Generalkonferenz
Die Siegelungsmacht
Herbst-Generalkonferenz 2023


Die Siegelungsmacht

Die Siegelungsmacht macht die persönliche Errettung und die Erhöhung der Familie für alle Kinder Gottes zugänglich

Schon seit den Tagen Jesajas wurde prophezeit,1 dass in den Letzten Tagen das alte Bundesvolk des Herrn, das Haus Israel, „aus [seiner] langen Zerstreuung gesammelt [wird] von den Inseln des Meeres und von den vier Teilen der Erde“2 und „in die Länder [seines] Erbteils“3 wiederhergestellt wird. Präsident Russell M. Nelson hat oft und eindringlich über diese Sammlung gesprochen und sie „das Wichtigste, was heute auf der Erde stattfindet“4, genannt.

Was ist der Zweck dieser Sammlung?

In einer Offenbarung an den Propheten Joseph Smith nannte der Herr unter anderem den Schutz des Bundesvolkes. Er sagte: „Damit die Sammlung im Land Zion und in seinen Pfählen Schutz bewirk[t] und eine Zuflucht [ist] vor dem Sturm und vor dem Grimm, wenn diese unvermischt über die ganze Erde ausgegossen werden.“5 In diesem Zusammenhang kann „Grimm“ als die natürlichen Folgen eines allgemeinen Ungehorsams gegenüber den Gesetzen und Geboten Gottes verstanden werden.

Am wichtigsten ist, dass die Sammlung dem Zweck dient, all jenen, die sie empfangen wollen, die Segnungen der Errettung und Erhöhung zu bringen. Auf diese Weise gehen die Verheißungen des Bundes, die Abraham gegeben wurden, in Erfüllung. Der Herr sagte Abraham, dass durch seine Nachkommen und das Priestertum „alle Familien der Erde gesegnet sein [werden], ja, mit den Segnungen des Evangeliums, und das sind die Segnungen der Errettung, ja, des ewigen Lebens“6. Präsident Nelson drückte es so aus: „Wenn wir das Evangelium annehmen und uns taufen lassen, nehmen wir den heiligen Namen Jesu Christi auf uns. Die Taufe ist das Tor, durch das wir eintreten, sodass wir Miterben sämtlicher Verheißungen werden, die der Herr in alter Zeit Abraham, Isaak, Jakob und deren Nachkommen gegeben hat.“7

1836 erschien Mose dem Propheten Joseph Smith im Kirtland-Tempel und „übertrug … die Schlüssel zur Sammlung Israels von den vier Teilen der Erde“8. Bei dieser Gelegenheit erschien auch Elias und „übertrug die Evangeliumszeit Abrahams und sagte, in uns und unseren Nachkommen würden alle Generationen nach uns gesegnet sein“9. Mit dieser Vollmacht tragen wir nun das Evangelium Jesu Christi – die gute Nachricht der Erlösung durch ihn – in alle Teile und Länder der Erde und nehmen alle, die es wollen, in den Bund des Evangeliums auf. Sie werden „Nachkommen Abrahams und die Kirche und das Reich und die Auserwählten Gottes“10.

Bei dem erwähnten Ereignis im Kirtland-Tempel erschien noch ein dritter himmlischer Bote Joseph Smith und Oliver Cowdery. Ich meine den Propheten Elija. Ich möchte heute über die Vollmacht und die Schlüssel sprechen, die er wiederherstellte.11 Die Macht, alle heiligen Handlungen des Priestertums zu bestätigen und sie sowohl auf der Erde als auch im Himmel bindend zu machen – die Siegelungsmacht –, ist entscheidend für die Sammlung und Vorbereitung eines Bundesvolkes auf beiden Seiten des Schleiers.

Jahre zuvor hatte Moroni Joseph Smith darüber aufgeklärt, dass Elija die notwendige Priestertumsvollmacht zurückbringen werde: „Ich werde euch das Priestertum durch die Hand des Propheten Elija offenbaren.“12 Später erläuterte Joseph Smith: „Warum gerade Elija? Weil er die Schlüsselgewalt zum Vollzug aller heiligen Handlungen des Priestertums innehat; und [solange] diese Vollmacht nicht erteilt wird, können die heiligen Handlungen nicht auf die richtige Weise vollzogen werden“13 – das heißt, sie wären dann nicht für Zeit und Ewigkeit bindend.14

In einer Darlegung, die später in das Buch Lehre und Bündnisse aufgenommen wurde, sagte der Prophet: „Einigen mag es als eine sehr kühne Lehre vorkommen, wenn wir von einer Macht sprechen, die auf Erden aufzeichnet oder bindet und im Himmel bindet. Doch ist diese Macht in allen Zeitaltern der Welt gegeben worden, immer wenn der Herr einem Mann oder einer Gruppe von Männern durch tatsächliche Offenbarung eine Evangeliumszeit des Priestertums gegeben hat. Was auch immer jene Männer mit Vollmacht und im Namen des Herrn getan haben, und es voll Wahrhaftigkeit und Treue getan haben, und worüber sie einen ordnungsgemäßen und getreuen Bericht geführt haben, das ist demnach auf Erden und im Himmel zu einem Gesetz geworden und kann gemäß dem Ratschluss des großen Jehova nicht für ungültig erklärt werden.“15

Oft bringen wir die Siegelungsvollmacht lediglich mit bestimmten heiligen Handlungen im Tempel in Verbindung, aber diese Vollmacht ist zur Bestätigung aller heiligen Handlungen notwendig und macht diese dadurch erst über den Tod hinaus bindend.16 Die Siegelungsmacht drückt Ihrer Taufe beispielsweise das Siegel der Rechtmäßigkeit auf, sodass sie hier und im Himmel anerkannt wird. Letzten Endes werden sämtliche Verordnungen des Priestertums mit den Schlüsseln des Präsidenten der Kirche vollzogen. Präsident Joseph Fielding Smith erläuterte das so: „Er [der Präsident der Kirche] hat uns Vollmacht übertragen. Er hat unser Priestertum mit der Siegelungsvollmacht versehen, weil er die Schlüssel dafür besitzt.“17

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Zweck für die Sammlung Israels, der eine besondere Bedeutung hat, wenn wir über die Siegelung auf Erden und im Himmel sprechen, nämlich den Bau und Betrieb von Tempeln. Der Prophet Joseph Smith hat dazu gesagt: „Was war der Zweck bei der Sammlung … des Gottesvolkes zu irgendeiner Zeit? … Der Hauptzweck war der, dass dem Herrn ein Haus gebaut werden sollte, worin er seinem Volk die Verordnungen seines Hauses und die Herrlichkeiten seines Reiches offenbaren und den Menschen die Errettung darlegen konnte; denn es gibt bestimmte Verordnungen und Grundsätze, die, nachdem sie gelehrt und ausgeübt worden sind, an einem dafür errichteten Ort vollzogen werden müssen.“18

Die Siegelungsmacht verleiht den heiligen Handlungen des Priestertums Gültigkeit, und diese erstreckt sich natürlich auch auf die Verordnungen, die von Stellvertretern an dem vom Herrn bestimmten Ort – seinem Tempel – vollzogen werden. Hier sehen wir die ganze Schönheit der heiligen Siegelungsmacht: Sie macht die persönliche Errettung und die Erhöhung der Familie für alle Kinder Gottes zugänglich, wo immer und wann immer sie auf der Erde gelebt haben mögen. Keine andere Theologie, Philosophie oder Vollmacht kann eine solch allumfassende Gelegenheit bieten. Die Siegelungsmacht offenbart die Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Liebe Gottes in vollkommener Form.

Mit dem Zugang zur Siegelungsmacht wendet sich unser Herz natürlich denjenigen zu, die vor uns gelebt haben. Die Sammlung in den Bund geht in den Letzten Tagen über den Schleier hinaus. Nach Gottes vollkommener Ordnung können sich die Lebenden des ewigen Lebens in seiner Fülle nur dann erfreuen, wenn sie stabile Verbindungen mit ihren Vorvätern herstellen. Gleichermaßen ist der Fortschritt derer, die sich bereits auf der anderen Seite befinden oder den Schleier des Todes womöglich noch durchschreiten werden, ohne die Siegelung erhalten zu haben, unvollständig, solange wir uns als Nachkommen nicht stellvertretend nach göttlicher Ordnung durch heilige Handlungen an sie binden – und sie an uns.19 Die Verpflichtung, einander über den Schleier hinweg zu helfen, kann man als Versprechen aus einem Bündnis betrachten, als Teil des neuen und immerwährenden Bundes. Mit den Worten von Joseph Smith: Wir wollen „unsere Toten versiegeln, sodass sie in der ersten Auferstehung [mit uns] hervorkommen“20.

Am höchsten und heiligsten manifestiert sich die Siegelungsmacht in der ewigen Einheit von Mann und Frau in der Ehe und in der Verbindung der Menschheit über alle Generationen hinweg. Weil die Vollmacht, in diesen Verordnungen zu amtieren, derart heilig ist, überwacht der Präsident der Kirche persönlich deren Übertragung an andere. Präsident Gordon B. Hinckley hat dazu einmal angemerkt: „Wie ich schon oft gesagt habe: Wäre aus all dem Kummer und der Mühsal und dem Leid, die mit der Wiederherstellung verbunden waren, nichts weiter hervorgegangen als die Siegelungsmacht des heiligen Priestertums, mit der Familien für immer aneinandergebunden werden können, so wäre dies schon jeden Preis wert gewesen.“21

Ohne die Siegelungen, die ewige Familien hervorbringen und die Generationen im Diesseits und im Jenseits miteinander verbinden, hätten wir in der Ewigkeit weder Wurzeln noch Zweige, also weder Vorfahren noch Nachkommen. So ein losgelöster, isolierter Zustand von Individuen einerseits und andererseits Verbindungen, die im Gegensatz zu der von Gott eingesetzten Ehe und der Familie stehen,22 würden den eigentlichen Zweck der Erschaffung der Erde vereiteln. Wenn dies die Norm wäre, käme es einer Verfluchung oder völligen Verwüstung der Erde bei der Ankunft des Herrn gleich.23

Wir können erkennen, warum „die Ehe zwischen Mann und Frau von Gott verordnet ist und dass im Plan des Schöpfers für die ewige Bestimmung seiner Kinder die Familie im Mittelpunkt steht“24. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass dies in der unvollkommenen Gegenwart nicht der Realität entspricht und für einige noch nicht einmal eine realistische Option darstellt. Aber wir haben Hoffnung in Christus. Während wir auf den Herrn warten, erinnert uns Präsident M. Russell Ballard daran, dass „die heiligen Schriften und die neuzeitlichen Propheten [bestätigen], dass jeder, der treu die Bündnisse des Evangeliums hält, die Erhöhung erlangen kann“25.

Einige haben in ihrer Familie unglückliche und ungesunde Verhältnisse erlebt und verspüren daher kein gesteigertes Verlangen nach einer ewigen Familie. Elder David A. Bednar machte diese Beobachtung: „Wenn ihr in der eigenen Familie eine schmerzliche Scheidung miterleben musstet oder darunter gelitten habt, dass euer Vertrauen verletzt wurde, dann denkt bitte daran, dass auch hier gilt: [Gottes Muster für Familien] beginnt mit euch! Ein Glied in eurer Kette der Generationen mag gebrochen sein, aber jede andere rechtschaffene Verbindung und was von der Kette übrig ist, bleibt trotz alledem von ewiger Bedeutung. Ihr könnt eure Kette stärken und möglicherweise sogar dabei mithelfen, die gebrochenen Verbindungen wiederherzustellen. Dieses Werk wird Zug um Zug vollbracht.“26

Im Juli sagte Präsident Russell M. Nelson beim Trauergottesdienst für Schwester Pat Holland, der Frau von Elder Jeffrey R. Holland: „Zu gegebener Zeit werden Patricia und Jeffrey wieder vereint sein. Später werden sich ihre Kinder und ihre bündnistreuen Nachkommen zu ihnen gesellen, um mit ihnen die Fülle der Freude zu genießen, die Gott für seine treuen Kinder bereithält. Da wir dies wissen, ist uns auch klar, dass das wichtigste Datum in Patricias Leben weder ihr Geburts- noch ihr Todestag war. Ihr wichtigster Tag war der 7. Juni 1963, als sie und Jeff im St.-George-Tempel gesiegelt wurden. … Warum ist das so wichtig? Weil die Erde erschaffen wurde, damit Familien gegründet und aneinander gesiegelt werden können. Errettung ist eine Sache, bei der es auf den Einzelnen ankommt, Erhöhung hingegen eine Sache, bei der es auf eine Familie ankommt. Niemand wird allein erhöht.“

Vor nicht allzu langer Zeit trafen meine Frau und ich eine liebe Freundin in einem Siegelungsraum des Bountiful-Utah-Tempels. Das erste Mal traf ich diese Freundin in Córdoba in Argentinien, als sie noch ein Kind war. Mein Mitarbeiter und ich gingen in einem Viertel, das nur wenige Häuserblocks vom Missionsbüro entfernt war, von Tür zu Tür. Sie machte uns auf, als wir zu ihrem Haus kamen. Schon bald ließen sie, ihre Mutter und ihre Geschwister sich taufen. Sie sind nach wie vor treue Mitglieder. Heute ist sie eine wundervolle Frau, und wir waren an diesem Tag im Tempel, um ihre verstorbenen Eltern aneinander und sie an die beiden zu siegeln.

Ein Ehepaar, das im Laufe der Jahre zu guten Freunden geworden war, vertrat ihre Eltern am Altar. Es war ein bewegender Augenblick, der noch schöner wurde, als unsere argentinische Freundin an ihre Eltern gesiegelt wurde. An diesem ruhigen Nachmittag fernab der Außenwelt waren nur sechs Personen anwesend, und doch fand eines der wichtigsten Ereignisse der Welt statt. Ich freute mich darüber, dass sich nun ein Kreis schloss: Meine Aufgabe und meine Bekanntschaft, die damit begonnen hatte, dass ich als junger Missionar an ihre Tür klopfte, führte viele Jahre später nun dazu, dass ich die Siegelungen vollzog, die sie mit ihren Eltern und vorangegangenen Generationen verband.

Dergleichen geschieht ständig in Tempeln auf der ganzen Welt. Dies ist der letzte Schritt bei der Sammlung des Bundesvolkes. Es ist der größte Vorzug Ihrer Mitgliedschaft in der Kirche Jesu Christi. Ich verheiße Ihnen: Wenn Sie sich glaubenstreu um diesen Vorzug bemühen, werden Sie ihn gewiss zu Lebzeiten oder in der Ewigkeit erlangen.

Ich bezeuge, dass die Siegelungsmacht und -vollmacht von Joseph Smith auf der Erde wiedergestellt worden ist, und was dadurch auf Erden gebunden wird, ist tatsächlich auch im Himmel gebunden. Ich bezeuge, dass Präsident Russell M. Nelson, als Präsident der Kirche, heutzutage der einzige Mensch auf Erden ist, der mit seinen Schlüsseln den Gebrauch dieser himmlischen Macht leitet. Ich bezeuge, dass das Sühnopfer Jesu Christi die Unsterblichkeit wahr werden ließ und die Aussicht auf eine erhöhte Familienbeziehung zur Tatsache gemacht hat. Im Namen Jesu Christi. Amen.