2014
Der Aufruf, wie Christus zu sein
Juni 2014


Der Aufruf, wie Christus zu sein

Nach der Ansprache „Israel, der Herr ruft alle“, die am 9. September 2012 anlässlich einer CES-Andacht an der Dixie State University in St. George in Utah gehalten wurde. Den vollständigen Text finden Sie unter lds.org/broadcasts.

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Elder Jeffrey R. Holland

Gott ruft Israel in diesen Letzten Tagen dazu auf, christlicher zu werden und heiliger als bisher in seiner Entschlossenheit, nach dem Evangelium zu leben und Zion aufzurichten.

Durch alle Zeitalter hindurch war dies Israels Geschichte: Wenn die Sünde oder die Säkularisierung in der Gesellschaft überhandnahm oder das Leben unter den Andern die moralischen Gesetze und die Gebote, die von Gott kamen, allmählich untergrub, wurde den Kindern des Bundes geboten, in die Wildnis zu fliehen, um wieder von vorn zu beginnen und Zion erneut aufzurichten.

Zur Zeit des Alten Testaments musste Abraham, der Vater des Bundes, aus Chaldäa – buchstäblich Babylonien – fliehen, um sein Leben zu retten und in Kanaan, das wir heute als das Heilige Land bezeichnen, ein gottgeweihtes Leben führen zu können (siehe Abraham 2:3,4). Es vergingen jedoch nicht viele Generationen, da verloren die Nachkommen Abrahams ihr Zion und gerieten im fernen, heidnischen Ägypten in Knechtschaft (siehe Exodus 1:7-14). Also musste Mose berufen werden, um die Kinder der Verheißung abermals in die Wildnis zu führen.

Nur wenige Jahrhunderte später nahm eine Geschichte ihren Lauf, die für uns von besonderem Interesse ist: Einer israelitischen Familie, angeführt von einem Propheten namens Lehi, wurde geboten, aus Jerusalem zu fliehen, da Babylon schon wieder vor der Tür stand! (Siehe 1 Nephi 2:2.) Sie ahnten nicht, dass ihr Ziel ein ganz neuer Kontinent war, wo sie Zion auf ganz neue Weise aufbauen sollten (siehe 1 Nephi 18:22-24). Und sie wussten auch nicht, dass ein solcher Auszug schon einmal stattgefunden hatte – mit einer Gruppe ihrer Vorfahren, Jarediten genannt (siehe Ether 6:5-13).

Für alle, die die Wiederherstellung des Evangeliums preisen, ist es von Interesse, dass die Kolonisierung Amerikas ihren Anfang nahm, als eine Gruppe Menschen aus ihrer früheren Heimat floh, um Gott so zu verehren, wie sie es wollte. Ein namhafter Gelehrter, der sich mit der Ansiedlung der Puritaner in Amerika beschäftigte, beschrieb dies als den „Gang [der Christenheit] in die Wildnis“ – den Versuch des heutigen Volkes Israel, sich von der Gottlosigkeit der Alten Welt zu befreien und in einem neuen Land noch einmal ein Leben nach der Weise des Himmels anzustreben.1

Ich möchte Ihnen eine letzte Flucht in Erinnerung rufen. Es geht um unsere Kirche, geleitet von unseren Propheten, von denen unsere frommen Vorfahren angeführt wurden. Nachdem Joseph Smith durch die Bundesstaaten New York, Pennsylvania, Ohio und Missouri gejagt und schließlich in Illinois ermordet worden war, wiederholte sich in diesen Letzten Tagen das Schauspiel, wie die Kinder Israel abermals einen Zufluchtsort suchten. Präsident Brigham Young (1801–1877), von manchen bewundernd als amerikanischer Mose bezeichnet, führte die Heiligen in die Täler dieser Berge. So sangen die erschöpften Heiligen:

Es liegt der Ort, den Gott für uns bestimmt,

westwärts dort, in der Fern,

wo nichts uns stört, nichts uns den Frieden nimmt,

da winkt Ruh in dem Herrn.2

Zion. Das verheißene Land. Das Neue Jerusalem. Über 4000 Jahre lang folgte die Geschichte des Bundesvolkes diesem Muster: fliehen und suchen. Fortlaufen und sich niederlassen. Babylon entfliehen. Zions schützende Mauern errichten.

Bis in unsere Zeit.

Bauen wir Zion dort auf, wo wir sind

Eines der vielen charakteristischen Merkmale unserer Evangeliumszeit ist Veränderung – und zwar in der Art und Weise, wie das Reich Gottes auf Erden aufgerichtet wird. Diese Evangeliumszeit ist eine Zeit mächtiger, beschleunigter Veränderungen. Und dazu gehört, dass die Kirche Gottes niemals wieder fliehen wird, niemals wieder Ur verlassen wird, um dann Haran zu verlassen, um dann Kanaan zu verlassen, um dann Jerusalem zu verlassen, um dann England zu verlassen, um dann Kirtland zu verlassen, um dann Nauvoo zu verlassen, um dann wer weiß wohin zu gehen.

Nein, für uns alle gilt, was Brigham Young gesagt hat: „Wir sind vom Regen in die Traufe geraten und haben jetzt wieder trockenen Boden unter den Füßen, und hier werden wir bleiben.“3

Natürlich wurde diese Äußerung zu einer Aussage, die sich an die Mitglieder der Kirche auf der ganzen Welt richtet. Wir sind in diesen Letzten Tagen, in unserer Evangeliumszeit, nun reif genug, nicht mehr fortzulaufen. Wir sind nun reif genug, mit beiden Füßen, mit unseren Familien und unserem Fundament in jeder Nation, jedem Geschlecht, jeder Sprache und jedem Volk dauerhaft Halt zu finden. Zion ist überall dort, wo die Kirche ist. Wegen dieser Veränderung fragen wir uns im Hinblick auf Zion nicht länger, wo wir leben, sondern wie wir leben.

Um diesen neuen Auftrag zu erläutern, führe ich drei Ereignisse an.

Drei Ereignisse und drei Lektionen

1. Vor ein paar Jahren spielte ein junger Freund von mir – ein zurückgekehrter Missionar – in einer College-Basketballmannschaft in Utah. Er war ein wunderbarer junger Mann und ein sehr guter Spieler, doch er kam nicht so oft zum Einsatz, wie er es sich erhofft hatte. Seine Talente und Fähigkeiten entsprachen nicht genau dem, was die Mannschaft oder er in ihrer damaligen Entwicklungsphase brauchten. So etwas kommt im Sport vor. Daher wechselte mein junger Freund mit der vollen Unterstützung und den besten Wünschen seiner Trainer und Mannschaftskameraden an eine andere Schule, wo er, wie er hoffte, einen größeren Beitrag leisten konnte.

An der neuen Schule passte alles zusammen, und mein Freund wurde schon bald zum Stammspieler. Und was geschah dann? Der Spielplan wollte es, dass der junge Mann gegen seine frühere Mannschaft in Salt Lake City antrat.

Die gehässigen Beschimpfungen aus den Reihen der Zuschauer, denen der junge Mann – er war jungverheiratet, zahlte den Zehnten, diente im Ältestenkollegium, leistete ehrenamtlich Jugendarbeit in der Stadt und freute sich auf das Baby, das er mit seiner Frau erwartete – an diesem Abend ausgesetzt war, hätte kein Mensch jemals irgendwo erleben dürfen, ganz gleich, welche Sportart er betreiben, an welcher Universität er studieren oder was für Entscheidungen er diesbezüglich getroffen haben mochte.

Sein Trainer, fast eine Legende in seinem Beruf, wandte sich nach dem spektakulären Spiel an ihn und fragte: „Was ist denn hier los? Du kommst doch von hier, und du bist erfolgreich. Das sind doch deine Leute, deine Freunde.“ Und schließlich, was am schlimmsten war, fragte er völlig verwundert: „Sind die meisten hier nicht Mitglieder deiner Kirche?“

2. Ich wurde eingeladen, in einem Pfahl zu den Alleinstehenden zu sprechen. Als ich durch die Hintertür ins Pfahlzentrum kam, betrat etwa zur gleichen Zeit eine junge Frau Anfang dreißig das Gebäude. Trotz der großen Menge, die sich auf die Kapelle zubewegte, fiel sie einem gleich ins Auge. Sie hatte mehrere Tätowierungen, etliche Ringe in Ohren und Nase, stachelige Haare in allen Regenbogenfarben, und der Rock war zu kurz und die Bluse zu tief ausgeschnitten.

Mir kamen einige Fragen in den Sinn: War diese Frau eine gequälte Seele, die nicht unserer Kirche angehörte und vom Herrn geleitet zu dieser Andacht gefunden hatte oder, besser noch, von jemandem mitgebracht worden war, um vielleicht durch das Evangelium den Frieden und die Führung zu finden, die sie im Leben brauchte? Oder gehörte sie der Kirche an, war aber vielleicht von einigen Hoffnungen und Grundsätzen, zu denen die Kirche ihre Mitglieder anhält, abgekommen, hielt aber dennoch Verbindung und hatte beschlossen, an diesem Abend diese Veranstaltung der Kirche zu besuchen?

3. Als meine Frau und ich an der Weihung des Kansas-City-Missouri-Tempels teilnahmen, waren wir zu Gast bei Bruder Isaac Freestone, von Beruf Polizist, einem Hohen Priester im Pfahl Liberty in Missouri. In einem Gespräch erzählte er uns, dass er eines Abends gebeten wurde, einer Beschwerde in einem besonders üblen Viertel der Stadt nachzugehen. Bei dröhnender Musik und im Dunst von Marihuana fand er eine Frau und mehrere Männer vor, die tranken und fluchten. Sie alle nahmen offenbar keinerlei Notiz von fünf kleinen Kindern – etwa zwei bis acht Jahre alt –, die in einem Zimmer zusammenkauerten und versuchten, auf dem schmutzigen Boden zu schlafen – ohne Bett, ohne Matratze, ohne Kissen, ohne alles.

Bruder Freestone schaute in die Küchenschränke und den Kühlschrank, um irgendwelche Dosen, Packungen, überhaupt etwas Essbares zu finden, aber er fand nichts. Er sagte, der Hund, der im Hinterhof bellte, habe mehr zu essen gehabt als diese Kinder.

Im Schlafzimmer der Mutter stieß er auf eine blanke Matratze, die einzige im Haus. Er suchte weiter, bis er ein paar Bettlaken entdeckte, legte sie auf die Matratze und steckte alle fünf Kinder in das provisorische Bett. Dann kniete er mit Tränen in den Augen nieder, bat den Vater im Himmel, diese Kinder zu beschützen, und sagte ihnen gute Nacht.

Als er sich erhob und auf die Tür zuging, sprang eines der Kinder aus dem Bett, rannte zu ihm hin, hielt seine Hand fest und bettelte: „Kannst du mich adoptieren? Bitte!“ Mit noch mehr Tränen in den Augen brachte Bruder Freestone das Kind ins Bett zurück, suchte die Mutter auf, die völlig berauscht war (die Männer hatten schon längst das Weite gesucht), und sagte zu ihr: „Morgen bin ich wieder da, und der Himmel stehe Ihnen bei, wenn sich nicht einiges verändert hat, bis ich hier durch die Tür komme. Und danach wird sich noch mehr verändern. Darauf können Sie sich verlassen.“4

Was haben diese Begebenheiten gemeinsam? Es sind drei kleine, ganz unterschiedliche, mitten aus dem Leben gegriffene Beispiele für Babylon: einmal etwas Törichtes wie das erbärmliche Verhalten bei einem Basketballspiel, dann eine eher kulturelle Frage, wie man sich gegenüber jemandem verhält, der anders lebt als wir, und schließlich ein sehr umfassendes und sehr ernstes Thema.

Lektion 1: Legen Sie nie Ihre Religion draußen vor der Tür ab!

Bringen wir zunächst den Vorfall beim Basketball zu einem Abschluss. Am Tag nach dem Spiel wurde öffentlich darüber debattiert, und man forderte eine Entschuldigung. Dabei sagte ein junger Mann sinngemäß: „Also hört mal, wir reden hier über Basketball, nicht über die Sonntagsschule. Wer keine Hitze verträgt, hat in der Küche nichts verloren! Wir zahlen ordentlich Geld, um diese Spiele zu sehen. Wir können uns benehmen, wie wir wollen. Unsere Religion legen wir draußen vor der Tür ab.“

„Unsere Religion legen wir draußen vor der Tür ab?“ Lektion Nummer 1 für die Errichtung Zions im 21. Jahrhundert: Man legt nie seine Religion draußen vor der Tür ab.

So etwas darf es nicht geben – so verhält sich kein Jünger Christi. Wie der Prophet Alma erklärt hat, müssen wir „allzeit und in allem und überall“, wo auch immer wir uns befinden mögen, „als Zeugen Gottes“ auftreten (siehe Mosia 18:9) – nicht nur gelegentlich, an manchen Orten oder wenn unsere Mannschaft gerade in Führung liegt.

Wie die Situation oder die Provokation oder das Problem auch aussehen mag, ein wahrer Jünger Christi legt seine Religion nicht draußen vor der Tür ab.

Lektion 2: Zeigen Sie Mitgefühl, aber halten Sie treu an den Geboten fest

Das führt mich zu der jungen Frau bei der Andacht. Welches Verhalten man auch ihr gegenüber an den Tag legen mag, so gilt doch unausweichlich die Regel, dass unser Verhalten unsere religiöse Überzeugung und unsere Verbundenheit mit dem Evangelium widerspiegeln muss. Daher muss unsere Reaktion in jeder Lage zu einer Verbesserung führen und nicht alles noch schlimmer machen. Wir dürfen nicht so handeln, nicht so reagieren, dass wir uns eines größeren Vergehens schuldig machen als beispielsweise diese Frau.

Das bedeutet nicht, dass wir keinen Standpunkt, keine Grundsätze haben dürfen, dass wir irgendwie völlig außer Acht lassen, was Gott uns geboten oder verboten hat. Es bedeutet aber, dass wir auf rechtschaffene Weise nach diesen Grundsätzen leben und Gottes Gebote und Verbote verteidigen, auf rechte Art, nach besten Kräften und so, wie der Erlöser nach ihnen gelebt und sie verteidigt hat. Er tat stets das, was er tun sollte, um eine Verbesserung herbeizuführen – ob er nun die Wahrheit lehrte, dem Sünder vergab oder den Tempel reinigte.

Wir beginnen also bei unserer neuen Bekannten vor allem damit, dass wir uns bewusst machen, dass sie eine Tochter Gottes ist, von ewigem Wert. Wir halten uns zunächst einmal vor Augen, dass sie jemandes Tochter ist. Wir sind zunächst einmal dankbar, dass sie zu einer Veranstaltung der Kirche gekommen ist, statt fortzubleiben. Kurz gesagt möchten wir in dieser Situation in unserer besten Verfassung sein und wollen ihr helfen, in ihrer besten Verfassung zu sein.

Wir beten im Stillen: Wie verhalte ich mich jetzt richtig? Was wären wohl die richtigen Worte? Was wird auf lange Sicht diese Situation verbessern und zu ihrem Besten sein? Dass wir uns solche Fragen stellen und uns wirklich bemühen, so zu handeln, wie der Heiland es tun würde, hatte er wohl im Sinn, als er sagte: „Urteilt nicht nach dem Augenschein, sondern urteilt gerecht!“ (Johannes 7:24.)

Diese Kirche kann niemals Abstriche an ihrer Lehre machen, um mehr Wohlwollen zu wecken, politisch opportun zu sein oder aus sonst einem Grund. Nur auf der höheren Ebene offenbarter Wahrheit finden wir genügend Halt, um jemanden aufzurichten, der sich bedrückt oder verlassen fühlen mag. Unser Mitgefühl und unsere Liebe – elementare Merkmale und Voraussetzungen unseres Christseins – dürfen niemals als Missachtung der Gebote gedeutet werden.

Wenn wir vor solchen Situationen stehen, kann das durchaus schwierig und verwirrend sein. Junge Menschen fragen vielleicht: „Auch wenn wir der Ansicht sind, dass wir dies oder jenes nicht tun sollen, warum müssen wir andere dazu bringen, sich ebenso zu verhalten? Haben sie nicht ihre Entscheidungsfreiheit? Sind wir nicht selbstgerecht und voreingenommen, zwingen wir nicht anderen unsere Ansichten auf, wenn wir verlangen, dass sie sich in einer bestimmten Weise verhalten?“

In diesem Fall werden Sie einfühlsam erklären müssen, warum manche Grundsätze verteidigt werden und man sich manchen Sünden entgegenstellt, wo sie auch auftreten, weil die damit verbundenen Fragen und Gesetze nicht nur gesellschaftliche oder politische Folgen nach sich ziehen, sondern sich auf die Ewigkeit auswirken. Und obwohl wir niemanden beleidigen wollen, der anderer Ansicht ist als wir, liegt uns noch mehr daran, Gott nicht zu beleidigen.

Es ist ein wenig so, als würde ein Jugendlicher sagen: „Jetzt darf ich Auto fahren, und ich weiß, dass ich bei Rot anhalten soll, müssen wir aber wirklich über andere richten und versuchen, sie alle dazu zu bringen, an der roten Ampel anzuhalten? Müssen alle tun, was wir tun? Haben sie nicht ihre Entscheidungsfreiheit? Müssen sie sich denn so verhalten wie wir?“ Sie werden dann wohl erklären müssen, warum wir selbstverständlich hoffen, dass alle bei Rot anhalten. Und Sie müssen das erklären, ohne abschätzig über diejenigen zu reden, die das Gesetz übertreten oder andere Ansichten haben, weil sie selbstverständlich ihre sittliche Entscheidungsfreiheit haben.

Es gibt heute in der Welt die unterschiedlichsten Ansichten, und jeder besitzt sittliche Entscheidungsfreiheit, aber niemand hat das Recht, so zu handeln, als hätte Gott zu diesen Themen nichts zu sagen oder als ob Gebote nur von Belang wären, wenn sich alle darüber einig sind. Im 21. Jahrhundert können wir nicht mehr fliehen. Wir müssen für Gesetze und Verhältnisse und eine Umgebung kämpfen, in der die freie Ausübung der Religion zulässig ist und wir darin geschützt sind. Auf diese Weise können wir es ertragen, in Babylon, aber nicht von Babylon zu sein.

Ich kenne keine wichtigere Fähigkeit, keine größere Redlichkeit, als in einer Welt, der wir nicht entfliehen können, Stellung zu beziehen. Dabei bewegen wir uns auf einem schmalen Grat: Wir vertreten unseren moralischen Standpunkt gemäß Gottes Wort und Gesetz, tun dies aber mitfühlend, verständnisvoll und mit viel Nächstenliebe.

Lektion 3: Nutzen Sie die Werte des Evangeliums zum Wohl der Gesellschaft und des Landes

Nur wenige von uns werden Polizist oder Sozialarbeiter oder Richter, doch sollten wir uns alle um das Wohlergehen unseres Nächsten sorgen und auch um die moralische Sicherheit unserer weitläufigeren Umgebung. Elder Quentin L. Cook vom Kollegium der Zwölf Apostel sprach darüber, wie notwendig es ist, dass wir über unsere eigenen vier Wände hinaus auf die Gesellschaft Einfluss nehmen:

„Wir müssen nicht nur unsere eigene Familie schützen, sondern auch eine Quelle des Lichts sein, wenn es darum geht, unsere Gesellschaft zu schützen. Der Erretter hat gesagt: ‚[Euer Licht soll] vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.‘ …

In unserer zunehmend schlechten Welt ist es sehr wichtig, dass Werte, die auf religiöser Anschauung beruhen, öffentlich diskutiert werden. …

Religiöser Glaube stellt eine Quelle des Lichts, der Erkenntnis und der Weisheit dar. Die Gesellschaft profitiert ungemein davon.“5

Wenn wir die Segnungen des Evangeliums nicht in unsere Gesellschaft und unser Land tragen, werden wir niemals genügend Polizisten haben – niemals genügend Männer vom Schlag eines Isaac Freestone – um moralisches Handeln zu erzwingen, falls man es überhaupt erzwingen kann. Man kann es nicht. Diese Kinder in diesem Haus, denen es an Nahrung und Kleidung fehlt, sind Söhne und Töchter Gottes. Die Mutter, die mehr Schuld trifft, weil sie älter ist und mehr Verantwortung übernehmen sollte, ist ebenfalls eine Tochter Gottes. In solchen Fällen muss sich unsere Liebe vielleicht etwas unpersönlich zeigen, unter Umständen in der Anwendung von Gesetzen, aber wir müssen versuchen zu helfen, wann und wo wir können, weil wir unsere Religion nicht draußen vor der Tür ablegen, selbst wenn sich jemand bedauernswert und verantwortungslos verhält.

Wir können nicht alles tun, aber etwas kann man immer tun. Die Kinder Israels sind es, die dem Aufruf Gottes folgen und es tun – nämlich dieses Mal nicht aus Babylon fliehen, sondern es angreifen. Ohne naiv zu sein, können wir so umfassend und verlässlich nach unserer Religion leben, dass wir vielerlei Gelegenheit erhalten, Familien beizustehen, Nachbarn Gutes zu tun und andere zu schützen, auch die heranwachsende Generation.

Spiegeln Sie Ihre Liebe zu Jesus Christus wider

Die Heiligen der Letzten Tage sind dazu aufgerufen, der Sauerteig im Brot zu sein, das Salz, das nie den Geschmack verliert, das Licht, das auf dem Berg leuchtet und nie unter den Scheffel gestellt werden darf. Also beginnen Sie damit, vorbildlich zu sein!

Wenn wir uns richtig verhalten und das Richtige sagen und in Wort und Tat großzügig auf andere zugehen, wird der Erlöser, der sein Werk in Rechtschaffenheit abkürzen, das Ende dieser letzten Evangeliumszeit ankündigen und in Herrlichkeit kommen wird, uns dabei antreffen, wie wir unser Bestes geben, um nach dem Evangelium zu leben und um unser Leben und unsere Kirche und unsere Gesellschaft nach besten Kräften zu verbessern.

Wenn er kommt, möchte ich unbedingt dabei angetroffen werden, dass ich nach dem Evangelium lebe. Ich möchte dabei überrascht werden, wie ich gerade den Glauben verbreite und etwas Gutes tue. Ich wünsche mir, dass der Heiland zu mir sagt: „Jeffrey, ich erkenne dich nicht an deinem Titel, sondern an deinem Leben, wie du zu leben versuchst und wie du die Grundsätze zu verteidigen suchst. Ich erkenne die Lauterkeit deines Herzens. Ich weiß, dass du dich bemüht hast, die Verhältnisse zuallererst dadurch zu verbessern, dass du selbst zu einem besseren Menschen geworden bist, und dann dadurch, dass du mein Wort verkündet und mein Evangelium so mitfühlend wie möglich verteidigt hast.“

Sicherlich wird er schließlich sagen: „Ich weiß, dass es dir nicht immer gelungen ist, ob bei deinen eigenen Sünden oder den Lebensumständen anderer, aber ich bin überzeugt, dass du es aufrichtig versucht hast. Ich bin überzeugt, dass du mich von Herzen geliebt hast.“

Dass eines Tages eine solche Begegnung stattfindet, wünsche ich mir mehr als alles andere in diesem irdischen Leben. Und ich wünsche es mir für Sie. Ich wünsche es mir für uns alle. „Israel, der Herr ruft alle“6 – er ruft uns auf, nach dem Evangelium Jesu Christi zu leben, im Kleinen wie im Großen, denen die Hand zu reichen, die vielleicht anders aussehen, sich anders kleiden oder verhalten als wir, und uns dann darüber hinaus (wo es möglich ist) so vielen Menschen zuzuwenden, wie wir nur erreichen können.

Ich liebe den Herrn Jesus Christus, dem zu dienen ich bestrebt bin. Und ich liebe unseren Vater im Himmel, dem wir so viel bedeuten, dass er uns seinen Sohn gegeben hat. Ich weiß, dass Gott im Hinblick auf dieses Geschenk Israel in diesen Letzten Tagen dazu aufruft, christlicher zu werden und heiliger als bisher in seiner Entschlossenheit, nach dem Evangelium zu leben und Zion aufzurichten. Ich weiß auch, dass er uns die Kraft und die Heiligkeit geben wird, wahre Jünger zu sein, wenn wir darum bitten.

Anmerkungen

  1. Siehe Perry Miller, Errand into the Wilderness, 1956, Seite 2f.

  2. „Kommt, Heilge, kommt!“, Gesangbuch, Nr. 19

  3. Brigham Young, zitiert in James S. Brown, Life of a Pioneer: Being the Autobiography of James S. Brown, 1900, Seite 121

  4. Isaac Freestone berichtete dem Verfasser von seinem Erlebnis, 5. Mai 2012

  5. Quentin L. Cook, „Es werde Licht!“, Liahona, November 2010, Seite 28f.

  6. „Israel, der Herr ruft alle“, Gesangbuch, Nr. 6

Foto der Stadt von tla144/iStockphoto/Thinkstock; Foto der Kerze von Enskanto/iStockphoto/Thinkstock