2007
Wisst ihr es?
Mai 2007


Wisst ihr es?

Ich fordere euch auf, „mit meinen Worten einen Versuch zu machen“. Werdet ihr die Geschichte von Joseph Smith lesen und darüber beten?

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Vor einiger Zeit hatte ich ein sehr angenehmes Gespräch mit einer beeindruckenden sechzehnjährigen jungen Frau. Ich fand heraus, dass sie in ihrer Schule das einzige Mitglied der Kirche war. Ich fragte sie: „Was ist die größte Herausforderung für dich als einziges Mitglied?“

Nachdenklich gab sie eine kluge Antwort: „Wenn man glaubt, dass etwas richtig ist, obwohl alle anderen glauben, dass es falsch ist, und wenn man glaubt, dass etwas falsch ist, obwohl alle anderen glauben, dass es richtig ist.“

Ich stellte ihr eine zweite Frage: „Weißt du, dass Joseph Smith ein Prophet Gottes ist?“ Sie erwiderte: „Ich glaube ja, aber ich bin mir nicht sicher.“

Heute Morgen möchte ich die Jugendlichen in der ganzen Kirche fragen: „Wisst ihr es?“

Ich wusste zum ersten Mal, dass ich ein Zeugnis von Joseph Smith hatte, als ich gerade elf Jahre alt war und meine Eltern mit mir zum Tempelplatz in Salt Lake City fuhren.

Mein liebste Beschäftigung war es, alles zu sammeln, was es umsonst gab. Ich entwickelte viel Geschick bei dieser Tätigkeit. Ich fragte: „Ist das da umsonst?“ War die Antwort positiv, streckte ich elf Jahre alter Junge die Hand aus und sagte: „Danke. Ist das auch umsonst? Danke!“ Manchmal hieß es aber auch: „Nein, tut mir leid, das kostet fünf Cent.“ Davon völlig unberührt, senkte ich meinen Kopf zum Zeichen meiner großen Enttäuschung und sagte: „O, diese Broschüre wollte ich schon immer lesen. Aber ich habe kein Geld. Danke!“ Es klappte jedes Mal. Die Wahrheit ist: Ich las sie nie. Ich sammelte sie nur.

Auf dieser Fahrt jedoch saß ich allein in unserem 48er Chevrolet und wartete auf meine Eltern. Unvermeidlich wurde mir langweilig. In meiner Verzweiflung sah ich auf den Sitz hinunter und bemerkte meinen Stapel kostenloser Sachen. Ich griff mir eine Broschüre mit dem Titel Joseph Smith erzählt seine eigene Geschichte und fing an zu lesen.

Ich war wie gebannt und mein Herz war voller Freude. Als ich sie durchgelesen hatte, erhaschte ich mein Spiegelbild im Rückspiegel und stellte überrascht fest, dass ich weinte. Damals habe ich das nicht verstanden. Aber jetzt verstehe ich es. Ich hatte ein Zeugnis des Geistes verspürt. Meine Eltern waren nicht da. Meine Schwester war nicht da. Meine PV-Lehrerin war nicht da. Nur ich und der Heilige Geist.

So etwas kann auch euch passieren, und wahrscheinlich habt ihr bereits etwas Ähnliches erlebt.

Wenn ihr danach strebt, ein Zeugnis zu erhalten, erwarten diejenigen von euch, die in die Kirche hineingeboren wurden, vielleicht eine außergewöhnliche geistige Empfindung, die anders ist als alles, was ihr bisher gefühlt habt. Vielleicht habt ihr gehört, wie Bekehrte von ihrer Bekehrung Zeugnis gegeben haben, und fragt euch, ob ihr etwas verpasst habt. Es kommt ihnen ja unter anderem deshalb so außergewöhnlich vor, weil es neu für sie ist.

Ihr habt aber euer ganzes Leben lang genau dieselben Gefühle gehabt – beim Familienabend, in Zeugnisversammlungen für Jugendliche, in Seminarklassen, beim Lesen in den heiligen Schriften und bei vielen anderen Gelegenheiten.

Unsere Missionare lernen, wie man Untersuchern hilft, dass sie es merken, wenn sie den Geist verspüren. Ich erinnere mich, dass ich bei zahlreichen Gelegenheiten mitten in einem intensiven geistigen Gespräch innehielt und sagte: „Lassen Sie uns eine kleine Pause machen und über das sprechen, was Sie gerade empfinden. Sie haben das Gefühl, als würden wir Sie an etwas erinnern, was Sie vergessen hatten. Sie spüren, dass wir Ihnen die Wahrheit sagen. Sie verspüren Frieden. Sie spüren den Heiligen Geist.“

Ich kann mich daran erinnern, wie ich eine äußerst intelligente Frau belehrte, der es schwer fiel, etwas zu akzeptieren, bevor sie nicht ausnahmslos alle Unklarheiten beseitigt hatte. Endlich hörten wir sie jedoch sagen: „Ich kann dieses Gefühl nicht länger leugnen.“

Sie schloss sich der Kirche an und war in den nächsten Jahren sehr glücklich. Aber mit der Zeit ließ sie ihre intellektuellen Zweifel wieder hochkommen, und schließlich verließ sie die Kirche.

Fünfzehn Jahre vergingen, da besuchte sie uns. Wir gingen mit ihr zum Tempelplatz. Als wir den kreisförmigen Aufgang hinaufgingen, der zu der Statue des Erlösers führt, hielt sie an und sagte unter Tränen: „Jetzt habe ich dieses Gefühl wieder. Im Herzen sehne ich mich immer noch nach dem, was mein Verstand nicht akzeptiert!“

Wenn man es einmal gespürt hat, kann man es nie wieder vergessen.

Geistige Zeugnisse werden denen, die geistigen Erlebnissen ausgesetzt sind, schon in jungen Jahren zuteil. Wir sorgen als Eltern, Lehrer und Führungsbeamte gut dafür, dass ihr wirklich die Regeln und Gebote versteht. Wir könnten euch aber noch besser helfen, ein Zeugnis von den Grundsätzen und der Lehre zu erlangen. Vielleicht könnten wir öfter eine Pause machen, damit ihr lernt, den Geist zu erkennen.

Wenn ihr diese Gefühle als das erkennt, was sie sind, wird euer Glaube an sie zunehmen. Bald werdet ihr bemerken, dass ihr geistig einen sechsten Sinn entwickelt habt, der nicht getäuscht werden kann.

Im Alter von elf Jahren wusste ich, dass Joseph Smith ein Prophet Gottes ist. Ich habe weder Stimmen gehört noch Engel gesehen noch sonst etwas in der Art. Das, was ich gespürt habe, war viel zuverlässiger. Mein geistiger Sinn war angesprochen worden. Ich fühlte, wie in meinem Innersten, das vor aller Täuschung geschützt ist, Begeisterung aufkam. Dieser geistige Sinn gerät nur dann in Schwingung, wenn der Heilige Geist ihn anregt.

Wie fühlt sich dieses geistige Zeugnis an? Das ist so schwer zu beschreiben wie der Duft einer Rose oder das Lied eines Vogels oder die Schönheit einer Landschaft. Dennoch wisst ihr es, wenn ihr es wahrnehmt.

Die heiligen Schriften geben uns einigen Einblick in diese Gefühle:

„Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Ich werde dir von meinem Geist geben, der dir den Verstand erleuchten wird und der dir die Seele mit Freude erfüllen wird; und dann wirst du wissen“ (LuB 11:13,14).

Manchmal ist dieses Gefühl wie eine Erinnerung. Wir haben das Evangelium zuerst in unserem himmlischen Zuhause kennengelernt. Wir sind mit einem Schleier des Vergessens auf diese Erde gekommen. Und doch schlummern in jedem von uns diese Erinnerungen. Der Heilige Geist kann den Schleier teilen und all dies aus seinem Schlummer wecken. Oft ist meine Reaktion auf eine scheinbar neu gefundene Wahrheit: „O, daran erinnere ich mich!“

„Der Beistand aber, der Heilige Geist, … wird … euch an alles erinnern.“ (Johannes 14:26.)

Meine jungen Brüder und Schwestern, ich fordere euch auf, „mit meinen Worten … einen Versuch zu machen“ (Alma 32:27). Werdet ihr die Geschichte von Joseph Smith lesen und darüber beten?

Das Schöne an der Erkenntnis, dass es wahr ist, ist, dass man gleichzeitig weiß, dass Gottvater und Jesus Christus leben und heute an der Spitze dieser Kirche stehen. Ich habe diese Erkenntnis erlangt, als ich elf Jahre alt war. Jetzt stehe ich als ordinierter besonderer Zeuge Jesu Christi vor euch und bezeuge, dass es wahr ist. Ich bezeuge auch: Der Herr möchte, dass ihr wisst, dass es wahr ist, und er wird „euch durch die Macht des Heiligen Geistes kundtun, dass es wahr ist“ (Moroni 10:4). Im Namen Jesu Christi. Amen.