen Seite des Schleiers die Möglichkeit haben, das Evangelium kennenzulernen, wenn sie auf Erden keine Gelegenheit dazu hatten (siehe Lehre und Bündnisse 138:22-24). Irgendwie wusste ich, dass meine Großmutter diese Wahrheiten vernommen hatte und bereit war, das Evangelium anzunehmen. Ich wusste auch, dass sie meine Hilfe brauchte, damit die Tempelarbeit für sie erledigt werden konnte.

Dazu war es jedenfalls notwendig, mich taufen zu lassen.

Ich hatte schon eine Weile darüber nachgedacht, ob ich mich tatsächlich der Kirche Jesu Christi anschließen sollte. Das Erlebnis am Grab meiner Großmutter gab letztlich den Anstoß, endlich mit den Missionaren einen Tauftermin zu vereinbaren.

Eine wundervolle Reise zum Tempel

Einige Monate später planten die jungen Erwachsenen in meinem Gebiet, im Jahr darauf zum Freiberg-Tempel nach Deutschland zu fahren. Jeder sollte für diese Fahrt Namen aus der eigenen Familie vorbereiten und mitbringen.

Daher stattete ich etlichen Angehörigen und dem Pfarrer in einem Dorf, wo meine Vorfahren einst gelebt hatten, einen Besuch ab. So konnte ich einiges an Informationen und Aufzeichnungen zusammentragen. Ich betete auch um Führung, um weitere verstorbene Angehörige zu finden, für welche die Arbeit erledigt werden musste.

Am Ende hatte ich für meinen ersten Tempelbesuch rund 40 Namen aus meiner Familie gefunden und für die Taufe vorbereitet. Eine Vorfahrin lag mir freilich ganz besonders am Herzen.

Am ersten Tag im Tempel nahm mich einer meiner besten Freunde (mein späterer Mann) bei der Hand und führte mich in das Taufbecken, um die Taufe für meine Großmutter zu vollziehen. Als er mich untertauchte und mich dann wieder aus dem Wasser hob, empfand ich ein Brennen im Herzen vom Heiligen Geist.

In diesem Augenblick wusste ich, dass meine Großmutter zugegen und dankbar war, endlich der Kirche anzugehören. Auch ich war ihr dankbar. Sie hatte mir geholfen, wirklich zu erkennen, wie viel unseren Vorfahren die Arbeit bedeutet, die wir für sie im Tempel verrichten.

Wir brauchen einander

Für das Erlebnis mit meiner Großmutter bin ich überaus dankbar. Es hat mir bestätigt, was ich schon mein ganzes Leben lang vermutet hatte – dass nämlich unsere verstorbenen Angehörigen weiterleben und wir uns ihnen noch tiefer verbunden fühlen können.

Von unseren Vorfahren können wir Kraft, Liebe und eine Vielzahl weiterer Segnungen erhalten, wenn wir etwas über sie in Erfahrung bringen, dankbar für sie sind und im Tempel für sie die heiligen Handlungen vollziehen.

Als Elder David A. Bednar vom Kollegium der Zwölf Apostel die Mitglieder aufforderte, der Familienforschung mehr Zeit einzuräumen, verhieß er ihnen: „Wenn ihr voller Glauben dieser Einladung folgt, wird sich euer Herz den Vätern zuwenden. … Die Liebe und die Dankbarkeit, die ihr für eure Vorfahren empfindet, werden zunehmen. Euer Zeugnis vom Erlöser und eure Bekehrung zu ihm wird an Tiefe gewinnen und von Dauer sein. Ich verheiße euch, ihr werdet vor dem immer stärker werdenden Einfluss des Widersachers behütet sein.“2

Ich bin meiner lieben Omi auf ewig dankbar. Ich kann den Tag kaum erwarten, da wir wieder vereint sind und ich ihr erzählen kann, wie sie mir geholfen hat, das Evangelium Jesu Christi in seiner Gesamtheit anzunehmen. Ich weiß: Wenn wir uns bemühen, mit unseren Vorfahren verbunden zu bleiben und unsere Beziehung zu ihnen zu stärken, können wir unseren Glauben vertiefen und Christus näherkommen.

Sie brauchen uns – sie warten auf uns. Und wir brauchen sie gleichfalls (siehe Lehre und Bündnisse 128:18).

Anmerkungen

  1. Dale G. Renlund, „Familienforschung und Tempelarbeit: Siegelung und Heilung“, Liahona, Mai 2018, Seite 46f.

  2. David A. Bednar, „Das Herz der Kinder wird sich den Vätern zuwenden“, Liahona, November 2011, Seite 26