2016
Wo ist Daniel?
October 2016


Wo ist Daniel?

Die Verfasserin lebt in Georgia.

Henrik konnte den Angelausflug kaum erwarten! Wenn doch bloß Daniel nicht mitgekommen wäre …

„Meine Familie liebe ich, sie bedeutet viel für mich.“ (Liederbuch für Kinder, Seite 98)

Bild
gone fishing

Komm, schnappen wir uns die Ausrüstung und auf geht’s zum Angeln!“, sagte Papa.

Mit einem breiten Lächeln sah Henrik sich um. Es war ein herrlicher Tag, und munter schwirrten Insekten umher. Und außerdem hatten sie den ganzen See für sich allein!

Henrik folgte Papa hinter das Auto und hob die große Angelkiste aus dem Kofferraum. Sie war schwer, doch das störte ihn nicht. Für einen Angelausflug mit Papa hätte er sie auch getragen, wenn sie das Doppelte wiegen würde!

Die Angelruten klapperten gegeneinander, als Papa sie herauszog. „Daniel ist wohl eingeschlafen“, sagte er. „Weckst du ihn bitte auf?“

Henrik unterdrückte einen Seufzer. „Okay.“

Er hatte schon fast vergessen, dass sein kleiner Bruder mitgekommen war. Daniel rannte immer bloß herum und konnte nicht flüstern. Bestimmt würde er alle Fische verscheuchen!

Henrik sah durchs offene Fenster. „Daniel, aufwachen!“

Doch Daniel schlief tief und fest.

Henrik überlegte. Wenn er Glück hatte, schlief Daniel vielleicht den ganzen Ausflug über.

Leise hob Henrik die Angelkiste hoch und schleppte sie zu der Stelle am See, die Papa fürs Angeln auserkoren hatte.

„Hier sind die Köder und die Würmer!“

Papa nahm ihm die Kiste ab. „Super, danke.“ Dann sah Papa auf. „Wo ist denn dein Bruder?“

Henrik blickte zum Auto. Plötzlich fragte er sich, wie er sich wohl fühlen würde, wenn er irgendwo aufwachte, wo er noch nie gewesen war, und ganz allein wäre. „Mir wäre gar nicht wohl zumute“, dachte Henrik. „Wahrscheinlich hätte ich sogar ganz schön Angst.“ Und Daniel war doch erst fünf.

„Warte, Papa, ich komme gleich wieder“, rief Henrik. Doch als er ins Auto spähte, war Daniel fort!

Plötzlich hörte Henrik gar keine umherschwirrenden Insekten mehr. Alles schien totenstill.

„Daniel ist nicht mehr da!“, rief Henrik aufgeregt.

Papa eilte herbei und sah schnell überall im Auto nach.

„Bestimmt sucht er uns“, meinte Papa. „Wir waren ja nur ganz kurz am See. Er dürfte noch nicht weit gekommen sein.“

Henrik versuchte, ruhig zu bleiben, doch er spürte, wie sich alles in ihm verkrampfte. „Darf ich ein Gebet sprechen?“, fragte er.

„Das ist eine sehr gute Idee“, erwiderte Papa.

Henrik dankte dem Vater im Himmel für seinen kleinen Bruder. Dann bat er ihn, dass sie Daniel schnell finden würden, damit er keine Angst haben brauchte.

Nach dem Gebet war ihm die Brust nicht mehr wie zugeschnürt, und er fühlte sich besser.

Papa legte eine Hand auf Henriks Schulter. „Was hättest du an Daniels Stelle gemacht? Wohin wärst du gegangen?“

Henrik fiel die offene Tür auf der anderen Seite des Autos ins Auge. Wahrscheinlich hatte Daniel gar nicht gesehen, dass Papa und er am See waren! Henrik deutete auf einen Weg ganz in der Nähe. „Wahrscheinlich wäre ich da lang gegangen“, sagte er.

Papa und Henrik rannten los.

Eine Sekunde kam ihnen vor wie eine Stunde. Unterwegs sprach Henrik ein stilles Gebet. Nach nur wenigen Metern kamen sie um eine Kurve und sahen Daniel ein Stück vor sich.

„Daniel!“, rief Henrik.

Daniel wirbelte herum und lächelte. „He, wo wart ihr denn?“

Riesige Erleichterung machte sich in Henrik breit. Er rannte zu Daniel und nahm ihn fest in den Arm.

„Ich bin so froh, dass wir dich gefunden haben!“, sagte er. Schnell sprach Henrik ein stilles Dankgebet.

Daniel grinste bloß. „Und wo sind die Fische?“

„Komm mit, ich zeig sie dir“, lachte Henrik. Jetzt wollte er so schnell wie möglich wieder zum See. „Mal schauen, wer den ersten Fisch fängt! Ich helfe dir, den Köder auf den Haken zu stecken.“