Lehren der Präsidenten der Kirche
Das geistliche Wirken von Harold B. Lee


Das geistliche Wirken von Harold B. Lee

Die folgende Schilderung des Lebens von Präsident Harold B. Lee, die Elder Gordon B. Hinckley, damals Mitglied des Kollegiums der Zwölf, verfasst hat, wurde im November 1972 im Ensign veröffentlicht („Präsident Harold B. Lee: An Appreciation“, 2–11). Der Artikel half den Mitgliedern der Kirche, Präsi- dent Lee, der kurz zuvor Präsident der Kirche geworden war, besser kennenzulernen.

„Die Geschichte von Harold B. Lee, dem Präsidenten der Kirche, lässt sich stichpunktartig folgendermaßen erzählen: Am 28. März 1899 als Sohn des Samuel Marion und der Louisa Emeline Bingham Lee in Clifton, Idaho, geboren. Hatte fünf Geschwister. Besuchte die Schule am Ort, dann die Oneida Academy im nahegelegenen Preston, die Albion State Normal School, ein Lehrerseminar, in Albion, Idaho, und studierte später an der University of Utah. Wurde mit 17 Jahren Lehrer, war mit 18 Jahren Schulleiter und später Leiter zweier Schulen im Kreis Salt Lake, Utah. Heiratete am 14. November 1923 Fern Lucinda Tanner. Sie starb am 24. September 1962. Heiratete am 17. Juni 1963 Freda Joan Jensen.

War von 1928–33 Geschäftsführer der Foundation Press. Gehörte von 1933–37 dem Stadtrat von Salt Lake City an und wurde dann geschäftsführender Direktor des Wohlfahrtsprogramms der Kirche. Wurde am 6. April 1941 zum Mitglied des Rates der Zwölf ernannt, wurde am 23. Januar 1970 Präsident des Rates der Zwölf und Erster Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft und am 7. Juli 1972 als Präsident der Kirche ordiniert und eingesetzt.

Das sind die Perlen in der Kette seines Lebens. Aber sein Leben ist es wert, ausführlicher betrachtet zu werden.

Im Vergleich zu anderen Städten und Ortschaften ist Clifton sehr klein und es liegt abseits der wichtigen Straßen. Aber im Lauf der Jahre wird es als Geburtsort des elften Präsidenten der Kirche doch noch bekannter werden.

Präsident Lees Vater, Samuel Marion, war aus einer anderen ländlichen Ortschaft, Panaca, in Süd-Nevada, nach Clifton gekommen. Samuels Mutter (Präsident Lees Großmutter) war gestorben, als er acht Tage alt war, und das zu früh geborene Baby war so winzig, dass man ihm einen Fingerring über die Hand bis zum Arm ziehen konnte. Er musste mit einer Pipette gefüttert werden. Die Schwester seiner Mutter wohnte in Clifton, und mit 18 zog der Junge nach Norden zu seinen Verwandten.

Dort lernte er Louisa Bingham mit den dunklen Haaren und den dunklen Augen kennen. Sie heirateten im Logan-Tempel. Das Haus, das sie sich bauten und in dem ihre sechs Kinder geboren wurden, stand weit außerhalb der Ortschaft an der unbefestigten Landstraße, etwa drei Meilen nördlich vom Einkaufsladen, dem einzigen Laden am Ort. Die Landstraße war im Sommer staubig und im Winter schneeverweht. Im Frühjahr und im Herbst war sie matschig. …

Hier wuchs Harold auf, meist barfüßig und mit einem Overall bekleidet, als einer der vielen Jungen auf dem Land. In Dudleys Teich konnte man schwimmen gehen, aber nicht am Sonntag. Der Vater war in der Bischofschaft, die Mutter in der [JD-Organisation] – und der Sonntag war heilig. In einem ähnlichen Teich, auf der Farm der Bybees, wurde Harold B. Lee getauft.

Geld war in jener Zeit schrecklich knapp. Die Farm war zwar ertragreich, aber Getreide und Kartoffeln brachten wenig ein. Um dazu zu verdienen, nahm der Vater Lohnarbeiten wie Getreide schneiden, Brunnen bohren und Bewässerungsgräben anlegen an. Aber die Kinder wussten nicht, dass sie arm waren. Zu Hause und in der Kirche gab es genügend Unterhaltung. Das Schmuckstück des Hauses war das Klavier. Eine Schottin, bei der einem eine falsche Note einen heftigen Schlag auf die Fingerknöchel eintrug, brachte ihm das Klavierspielen bei.

Harold konnte besonders gut Klavier spielen. Interessanterweise fand seine Liebe zur Musik, die schon damals gefördert worden war, ihren Ausdruck, als er später Vorsitzender des Musikkomitees der Kirche wurde. …

Ein Ponywagen, den meist die Mutter fuhr, brachte die Kinder die drei Kilometer zur Schule und wieder zurück. Er bot wenig Schutz, wenn der Wind im Januar heftig von Norden her blies, und wenn später der Boden taute, blieb der Wagen leicht im Schlamm stecken. Aber so war das Leben in Clifton eben. Wie Präsident Lee gesagt hat: ,Wir hatten alles, was man mit Geld nicht kaufen kann.‘ Und dazu gehörte so manches, was wundervoll war. Die Luft war sauber und klar und schmeckte fast süß. Das Wasser war kristallklar und man konnte die glitzernden Steine im Flussbett deutlich sehen. Die Sterne standen des Nachts wie Menschen und Tiere am Himmel – und die Kinder dachten sich zu dem, was sie sahen, alles Mögliche aus. Der Sommerregen war wie Manna in der Wüste und belebte das Land. Im Frühling war das Land von einem grünen Teppich überzogen, wo der Pflug die Erde berührt hatte, gefolgt von der Egge. Donnernde, rauchende Dampfmaschinen trieben lange Förderbänder an, und die Dreschmaschinen produzierten einen Sack Weizen, Hafer und Gerste nach dem anderen. …

Nach dem Abschluss der Schule am Ort gingen die Jungen ,von zu Hause weg‘ und besuchten die Oneida Academy, die weiterführende Schule in Preston, die von der Kirche unterhalten wurde. Sie war gut 22 Kilometer entfernt. Harold war damals 13 und hier lernte er Ezra Taft Benson [der später der 13. Präsident der Kirche wurde] kennen. Danach kam das Lehrerseminar, die Albion State Normal School, auf der anderen Seite von Idaho. Hier machte Harold B. Lee schon mit 17 den Abschluss als Lehrer. Das war für ihn und für seine Familie ein stolzer Tag. Der Bildungsausschuss des Distrikts bot ihm eine Stelle als Lehrer an der kleinen Silver Star School zwischen Dayton und Weston an, die nur ein Klassenzimmer hatte. Sie lag noch weiter abseits als Clifton. Er verdiente sechzig Dollar in der Woche und kam am Wochenende mit dem Pferd nach Hause geritten. Die Schule war etwa 15 Kilometer von seinem Elternhaus entfernt.

… Im darauffolgenden Jahr ernannte der Ausschuss ihn zum Leiter der Oxford School, die immerhin vier Klassenzimmer hatte. Das war für einen Achtzehnjährigen eine wundervolle Chance. Er ritt jeden Tag die sechs Kilometer mit dem Pferd zur Schule, bei Wind und Wetter und Sonnenschein. In seiner Freizeit machte er Musik und spielte Basketball. In jener Zeit, als sein Vater Bischof war, erhielt Harold seinen ersten Einblick ins Wohlfahrtsprogramm der Kirche, wie es später genannt wurde. Damals wie heute war der Bischof für die Versorgung der Bedürftigen zuständig. Bischof Lee hatte ein eigenes Vorratshaus, und die Hilfsgüter stammten aus seiner Vorratskammer. Abends sah die Familie ihn häufig mit einem Sack Mehl weggehen, aber sie wussten nicht, wohin, da die Vertraulichkeit gewahrt werden musste, damit die Hilfsbedürftigen nicht dem peinlichen Klatsch zum Opfer fielen.

Damals wie heute war es auch das Recht und die Aufgabe des Bischofs, die jungen Männer für eine Mission zu empfehlen. Harold war jetzt 21 und übte schon seit vier Jahren den Lehrerberuf aus. Er wurde von Präsident Heber J. Grant in die Weststaatenmission berufen.

In den verschlossenen Akten des Missionary Department der Kirche liegt ein Bericht über Elder Lee an die Erste Präsidentschaft. Er stammt vom 30. Dezember 1922 und ist von Präsident John M. Knight unterzeichnet. Darin ist angegeben, wann er gedient hat – 11. November 1920 bis 18. Dezember 1922. Und es werden mehrere Fragen beantwortet: ,Qualifikationen – Als Sprecher, „Sehr gut.“ Als präsidierender Beamter, „Gut.“ Kennt er sich gut im Evangeliums aus? „Sehr gut.“ Setzt er sich tatkräftig ein? „Sehr gut.“ Ist er diskret und übt er guten Einfluss aus? „Ja.“ Anmerkungen: „Elder Lee präsidierte vom 8. August 1921 bis zum 18. Dezember 1922 hervorragend über die Denver-Konferenz. Ein außergewöhnlicher Missionar“ ‘

Dort in der Mission diente gleichzeitig eine junge Dame aus Salt Lake City, Fern Lucinda Tanner. Sie galt in ihrem Freundeskreis als gebildet und schön und als außergewöhnliche Schriftgelehrte. Elder Lee kehrte nach seiner Entlassung nur kurz nach Clifton zurück und kam dann nach Salt Lake City, um das Mädchen, das er während seiner Mission aus der Ferne bewundert hatte, zu finden und um sie zu werben. Sie heirateten etwa elf Monate nach seiner Rückkehr im Salt-Lake-Tempel.

Aus der Ehe gingen zwei schöne Töchter hervor, Helen (die L. Brent Goates heiratete) und Maurine (die Ernest J. Wilkins heiratete). Das Haus der Lees war ein Treffpunkt der jungen Leute der Gegend. Schwester Lees freundliche Art und ihr offener Umgang mit schwierigen Situationen wurden von allen, die sie kannten, bewundert. Einmal brachte sie zwei prominente Männer, die einen ihrer Bekannten kritisierten, mit diesen Worten zum Schweigen: ,Vergesst in eurem Bemühen, gerecht zu sein, nicht die Güte.‘ …

Die Eigenschaften, durch die [Harold B. Lee] schon mit 18 Jahren Leiter zweier Schulen geworden war, fanden wieder Anerkennung. Er setzte sein Studium an der University of Utah fort und wurde wieder Schulleiter, erst an der Whittier School und dann an der Woodrow Wilson School im Kreis Salt Lake. …

Nach der Heirat lebte er im Pioneer-Pfahl, wo eine kirchliche Berufung auf die andere folgte. 1929 wurde er Ratgeber in der Pfahlpräsidentschaft. Im Jahr darauf wurde er als Pfahlpräsident berufen. Er war gerade 31 Jahre alt, der jüngste Pfahlpräsident in der Kirche.

Die Weltwirtschaftskrise machte dem Land und der ganzen Welt zu schaffen. Die Börsenkurse stürzten ins Bodenlose. Es gab keinen Kredit. Banken schlossen und die Menschen verloren Millionen an Ersparnissen. Die Arbeitslosenzahlen stiegen beängstigend an. Viele begingen Selbstmord, als sie ihr Lebenswerk untergehen sahen. Es gab Suppenküchen und die Menschen standen in langen Schlangen um Brot an. Mutlosigkeit und Traurigkeit griffen um sich. Im Pioneer-Pfahl waren mehr als die Hälfte der Mitglieder arbeitslos.

Der junge Pfahlpräsident stand vor einer gewaltigen Herausforderung. Er machte sich Sorgen, er weinte, er betete – denn er sah, wie einstmals stolze und wohlhabende Männer durch die Arbeitslosigkeit an den Punkt gelangten, wo sie ihre Familie nicht mehr ernähren konnten. Er fühlte sich inspiriert, ein Vorratshaus anzulegen, wo Lebensmittel und andere Waren gesammelt und an die Bedürftigen verteilt werden konnten. Es wurden Arbeitsprojekte in Angriff genommen, und zwar nicht nur zur Verschönerung des Gemeinwesens, sondern auch, und das war noch wichtiger, um den Männern die Gelegenheit zu geben, dass sie für das Erhaltene arbeiten konnten. Ein altes Geschäftshaus wurde abgerissen und mit dem Baumaterial errichtete man eine Pfahl-Sporthalle, damit die Mitglieder dort gesellig zusammenkommen und ihre Freizeit verbringen konnten.

Andere Pfähle riefen ähnliche Projekte ins Leben, und im April 1936 wurden sie in der Form koordiniert, die Präsident Heber J. Grant zunächst als das Sicherheitsprogramm der Kirche bezeichnete. Heute nennen wir es das Wohlfahrtsprogramm der Kirche.

Harold B. Lee, der junge Präsident des Pioneer-Pfahls, wurde dazu berufen, das neue Programm in jener schwierigen, unruhigen Zeit zu leiten. Die Probleme türmten sich vor ihm auf. Es war schwer genug, genügend Farmland zu beschaffen, um Lebensmittel zu produzieren, und Einrichtungen für die Verarbeitung und Lagerung der Lebensmittel zu schaffen. Schlimmer war die Einstellung derer, die das, was die Kirche da unternahm, kritisierten und meinten, die Wohlfahrt solle dem Staat überlassen bleiben.

Aber mit Beten und viel Überzeugungsarbeit, unter Schweiß und Tränen und mit dem Segen dessen, den er als Propheten betrachtete, bereiste er die Zionspfähle und das Programm nahm Gestalt an und gedieh.

Die umfangreichen Ressourcen des heutigen Wohlfahrtsprogramms – zahllose produktive Farmen, Konservenfabriken und ähnliche Einrichtungen, Getreidesilos und Mühlen und andere Projekte, die fast überall in Amerika zu finden sind – haben wir jenen Anstrengungen aus der Anfangszeit zu verdanken. Wäh- rend die staatlichen Hilfsprogramme ständig kritisiert werden, wird das Programm der Kirche weiterhin in der ganzen Welt gelobt. Die Steuerzahler haben viele Millionen eingespart, weil die Kirche die Verantwortung für die Wohlfahrt übernommen hat. Tausende von Männern und Frauen haben eine Anstellung gefunden, darunter auch viele behinderte Menschen, denen es vorher nicht möglich war, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Denen, die durch dieses Programm unterstützt werden, bleibt ,der Fluch des Müßiggangs und das Übel des Almosens‘ erspart. So erhalten sie sich ihre Würde und Selbstachtung. Und die unzähligen Männer und Frauen, die zwar nichts bekommen haben, die aber die Felder bestellt und die Lebensmittel verarbeitet und sich an den vielen, vielen Projekten beteiligt haben, die damit verbunden sind, geben Zeugnis von der Freude, die damit verbunden ist, wenn man seinen Mitmenschen selbstlos dient.

Niemand, der dieses Programm mit allem, was dazugehört, erlebt und sieht, welch gewaltige Folgen es nach sich zieht, kann daran zweifeln, dass es durch den Geist der Offenbarung ins Leben gerufen wurde und seitdem soviel Gutes bewirkt. Man muss einfach anerkennen, dass Präsident Harold B. Lee, der erste geschäftsführende Direktor und langjährige Vorsitzende des Wohlfahrtskomitees der Kirche, inspiriert war. In seiner Bescheidenheit würde er dies von sich weisen und das mit Recht, denn er würde dem Herrn alle Ehre geben. Der Herr aber hat seinen Diener groß gemacht und sein Engagement und seinen Glauben anerkannt. …

Elder Lee wurde, nachdem er im Feuer jener schwierigen Pionierstage des Wohlfahrtsprogramms der Kirche geprüft worden war, am 6. April 1941 von Präsident Heber J. Grant zum Apostel berufen und als Mitglied des Rates der Zwölf bestätigt.

Anlässlich dieser Ernennung schrieb Elder John A. Widtsoe in einem Leitartikel über seinen neuen Amtsbruder: ,Er ist vom Glauben an den Herrn erfüllt, ebenso von Liebe zu seinen Mitmenschen; er ist der Kirche und dem Staat treu; er vergisst sich in seinem Engagement für das Evangelium und ist mit Intelligenz, Energie und Initiative gesegnet; er vermag das Wort und den Willen Gottes eindrucksvoll zu lehren. Der Herr, den er um Hilfe bittet, wird aus ihm ein mächtiges Werkzeug machen und den ewigen Plan zur Errettung der Menschen vorwärts bringen. … Er wird Macht erhalten, wie sie ihm bisher unbekannt war, da die Gebete der Mitglieder um seinetwillen zum Herrn aufsteigen.‘ (Improvement Era, Mai 1941, S. 288.)

Das waren Worte ehrlicher Anerkennung und es waren prophetische Worte.

Seine Geschichte … erzählt von der Treue gegenüber der großen, heiligen Verantwortung, die ein Apostel trägt, dessen besondere Berufung darin besteht, in der ganzen Welt ein besonderer Zeuge des Namens Christi zu sein [siehe LuB 107:23].

Im Rahmen dieser Aufgabe reist er im Auftrag der Ersten Präsidentschaft in viele Teile der Erde und erhebt mächtig die Stimme und verkündet das göttliche Wesen des Erlösers der Menschheit.

Schon oft hat er die Worte des Paulus an die Korinther zitiert: ,Wenn die Trompete unklare Töne hervorbringt, wer wird dann zu den Waffen greifen?‘ (1 Korinther 14:8.) Die Botschaft des Harold B. Lee hat nichts Unklares an sich. Vorbehaltlos und mit der Gewissheit, die der festen Überzeugung entspringt, gibt er den Hohen und den Niedrigen der Erde Zeugnis. … Er ist vor der Verantwortung als Diener Gottes nie zurückgeschreckt und gibt Zeugnis von der Wahrheit. Er motiviert die Missionare, sich noch mehr anzustrengen, er spornt die Mitglieder in ihrem Entschluss an, nach dem Evangelium zu leben, Untersucher sind ergriffen, wenn sie sein Zeugnis hören. Er schont sich nicht und lässt in seinem Tatendrang nicht nach, auch wenn seine Gesundheit darunter leidet. Diejenigen, die ihm nahestehen, wissen, dass er über viele Monate hinweg selten schmerzfrei war. … Er kennt die Krankheit und hat dadurch mehr Mitgefühl mit dem Leiden anderer. Er reist in die Ferne und in die Nähe, um die Heiligen anzuspornen und zu segnen. In vielen Ländern gibt es Menschen, die dankbar von der wundersamen Macht des Priestertums, das dieser Diener des Herrn um ihretwillen ausgeübt hat, Zeugnis geben.

Er kann sich auch in die Einsamkeit, die Furcht, die Schwierigkeiten einfühlen, die den Männern im Militärdienst zu schaffen machen. In den Jahren des Zweiten Weltkriegs, des Koreakriegs und des Kriegs in [Vietnam] hat er das Programm der Kirche für die Militärangehörigen geleitet. Er hat seinen Brüdern immer wieder vorgetragen, wie wichtig es ist, dass die Menschen im Militärdienst das vollständige Programm der Kirche haben – mit allen Segnungen und Möglichkeiten, die damit verbunden sind. Er ist über Land und Meer gereist, um mit den Mitgliedern der Kirche, die im Militärdienst stehen, zusammenzukommen. 1955 hat er Korea besucht, als es noch mehr oder weniger ein Feldlager war, und dazu die einfache Militäruniform getragen. … Diejenigen, mit denen er damals zusammenkam, werden seine Güte, seine Anteilnahme, sein Zeugnis der alles überragenden Macht Gottes in den Angelegenheiten der Menschen niemals vergessen. Er hat sie getröstet und ihnen Mut zugesprochen und viele davor bewahrt, in eine tragische Lage abzugleiten.

Er tröstet die Trauernden. Er weiß aus eigener Erfahrung um den Kummer derer, die einen lieben Menschen verloren haben. Er besuchte fern von Salt Lake City eine Pfahlkonferenz, als seine liebe Frau mit dem Tod rang. Er fuhr die ganze Nacht hindurch und eilte an ihre Seite, kam aber erst an, als sie gerade starb. Die Menschen, die ihm in den finsteren Tagen nach ihrem Tod zur Seite standen, empfanden seinen tiefen Kummer mit. Das war 1962. 1966 starb seine geliebte Tochter Maurine, während er im Auftrag der Kirche in Hawaii war. Sie hinterließ vier Kinder.

Diese einschneidenden Erlebnisse, die nur schwer zu ertragen waren, helfen ihm, noch mehr Gespür für die Lasten anderer zu entwickeln. Menschen, die ähnliche Verluste miterleben, finden in ihm einen verständnisvollen Freund und einen Menschen, dessen schwer geprüfter Glaube ihnen zur Quelle der Kraft wird.

1963 heiratete er Freda Joan Jensen, die sein Leben auf erstaunliche Weise vollständig macht. Sie ist gebildet und kultiviert und in der besten Gesellschaft zu Hause. Sie ist eine Frau, die auch selbst Ungewöhnliches geleistet hat. Sie ist ausgebildete Lehrerin, hat an der Schule unterrichtet und dann verschiedene Verwaltungsaufgaben im Grundschulamt für den Schuldistrikt Jordan im Kreis Salt Lake wahrgenommen und war dann Schulrätin für die Grundschulen. Sie gehörte außerdem dem Hauptausschuss der Primarvereinigung an. Ihr Zuhause ist ein Hort des Friedens für ihren Mann und ein Ort der Gastfreundschaft für alle, die es betreten dürfen.

Präsident David O. McKay, der Elder Lees gründliche Kenntnis der Programme der Kirche und seine bewährten Führungsqualitäten erkannte, ernannte ihn zum Vorsitzenden des Korrelationskomitees der Kirche, das den gesamten Lehrplan der Kirche koordiniert. Daraus entsprang eine umfassende Überprüfung der Leitfäden, die schon viele Jahre verwendet worden waren, die mit der Analyse aller unterrichtenden Organisationen und Einrichtungen einherging. Die gewaltigen Anstrengungen, die auf seine Weisung unternommen wurden, haben zu einem korrelierten Lehrplan geführt, der darauf abzielt, die Mitglieder in jeder Phase der kirchlichen Aktivität in der Lehre zu unterweisen und ihre geistige Gesinnung zu fördern. Die Stärke seiner Führung ist in diesem gewaltigen Unterfangen sichtbar geworden. Er hat eine feste Hand und klar umrissene Ziele. Die ganze Kirche profitiert von seiner Arbeit.

Mit dem Tod von Präsident McKay und dem Amtsantritt seines Nachfolgers, Präsident Joseph Fielding Smith, wurde Elder Lee Präsident des Rates der Zwölf. Außerdem wählte Präsident Smith ihn sich zum Ersten Ratgeber. Das bedeutete, dass er verschiedene bisherige Aufgaben abgeben musste, aber unter seiner allgemeinen Führung blieben die gleichen Ziele bestehen. Es wurden Programme eingeführt, mit deren Hilfe der Unterricht in der ganzen Kirche verbessert werden soll. Ein Schulungsprogramm für Bischöfe wurde ins Leben gerufen, und das weltweite Missionsprogramm wurde gestärkt. …

Als Präsident Joseph Fielding Smith am Abend des 2. Juli 1972 still aus dem Leben schied, hatten die Mitglieder des Rates der Zwölf nicht den geringsten Zweifel daran, wer seine Nachfolge als Präsident der Kirche antreten sollte. Am 7. Juli, einem Freitag, kamen sie vormittags im heiligen Salt-Lake-Tempel zusammen. An jenem ruhigen und heiligen Ort bemühten sie sich demütig um die Eingebungen des Geistes. Sie waren eins im Herzen, als daraufhin Harold Bingham Lee, der Erwählte des Herrn, der von Kindheit an in den Grundsätzen des wiederhergestellten Evangeliums unterwiesen worden war, der durch einunddreißig Jahre im Dienst als Apostel geläutert und geschult worden war, zum Präsidenten der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und zum Propheten, Seher und Offenbarer ernannt wurde. Alle Anwesenden legten ihm die Hände auf und so wurde er als der Gesalbte des Herrn zu dieser hohen und unvergleichlichen Berufung ordiniert.

Getragen vom Glauben und von den Gebeten der Heiligen in der ganzen Welt steht er jetzt als der präsidierende Hohepriester im Reich Gottes auf der Erde da.“

Präsident Harold B. Lee diente 17 Monate und 19 Tage als der Prophet des Herrn. Während dieser Zeit der Veränderungen und der Expansion beaufsichtigte Präsident Lee die Gründung der ersten Pfähle in Chile und auf dem asiatischen Festland, in Korea. Er präsidierte über die ersten Gebietskonferenzen, die in Mexiko- Stadt und in München stattfanden. Er dehnte das Wohlfahrtsprogramm der Kirche auf die ganze Welt aus. Er starb am 26. Dezember 1973 mit 74 Jahren.