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Ein Prophet bewirkt Wunder
Zum Gedenken: Gordon B. Hinckley


Ein Prophet bewirkt Wunder

Guten Morgen, Brüder und Schwestern. Schwester Pearce, als Sie eben so liebevoll über Ihren Vater sprachen, musste ich an seine Worte bei der Herbst-Generalkonferenz 2004 denken. Er sagte: „Liebe ich als Vater meine Töchter weniger als meine Söhne? Nein. Wenn ich einer Unausgewogenheit schuldig bin, dann zugunsten meiner Mädchen. Ich habe einmal gesagt, dass ein Mann, der alt wird, besser Töchter um sich haben sollte. Sie sind so lieb und gut und zuvorkommend. Ich kann wohl sagen, dass meine Söhne fähig und weise sind. Meine Töchter sind klug und lieb. Und ich bin deswegen überglücklich.“ („Die Frauen in unserem Leben“, Liahona, November 2004, Seite 85.)

Virginia, Sie und Ihre Geschwister stehen, zusammen mit allen Enkeln, gemeinsam an der Spitze der vielen irdischen Errungenschaften Ihrer liebevollen und zu Recht stolzen Eltern. Möge nach diesem schweren Verlust ein jeder von Ihnen die liebevolle, große Barmherzigkeit des Herrn spüren.

Als ich von Präsident Hinckleys Ableben erfuhr, stand ich völlig unvorbereitet in einem dunklen Zimmer und weinte zunächst vor Trauer, doch schon bald rannen mir stattdessen Freudentränen übers Gesicht. Vermutlich haben auch viele von Ihnen so ein Wechselbad der Gefühle erlebt.

Die jungen Menschen in der Kirche sind Präsident Hinckley besonders zugetan. Er war die meiste Zeit ihres Lebens ihr Prophet. Er war ihr Held. Um es in ihrer Sprache zu sagen: Er war genial! Er konnte sie erreichen. Dank ihm wissen sie, was es bedeutet, „ein wenig aufrechter dazustehen“, „sein Bestes zu geben“, „die Messlatte höher anzusetzen“, und kennen sie die sechs Tipps: Seid dankbar, seid klug, seid rein, seid treu, seid demütig, seid gebeterfüllt.

Schon wenige Minuten nach- dem Präsident Hinckley gestorben war, sandten hunderttausende Jugendliche Mitteilungen um den Erdball, in denen sie zum Ausdruck brachten, wie schmerzlich sie den Verlust empfanden. Auch jetzt noch gibt es Zeugnisse von Respekt und Zuneigung; einige haben vorgeschlagen, in Sonntagskleidung zur Schule zu gehen. Ihr lieben jungen Menschen, ich danke euch. Ihr habt uns gezeigt, wie man unseren geliebten Propheten loben und ehren kann.

Bischof Edgley, Bischof McMullin und ich sind wöchentlich von unserem geliebten Propheten und seinen treuen Ratgebern unterwiesen worden. Wir waren zugegen, als Präsident Hinckley erfuhr, dass Präsident Howard W. Hunter gestorben war. Wir sahen, mit welchem Gesichtsausdruck er diese Nachricht aufnahm. Wir spürten und erlebten, wie sich der Mantel des dienstältesten Apostels fest um seine Schultern legte. Wir hatten die Ehre, einige seiner inspirierten Vorhaben in die Tat umsetzen zu dürfen. Danke, Präsident Hinckley, für Ihre Liebe und Ihr Vertrauen, für Ihre Führung und Ihre Inspiration.

Die Medien haben Präsident Hinckleys Leistungen gut dokumentiert. Jeder der neuzeitlichen Propheten hat ein einzigartiges Vermächtnis hinterlassen. Wenn ich an Präsident McKay denke, denke ich an die Familie und seine große Liebe zu seiner geliebten Emma Ray. Zu Präsident Smith fallen mir sofort die Lehre und die Evangeliumserkenntnis ein. Mit Präsident Lee verbinde ich Mitgefühl und die Korrelation. Bei Präsident Kimball denke ich an Umkehr und daran, dass alle würdigen männlichen Mitglieder das Priestertum erhalten. Präsident Benson erinnert mich an die Ermahnung, uns vor Stolz zu hüten, und den Rat, das Buch Mormon zu studieren. Tempelwürdigkeit war ein vorrangiges Thema von Präsident Hunter. Mit Präsident Hinckley sind viele denkwürdige Errungenschaften verbunden. Vielleicht findet jeder mit der Zeit heraus, was ihm am meisten bedeutet.

Eine der letzten Sitzungen, die Präsident Hinckley leitete, war die des Verwaltungsrats für den Ständigen Ausbildungsfonds. Als der aktuelle Stand des Fonds genannt wurde, rief Präsident Hinckley aus: „Das ist bemerkenswert!“ Und dann, nach einer kurzen Pause, sagte er: „Es ist ein Wunder.“ Präsident Hinckley bewirkte Wunder. Er wusste, wie überaus wichtig es war, den Kreislauf der Armut in den Entwicklungsländern zu durchbrechen, damit die Menschen dort am Evangelium Jesu Christi und den damit verbundenen Segnungen in vollem Umfang teilhaben können. Künftige Generationen werden noch von diesem Vermächtnis zehren.

Als ich einmal an einer Sitzung in Präsident Hinckleys Büro teilnahm, fand, nachdem das Geschäftliche geregelt war, ein lebhaftes Zwiegespräch zwischen Elder David B. Haight und Präsident Hinckley statt. Beide waren schon über 90, und sie fingen an, in Erinnerungen zu schwelgen.

Nachdem sie ein paar Erinnerungen ausgetauscht hatten, fragte Elder Haight: „Präsident Hinckley, wie viele Tempel haben Sie eigentlich geweiht und an wie vielen Weihungen oder erneuten Weihungen waren Sie beteiligt?“ Präsident Hinckley begann daraufhin, jeden der 47 Tempel aufzuzählen, die es damals gab. Soweit ich mich erinnere, war er an der Weihung von 30 dieser 47 Tempel beteiligt. Dann sagte er: „Ach, wie gern wäre ich noch am Leben, wenn der 100. Tempel geweiht wird.“ Später wiederholte er diese Äußerung, als er mit seinen Amtsbrüdern im Tempel war. Schon bald hatte er den Wunsch, noch vor Beginn des nächsten Jahrhunderts, also vor Januar 2001, hundert Tempel in Betrieb zu nehmen. Bis 1998 waren 51 Tempel in Betrieb. 1999 wurden fünfzehn weitere Tempel geweiht und im Jahr 2000 vierunddreißig. Der Tempel in Boston war der hundertste. Diesen Monat wird der 125. Tempel geweiht werden, in Rexburg in Idaho. Ein Wunder? Ganz bestimmt! Ein Prophet bewirkt Wunder.

Am 24. Juli 1997 führte Präsident Hinckley den ersten Spatenstich für dieses Konferenzzentrum aus. Bei der Herbst-Generalkonferenz 1998 beschrieb er dieses Gebäude so: „Vor allem wird es eine Stätte der Gottesverehrung sein, aber auch eine Stätte der Kunst. Es werden dort Konzerte stattfinden, ebenso andere erhebende, niveauvolle und geistige öffentliche Veranstaltungen. … Es wird ein Geschenk für den Herrn, dessen Geburtstag wir dann feiern.“ („Willkommen auf der Konferenz“, Der Stern, Januar 1999, Seite 4f.)

Als der Bau voranschritt, fragte die Präsidierende Bischofschaft nach Präsident Hinckleys Wünschen, was die Einzelheiten betraf. Er wollte für die Fassade Granit aus dem Little Cottonwood Canyon haben. Viele Jahre zuvor hatte Brigham Young den Granit aus dem Little Cottonwood Canyon als das beste Material aus den Rocky Mountains bezeichnet. Als es jedoch Schwierigkeiten beim Granitabbau gab, fragten wir bei der Ersten Präsidentschaft nach, ob sie auch mit einem anderen Material einverstanden sei. Höflich, aber bestimmt wurde uns mitgeteilt, dass wir einen Weg finden würden, wenn wir nur gebeterfüllt und beharrlich blieben. Kurz gesagt, daran hielten wir uns, und wir fanden einen Weg! Möge dieses Vermächtnis noch lange ein Denkmal für Präsident Hinckleys Weitblick sein.

Präsident Hinckley war auch ein Brückenbauer in der Öffentlichkeit. Keith Rattie, Vorstandsvorsitzender von Questar, sagte diese Woche: „Vor einigen Jahren feierte die Geschäftswelt Präsident Hinckley als eine der Größen unserer Stadt. In Wahrheit war er viel mehr. Er war eine der Größen der Welt.“ Lane Beattie, Präsident der Handelskammer von Salt Lake City, sagte: „Seine unermüdliche Tatkraft, seine Lebensfreude und wie er sich dem Guten verschrieben hatte, haben uns verändert und zu einer besseren Welt beigetragen.“ („Standing Tall for Our Community: Statement on President Hinckley’s Passing“, www.salt lakechamber.org/newsroom/position-statements.) Eine Größe? Ja, eine Größe unter den Propheten!

Woran werden wir uns erinnern, wenn wir an diesen geliebten Propheten denken? Was hinterlässt er uns für die Ewigkeit? Da könnte man vieles anführen und viele Leistungen aufzählen, mir aber wird unvergesslich bleiben, wie hingebungsvoll und treu er fast fünfzig Jahre lang als Apostel, Prophet, Seher und Offenbarer diente. Er gab auf jedem bevölkerten Kontinent Zeugnis von Christus, in kleinen wie in großen Städten, auf einem Stand im Hyde-Park wie über die Netzwerke der Medien. Er schenkte den Armen und Bedrängten Hoffnung und legte denen, die diesen Rat brauchten, nahe, sich ihrer Mitmenschen ein wenig mehr anzunehmen.

Das Anfangslied wurde von zwei jungen Männern geschrieben, die auf Mission Mitarbeiter waren. Später wurden beide Generalautoritäten. Die Melodie stammt von Elder G. Homer Durham, der Text von Präsident Gordon B. Hinckley. Er gibt wieder, welch starkes, kraftvolles Zeugnis Präsident Hinckley hatte:

Ich weiß, dass mein Erlöser lebt,

mein Herr und Heiland, Gottes Sohn;

er siegte über Schmerz und Tod,

als König herrscht er auf dem Thron.

Er lebt, ist meines Glaubens Fels,

sein Licht ist aller Hoffnung Quell,

es leuchtet mir auf meinem Weg

im Leben wie im Tode hell.

O schenk mir deinen sanften Geist,

den Frieden, den ich mir ersehn,

den Glauben, auf dem schmalen Pfad

zu dir ins ewge Reich zu gehn.

(„Mein Erlöser lebt“, Gesangbuch, Nr. 84.)

Brüder und Schwestern, mögen wir alle seinem oft erteilten Rat folgen, „unser Bestes zu geben und zu sein“ und „ein wenig aufrechter dazustehen“! Liebe Angehörige, in stiller Würde haben Sie lange Jahre das Opfer gebracht, Ihren Vater mit uns allen zu teilen. Dafür danken wir Ihnen. Möge Gott einen jeden von Ihnen trösten, segnen und bewahren, bis Sie ihn wiedersehen. Im heiligen Namen unseres Erretters und Erlösers, ja im Namen Jesu Christi. Amen.