2015
Christus kennt meinen Schmerz
Juli 2015


Junge Erwachsene

Christus kennt meinen Schmerz

Die sanfte Erinnerung an einen Aspekt des Sühnopfers, den ich aus den Augen verloren hatte, änderte meine Einstellung und meinen Blickwinkel.

Bild
ein Mann sitzt auf einem Stuhl

Foto des Verfassers von Welden C. Andersen

In der Dunkelheit des Krankenhauszimmers seufzte ich tief, doch leise. Trotz meiner Verzweiflung wollte ich meine Mutter nicht stören, die auf einer Couch in der Nähe meines Bettes schlief. Gerade hatte ich die vierte unerwartete Operation innerhalb von drei Wochen hinter mich gebracht, und in zwei Monaten, im Sommer, stand bereits die nächste Operation an. Dieser Eingriff sollte, so hatte man uns mitgeteilt, etwa fünf Stunden dauern und einen vier- bis sechswöchigen Krankenhausaufenthalt nach sich ziehen.

Ich kam 1986 zur Welt. Kurz nach meiner Geburt wurde bei mir Kinderlähmung infolge eines angeborenen Hydrozephalus diagnostiziert. Beim Hydrozephalus, dem sogenannten Wasserkopf, ist entweder zu viel oder zu wenig Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit vorhanden. In meinen bisherigen 28 Lebensjahren musste ich mich aufgrund meiner Krankheit mehr als 50 Operationen unterziehen.

Dennoch hat mich der Herr reich gesegnet. Einer der ersten Ärzte, die mich behandelten, riet meinen Eltern: „Nehmen Sie ihn mit nach Hause und schenken Sie ihm einfach Ihre Liebe. Er wird nie mehr tun können, als schlaff auf dem Sofa herumzuliegen.“ Glücklicherweise haben meine Eltern nicht auf ihn gehört. Mein Leben lang haben sie mich darin bestärkt, vieles in Angriff zu nehmen und zu erreichen. Sie haben mich nie anders behandelt als meine Geschwister. Dank meinen Eltern habe ich trotz meiner Behinderung ein erfülltes Leben, soweit es mir eben möglich ist.

Ich hörte meinen Namen

In der – wie es mir vorkam – finstersten und trostlosesten Nacht, die ich je erlebt hatte, vergaß ich allerdings die vielen Segnungen, die ich vom Herrn empfangen hatte. Ich konnte nur noch an meine unglückselige Lage denken. Negative Gedanken gewannen die Oberhand, und mir kamen Zweifel an allem, was mir über den Vater im Himmel und seinen Sohn Jesus Christus beigebracht worden war. Ein liebevoller Gott würde mich doch nicht allein lassen in dieser rauen Wirklichkeit, die mir wie ein Alptraum vorkam. Das Schlimmste war, dass niemand wusste, was ich durchmachte. Meine Familie hatte einen kleinen Einblick, aber sie verstand nicht voll und ganz, wie schmerzvoll meine Erfahrungen gewesen waren. Niemand verstand es.

Ich wollte gerade beten, um Gott all diese Gedanken mitzuteilen, als ich meinen Namen hörte. Trotz meines tiefen Kummers erkannte ich die Stimme des Geistes, der meiner Seele eine Botschaft von meinem Heiland überbrachte: Er erinnerte mich daran, dass ich nicht allein war. Jesus Christus wusste, was in mir vorging. Er kannte meinen Schmerz.

Als sich dieses Gefühl in mir ausbreitete, schämte ich mich wegen meiner Zweifel. Vor lauter Selbstmitleid hatte ich Jesus Christus vergessen. Ich hatte ja schon viel darüber gehört, dass der Heiland für unsere Sünden gelitten hat. Aber ich hatte völlig aus den Augen verloren, dass der Herr im Garten Getsemani und am Kreuz auch meinen Kummer getragen und meine Schmerzen auf sich geladen hat (siehe Jesaja 53:4; Alma 7:11). Als ich nun durch den Heiligen Geist daran erinnert wurde, sah ich das Sühnopfer Jesu mit anderen Augen. Ich nahm mir fest vor, nie wieder zu vergessen, was Christus für mich getan hat, und mich in Gedanken, Wort und Tat davon leiten zu lassen – in diesem Leben und im nächsten.

Mit meiner Einsicht änderte sich auch meine Einstellung. Seit ich mir immer wieder bewusst mache, dass ich nicht allein bin, sehe ich meine Situation positiver. Ich glaube, dass ich mich dadurch auch schneller von den Operationen erholt habe. Außerdem hat es mir geholfen, den schweren Eingriff im Sommer in nur drei Stunden durchzustehen, und ich musste anschließend nur drei Wochen (statt der ursprünglich vorgesehenen vier bis sechs Wochen) im Krankenhaus bleiben.

Neuer Mut

Meine Behinderungen und die damit verbundenen Prüfungen sind nicht leicht zu ertragen. Aber ich weiß, dass mein Heiland voll und ganz versteht, was ich durchmache, auch wenn es sonst keiner versteht, und deshalb weiß ich, dass er immer für mich da sein wird. Ich brauche nur die Last meiner Sorgen auf ihn zu werfen (siehe „Wie gütig sein Gebot“, Gesangbuch, Nr. 59).

Ich werde meinem Erlöser immer dankbar sein. Er hat nicht nur meine Sünden, meinen Kummer und meine Bedrängnisse getragen, sondern sich auch Zeit genommen, mich daran zu erinnern, dass er es getan hat. Ich hoffe, dass meine Erfahrungen anderen helfen, Mut zu fassen, ihre Last zu schultern, daran zu denken, dass sie nicht allein sind, und mit Gottes Hilfe bis ans Ende auszuharren.