2015
Erwählt, von meinem Namen Zeugnis zu geben
November 2015


Erwählt, von meinem Namen Zeugnis zu geben

Es ist großartig, dass ältere Männer von großer geistiger Reife und hohem Urteilsvermögen in der wiederhergestellten Kirche Jesu Christi die höchsten Führungsämter innehaben.

In der Fernsehsendung 60 Minutes, die in den USA landesweit ausgestrahlt wird, war 1996 Präsident Gordon B. Hinckley zu Gast. Mike Wallace, ein erfahrener und hartnäckiger Journalist, befragte Präsident Hinckley zu einer Vielzahl wichtiger Themen.

Gegen Ende des Gesprächs merkte Mr. Wallace an: „Manche Leute sagen, das ist doch eine Gerontokratie. Die Kirche liegt in der Hand von alten Männern.“

Prompt gab Präsident Hinckley heiter zurück: „Ist es nicht großartig, einen reifen Mann an der Spitze zu haben; einen Mann mit hohem Urteilsvermögen, der nicht von jedem Widerstreit der Meinungen hin und her geworfen wird?“ (Sendung vom 7. April 1996.)

Ich möchte erläutern, warum es wirklich großartig ist, dass ältere Männer von großer geistiger Reife und hohem Urteilsvermögen in der wiederhergestellten Kirche Jesu Christi die höchsten Führungsämter innehaben, und warum wir die Worte dieser Männer vernehmen und auf sie hören sollen (siehe Mosia 2:9) – Männer, die der Herr dazu erwählt hat, „von [seinem] Namen Zeugnis zu geben[, nämlich allen] Nationen, Geschlechter[n], Sprachen und Völker[n]“ (LuB 112:1).

Ich bete, dass der Heilige Geist uns alle unterweisen möge, wenn wir nun gemeinsam über dieses wichtige Thema nachdenken.

Eine Lektion aus einem langen Leben

Ich spreche aus einer zweifellos besonderen Perspektive über dieses Thema. Elf Jahre lang war ich jetzt das jüngste Mitglied der Zwölf Apostel, was das Lebensalter anbelangt. In dieser Zeit lag das Durchschnittsalter der Ersten Präsidentschaft und des Kollegiums der Zwölf Apostel bei 77 Jahren; dies war das höchste Durchschnittsalter der Apostel, das es in dieser Evangeliumszeit je über eine Zeitspanne von elf Jahren gegeben hat.

Die gebündelten Erfahrungen und Erkenntnisse der Kollegiumsmitglieder, mit denen ich tätig bin, im Apostelamt, in der Kirche, im Privatleben und im Beruf sind mir ein Segen. Ein Beispiel aus meiner Zusammenarbeit mit Elder Robert D. Hales verdeutlicht, welch bemerkenswerte Gelegenheiten ich erhalte, von diesen Führern zu lernen und mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Vor einigen Jahren verbrachte ich einen Sonntagnachmittag zu Hause bei Elder Hales. Er erholte sich gerade von einer schweren Krankheit. Wir sprachen über unsere Familien, unsere Aufgaben im Kollegium und wichtige Erfahrungen.

Im Laufe des Gesprächs fragte ich Elder Hales: „Du bist oder warst ja ein guter Ehemann, Vater, Sportler, Geschäftsmann und Führer der Kirche. Was hast du daraus gelernt, dass du älter geworden bist und dein körperliches Leistungsvermögen immer mehr nachgelassen hat?“

Elder Hales überlegte kurz und erwiderte dann: „Wenn man das, was man immer gemacht hat, nicht mehr machen kann, beschränkt man sich auf das Wichtigste.“

Ich war von dieser einfachen und doch umfassenden Antwort beeindruckt. Mein lieber Bruder im Apostelamt schilderte mir eine Lektion, die er aus seinem langen Leben gezogen hatte – eine Lektion, die er durch die Feuerprobe körperlicher Leiden und geistiger Suche gelernt hatte.

Menschliche Grenzen und Schwächen

Die Einschränkungen, die sich als natürliche Folge fortschreitenden Alters ergeben, können sich tatsächlich als beachtliche Quellen geistiger Bildung und geistiger Einsichten erweisen. Gerade die Faktoren, die wohl nach Ansicht vieler die Leistungsfähigkeit dieser Diener Gottes behindern, können zu einigen ihrer größten Stärken werden. Körperliche Einschränkungen können zu größerem Weitblick führen. Eine geschwächte Kondition kann Prioritäten klar hervortreten lassen. Wenn man zu vielem nicht in der Lage ist, konzentriert man sich auf das Wenige, was am wichtigsten ist.

Manch einer behauptet, die Kirche brauche jüngere Führer mit mehr Elan, um die gravierenden Probleme der modernen Welt erfolgreich anzugehen. Der Herr bedient sich jedoch nicht zeitgenössischer Philosophien oder Führungsmethoden, um seine Absichten zu verwirklichen (siehe Jesaja 55:8,9). Wir können davon ausgehen, dass der Präsident der Kirche und weitere ranghohe Führer immer ältere, geistig gefestigte Männer sein werden.

Das vom Herrn offenbarte Muster, seine Kirche durch Ratsgremien zu lenken, trägt menschlichen Schwächen Rechnung und mildert deren Folgen. Interessanterweise bestätigen gerade die irdischen Einschränkungen dieser Männer, dass die Offenbarungen, die sie empfangen und die durch sie ergehen, von Gott kommen. Diese Männer sind wahrlich durch Prophezeiung von Gott berufen (siehe 5. Glaubensartikel).

Ein Muster der Vorbereitung

An meinen Amtsbrüdern konnte ich zumindest teilweise beobachten, weshalb der Herr die höchsten Führungsämter in der Kirche mit älteren, reifen Männern mit hohem Urteilsvermögen besetzt. Diese Männer wurden vom Herrn, den sie vertreten, dem sie dienen und den sie lieben, über längere Zeit hinweg unterwiesen. Sie haben gelernt, die göttliche Sprache des Heiligen Geistes und das Muster des Herrn, wie man Offenbarung empfängt, zu verstehen. Diese gewöhnlichen Männer haben eine höchst ungewöhnliche Entwicklung durchlebt, die ihren Blick geschärft, ihre Erkenntnis vertieft, ihre Liebe zu Menschen aus allen Ländern und allen Lebensumständen geweckt und ihnen bestätigt hat, dass die Wiederherstellung tatsächlich stattgefunden hat.

Ich sehe oft, wie meine Amtsbrüder sich fleißig anstrengen, ihre Aufgaben zu erfüllen und sich darin auszuzeichnen, während ihnen erhebliche körperliche Beschwerden zu schaffen machen. Diese Männer werden von Bedrängnissen nicht ausgenommen. Sie werden stattdessen gesegnet und erhalten die Kraft, inmitten von Leiden und Bedrängnissen tapfer vorwärtszustreben.

Bei meiner Arbeit mit diesen Vertretern des Herrn habe ich erkannt, dass es ihr größter Wunsch ist, den Willen unseres Vaters im Himmel und seines geliebten Sohnes zu erkennen und zu tun. Wenn wir gemeinsam Rat halten, empfangen wir Inspiration und treffen Entscheidungen, die ein Maß an Licht und Wahrheit widerspiegeln, das Intelligenz, Denkvermögen und Erfahrungsschatz des Menschen weit übersteigt. Während wir uns in Einigkeit gemeinsam vielschichtigen Problemen widmen, wird unser gemeinsames Verständnis einer Sache oft auf erstaunliche Weise durch die Macht des Heiligen Geistes erweitert.

Es ist mir ein Segen, täglich die individuelle Persönlichkeit, die Fähigkeiten und den noblen Charakter dieser Führer beobachten zu können. Manche stören sich an den menschlichen Unzulänglichkeiten der führenden Brüder. Sie meinen, diese schwächten den Glauben. Für mich sind diese Unvollkommenheiten ermutigend. Sie stärken meinen Glauben.

Eine weitere Lektion

Ich habe nun miterlebt, wie sechs meiner Amtsbrüder durch den physischen Tod in die Geisterwelt versetzt wurden, um dort neue Aufgaben zu übernehmen: Präsident James E. Faust, Präsident Gordon B. Hinckley, Elder Joseph B. Wirthlin, Elder L. Tom Perry, Präsident Boyd K. Packer und Elder Richard G. Scott.

Diese tapferen Brüder haben ihre „ganze Seele“ (Omni 1:26) der Aufgabe verschrieben, in aller Welt für den Namen Jesu Christi Zeugnis abzulegen. Die Gesamtheit ihrer Worte ist von unschätzbarem Wert.

Jeder dieser Diener hat uns in den letzten Jahren seines irdischen Wirkens einen machtvollen geistigen Abriss der Lektionen gegeben, die er aus Jahrzehnten geweihten Dienens gelernt hat. Diese Führer haben Wahrheiten von großem Wert an uns weitergegeben – zu einer Zeit, da sie nach Ansicht einiger am wenigsten zu geben hatten.

Denken wir an die letzten Worte großer Propheten in den heiligen Schriften. Nephi schloss seinen Bericht beispielsweise mit diesen Worten: „Denn so hat der Herr mir geboten, und ich muss gehorchen.“ (2 Nephi 33:15.)

Gegen Ende seines Lebens ermahnte uns Jakob:

„Kehrt daher um, und tretet ein durch die enge Pforte, und verbleibt auf dem Weg, der schmal ist, bis ihr ewiges Leben erlangen werdet.

O seid weise; was mehr kann ich sagen?“ (Jakob 6:11,12.)

Moroni vollendete das Zusammenstellen der Platten in hoffnungsvoller Erwartung der Auferstehung: „Ich gehe bald hin, im Paradies Gottes zu ruhen, bis sich mein Geist und Leib wieder vereinigen werden und ich im Triumph durch die Luft hingeführt werde, um euch vor dem angenehmen Gericht des großen Jehova zu treffen, des ewigen Richters der Lebenden und der Toten.“ (Moroni 10:34.)

Sie und ich profitieren davon, dass wir aus den letzten Worten und Zeugnissen der neuzeitlichen Propheten und Apostel lernen können. Die heutigen Namen sind nicht Nephi, Jakob oder Moroni, sondern Präsident Faust, Präsident Hinckley, Elder Wirthlin, Elder Perry, Präsident Packer oder Elder Scott.

Ich möchte damit nicht andeuten, dass die letzten Botschaften dieser geschätzten Männer in jedem Fall auch die bemerkenswertesten oder wichtigsten ihres Wirkens waren. Doch die Summe dessen, was diese Führer in geistiger Hinsicht gelernt und im Leben an Erfahrungen gesammelt haben, hat sie in die Lage versetzt, ewige Wahrheiten völlig authentisch und äußerst eindringlich herauszustellen.

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Präsident James E. Faust

In seiner letzten Generalkonferenzansprache im April 2007 erklärte Präsident Faust:

„Der Erretter bietet uns allen durch sein Sühnopfer einen kostbaren Frieden, doch dieser kann nur einziehen, wenn wir willens sind, negative Gefühle wie Zorn, Verachtung oder Rachsucht abzulegen. …

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir vergeben müssen, damit uns vergeben wird. … Ich glaube mit ganzem Herzen und ganzer Seele an die heilende Kraft, die wir erlangen können, wenn wir dem Rat des Erretters folgen, ‚dass ihr allen Menschen vergebt‘ [LuB 64:10].“ („Die heilende Kraft der Vergebung“ Liahona, Mai 2007, Seite 69.)

Präsident Fausts Botschaft ist eine eindrucksvolle Lektion aus dem langen Leben eines Mannes, den ich sehr gern habe und der zu den vergebungsbereitesten Menschen gehört, die ich je kennengelernt habe.

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Präsident Gordon B. Hinckley

Präsident Hinckley bestätigte bei seiner letzten Generalkonferenz im Oktober 2007: „Heute bekräftige ich Ihnen mein Zeugnis von der Berufung des Propheten Joseph Smith, von seinen Werken und davon, dass er als Märtyrer sein Zeugnis für die ewige Wahrheit mit seinem Blut besiegelt hat. … So wie ich stehen auch Sie vor der einfachen Frage, ob Sie es als Tatsache ansehen, dass sich die erste Vision und alles, was ihr folgte, ereignet hat. Davon hängt ab, ob dies tatsächlich die wahre Kirche ist. Wenn sich dies alles wirklich ereignet hat – und ich bezeuge, dass es so ist –, ist das Werk, dem wir uns widmen, das wichtigste Werk auf Erden.“ („Der Stein, der vom Berg losgebrochen ist“, Liahona, November 2007, Seite 86.)

Dieses Zeugnis von Präsident Hinckley bekräftigt eine eindrucksvolle Lektion aus dem langen Leben eines Mannes, den ich sehr gern habe und von dem ich weiß, dass er ein Prophet Gottes war.

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Elder Joseph B. Wirthlin

Elder Wirthlin übermittelte seine letzte Botschaft bei einer Generalkonferenz im Oktober 2008.

„Ich muss auch heute noch an den Rat denken, den [meine Mutter] mir vor so langer Zeit gab, als meine Mannschaft ein Footballspiel verloren hatte: ‚Was immer kommen mag – nimm es freudig an.ʻ …

Geht man mit Unglück richtig um, kann es sich in unserem Leben als Segen erweisen. …

Wenn wir Humor entwickeln, danach trachten, alles aus dem Blickwinkel der Ewigkeit zu sehen, den Grundsatz der Wiedergutmachung begriffen haben und uns unserem himmlischen Vater nähern, können wir Mühsal und Prüfungen aushalten. Wie meine Mutter können wir dann sagen: ‚Was immer kommen mag – nimm es freudig an.ʻ“ („Was immer kommen mag – nimm es freudig an“, Liahona, November 2008, Seite 28.)

Elder Wirthlins Botschaft ist eine eindrucksvolle Lektion aus dem langen Leben eines Mannes, den ich sehr gern habe und der ein wandelndes Beispiel dafür war, wie man Schwierigkeiten durch Glauben an den Erretter überwindet.

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Elder L. Tom Perry

Es ist erst sechs Monate her, dass Elder Perry an diesem Podium stand. Damals konnte niemand ahnen, dass es sein letztes Zeugnis bei einer Generalkonferenz sein sollte.

„Zum Abschluss möchte ich Zeugnis geben – und mit meinen nunmehr 90 Lebensjahren weiß ich, wovon ich spreche. Je älter man wird, desto mehr stellt man fest, dass die Familie den Mittelpunkt im Leben darstellt und der Schlüssel für unser ewiges Glück ist.

Ich bin für meine Frau dankbar, für meine Kinder, Enkel und Urenkel … sowie für alle anderen Angehörigen, die mein Leben so reich machen und für die Ewigkeit von Bedeutung sind. Von dieser ewigen Wahrheit lege ich unmissverständlich und feierlich Zeugnis ab.“ („Weshalb Ehe und Familie so wichtig sind – überall auf der Welt“, Liahona, Mai 2015, Seite 42.)

Elder Perrys Botschaft ist eine eindrucksvolle Lektion aus dem langen Leben eines Mannes, den ich sehr gern habe und der aufgrund seines großen Erfahrungsschatzes den grundlegenden Zusammenhang zwischen Familie und ewigem Glück verstanden hat.

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Präsident Boyd K. Packer

Präsident Packer ging vor sechs Monaten bei der Generalkonferenz nachdrücklich auf Gottes Plan des Glücklichseins, das Sühnopfer des Erretters und die ewige Familie ein:

„Ich bezeuge, dass Jesus der Messias ist, der Sohn des lebendigen Gottes. Er steht an der Spitze der Kirche. Durch sein Sühnopfer und die Macht des Priestertums können Familien, die hier auf der Erde gegründet werden, in aller Ewigkeit zusammen sein. …

Ich bin so dankbar für … das Sühnopfer, durch das jeder Makel behoben werden kann, unabhängig davon, wie schwerwiegend der Fehler war, wie lange wir ihn begangen haben oder wie viele Male wir ihn wiederholt haben. Das Sühnopfer kann Sie befreien, damit Sie rein und würdig weiterleben können.“ („Der Plan des Glücklichseins“, Liahona, Mai 2015, Seite 28.)

Präsident Packers letzte Botschaft ist eine Lektion aus dem langen Leben eines Mannes, den ich sehr gern habe und der nachdrücklich immer wieder erklärt hat, dass „alles, was wir in der Kirche tun, dazu [dient], dass Mann und Frau mit ihren Kindern zu Hause glücklich sind und für Zeit und alle Ewigkeit aneinander gesiegelt sind“ (Liahona, Mai 2015, Seite 26).

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Elder Richard G. Scott

Elder Scott verkündete in seiner letzten Generalkonferenzansprache im Oktober 2014: „Wir sind doch genau deshalb zur Erde gekommen, um durch Prüfungen zu wachsen. Herausforderungen helfen uns, dem Vater im Himmel ähnlicher zu werden. Das Sühnopfer Jesu Christi macht es uns möglich, all diese Herausforderungen auszuhalten. Ich bezeuge: Wenn wir bewusst zu ihm kommen, können wir jede Versuchung, jede Seelenqual, jede Herausforderung, die uns begegnet, aushalten.“ („Machen Sie die Ausübung Ihres Glaubens zur obersten Priorität“, Liahona, November 2014, Seite 94.)

Elder Scotts Botschaft ist eine eindrucksvolle Lektion aus dem langen Leben eines Mannes, den ich sehr gern habe und der ein allseits geschätzter besonderer Zeuge des Namens Christi in aller Welt war (siehe LuB 107:23).

Verheißung und Zeugnis

Der Erretter hat verkündet: „Sei es durch meine eigene Stimme oder durch die Stimme meiner Knechte, das ist dasselbe.“ (LuB 1:38.) Mögen wir die ewigen Wahrheiten, die uns die bevollmächtigten Vertreter des Herrn vermitteln, hören und uns daran halten. Wenn wir dies tun, so verheiße ich, wird unser Glaube an den Vater im Himmel und an Jesus Christus gefestigt und wir erhalten geistige Führung und Schutz in unseren jeweiligen Lebensumständen und Bedürfnissen.

Mit der ganzen Kraft meiner Seele bezeuge ich, dass der auferstandene und lebendige Christus die Angelegenheiten seiner wiederhergestellten und lebendigen Kirche durch seine Diener leitet, die erwählt wurden, für seinen Namen Zeugnis abzulegen. Das bezeuge ich im heiligen Namen Jesu Christi. Amen.