2015
Wir folgten dem Weg
Januar 2015


Wir folgten dem Weg

Rut de Oliveira Marcolino, Rio Grande do Norte, Brasilien

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Kurz nachdem wir uns auf den uns unbekannten Weg begeben hatten, kam uns eine Frau entgegen. Es war nicht zu übersehen, dass sie weinte.

In meinem letzten Missionsgebiet arbeiteten mein Mitarbeiter und ich in zwei Dörfern im Inneren des Bundesstaates São Paulo in Brasilien. Zwischen den beiden Dörfern gab es eine Abkürzung durch den Wald, die wir aber nie benutzten, weil sie uns gefährlich erschien und man dort wahrscheinlich sowieso niemandem begegnete.

Eines Nachmittags näherten wir uns wieder einmal der Abkürzung, und ich spürte im Herzen den Heiligen Geist, der mir sagte, wir sollten durch den Wald gehen. Ich sah Elder Andrade an und berichtete ihm von der Eingebung, die ich soeben erhalten hatte. Er sagte mir, er habe genau das Gleiche gespürt.

Kurz nachdem wir uns auf den uns unbekannten Weg begeben hatten, kam uns eine Frau entgegen. Der Weg war sehr schmal, und als sie an uns vorüberging, war es nicht zu übersehen, dass sie weinte.

Sie sah auf und lud uns ein, sie nach Hause zu begleiten. Dort lernten wir auch ihren Mann kennen. Das Ehepaar war sehr aufgeschlossen, und wir begannen gleich damit, den beiden das Evangelium zu verkünden. Nach wenigen Wochen fragten wir sie, ob sie sich taufen lassen wollten. Wir freuten uns sehr, als sie gleich zustimmten, denn die letzte Taufe in der Gemeinde war schon über ein Jahr her. Wir waren dankbar, dass wir der Eingebung, durch den Wald zu gehen, gefolgt waren.

Kurz vor der Taufe teilte uns die Frau mit, dass sie mit uns reden müsse. Sie sagte, sie hätte schon seit Jahren immer wieder denselben Traum gehabt. In ihrem Traum stand sie in der Innenstadt von São Paulo und wartete. Ein älterer Herr kam auf sie zu und sagte, zwei junge Männer würden kommen und ihr Leben verändern. Dann sah sie zwei junge Männer auf sich zukommen, aber hier endete jedes Mal ihr Traum.

Eines Tages vor ein paar Wochen fegte sie zuhause den Boden, da sagte ihr eine Stimme, zwei junge Männer würden kommen und sie müsse sich sogleich auf den Weg durch den Wald machen, wo wir ihr in der Folge dann ja auch begegnet waren. Sie verstand die Eingebung nicht, wollte aber wissen, was es mit ihrem Traum auf sich hatte. Deshalb ließ sie den Besen fallen und lief zu dem Weg.

Unterwegs stand ihr der Traum wieder vor Augen, aber dieses Mal sah sie endlich die Gesichter der beiden jungen Männer. Sie sah auch, dass sie ein schwarzes Namensschild trugen. Wenige Augenblicke später tauchten Elder Andrade und ich vor ihr auf dem Weg auf. Da wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt und musste einfach weinen.

Wenn ich heute an dieses heilige Erlebnis zurückdenke, verspüre ich den Geist und sehe das tränennasse Gesicht der Schwester vor mir, die das Evangelium von Herzen angenommen hat. Zum Glück waren mein Mitarbeiter und ich empfänglich für den Geist und hatten den Mut, uns auf jenen Weg zu begeben, den der Herr damals für uns vorgesehen hatte.