2019
Zwei Stufen des Glaubens
Januar 2019


Zwei Stufen des Glaubens

Nach der Ansprache „The Faith to Reap“, die am 17. März 2015 bei einer Andacht an der Brigham-Young-Universität Idaho gehalten wurde

Der Glaube an Jesus Christus und sein Sühnopfer ist der Glaube, zu ernten. Es ist der Glaube an seine Macht, nicht unsere.

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paintings of wheat and Jesus in Gethsemane

Die goldene Ernte, Gemälde von David Merrill, Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Historischen Museums der Kirche

Christus betet im Garten Getsemani, Gemälde von Hermann Clementz

Lehi und seine Familie waren erst wenige Tage in der Wildnis, als der Herr ihm gebot, seine Söhne nach Jerusalem zurückzuschicken, um die Messingplatten von Laban zu holen. Wir loben Lehis rebellische Söhne Laman und Lemuel nicht oft, doch sie waren tatsächlich bereit, nach Jerusalem zurückzugehen. Sie hatten genug Glauben, es zu versuchen.

Laman – und später auch Lemuel mit seinen Brüdern – bat Laban um die Platten. Bei diesem Versuch verloren die Brüder den Familienbesitz und fast auch ihr Leben. Lamans und Lemuels Glaube schwand, und sie wollten aufgeben. Nephi hingegen erhob sich über die Gefahr und die Mutlosigkeit.

„So wahr der Herr lebt und wir leben, wir werden nicht zu unserem Vater in die Wildnis hinabgehen, ehe wir vollbracht haben, was der Herr uns geboten hat.

Darum lasst uns im Halten der Gebote des Herrn treu sein.“ (1 Nephi 3:15,16.)

Nephi übte dann großen Glauben aus, erlangte die Platten Labans und kehrte mit seinen Brüdern zu seinem Vater in die Wildnis zurück.

Es scheint zwei verschiedene Stufen des Glaubens zu geben. Die erste Stufe ist der Glaube, es zu versuchen, der Glaube, unsere Sichel einzuschlagen. Die zweite Stufe ist der Glaube, es tatsächlich zu tun. Es ist mehr als der Glaube, die Sichel einzuschlagen – es ist der Glaube, zu ernten.

Laman und Lemuel hatten den Glauben, es zu versuchen. Nephi jedoch hatte den Glauben, es zu tun. Laman und Lemuel hatten genug Glauben, ihre Sichel einzuschlagen. Nephi hingegen hatte genug Glauben, um auch zu ernten.

Der feine Unterschied zwischen dem Glauben, die Sichel einzuschlagen, und dem Glauben, zu ernten, ist jedoch entscheidend für uns. Um wieder beim Vater im Himmel leben zu können und hier auf der Erde ein produktives, glückliches Leben zu führen, müssen wir den Glauben, zu ernten, entwickeln.

Wir haben wunderbare Verheißungen vom Herrn erhalten: Glück und Freude in diesem Leben und Erhöhung im nächsten. Doch die Herausforderungen und Probleme des Alltags scheinen uns die Hoffnung zu rauben. Unser Land der Verheißung scheint so fern, so unwahrscheinlich, dass wir anfangen, zu zweifeln.

„Dieses Ziel kann ich unmöglich erreichen, diese Segnung kann ich unmöglich erlangen“, denken wir. „Bestimmt hat der Herr an jemand anderen gedacht, als er diese Verheißungen aussprach.“

Nein, er hat an Sie und an mich gedacht. Wir benötigen nur ausreichend Glauben, damit wir unsere Segnungen auch empfangen: Glauben, der so stark ist, dass er künftige Verheißungen in gegenwärtige Wirklichkeit verwandelt. Wir benötigen den Glauben, zu ernten.

Was ist Glaube genau, und wie können wir ihn entwickeln?

Glauben Sie an Jesus Christus

Zunächst ist der Glaube, zu ernten, im Gegensatz zu dem Glauben, die Sichel einzuschlagen, kein Glaube an uns selbst. Er ist nicht mit Selbstbewusstsein oder einer positiven Einstellung gleichzusetzen. Er ist auch nicht der Glaube an die Familie und an Freunde – wobei das sicher alles etwas Gutes ist. Der Glaube, zu ernten, ist der Glaube an Jesus Christus und sein Sühnopfer. Es ist der Glaube an seine Macht, nicht unsere.

Als ich als Präsident des Pfahls Maricopa in Mesa in Arizona berufen wurde, bat Elder W. Mack Lawrence, der damals Generalautorität-Siebziger war, mich und meine Frau ins Büro des Pfahlpräsidenten und sprach die Berufung aus. Ich nahm sie pflichtbewusst an. Dann bat er uns in das Sitzungszimmer des Hoherats, damit wir gebeterfüllt überlegen konnten, welche Männer man als meine Ratgeber vorschlagen könne. Als ich den Raum betrat, sah ich die Bilder aller Pfahlpräsidenten, die seit der Gründung des Pfahles über diesen präsidiert hatten, und ich verlor den Mut. Sie waren alle großartige Führungspersönlichkeiten in der Kirche und in der Gesellschaft.

Ich sah meine Frau an und sagte: „Kathleen, ich denke nicht, dass ich das schaffen kann. Ich gehöre nicht in diese Liga.“

Sie erwiderte: „Sag das nicht mir. Sprich lieber mit Elder Lawrence darüber.“

Als ich Elder Lawrence sagte, ich könne mir nicht vorstellen, dass ich diese Berufung erfüllen könne, entgegnete er zu meiner Verwunderung: „Ich denke, Sie haben Recht.“

Doch dann fügte er hinzu: „Sie können es nicht schaffen, Bruder Andersen, doch der Herr kann es. Er hat die Macht, sein Werk zu vollbringen. Wenn Sie würdig sind und eifrig arbeiten, wird er es tun. Sie werden sehen.“

Und der Herr tat es.

Der Glaube, die Sichel einzuschlagen, ist der Glaube, es zu versuchen. Es ist ein Glaube an uns selbst, der sich in Luft auflöst, sobald es schwierig wird. Dann beginnen wir zu zweifeln. Doch der Glaube, zu ernten, ist der Glaube an den Herrn Jesus Christus. Er weicht nie.

Bringen Sie Ihren Willen mit dem Willen Gottes in Einklang

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woman looking up

Um den Glauben, zu ernten, auszuüben, müssen wir sicher sein, dass unsere Wünsche und Ziele mit dem Willen Gottes im Einklang stehen. Wir können den Glauben, zu ernten, nicht ausüben, wenn Gott mit der Ernte nicht einverstanden ist. Um seine Hilfe zu erhalten, müssen wir unseren Willen mit seinem in Einklang bringen.

Da der Prophet Nephi im Buch Helaman ein rechtschaffener und gläubiger Mann war, sagt der Herr zu ihm: „Ich [werde] dich segnen immerdar; und ich werde dich mächtig machen im Wort und im Tun, im Glauben und in Werken; ja, selbst so, dass dir alles gemäß deinem Wort geschehe.“ Was für eine Verheißung! Dann fügt der Herr hinzu: „Denn du wirst nichts erbitten, was gegen meinen Willen ist.“ (Helaman 10:5.)

Moroni sagt uns: „Und Christus hat gesagt: Wenn ihr Glauben an mich habt, werdet ihr Macht haben, alles zu tun, was mir ratsam ist.“ (Moroni 7:33.)

Unsere Wünsche an Gottes Willen anzugleichen, ist eine Voraussetzung für den Glauben, zu ernten.

Als meine Söhne jünger waren, spielten sie in den Basketball-Teams der Highschool. Damals sprachen sie als Team vor jedem Spiel ein Gebet. Ich sah von den Rängen zu und fragte mich, wofür sie wohl beteten. Wenn sie dafür beteten, das Spiel zu gewinnen, dann fehlte ihnen der Glaube, zu ernten. Das zeigten schon die vielen Spiele, die sie verloren. Der Herr teilte ihren Wunsch, unbedingt jedes Spiel zu gewinnen, offensichtlich nicht.

Anders ausgedrückt: Gott hilft uns nur die Ziele zu erreichen, die gut für uns sind, denn er liebt uns und weiß besser als wir, was für uns gut ist. Sind wir dafür nicht alle dankbar? Wir sollten jeden Tag beten, dass der Vater im Himmel uns mit dem rechtschaffenen Wunsch segnet, unseren Willen an seinen anzugleichen. Wir müssen lernen, so zu beten wie der Herr im Garten Getsemani: „Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen.“ (Lukas 22:42.) Nur dann können wir den Glauben ausüben, zu ernten.

Machen Sie sich ans Werk

Die dritte Voraussetzung für den Glauben, zu ernten, ist Arbeit. Der Apostel Jakobus hat deutlich gemacht, dass Glaube ohne Werke tot ist. Man muss glauben, um die Sichel einzuschlagen, doch der Glaube, zu ernten, erfordert mehr als das. Auch die Dämonen glauben und sie zittern, schreibt Jakobus (siehe Jakobus 2:17,19).

Ich habe einmal von einem Vater gehört, der das Gebet seiner kleinen Tochter hörte, die an ihrem Bett kniete und den Vater im Himmel bat, er möge die Vögelchen schützen, nicht in die Falle zu gehen, die ihr Bruder gebaut und im Garten aufgestellt hatte. Der Vater machte sich im Laufe des Tages Sorgen. Er wusste, dass es eine gute Falle war. Er hatte seinem Sohn geholfen, sie zu bauen.

„Ich habe heute Morgen gehört, dass du den Vater im Himmel gebeten hast, die Vögelchen vor der Falle deines Bruders zu schützen“, sagte er zu seiner Tochter. „Manchmal passieren aber traurige Dinge auch dann, wenn wir darum beten, dass sie nicht passieren.“

Sie antwortete: „Ich bin ganz sicher, dass er keinen Vogel fangen wird, Papa!“

„Ich bewundere deinen Glauben, mein Engel“, sagte der Vater. „Ich hoffe aber, dass dein Glaube nicht leidet, wenn er doch ein paar Vögel fängt.“

„Er wird keine fangen, Papa“, erwiderte sie. „Ich weiß es ganz sicher.“

Der Vater fragte sie: „Wie kannst du so großen Glauben haben?“

Seine Tochter erklärte: „Nachdem ich gebetet habe, bin ich hinausgegangen und habe seine Vogelfalle in Stücke getreten.“

Es ist gut, den Vater im Himmel um Segnungen zu bitten. Doch nachdem wir Amen gesagt haben, müssen wir uns ans Werk machen. Wir können nicht erwarten, dass der Herr unsere Schritte lenkt, wenn wir nicht bereit sind, unsere Füße zu bewegen. Auch sollen wir ihn nicht um etwas bitten, was wir selbst tun können und sollen.

Wir müssen daran arbeiten, unsere rechtschaffenen Ziele zu erreichen, und wir müssen uns eifrig anstrengen, die Gebote zu befolgen. Die wahre Macht unserer Bündnisse und unseres Glaubens, zu ernten, liegt nicht darin, ohne Wenn und Aber zu dem Schluss zu kommen, dass Gott seine Verheißungen erfüllt, sondern darin, ohne Wenn und Aber zu dem Schluss zu kommen, dass wir unsere Versprechen halten. Dies ist das Prinzip, wie künftige Verheißungen in gegenwärtige Wirklichkeit verwandelt werden. Wir müssen arbeiten.

Lassen Sie sich nicht von Ihren Fehlschlägen oder Fehlern entmutigen. Strengen Sie sich beständig und entschlossen an. Der Glaube, zu ernten, erfordert keine Vollkommenheit, aber er erfordert Durchhaltevermögen.

Meine Aufforderung an Sie lautet: Entwickeln Sie den Glauben, zu ernten. Setzen Sie festen Glauben in den Herrn Jesus Christus und sein Sühnopfer. Vergewissern Sie sich, dass Ihre Wünsche im Einklang mit seinem Willen sind. Gehen Sie dann mit ganzem Herzen, aller Macht, ganzem Sinn und aller Kraft, mit unbeirrbarer Entschlossenheit und Durchhaltevermögen ans Werk. Es gibt keine Herausforderung, kein Problem, kein Hindernis, das dem Glauben, zu ernten, nicht weichen wird.