2015
Sie hatte sich die Zeit genommen
Dezember 2015


Stimmen von Heiligen der Letzten Tage

Sie hatte sich die Zeit genommen

Candice A. Grover, Idaho

Bild
illustration of a dress and gift packages

Illustration von Allen Garns

Vor einigen Jahren hatte ich viel zu viel um die Ohren, als dass ich die Weihnachtszeit hätte genießen können. Mein Mann Andy hatte einen schlimmen Husten, und wie sich bei den ärztlichen Untersuchungen herausstellte, war daraus rasch ein Schaden an der Lunge entstanden. Er musste operiert werden, seine Speiseröhre wurde rekonstruiert und Proben wurden entnommen, „um sicherzugehen“. Die Operation fand eine Woche vor unserem Umzug in ein neues Haus statt.

Wenige Wochen vor Weihnachten unterhielt ich mich mit meiner Nachbarin Janae. Sie fragte mich, ob ich für Weihnachten bereit sei. So bereit, wie ich eben sein könne, meinte ich nur. Ich erwähnte, dass wir immer kurz vor Weihnachten mit meiner Oma Plätzchen backten und ich eigentlich gern Schürzen für die Mädchen genäht hätte, wahrscheinlich aber nicht dazu kommen würde.

Eine Woche später – ich hatte mich gerade im Polstersessel neben dem Weihnachtsbaum niedergelassen, die Mädchen waren im Bett, und Andy arbeitete im Büro – klingelte es an der Tür. Ich öffnete. Draußen stand Janae im Schneetreiben mit drei Päckchen in der Hand.

„Komm rein“, sagte ich. Sicher merkte sie, wie überrascht ich war.

„Danke, aber ich muss gleich zurück“, erwiderte sie. „Die hier sind für deine Mädchen.“

Janae reichte mir die Päckchen.

„Es sind Schürzen“, sagte sie. „Es sind keine Meisterwerke, aber ich habe sie gerade fertig bekommen.“

Vor lauter Staunen brachte ich nur ein leises Danke hervor. Wir umarmten einander, und ich sah ihr noch nach.

Als ich wieder in meinem Sessel saß, löste ich vorsichtig das weiße Seidenband von einer der Schachteln. Ich schaute hinein und sah eine selbst genähte Schürze aus Weihnachtsstoff. Ich ließ den Saum durch Daumen und Zeigefinger gleiten und dachte über Janae nach. Sie hatte vier kleine Kinder, darunter Zwillinge, die nur etwas über ein Jahr alt waren. Sie gab Klavierstunden und hatte eine aufwändige und wichtige Berufung in unserer Gemeinde.

Ich versuchte mir vorzustellen, wann sie Zeit dafür gehabt haben könnte, Schürzen zu nähen, und ich wusste sofort, dass sie keine Zeit gehabt hatte. Sie hatte sich die Zeit genommen.

Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich die Liebe des Vaters im Himmel spürte, die mir durch Janae erwiesen wurde – ein reiches Maß an Wärme und Trost, als wäre ich „mit den Armen [seiner] Liebe“ umschlossen (LuB 6:20).

Es ist lange her, dass wir die Schürzen bekommen haben. Sie sind meinen Töchtern längst zu klein, aber sie hängen immer noch an einem glänzenden Haken in meiner Speisekammer, unter den neueren Schürzen. Jedes Mal, wenn ich Janaes Geschenk sehe, werde ich an den Trost und die Liebe erinnert, die ich an jenem Abend verspürt habe. Es erinnert mich daran, wer ich sein möchte: eine Jüngerin Jesu Christi, würdig, Offenbarung zu empfangen, und bereit, zu helfen.