2012
Sie sprechen Russisch?
März 2012


Sie sprechen Russisch?

Anna Nikititschewa, Schottland

Obwohl wir sehr viel zu tun hatten, beschlossen mein Mann Daniil und ich, noch vor Jahresende 2009 noch einmal zum Tempel in Preston zu fahren. Man braucht von unserer schottischen Kleinstadt bis zum Tempel mit dem Bus fast sechs Stunden und muss einmal umsteigen.

Am Morgen unserer Abfahrt war es wolkig und regnerisch, aber wir freuten uns darauf, in den Tempel zu gehen. Als wir umsteigen mussten, warteten wir eine Stunde auf den nächsten Bus. Der Regen wurde heftiger und es wurde kalt.

Doch die Hoffnung, bald im Tempel zu sein, wärmte uns das Herz. Als wir in Preston eintrafen, hatten wir das eindringliche Gefühl, wir sollten sofort in den Tempel gehen. Wir waren hungrig und tropfnass, aber wir beachteten die Eingebung des Heiligen Geistes.

Als wir den Tempel betraten, bat uns ein freundlicher Tempelarbeiter, unseren Tempelschein vorzuzeigen. Er nahm die Brille ab und betrachtete die Namen auf unseren Tempelscheinen eingehend.

„Sind Sie aus Russland?“, fragte er überrascht.

„Ja“, erwiderten wir, ein wenig erstaunt über seine Reaktion.

„Sie sprechen also Russisch?“, fragte er.

„Natürlich“, antworteten wir.

Er griff zum Telefon und rief jemand an.

Kurze Zeit später kam der Tempelpräsident auf uns zu. Durch seine Brille sah man Tränen in seinen Augen. „Sie sind von Gott gesandte Engel!“, sagte er mit einem Lächeln und bat uns, ihm zu folgen. Wir folgten ihm und sahen gleich darauf einen verwirrt dreinblickenden jungen Missionar inmitten von Tempelarbeitern stehen.

Es stellte sich heraus, dass dieser Missionar aus Armenien war und Russisch sprach. Er war in die England-Mission London berufen worden, sprach aber noch kein Englisch. In der Missionarsschule neben dem Tempel gab es niemand, der Russisch sprach. An diesem Tag sollte er sein Endowment empfangen, aber die Tempelarbeiter hatten sich nicht mit ihm verständigen können – bis ein völlig durchnässtes russisches Ehepaar den Tempel betrat.

Daniil bat sofort darum, den jungen Missionar begleiten zu dürfen. Der Missionar freute sich sehr und sagte später, er habe einen ganz besonderen Geist gespürt, als wir eintrafen.

Ich bin dankbar, dass wir trotz eines vollen Terminkalenders und trotz des Regens beschlossen hatten, an diesem Tag zum Tempel zu fahren. So konnten wir einem Sohn Gottes, der in Großbritannien war und nur Russisch sprach, zur Seite stehen. Ich bin dankbar für die Segnungen des Tempels, die unser Leben mit einem ganz besonderen Licht erfüllen und ihm Sinn und Zweck geben. Ich weiß, dass der Heilige Geist uns in unsere himmlische Heimat zurückführt, wenn wir auf seine Eingebungen achten, so wie er meinen Mann und mich an diesem Tag zum Haus des Herrn geführt hat.