2003
Eine Ehe, die Bestand hat
Juli 2003


Botschaft von der Ersten Präsidentschaft

Eine Ehe, die Bestand hat

Zu Beginn möchte ich zwei Erlebnisse erzählen. Die erste Geschichte trug sich vor vielen Jahren zu, als ich den neuen Washington-D.C.-Tempel besuchte. Damals waren auch einige Reporter anwesend. Das schöne Gebäude, das so ganz anders war als andere Kirchen – was das Konzept, den Zweck und die Leute betraf, die seine heiligen Räume betreten durften –, machte sie neugierig.

Ich erklärte, dass nur Mitglieder der Kirche in gutem Stand das Gebäude nach seiner Weihung zum Haus des Herrn betreten dürften, dass es aber vor der Weihung für einen Zeitraum von einem Monat bis zu sechs Wochen für Besucher zugänglich sei, die dann das ganze Gebäude besichtigen könnten. Es ginge uns nicht darum, das Gebäude vor der Welt zu verbergen, sondern es sei uns nach der Weihung eben so heilig, dass man es nur betreten dürfe, wenn man ein reines Leben führe und sich strikt an die Maßstäbe der Kirche hielte.

Wir sprachen darüber, warum Tempel gebaut werden. Ich erklärte den Zweck des Tempels und wies besonders auf den einen Grund hin, der alle Männer und Frauen betrifft, die sich um ihr Leben Gedanken machen, nämlich die Ehe für die Ewigkeit. Dabei fiel mir ein Erlebnis aus der Zeit vor der Weihung des London-Tempels in England ein, als dieser 1958 der Öffentlichkeit zugänglich war.

Ein junges Paar in England

Damals standen tausende neugierige, aber dennoch ernsthafte Menschen Schlange, um das Gebäude besichtigen zu dürfen. Ein Polizist, der den Verkehr regelte, meinte, er erlebe es zum ersten Mal, dass die Engländer so eifrig darauf bedacht seien, in eine Kirche zu gehen.

Wer das Gebäude besichtigte, wurde gebeten, von Fragen abzusehen, bis der Rundgang beendet war. Abends beantwortete ich dann zusammen mit den Missionaren die Fragen der Besucher. Als ich einmal ein junges Paar die Eingangstreppe hinuntergehen sah, fragte ich sie, ob ich ihnen irgendwie helfen könne. Die junge Frau antwortete: „Ja. Was hat es mit dieser ‚Ehe für die Ewigkeit‘ auf sich, die in einem der Räume angesprochen wurde?“ Wir setzten uns auf eine Bank unter einer uralten Eiche in der Nähe des Tores. Der Ehering am Finger der jungen Frau zeigte mir, dass sie verheiratet waren, und die Art und Weise, wie die Frau die Hand ihres Mannes festhielt, ließ darauf schließen, dass sie einander große Zuneigung entgegenbrachten.

„Jetzt zu Ihrer Frage“, sagte ich. „Ich nehme an, Sie sind von einem Geistlichen getraut worden?“

„Ja“, gab sie zur Antwort. „Vor drei Monaten erst.“

„Ist Ihnen aufgefallen, dass der Geistliche auch gleichzeitig Ihre Trennung verkündete, als er erklärte, sie seien nun Mann und Frau?“

„Wie meinen Sie das?“, fragte sie gleich zurück.

„Sie glauben doch daran, dass das Leben ewig ist, nicht wahr?“

„Natürlich“, erwiderte sie.

Ich fuhr fort. „Können Sie sich ewiges Leben ohne ewige Liebe vorstellen? Kann sich einer von Ihnen beiden vorstellen, in der Ewigkeit ohne den anderen glücklich zu sein?“

„Natürlich nicht“, lautete die Antwort.

„Was aber hat der Geistliche bei Ihrer Trauung gesagt? Wenn ich den Wortlaut richtig in Erinnerung habe, sagte er unter anderem ‚in Krankheit und Gesundheit, in Reichtum und Armut, in guten und in schlechten Zeiten, bis der Tod euch scheidet‘. Er ging so weit, wie seine Vollmacht es zuließ, nämlich bis der Tod Sie scheidet. Ja, ich glaube sogar, wenn Sie ihn diesbezüglich befragen würden, würde er entschieden abstreiten, dass die Ehe und die Familie über das Grab hinaus Bestand haben.

Aber“, fuhr ich fort, „unser aller Vater, der seine Kinder liebt und das Beste für sie möchte, hat dafür gesorgt, dass die heiligste und edelste Verbindung zwischen den Menschen, nämlich die Ehe und die Familie, unter den entsprechenden Voraussetzungen weiterhin Bestand hat.

In einem wichtigen, bewegenden Gespräch zwischen dem Erretter und seinen Aposteln sagte Petrus: ‚Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!‘ Darauf sprach der Herr: ‚Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.‘ Dann erklärte der Herr dem Petrus und seinen übrigen Jüngern: ‚Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.‘ (Siehe Matthäus 16:13-19.)

Als der Herr seinen Aposteln Vollmacht übertrug, gab er ihnen auch die Schlüssel des heiligen Priestertums, dessen Macht das Leben und den Tod überdauert und bis in die Ewigkeit hineinreicht. Dieselbe Vollmacht ist von eben diesen Aposteln, die sie in alter Zeit innehatten, zur Erde zurückgebracht worden, nämlich von Petrus, Jakobus und Johannes.“ Ich erklärte weiter, dass dieselben Schlüssel nach der Weihung des Tempels am kommenden Sonntag zum Nutzen der Männer und Frauen Anwendung finden würden, die in dieses heilige Haus kämen, um ihre Ehe siegeln zu lassen. Sie werden durch einen Bund vereint, den der Tod nicht lösen und den die Zeit nicht aufheben kann.

So gab ich dem jungen Paar in England Zeugnis. So gebe ich Ihnen und der ganzen Welt heute Zeugnis. Der himmlische Vater, der seine Kinder liebt, wünscht sich für sie alles, was ihnen jetzt und in der kommenden Ewigkeit Glück schenkt, und es gibt kein größeres Glück als das Glück, das in der wichtigsten zwischenmenschlichen Beziehung überhaupt zu finden ist – der Gemeinschaft von Mann und Frau und von Eltern und Kindern.

„Ist die Liebe wie eine Rose?“

Vor vielen Jahren wurde ich ins Krankenhaus an das Bett einer Mutter gerufen, die sich im letzten Stadium einer tödlichen Krankheit befand. Kurz darauf starb sie und hinterließ ihren Mann und vier Kinder, von denen das jüngste, ein Junge, erst sechs Jahre alt war. Es herrschte Trauer – tiefe, schmerzliche Trauer. Doch hinter den Tränen glänzten der Glaube und die Gewissheit, dass es eines Tages – so gewiss wie die schmerzliche Trennung – ein freudiges Wiedersehen geben würde, denn die Ehe hatte ihren Anfang mit der Siegelung für Zeit und Ewigkeit im Haus des Herrn genommen, unter der Vollmacht des heiligen Priestertums.

Jeder Mann, der eine Frau wahrhaft liebt, und jede Frau, die einen Mann wahrhaft liebt, erhofft und erträumt sich, dass ihre Verbindung für immer Bestand hat. Doch die Ehe ist ein Bund, der nur von jemandem geschlossen werden kann, der die Vollmacht dazu besitzt. Wenn sie nur mit der Vollmacht des Staates geschlossen wird, währt sie auch nur so lange, wie die Jurisdiktion des Staates währt, und diese Jurisdiktion ist mit dem Tod zu Ende. Doch wenn man der Vollmacht des Staates noch die Kraft der Begabung hinzufügt, die uns derjenige schenkt, der den Tod überwunden hat, dann überdauert diese Beziehung das irdische Leben, sofern beide Ehepartner so leben, dass sie dieser Verheißung würdig sind.

Als ich noch viel jünger und längst nicht so gebrechlich war, tanzten wir zu einem Lied, dessen Text etwa folgendermaßen lautete:

Ist die Liebe wie eine Rose,

die erblüht und wächst,

dann verblüht und verwelkt,

wenn der Sommer vorüber ist?

Das war zwar nur ein Tanzlied, doch diese Frage haben sich Männer und Frauen, die einander liebten und ihren Blick über das Heute hinaus auf die Ewigkeit richteten, schon viele Jahrhunderte hindurch gestellt.

Diese Frage beantworten wir mit einem Nein und bekräftigen, dass die Liebe und die Ehe gemäß dem vom Herrn offenbarten Plan nicht wie die Rose sind, die verblüht, wenn der Sommer vorüber ist. Sie sind vielmehr ewig, so gewiss, wie auch der Gott des Himmels ewig ist.

Doch diese Gabe, die kostbarer ist als alle anderen, erlangen wir nur, wenn wir den Preis dafür zahlen – mit Selbstdisziplin, mit Tugend, mit dem Befolgen der Gebote Gottes. Das mag schwierig sein, aber es ist möglich, denn den Ansporn dazu findet man, wenn man die Wahrheit versteht.

Zeugnisse

Präsident Brigham Young (1801-1877) hat einmal gesagt: „Es gibt in unserem Gemeinwesen keinen einzigen jungen Mann, der nicht bereitwillig von hier nach England reisen würde, um auf die rechte Weise zu heiraten, wenn er nur alles so verstände, wie es ist. Keine junge Frau in unserem Gemeinwesen, die das Evangelium liebt und sich seine Segnungen wünscht, würde auf eine andere Weise heiraten.“1

Viele sind so weit und sogar noch weiter gereist, um in den Genuss der Segnungen der Tempelehe zu kommen. Ich habe eine Gruppe von Heiligen der Letzten Tage aus Japan gesehen, die – vor dem Bau eines Tempels in ihrer Heimat – gehungert haben, um sich die lange Reise zum Laie-Tempel auf Hawaii zu ermöglichen. Ehe in Johannesburg ein Tempel gebaut wurde, gab es Mitglieder, die auf vieles verzichteten, was sie dringend gebraucht hätten, um sich den elftausend Kilometer langen Flug von Südafrika zum Tempel in Surrey in England leisten zu können. In ihren Augen leuchtete ein Licht und sie hatten ein Lächeln auf den Lippen und gaben Zeugnis, dass dieses Erlebnis unendlich mehr wert war als alles, was es gekostet hatte.

Ich weiß noch, wie ich vor vielen Jahren einen Mann aus einer abgelegenen Gegend in Australien in Neuseeland Zeugnis geben hörte. Er war von einem Standesbeamten getraut worden und hatte sich dann zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern der Kirche angeschlossen. Sie hatten den langen Weg quer über das weite Land und die Überfahrt über die Tasmansee bis nach Auckland und von dort weiter zum Tempel im schönen Waikatotal auf sich genommen. Wenn ich mich recht erinnere, sagte er: „Wir konnten uns die Reise nicht leisten. Unser irdischer Besitz bestand aus einem alten Auto, unseren Möbeln und unserem Geschirr. Ich sagte zu meiner Familie: ‚Wir können uns die Reise nicht leisten.‘ Dann schaute ich meine liebe Frau und unsere süßen Kinder an und sagte: ‚Wir können es uns nicht leisten, die Reise nicht zu machen. Wenn der Herr mir Kraft gibt, kann ich arbeiten und genug verdienen, um ein neues Auto und neue Möbel und Geschirr zu kaufen, aber wenn ich meine Lieben verlöre, wäre ich wirklich arm – sowohl hier auf der Erde als auch in der Ewigkeit.‘“

Heiratet recht und lebt recht

Wie kurzsichtig sind doch so viele von uns. Sie denken nur an das Heute und vergessen darüber das Morgen. Doch das Morgen kommt gewiss, genauso wie der Tod und die Trennung. Wie süß ist doch die Gewissheit, wie tröstlich ist doch der Friede, den uns das Wissen darum schenkt, dass unsere Ehe, sofern wir recht heiraten und recht leben, weiter besteht, ungeachtet dessen, dass der Tod kommt und die Zeit vergeht. Der Mensch schreibt vielleicht Liebeslieder und trägt sie vor. Er sehnt sich, er hofft und träumt. Doch all das bleibt nur romantisches Sehnen, wenn die Vollmacht, die die Kraft der Zeit und des Todes übersteigt, nicht zur Anwendung kommt.

Präsident Joseph F. Smith (1838-1918) hat vor vielen Jahren einmal gesagt: „Das Haus des Herrn ist ein Haus der Ordnung und nicht ein Haus der Verwirrung; und das bedeutet, … dass eine Verbindung nicht außerhalb des Gesetzes Gottes und der Ordnung dieses Hauses für Zeit und Ewigkeit vollendet werden kann. Der Mensch sehnt sich danach, er nimmt die äußere Form dafür hier auf der Erde auf sich, doch das alles hat keinen Bestand, wenn die Eheschließung nicht mit der Vollmacht Gottes im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes vollzogen und in Kraft gesetzt wird.“2

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch eine Geschichte erzählen. Es handelt sich zwar nicht um eine tatsächliche Begebenheit, aber sie könnte wahr sein. Stellen Sie sich zwei junge Leute vor. Am Himmel steht der volle Mond und die Rosen blühen. Zwischen den beiden ist eine zarte Liebe erblüht. Johnny sagt zu Mary: „Mary, ich liebe dich. Ich möchte, dass du meine Frau und die Mutter unserer Kinder wirst. Aber ich will weder dich noch die Kinder für die Ewigkeit. Nur für eine begrenzte Zeit, und dann heißt es Abschied nehmen.“ Und sie schaut ihn unter Tränen an, während sich das Mondlicht in ihren Augen spiegelt, und sagt: „Johnny, du bist wundervoll. Es gibt niemanden auf der ganzen Welt, der so ist wie du. Ich liebe dich und möchte, dass du mein Mann und der Vater unserer Kinder wirst. Aber nur für eine begrenzte Zeit, und dann heißt es Abschied nehmen.“

Das hört sich töricht an, nicht wahr? Aber ist das im Grunde nicht das, was ein Mann zu einer Frau und eine Frau zu einem Mann sagt, wenn er ihr einen Heiratsantrag macht und die beiden auf die Möglichkeit verzichten, unter dem „neuen und immerwährenden Bund“ (LuB 132:19) eine ewige Verbindung einzugehen, sondern sich lieber für eine Zeremonie entscheiden, die nur so lange gilt, bis der Tod kommt?

Ewiges Leben

Das Leben ist ewig. Der Gott des Himmels hat auch die ewige Liebe und die ewige Familie möglich gemacht.

Möge Gott Sie segnen, während Sie sich auf die Ehe freuen bzw. über Ihre Ehe nachdenken, damit Sie nicht nur hier auf der Erde auf eine lohnenswerte Verbindung und ein reiches, fruchtbringendes Familienleben bedacht sind, sondern sich auf eine noch viel schönere Zeit freuen können, wo die Liebe und lieb gewordene Verbindungen gemäß der von Gott gegebenen Verheißung weiterbestehen.

Ich bezeuge, dass der Herr Jesus Christus wirklich lebt und dass diese Vollmacht von ihm kommt. Ich bezeuge, dass seine Macht und sein Priestertum unter uns sind und in seinem heiligen Haus Anwendung finden. Verwerfen Sie nicht das, was der Herr uns schenken will. Leben Sie würdig und haben Sie daran Anteil; lassen Sie Ihre Ehe von der heilig machenden Kraft seines heiligen Priestertums siegeln.

Für Die Heimlehrer

Bereiten Sie sich gebeterfüllt vor und präsentieren Sie dann diese Botschaft anhand einer Unterrichtsmethode, bei der Ihre Zuhörer einbezogen werden. Im Folgenden finden Sie einige Beispiele dazu:

  1. Fragen Sie die Familie, ob jemand schon einmal einem Nachbarn oder einem Freund die ewige Ehe erklären musste. Fragen Sie sie, was sie sagen würden, wenn das der Fall wäre. Lesen Sie gemeinsam, was Präsident Hinckley dem jungen Paar in England erklärt hat. Bilden Sie dann zwei Gruppen, die einander zur Übung gegenseitig die ewige Ehe erklären.

  2. Zeigen Sie der Familie eine Rose oder eine andere Blume. Fragen Sie, inwiefern man die Liebe mit einer Blume vergleichen bzw. nicht vergleichen kann. Lesen Sie gemeinsam den Abschnitt „,Ist die Liebe wie eine Rose?‘“ Geben Sie Zeugnis, dass der Plan des Herrn vorsieht, dass die Liebe und die Ehe für die Ewigkeit Bestand haben sollen.

  3. Wenn Sie es für angebracht halten, können Sie darüber sprechen, was jemand aus der Familie bei seinem Heiratsantrag gesagt hat bzw. sagen könnte. Lesen Sie dann die letzten fünf Absätze aus Präsident Hinckleys Artikel vor. Fordern Sie die Familie auf, der ewigen Ehe und der Familie höchste Priorität einzuräumen – und zwar unabhängig von den derzeitigen Gegebenheiten.

Anmerkungen

  1. Lehren der Präsidenten der Kirche: Brigham Young, Seite 164.

  2. Gospel Doctrine, 5. Auflage, 1939, Seite 272.