2015
Bleiben oder gehorchen?
September 2015


Bleiben oder gehorchen?

Der Verfasser lebt in den Philippinen.

Als ich meinen Eltern mitteilte, dass ich auf Mission gehen wollte, reagierten sie völlig unerwartet. Sie verlangten von mir, mich zwischen meiner Familie und meiner Mission zu entscheiden.

Bild
illustration depicting a young man walking out of a door. He is carrying a bag, backpack and scripture tote.

Illustration von Scott Jarrard

Ich kann mich noch an die Worte der Missionare erinnern, die mich das Evangelium gelehrt hatten: „Was Gott auch gebieten mag – tu es, und Segnungen werden folgen.“ Diese Worte hinterließen bei mir einen tiefen Eindruck. Ich ließ mich mit 16 taufen und schloss mich damit als Einziger in meiner Familie der Kirche an. Acht Monate später durfte ich miterleben, dass sich das jüngste meiner Geschwister ebenfalls taufen ließ.

Als ich 18 wurde, hatte ich den Wunsch, auf Mission zu gehen und im Werk des Herrn mitzuarbeiten. Begeistert erzählte ich meinen Eltern von meinem Vorhaben. Ich erklärte ihnen, wie sehr ich es mir wünschte, Menschen einzuladen, zu Christus zu kommen, und ihnen zu helfen, die Grundsätze und Verordnungen des Evangeliums kennenzulernen und danach zu leben. Ihre Antwort überraschte mich. Sie sagten, der Gedanke, dass ich sie verlassen und auf Mission gehen wolle, breche ihnen das Herz, und ich müsse mich entscheiden: meine Familie oder meine Mission.

Ich war völlig vor den Kopf gestoßen. Sofort machte ich mich auf den Weg ins Gemeindehaus, das ganz in der Nähe war. Dort kniete ich mich in einem Zimmer nieder und fragte den Vater im Himmel: „Was soll ich tun? Wie soll ich mich entscheiden? Für meine Familie oder für meine Mission? Beide sind mir wichtig.“

Während ich noch auf den Knien war, kamen mir die Worte der Missionare in den Sinn: „Was Gott auch gebieten mag – tu es.“

Ich liebe meine Familie und möchte für immer mit ihr zusammen sein. Ich respektiere die Gefühle meiner Lieben. Doch in der Schrift heißt es: „Gehorsam ist besser als Opfer.“ (1 Samuel 15:22.) Der Geist des Herrn erfüllte mich und gab mir Kraft. Ich beschloss, dem Herrn zu dienen, denn ich wusste, dass der Vater im Himmel meiner Familie helfen würde, mich zu verstehen.

Ich ging nach Hause, doch mein Vater schickte mich nur mit bösen Worten fort und sagte mir, ich solle nie mehr wiederkommen. Ohne zu wissen, wohin ich gehen sollte, packte ich meine Sachen. Angst hatte ich nicht, weil ich wusste, dass der Herr bei mir war, dass er für jede Familie einen Plan hat und auch meine Familie diesen herrlichen Plan eines Tages verstehen wird.

Ich war nur wenige Schritte aus dem Haus gegangen, da kam meine Mutter hinter mir her. Sie umarmte mich und sagte mir, wie sehr sie mich liebt. Als ich wegging, konnte ich sehen, dass sie vor lauter Kummer, ihr geliebtes Kind ziehen lassen zu müssen, weinte.

Über ein Jahr wohnte ich bei einem zurückgekehrten Missionar, den ich schon vor meiner Taufe kennengelernt hatte. Der Herr erfüllte die Verheißung in 1 Nephi 3:7: Er bereitete einen Weg, damit ich seine Gebote befolgen konnte. Er sandte diesen selbstlosen und großzügigen Mann, der sich um mich kümmerte und für eine Atmosphäre sorgte, in der ich mich auf meine Mission vorbereiten konnte. Ich spürte die Hand Gottes, der mir in allen Schwierigkeiten beistand. Ich spürte die Liebe unseres Erretters Jesus Christus, die in seinem Sühnopfer zum Ausdruck kommt. Diese Liebe trug mich durch meine Prüfungen, bis ich als Vollzeitmissionar in der Philippinen-Mission Cauayan eingesetzt wurde.

Einige Monate später erhielt ich einen Brief von meiner Familie, die mir mitteilte, dass sie auf meine Rückkehr wartete. Ich hielt immer an dem Glauben und der Hoffnung fest, dass meine ganze Familie sich der Kirche anschließen, im Tempel für alle Ewigkeit gesiegelt werden und eines Tages beim Vater im Himmel und seinem Sohn Jesus Christus leben wird.

Nach meiner Rückkehr von Mission erlebte ich, dass sich mein Traum zu erfüllen begann. Ich durfte meine Mutter taufen, die sich jetzt darauf vorbereitet, in den Tempel zu gehen. Meine Familie sehe ich oft und wir sind uns näher als je zuvor.