Für die Familie
Kindern Evangeliumsgrundsätze vermitteln


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Kindern Evangeliumsgrundsätze vermitteln

Teil 2

Anwendungsvorschläge

Befolgen Sie gemäß Ihren eigenen Bedürfnissen und Umständen einen oder mehrere dieser Vorschläge.

  • Planen Sie als Familie eine Aktivität, bei der Sie anderen gemeinsam dienen.

  • Erledigen Sie eine Arbeit im Haushalt gemeinsam mit einem Ihrer Kinder oder einem Enkelkind, einer Nichte, einem Neffen oder einem anderen Kind aus Ihrer Familie. Unterhalten Sie sich während der Arbeit mit dem Kind. Nutzen Sie Lehrmomente, und kritisieren Sie nicht die Arbeit, die das Kind leistet.

  • Lesen Sie die folgenden Abschnitte aus der Broschüre Für eine starke Jugend (34285 150): „Medien: Kino, Fernsehen, Videokassetten, Bücher und Zeitschriften“ (Seite 11 f.),“Musik und Tanz“ (Seite 13 f.) und „Sexuelle Reinheit“ (Seite 14 ff.). Wenn Sie diese Passagen gelesen haben, überlegen Sie, welche Ihrer Kinder dies lesen und dann mit Ihnen besprechen sollten.

Leseauftrag

Lesen Sie den folgenden Artikel. Wenn Sie verheiratet sind, lesen und besprechen Sie den Artikel mit Ihrem Partner.

DIE KINDER UNTERWEISEN

Präsident Boyd K. Packer
Amtierender Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel

Dass so viele Menschen hier und anderswo versammelt sind, ist ein Beweis dafür, dass die Mitgliedschaft in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage mit dem unstillbaren Durst nach Wahrheit verbunden ist.

Als ich darüber gebetet habe, was für Sie wohl von größtem Wert sein möge, ist mir bewusst geworden, dass ich in drei Wochen meinen fünfundsiebzigsten Geburtstag feiern werde und damit in eine Lebens- phase eintrete, die ich als fortgeschrittene mittlere Jahre bezeichnen möchte.

Ich unterrichte seit mehr als fünfzig Jahren. Und sicher wird etwas von dem, was ich dabei gelernt habe, für Sie von Wert sein.

Meine Erfahrung hat mir Folgendes bewusst gemacht: Das Leben lehrt uns auch einiges, was wir gar nicht wissen wollten. Doch gerade das kann für uns von besonderem Wert sein.

Ich habe auf meinem Weg hin zu den fortgeschrittenen mittleren Jahren auch noch etwas anderes über das Lernen gelernt. Hören Sie sich das folgende Gespräch zwischen einem Arzt und seinem Patienten an:

Arzt: „Was kann ich für Sie tun? Was fehlt Ihnen?“

Patient: „Es ist mein Gedächtnis, Herr Doktor. Wenn ich etwas lese, habe ich es gleich wieder vergessen. Wenn ich ein Zimmer betrete, weiß ich nicht mehr, was ich dort eigentlich wollte. Außerdem kann ich mich nicht mehr erinnern, wohin ich etwas gelegt habe.“

Arzt: „Sagen Sie mir doch bitte, wie lange dieser Zustand schon anhält.“

Patient: „Wie lange welcher Zustand schon anhält?“

Wenn Sie das lustig finden, sind Sie entweder unter Sechzig oder lachen über sich selbst.

Kinder unterweisen, solange sie jung sind

Wenn man älter wird, kann man nicht mehr so gut lernen, auswendig lernen oder sich mit einer Sache befassen, wie man es in jungen Jahren kann. Vielleicht hat der Prophet Alma ja deshalb gesagt: „Lerne Weisheit in deiner Jugend; ja, lerne in deiner Jugend, die Gebote Gottes zu halten.“1

Mir fällt es zunehmend schwerer, Schriftstellen und Gedichte auswendig zu lernen. Als ich jung war, konnte ich etwas schon auswendig, wenn ich es nur ein-, zweimal gelesen hatte. Und wenn ich etwas oft wiederholt oder sogar niedergeschrieben hatte, dann war es fest in meinem Gedächtnis verankert.

In der Jugend lernt man am leichtesten. Deshalb hat es den Führern der Kirche auch von Anfang an am Herzen gelegen, dass Kinder und Jugendliche unterwiesen werden.

Es ist unendlich wichtig, Kinder und junge Leute im Evangelium zu unterweisen und ihnen das Leben zu erklären.

Der Herr hat die Verantwortung dafür in erster Linie den Eltern übertragen und ermahnt sie:

„Wenn Eltern in Zion … Kinder haben und sie nicht lehren, die Lehre von der Umkehr, vom Glauben an Jesus Christus, den Sohn des lebendigen Gottes, und von der Taufe und der Gabe des Heiligen Geistes durch Händeauflegen zu verstehen, wenn sie acht Jahre alt sind, so sei die Sünde auf dem Haupt der Eltern.“2

Es ist der grundlegende Zweck dieser Kirche, junge Menschen zu unterweisen: zuerst zu Hause und dann in der Kirche.

Wissen anhäufen

Außerdem ist mir etwas bewusst geworden, was mit dem zu tun hat, was man als junger Mensch lernt. Das Wissen, das man anhäuft, wartet möglicherweise viele Jahre auf den Augenblick, wo es gebraucht wird.

Lassen Sie mich das erklären. Ich bin sehr besorgt wegen der Tendenz unter den Mitgliedern, den Rat des Bischofs zu missachten oder sich ihm sogar überlegen zu fühlen.

Deshalb habe ich den Entschluss gefasst, während der Generalkonferenz über den Bischof zu sprechen.

Gebeterfüllt habe ich mich auf diese Ansprache vorbereitet, und dabei ist mir eine Unterhaltung in den Sinn gekommen, die mehr als fünfzig Jahre zurückliegt. Sie passte haargenau in mein Konzept. Ich gebe diese Unterhaltung jetzt so wieder, wie ich sie schon während der Generalkonferenz wiedergegeben habe:

„Vor Jahren war ich mit Emery Wight im Hohenrat. Zehn Jahre lang war er Bischof einer ländlichen Gemeinde von Harper gewesen. Seine Frau Lucille wurde unsere Pfahl-FHV-Leiterin.

Lucille erzählte mir, eines Tages im Frühjahr sei ein Nachbar gekommen und habe sich nach Emery erkundigt. Sie sagte ihm, er sei beim Pflügen auf dem Feld. Der Nachbar klang sehr besorgt. In der Frühe war er am Feld vorbei gekommen und hatte Emerys Pferdegespann in einer halb gepflügten Furche mit den Zügeln über dem Pflug stehen sehen. Emery war nirgends zu sehen. Der Nachbar machte sich erst später Gedanken, als er wieder am Feld vorbeikam und das Gespann noch immer dastand. Er stieg über den Zaun und ging über das Feld zu den Pferden. Emery war nirgends zu finden. So eilte er zum Haus, um bei Lucille nachzufragen.

Lucille entgegnete ruhig: ,Ach, mach dir keine Sorgen. Sicher ist jemand in Schwierigkeiten und hat den Bischof geholt.‘

Das Bild vom Pferdegespann, das stundenlang auf dem Feld stand, symbolisiert das Engagement der Bischöfe in der Kirche und der Ratgeber, die ihm zur Seite stehen. Jeder Bischof und jeder Ratgeber lässt, bildlich gesprochen, sein Gespann in einer halb gepflügten Furche stehen, wenn jemand Hilfe braucht.“3

Ich hatte dieses Erlebnis niemals zuvor in einer Ansprache erwähnt – es war mir vorher nie eingefallen.

Weil ich mir diese Geschichte genau einprägen wollte, ehe ich sie während der Generalkonferenz erzählte, machte ich eine Tochter von Emery Wight ausfindig. Sie war einverstanden, mich am alten Haus ihrer Eltern zu treffen und mir das Feld zu zeigen, das ihr Vater an jenem Tag gepflügt hatte.

Einer meiner Söhne fuhr mich eines Sonntagsmorgens schon früh dorthin und machte zahlreiche Fotos. Es war ein wundervoller Frühlingsmorgen. Das Feld war frisch gepflügt, so wie es auch vor vielen Jahren der Fall war. Die Möwen pickten in der frisch umgepflügten Erde.

Es passiert mir häufiger, dass mein Gedächtnis auf diese Art belebt wird. Darin ist eine Bestätigung für eine Schriftstelle zu sehen, nämlich eine bestimmte Schriftstelle, die ich als junger Mensch auswendig gelernt habe:

„Sorgt euch auch nicht im Voraus, was ihr sagen sollt; sondern häuft in eurem Verstand beständig die Worte des Lebens auf wie einen Schatz, dann wird euch zur selben Stunde eingegeben werden, was davon einem jeden zugemessen werden soll.“4

Und dann folgt eine Verheißung, die denen gilt, die Wissen anhäufen:

„Und wo euch jemand empfängt, da werde ich auch dabei sein, denn ich werde vor eurem Angesicht hergehen. Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch, um euch zu stützen.“5

Das war eine gute Lektion für mich, aber sie war an dieser Stelle noch nicht zu Ende.

In jungen Jahren hatte ich ein wenig gemalt und geschnitzt. Das hatte ich mir größtenteils selbst beige- bracht. Als die Kinder noch klein waren, wurde meine Zeit davon in Anspruch genommen, sie in dem zu unterweisen, was ich über das Leben und über Schnitzen und Malen gelernt hatte, als ich noch selbst ein Junge war.

Als die Kinder erwachsen geworden waren, fing ich wieder mit dem Schnitzen an, um mich dabei zu entspannen. Ich schnitzte Vögel und brachte viele Stunden mit diesem Hobby zu. Wenn mich jemand fragte: „Wie viele Stunden hast du gebraucht, um dies zu schnitzen?“, antwortete ich immer: „Ich weiß es nicht. Wenn ich es wüsste, würde ich damit aufhören.“

Während der Stunden, in denen ich meine Hände arbeiten ließ, dachte ich über die Wunder der Schöpfung nach. Dabei wurde mir reichlich Inspiration zuteil. Während ich das Holz bearbeitete, entstanden meine Ansprachen.

Das Schnitzen entspannte mich. Wenn ich gestresst und übellaunig war, sagte meine Frau immer: „Ich glaube, du solltest wieder mit dem Schnitzen begin- nen.“

Ich denke, wenn sich das Erinnerungsvermögen in den fortgeschrittenen mittleren Jahren etwas schärfen ließe, könnte ich auf eine Schnitzarbeit deuten und erklären, welche Ansprache dabei entstanden ist. Ich habe gemerkt, dass ich in den damit verbundenen Ruheminuten zweierlei zur selben Zeit tun konnte.

Die Ernte des Lehrens einfahren

Inzwischen kann ich keine Schnitzarbeiten mehr machen. Diese Arbeit ist zu schwierig, wenn man Dreifach-Gleitsichtgläser trägt und die Fingerkuppen durch eine in der Kindheit überstandene Kinderläh- mung ein wenig steif geworden sind. Außerdem lassen es die immer höher werdenden Anforderungen meiner Berufung nicht zu, dass ich noch die Zeit finde, zu schnitzen und dabei Ansprachen vorzubereiten.

Die Fähigkeit, Schnitzarbeiten anzufertigen, ist mir nun größtenteils verloren gegangen. Aber das gilt nicht für unsere Kinder. Wir haben es ihnen schon beigebracht, als sie noch klein waren.

Das Bild, wie das besagte Gespann auf dem Feld stand, ließ sich nicht verdrängen. Ich überlegte mir, dass ich vielleicht ein Bild malen könnte, das darstellt, wie das Gespann des Bischofs mit den Zügeln über dem Pflug auf dem Feld stand.

Ich traute mich an diese Arbeit aber nicht so recht heran, weil ich schon seit neun Jahren kein Bild mehr gemalt hatte. Zwei Freunde mit ungewöhnlichem Talent und ungewöhnlicher Inspiration boten an, mir beim Malen des Gespanns des Bischofs zu helfen, und als ich im Juli einmal nicht so viel unterwegs war, fing ich an.

Ich habe viel von den besagten zwei Freunden gelernt, und sie sind auch beide im besten Sinne des Wortes in meinem Bild verewigt. Aber meine beiden Söhne haben mir noch mehr geholfen. Der eine Sohn hatte das gepflügte Feld fotografiert, denn ich bin immer bemüht, sehr akkurat zu arbeiten, wenn ich etwas mit Holz oder auf Leinwand oder mit Worten darstelle.

Das ist eine weitere Lektion. Ich konnte mir von unseren Kindern etwas von dem zurückholen, was sie in jungen Jahren gelernt hatten.

Der zweite Sohn wollte eine Skulptur des Pferdegespanns des Bischofs anfertigen, die in Bronze gegossen werden und als Gegenstück zu meinem Bild dienen sollte. Wir brachten viele schöne Stunden damit zu, einander zu helfen.

Mein Sohn holte aus unserer Scheune mehrere alte Zaumzeuge, die dort mehr als fünfzig Jahre nahezu unbenutzt gehangen hatten. Er entstaubte sie und nahm sie mit nach Hause. Dort zog er einem sehr geduldigen Reitpferd das Zaumzeug über. Es blieb unbeweglich stehen, während er das Zaumzeug rich- tig drapierte und detaillierte Zeichnungen anfertigte.

Einer seiner Nachbarn besaß eine kleine Sammlung alter Pflüge. Darunter befand sich auch ein Pflug, der aus der passenden Zeit stammte. Davon fertigte er ebenfalls Zeichnungen an.

Und so kam das, was wir unseren Söhnen in ihrer Jugend geschenkt hatten, wieder zu uns zurück. So wie es auch bei anderen Kindern der Fall ist, haben sie das, was sie von ihren Eltern gelernt haben, als sie noch ganz klein waren, weiter entwickelt. Und wenn unsere Tage auf der Erde verlängert werden, erleben wir noch die zweite Ernte mit – unsere Enkelkinder – und vielleicht sogar noch die dritte.

Schlummernde Talente wieder zum Leben erwecken

Ich habe aber auch noch etwas anderes von neuem gelernt. Schon einmal hatte ich nach Aussagen, die ich als Junge gehört hatte, ein Bild gemalt. Es stellte die drei Willard Peaks dar. Ich hatte gehört, dass diese drei Gipfel von der älteren Generation auch oft Die Präsidentschaft genannt wurden. Die drei riesigen, kompakten Gipfel, die hoch in den Himmel ragen, sind ein typisches Sinnbild für die Führer der Kirche.

Das war wie gesagt vor neun Jahren. Mein Sohn war mit mir dorthin gefahren und hatte die Gipfel fotografiert. Später fuhren wir noch ein weiteres Mal hin, als die Schatten länger und die Kontraste stärker waren.

Nach so vielen Jahren musste ich das, was so lange brach gelegen hatte, erst wieder zum Leben erwekken. Zuerst hatte ich schrecklich zu kämpfen. Ich wollte mehrmals aufgeben. Einer meiner Freunde sprach mir Mut zu: „Mach weiter! Unten gibt es immer viel Platz!“

Ich gab auch nicht auf, und zwar deshalb nicht, weil meine Frau es einfach nicht zulassen wollte.

Heute bin ich froh, dass ich durchgehalten habe. Jetzt, wo ich wieder angefangen habe zu malen, wage ich mich vielleicht noch an ein weiteres Bild – wer weiß.

Ich glaube, der Versuch, wieder mit dem Malen anzufangen, ist vergleichbar mit dem, was jemand erlebt, der viele Jahre inaktiv gewesen ist und nun wieder in die Herde zurückkehren will. Auch er muss kämpfen, um das, was brach gelegen hat, aber niemals wirklich verloren gegangen war, neu zu spüren. Und da ist es gut, wenn man einen oder mehrere Freunde hat.

Es gibt noch ein weiteres Prinzip des Lernens – man muss aus den gewöhnlichen Erfahrungen im Leben seine Schlüsse ziehen.

Das Bild mit dem Titel Das Gespann des Bischofs ist bald fertig. Die Skulptur meines Sohnes befindet sich in der Gießerei und wird in Bronze gegossen.

Nebenbei gesagt, seine Skulptur ist sehr viel besser als mein Bild. Und so muss es auch sein. Seine jungen Finger und sein junger Geist arbeiten viel schneller als meine Finger und mein Geist.

Wer in die fortgeschrittenen mittleren Jahre kommt, merkt schnell, dass alte Knochen nicht mehr so elastisch sind und alte Gliedmaßen sich nicht mehr so schnell bewegen lassen. Es ist gar nicht so einfach, sich die Schuhe zuzubinden, wenn man erst Mitte sechzig oder älter ist – da muss einem schon der Boden entgegenkommen.

Und wieder wird deutlich: „Lerne Weisheit in deiner Jugend; ja, lerne in deiner Jugend, die Gebote Gottes zu halten.“6

„Die Herrlichkeit Gottes ist Intelligenz – oder, mit anderen Worten, Licht und Wahrheit.“7

„Ich aber habe euch geboten, eure Kinder in Licht und Wahrheit aufzuziehen.“8

Die erhabene Gabe des Heiligen Geistes wird unseren Kindern schon dann übertragen, wenn sie erst acht Jahre alt sind.

„Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“9

Beachten Sie bitte die Ausdrücke lehren und erinnern.

Das Unterweisen von Kindern trägt seinen Lohn in sich. Haben Sie nicht auch schon gemerkt, dass Sie selbst mehr beim Lehren lernen als Ihre Kinder beim Lernen?

Von geistigen Erinnerungen zehren

Es gibt einen Unterschied zwischen dem Erwerb zeitlichen Wissens und dem Erwerb geistiger Erkenntnis. Jeder Schüler merkt das, wenn Klassenarbeiten geschrieben werden. Es ist schrecklich schwer, sich an etwas zu erinnern, was man gar nicht richtig gelernt hat.

Das gilt für zeitliches Wissen. Doch was geistige Erkenntnis betrifft, so können wir von Erinnerungen zehren, die aus der Zeit vor unserer Geburt stammen. So kann man ein Gespür für das entwickeln, was man in jungen Jahren nicht verstanden hat.

Der Dichter Wordsworth ahnte einen Hauch des vorirdischen Lebens, als er schrieb:

Geboren werden ist ein Schlaf nur, ein Vergessen – Der Geist, der mit uns kommt, des Lebens Stern, ist vordem anderswo gewesen und kommt hierher von fern. Und nicht in völligem Vergessen und auch nicht hässlich – nackt und bloß, wie Wolken, die den Raum durchmessen, löst er von seiner Heimat – Gott – sich los.10

Ich sage diese Zeilen aus dem Gedächtnis auf – wo ich sie in meiner Collegezeit während des Englischunterrichts eingelagert habe.

Am meisten lernt man aus den gewöhnlichen Erlebnissen des Lebens.

Manche warten auf eindrucksvolle geistige Erlebnisse, die ihr Zeugnis bestätigen sollen. Doch so funk- tioniert die Sache nicht. Gerade die stillen Eingebungen und Eindrücke, die uns durch ganz alltägliche Erfahrungen vermittelt werden, schenken uns die Gewissheit, dass wir Kinder Gottes sind. Wir leben weit unter dem, was wir erreichen könnten, wenn wir nach Zeichen suchen und über das Ziel hinausschauen,11 um Wunder zu finden.

Wir sind Kinder Gottes, denn wir haben im Vorherdasein bei ihm gewohnt. Hin und wieder teilt sich der Vorhang. Dann überkommt uns die Ahnung, wer wir sind und welchen Platz wir in der ewigen Ordnung der Dinge einnehmen. Ob man dies nun als Erinnerung oder als geistige Erkenntnis bezeichnen mag – es gehört jedenfalls zum Zeugnis, dass das Evangelium Jesu Christi wahr ist. Solche Offenbarungen werden einem zuteil, wenn man andere unterweist.

Ich habe Präsident Marion G. Romney (1897–1988) einmal sagen gehört: „Ich weiß immer genau, wann ich unter dem Einfluss des Heiligen Geistes spreche, denn dann lerne ich auch selbst etwas aus dem, was ich sage.“

Der Herr hat den Ältesten seiner Kirche erklärt: „Ihr seid nicht ausgesandt, um belehrt zu werden, sondern um die Menschenkinder das zu lehren, was ich euch durch die Macht meines Geistes in die Hand gegeben habe;

Und ihr werdet aus der Höhe belehrt werden. Heiligt euch, dann werdet ihr ein Endowment empfangen, mit Kraft ausgerüstet werden, damit ihr geben könnt, wie ich es gesagt habe.“12

Selbst wenn ein Missionar nur wenige Menschen bekehrt, so wird ihm und damit der ganzen Kirche geistige Kraft zuteil, denn er selbst lernt dadurch hinzu, dass er andere Menschen unterweist.

Der Präsident eines Diakonskollegiums soll Rat halten und die übrigen Diakone unterweisen.13 Der Präsi- dent eines Ältestenkollegiums muss die Mitglieder seines Kollegiums gemäß den Bündnissen belehren.14

Paulus hat dem Timotheus erklärt: „Was du vor vielen Zeugen von mir gehört hast, das vertrau zuverlässigen Menschen an, die fähig sind, auch andere zu lehren.“15

Er hat mit zehn Worten erklärt, worauf es beim Lehren ankommt:

Du belehrst andere Menschen, dich selbst aber belehrst du nicht. Du predigst: Du sollst nicht stehlen!, und stiehlst.

Du sagst: Du sollst die Ehe nicht brechen!, und brichst die Ehe.“16

Bereitwillig lernen

Vor kurzem habe ich – wie schon häufig – ein Entschuldigungsschreiben erhalten. Es stammte von jemandem, den ich nicht kenne. In diesem Brief war die Rede davon, wie wütend das besagte Mitglied viele Jahre auf mich gewesen war, und zwar wegen einer Ansprache, die ich gehalten hatte. Nun wurde ich um Verzeihung gebeten.

Ich vergebe schnell. Ich bin ja auch nur ein Werkzeug – sowohl was das Halten von Ansprachen als auch das Verzeihen angeht.

In der heiligen Schrift wird immer wieder darauf hingewiesen, wie „unerträglich“ schwer17 es den Israeliten und auch den Nephiten gefallen ist, die Lehren der Propheten und Apostel zu ertragen. Es war so leicht, sich ihren Lehren zu widersetzen und den Lehrer zu verabscheuen. Das ist von Anbeginn an das Los der Propheten und Apostel gewesen.

In einer Seligpreisung heißt es: „Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.

Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt.“18

In solchen Entschuldigungsschreiben heißt es sinngemäß immer: „Ich konnte es einfach nicht verstehen, warum Sie es für nötig hielten, mir so große Schuldgefühle einzureden.“ Und aus dem folgenden Ringen tritt dann die Erkenntnis hervor, die Inspiration, das Verständnis von Ursache und Wirkung. Und schließlich wird dem Betreffenden bewusst, warum das Evangelium so ist, wie es ist.

Ich möchte aus mehreren Themen eins herausgreifen. Eine Schwester versteht vielleicht schließlich, warum wir darauf bestehen, dass die Mutter zu Hause bei ihren Kindern bleiben soll. Sie begreift, dass es nichts gibt, was einen Menschen so für die Erhöhung läutert wie selbstlose Mutterschaft. Deshalb braucht sie aber nicht auf intellektuelle, kulturelle und soziale Entwicklung zu verzichten. Dies alles hat seinen Platz – zur richtigen Zeit –, denn es steht mit der immerwährenden Tugend in Zusammenhang, die daraus entspringt, dass man Kinder unterweist.

Nichts ist mit so großem geistigen Lohn verbunden und trägt mehr zur Erhöhung bei, als wenn eine Mutter ihre Kinder unterweist. Sie mag vielleicht das Gefühl haben, sich in der heiligen Schrift nicht so gut auszukennen, weil sie ihre Zeit damit zubringt, ihre Kinder zu unterweisen. Dennoch wird ihr Lohn nicht geringer sein.

Präsident Grant Bangerter unterhielt sich einmal mit Präsident Joseph Fielding Smith, der gerade seine Mission in Brasilien bereiste, über bestimmte Lehrsätze der Kirche. Schwester Bangerter hörte zu und sagte schließlich: „Präsident Smith, ich musste meine Kinder erziehen und habe deshalb nicht die Zeit gehabt, mich so ausführlich mit der heiligen Schrift zu befassen wie mein Mann. Kann ich trotzdem mit Grant in das celestiale Reich eingehen?“

Präsident Smith machte ein ernstes Gesicht, wäh- rend er kurz über die Antwort nachdachte. Dann sagte er: „Vielleicht, wenn Sie ihm einen Kuchen bakken.“

Ein Mann muss sich sehr anstrengen, um den Grad der geistigen Läuterung zu erreichen, der seiner Frau auf ganz natürliche Weise dadurch zuteil wird, dass sie ihre Kinder unterweist. Und wenn er das Evangelium nur ein wenig versteht, dann weiß er, dass er ohne sie nicht erhöht werden kann.19 Also kann er nur darauf hoffen, dass er ihr ein aufmerksamer, verantwortungsbewusster Gefährte ist und den Weg weist, was die Unterweisung ihrer gemeinsamen Kinder betrifft.

Segnungen, die dem zuteil werden, der lehrt

Denken Sie einmal über die folgende Verheißung nach:

„Lehrt eifrig – und meine Gnade wird mit euch [den Lehrern] sein –, damit ihr [der Lehrer, die Mutter, der Vater] noch vollkommener unterwiesen seiet in Theorie, in Grundsätzlichem, in der Lehre, im Gesetz des Evangeliums, in allem, was das Reich Gottes betrifft und was ratsam ist, dass ihr [die Mutter, der Vater] es versteht.“20 Beachten Sie bitte, dass die Verheißung eher dem Lehrer als dem Schüler gilt:

„Lehrt eifrig – und meine Gnade wird mit euch [die ihr eure Kinder unterweist bzw. in der Primarvereinigung, in der Sonntagsschule, bei den Jungen Damen bzw. den Jungen Männern, in den Priestertumsversammlungen, im Seminar, in der Frauenhilfsvereinigung lehrt] sein“, damit ihr das versteht,

„was im Himmel und auf der Erde und ebenso unter der Erde ist; das, was gewesen ist, das, was ist, und das, was sich in Kürze begeben muss; das, was daheim ist, und das, was in der Fremde ist; Kriege und die Verwirrungen der Nationen und die Gottesstrafen, die auf dem Lande lasten; und auch Kenntnis von Ländern und Reichen – damit ihr [die Lehrer] in allem bereit seiet, wenn ich euch abermals aussende, um die Berufung, zu der ich euch berufen habe, und die Mission, mit der ich euch betraut habe, groß zu machen.“21

Paulus prophezeite dem jungen Timotheus: „In den letzten Tagen werden schwere Zeiten anbre- chen.“22 Er sagte: „Böse Menschen und Schwindler dagegen werden immer mehr in das Böse hineingeraten; sie sind betrogene Betrüger.“23

Aber wir können trotzdem einen sicheren Hafen finden. Dieser sichere Hafen besteht darin, dass wir unsere Kinder unterweisen:

„Erzieh den Knaben für seinen Lebensweg, dann weicht er auch im Alter nicht davon ab.“24

Paulus legte dem Timotheus ans Herz: „Du aber bleibe bei dem, was du gelernt und wovon du dich überzeugt hast. Du weißt, von wem du es gelernt hast; denn du kennst von Kindheit an die heiligen Schriften, die dir Weisheit verleihen können, damit du durch den Glauben an Jesus Christus gerettet wirst.“25

Dies ist die Kirche Jesu Christi. Es ist seine Kirche. Er ist unser Vorbild, unser Erlöser. Uns ist geboten worden, so zu sein „wie er“.26

Er hat die Kinder unterwiesen. Er hat seinen Jüngern in Jerusalem geboten: „Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich.“27

Im Bericht über das Wirken des Erretters bei den Nephiten können wir einen tieferen Blick in seine Seele tun als bei jeder anderen Gelegenheit:

„Und es begab sich: Er gebot ihnen, ihre kleinen Kinder zu bringen.

So brachten sie ihre kleinen Kinder und setzten sie rings um ihn auf den Boden, und Jesus stand in der Mitte; und die Menge machte Platz, bis sie alle zu ihm gebracht worden waren. …

Und als er diese Worte gesagt hatte, weinte er, und die Menge gab davon Zeugnis, und er nahm ihre kleinen Kinder, eines nach dem anderen, und segnete sie und betete für sie zum Vater.

Und als er dies getan hatte, weinte er abermals; und er redete zur Menge und sagte zu ihnen: Seht eure Kleinen!

Und als sie schauten, um zu sehen, hoben sie den Blick zum Himmel, und sie sahen die Himmel offen, und sie sahen Engel aus dem Himmel herabkommen, gleichsam inmitten von Feuer; und sie kamen herab und stellten sich im Kreis um die Kleinen, und sie waren von Feuer umschlossen; und die Engel dienten ihnen.

Und die Menge sah und hörte und gab Zeugnis; und sie wissen, dass ihr Zeugnis wahr ist, denn sie alle sahen und hörten, ein jeder selbst.“28

Ich weiß, dass dieser Bericht wahr ist. Ich gebe Zeugnis vom Herrn und segne Sie alle, die Sie Kinder in seinem Namen unterweisen.

Nach einer Ansprache, die während einer Andacht im Rahmen der Bildungswoche an der Brigham-Young-Universität am 17. August 1999 gegeben wurde (siehe Liahona, Mai 2000, Seite 14–23).

  1. Alma 37:35.

  2. LuB 68:25.

  3. „Der Bischof und seine Ratgeber“, Der Stern, Juli 1999, Seite 57.

  4. LuB 84:85.

  5. LuB 84:88.

  6. Alma 37:35.

  7. LuB 93:36.

  8. LuB 93:40.

  9. Johannes 14:26, Hervorhebung hinzugefügt.

  10. „Ode: Intimations of Immortality“, 5. Vers.

  11. Siehe Jakob 4:14.

  12. LuB 43:15,16.

  13. Siehe LuB 107:85.

  14. Siehe LuB 107:89.

  15. 2 Timotheus 2:2.

  16. Römer 2:21,22; Hervorhebung hinzugefügt.

  17. Siehe Johannes 6:60; 1 Nephi 16:2; 2 Nephi 9:40; Helaman 14:10.

  18. Matthäus 5:11,12; siehe auch Lukas 21:12; Johannes 15:20; 3 Nephi 12:12.

  19. Siehe LuB 131:1–4; 132:19–21.

  20. LuB 88:78; Hervorhebung hinzugefügt.

  21. LuB 88:79,80.

  22. 2 Timotheus 3:1.

  23. 2 Timotheus 3:13.

  24. Sprichwörter 22:6.

  25. 2 Timotheus 3:14,15; Hervorhebung hinzugefügt.

  26. 1 Johannes 3:7.

  27. Matthäus 9:14.

  28. 3 Nephi 17:11,12,21–25.