2017
Kindererziehung in Partnerschaft mit Gott
July 2017


Kindererziehung in Partnerschaft mit Gott

Die Verfasserin lebt in Utah.

Als ich lernte, die mir zur Verfügung stehenden geistigen Quellen und Hilfen zu nutzen, kamen mir unzählige Ideen dazu, wie ich meinem Sohn helfen und meine eigenen Herausforderungen besser meistern konnte.

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mother struggling with son

Illustrationen von Robert Hunt

Meine Idealvorstellung vom Elternsein bestand darin, dass man ganz und gar brave Kinder hat, die immer hübsch angezogen sind und sich nie schmutzig machen. Doch rasch wurde mir klar, dass das nur ein schönes Traumbild ist. Ich habe es mittlerweile akzeptiert, dass es bei uns zu Hause sehr unordentlich aussieht und dass den Kindern ständig die Nase läuft. Doch ich weiß, dass mit dem Familienleben die wunderbarsten Segnungen einhergehen, die ich jemals erlangen kann. Allerdings hätte ich mir nie vorstellen können, wie schwer es ist, die Kinder großzuziehen, insbesondere meinen Sohn Brad.

Brad war, wie jedes andere Baby auch, völlig unschuldig. Doch schon bald stellten wir fest, dass er anders war. Mein Mann oder ich mussten im Kindergarten in der Primarvereinigung immer bei ihm bleiben, weil Brad sonst zu aggressiv war. Auch als er älter wurde, musste er ständig beaufsichtigt werden, wenn er mit anderen Kindern spielte. Als wir uns um Hilfe bemühten, sagte man uns immer nur, dass wir einfach konsequenter mit ihm sein müssten. Wir probierten alles Erdenkliche: Wir recherchierten im Internet, lasen Erziehungsratgeber und wandten uns an Ärzte und an Angehörige. Als Brad in die Schule kam, wurde bei ihm schließlich eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) diagnostiziert sowie eine ganze Reihe weiterer Probleme.

Zum ersten Mal sahen wir einen Hoffnungsschimmer. Mit dieser Diagnose konnte man endlich einen Behandlungsplan erstellen. Wir hofften, dass bei Brad die Medikamente helfen würden, die auch schon bei anderen gewirkt hatten. Leider verhielt sich Brad, wenn er die Medikamente genommen hatte, noch schlimmer als vorher, weswegen wir sie wieder absetzen mussten. Mein letzter Funken Hoffnung schien zu erlöschen.

Eines Tages – Brad war damals sechs Jahre alt – hatte er wieder einen seiner häufigen Wutanfälle. Ich wollte aufgeben. Für einen kurzen Augenblick ging ich ins Schlafzimmer, um alleine zu sein. Ich weinte. Ich betete um die Kraft, die allabendliche Zu-Bett-geh-Routine zu überstehen. Wie konnte ich so etwas nur Tag für Tag durchstehen? Ich hatte das Gefühl, dass alles über meine Kräfte ging. Wusste der Vater im Himmel eigentlich, wie schwer das alles war? Wenn er mich wirklich liebte, so dachte ich zumindest, würde er mir diese Last doch abnehmen und es meinem Sohn ermöglichen, ein normales Leben zu führen. Diese Gedanken und Gefühle nahmen mich immer mehr ein, während die Herausforderungen, denen ich mich gegenübersah, immer schlimmer zu werden schienen.

Worum es bei Prüfungen wirklich geht

Ich dachte, ich wüsste, worum es bei einer Prüfung geht. Eine Prüfung sollte für uns doch so sein wie ein Ofen für den Ton. Wir müssen durchs Feuer gehen und danach ist wieder alles gut, bis wir beim nächsten Mal wieder ins Feuer müssen, um weiter gehärtet zu werden. Aber ich musste diese Prüfung nun schon jahrelang ertragen, und sie ging einfach nicht vorbei. Ich wurde durch diese Last einfach nur niedergedrückt. Ein Gefühl der Hilflosigkeit ließ mich auf die Knie gehen.

Da wurde mir bewusst, dass ich im Tempel Trost und Verständnis finden konnte. Durch Inspiration verstand ich, dass wir uns unsere Prüfungen in diesem Leben nicht aussuchen können und auch nicht, wie lange sie dauern. Wir können jedoch steuern, wie wir denken und handeln, wenn Prüfungen kommen.

Ich erkannte, dass meine Unzufriedenheit daher rührte, dass ich gänzlich in Selbstmitleid versank. Als Erstes nahm ich mir vor, jeden negativen Gedanken, der sich einschlich, auszutilgen. Dazu gehörten Gedanken wie „Das ist unfair!“, „Das schaffe ich nie!“, „Warum kann Brad nicht einfach normal sein?“ oder – am schlimmsten von allen – „Ich bin so eine Rabenmutter.“. Ich bemühte mich sehr darum, die negativen Stimmen aus meinen Gedanken zu vertreiben, und bemerkte, dass meine eigene Stimme im Umgang mit meinen Kindern viel geduldiger und liebevoller wurde.

Auch wollte ich positiver denken. Ich sagte mir: „Das machst du gut!“ Zudem lobte ich mich hin und wieder selbst und spornte mich an, beispielsweise: „Du bist ruhig geblieben und nicht laut geworden. Gut gemacht!“

Auf Gott vertrauen

Nach einem besonders anstrengenden Tag bat ich meinen Mann um einen Segen. Darin wurde ich daran erinnert, dass ich eine Tochter Gottes bin, dass Gott weiß, wer ich bin und was ich brauche, und dass mein Sohn ein Sohn Gottes ist. Brad ist in erster Linie ein Sohn Gottes, und mein Mann und ich kümmern uns in Partnerschaft mit Gott um ihn. Mir wurde klar, dass ich mir nicht alles zunutze gemacht hatte, was diese Partnerschaft zu bieten hatte. Mein Mann und ich hatten schon viele Nachforschungen angestellt und allerlei Hilfsquellen entdeckt, aber die wichtigste hatten wir vergessen: das Gebet!

Ich fing an, jeden Tag im Gebet zu fragen, wie ich Brad helfen könne. Immer wenn er einen Gefühlsausbruch hatte, betete ich schnell um Inspiration, bevor ich mich ihm zuwandte. Als ich darauf vertraute, dass Gott mir in Hinblick auf meinen Sohn Hilfe und Inspiration zukommen lassen werde, erhaschte ich einen Blick darauf, wie ich sein und was ich für Brad tun konnte. Ich bemühte mich sehr, mich an die Worte Almas zu halten: „Dies ist mein Ruhm, dass ich vielleicht ein Werkzeug in den Händen Gottes bin.“ (Alma 29:9.)

Sofort stellten sich Veränderungen ein. Mir kamen unzählige Ideen und Möglichkeiten in den Sinn, wie ich Brad helfen konnte. Ich machte mir den Familienabend zunutze und fragte im Gebet, was ich den Kindern nahebringen sollte. Auch las ich mit größerem Vorsatz in den heiligen Schriften und merkte, wie viele gute Ratschläge für Eltern darin stecken. Hoffnung und Trost erfüllten mich.

Die Vorstellung, dass mein Mann und ich unsere Kinder in einer Partnerschaft mit Gott erziehen und wir alle Hilfen verwenden können, die er uns gibt, spiegelte sich in meinem Handeln immer besser wider. Das führte dazu, dass ich immer mehr auf Gott vertraute. Ich erkannte, dass mein Wissen über Erziehung nur begrenzt war. Aber ein liebevoller Vater im Himmel, der alles weiß und meinen Sohn mehr liebt als ich, konnte mir helfen, eine bessere, in sich gefestigtere Mutter zu werden. Und auch wenn ich manchmal noch zu kämpfen habe, so weiß ich doch, wohin ich mich um Hilfe wenden kann. Ich habe jetzt begriffen, dass manche Prüfungen keine Ablauffrist haben, aber wenn ich das Auge stets auf die Ewigkeit richte, wird Gott mir helfen.

Freude finden an den kleinen Momenten des Lebens

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mother smiling with son

In schweren Zeiten habe ich gelernt, mich an den kleinen Augenblicken des Lebens zu erfreuen – an den Augenblicken, die uns geschenkt werden. Wenn mein Sohn gar nicht anders kann, als mir einen Kuss zu geben, erfüllt mich das immer mit Dankbarkeit. Einmal beobachtete ich, dass sich niemand im Bus zu Brad setzte. Da kam mir wie ein Segen vom Himmel diese Schriftstelle in den Sinn: „Ich werde vor eurem Angesicht hergehen. Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch, um euch zu stützen.“ (LuB 84:88.) Ich wusste, dass Brad nicht allein war und es auch niemals sein wird.

Wir sind eine ewige Familie, und mit der Hilfe des liebevollen himmlischen Vaters, der über uns wacht, und derjenigen, die uns lieben, kann ich mich täglich an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen und die Freude und das Glück verspüren, die uns zugedacht sind. Und mit diesen kleinen Segnungen und mit der Hilfe des Herrn kann ich der Mensch werden, der ich sein soll, ganz gleich, wie lange es dauern mag.