2011
In der Gegenwart von Engeln
Januar 2011


Aus dem Missionsfeld

In der Gegenwart von Engeln

Als ich von meinem Pfahlpräsidenten als Missionar eingesetzt wurde, gab er mir die Verheißung, dass ich zuweilen die Gegenwart von Engeln verspüren würde und dass sie mich beschützen würden.

Im Jahr 2003 wurde ich auf Mission in die Elfenbeinküste in Westafrika berufen. Als ich nähere Erkundigungen über das Land einzog, schien es, als sei es in einen anhaltenden Bürgerkrieg verwickelt. Es beruhigte mich jedoch, als ich erfuhr, dass Waffenstillstand herrschte. Noch mehr Trost empfand ich, als ich eingesetzt wurde. Der Pfahlpräsident gab mir die Verheißung, dass ich während meiner Mission zuweilen die Gegenwart von Engeln verspüren würde und dass sie mich beschützen würden. Mir wurde auch verheißen, dass ich, wenn ich gehorsam wäre, sicher nach Hause zurückkehren würde.

In den ersten Monaten auf Mission riet uns der Missionspräsident, vorbereitet zu sein. In unserer Wohnung in der früheren Hauptstadt Abidjan bewahrten wir einen Dreitagesvorrat an Lebensmitteln und Wasser auf, und man brachte uns bei, was im Falle eines Konflikts zu tun war.

Dennoch waren wir nervös, als Rebellen den Waffenstillstand am 4. November 2004 brachen. Unsere Missionsführer verhängten für uns eine Ausgangssperre nach 18 Uhr. Am folgenden Tag, als wir gerade unseren letzten Besuchstermin hatten, hörten wir plötzlich einen lauten Knall. Sofort beendeten wir das Gespräch mit einem Gebet, gaben der Familie, die wir besucht hatten, ein Kapitel aus dem Buch Mormon als Leseauftrag und eilten nach Hause. Die beiden anderen Missionare, mit denen wir die Wohnung teilten, kamen kurz nach uns an. Die Assistenten des Missionspräsidenten riefen uns an und sagten uns, wir sollten auf keinen Fall unsere Wohnung verlassen – nicht einmal, um in die Kirche zu gehen oder Essen zu holen. Wir erfuhren, dass einige Soldaten der französischen Friedenstruppe bei Luftschlägen ums Leben gekommen waren. Daraufhin hatten die Franzosen den Militärflughafen angegriffen und die kleine ivorische Luftwaffe zerstört. Als Reaktion darauf brachen massive Unruhen im gesamten Stadtgebiet aus.

Zehntausende Demonstranten ergossen sich in die Straßen, schwangen Macheten, plünderten französische Geschäfte und drangen in Häuser ein, in denen sie Franzosen vermuteten. Von unserem Fenster aus konnten wir beobachten, wie die Gewalt sich ausbreitete. Da wir hellhäutig waren, wussten wir, dass wir in Gefahr schwebten.

Am Sonntag, dem 7. November, hielten wir – umgeben von Geschrei, Gewehrfeuer und Detonationen – nachmittags eine Abendmahlsversammlung mit nur vier Teilnehmern in unserer Wohnung ab. Nachdem Brot und Wasser aus unserem Dreitagesvorrat gesegnet und ausgeteilt worden war, las jeder von uns eine Schriftstelle vor und gab sein Zeugnis. Ich las Lehre und Bündnisse 84:88: „Und wo euch jemand empfängt, da werde ich auch sein, denn ich werde vor eurem Angesicht hergehen. Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch, um euch zu stützen.“ Während ich vorlas, dachte ich über den Segen nach, den mir mein Pfahlpräsident gegeben hatte, und ich wusste, dass mir nichts geschehen würde.

Wir schlossen uns eine Woche lang in unserer Wohnung ein. Führungsbeamte und Gemeindemitglieder besuchten uns und brachten uns zu essen. Ein Mitglied nahm sogar schriftliche Nachrichten von uns entgegen und schickte sie per E-Mail an unsere Familien, damit sie wussten, dass wir einstweilen in Sicherheit waren. Wie diese Mitglieder uns halfen, war phantastisch! Währenddessen beteten unsere Familien und Mitglieder der Kirche in aller Welt für unsere Sicherheit. Als meine Familie betete, spürte jeder die ruhige Gewissheit, dass für mich alles gut ausgehen würde.

Am Freitag, dem 12. November, begann die Evakuierung. Einheimische Mitglieder der Kirche geleiteten uns durch die Straßen Abidjans. Wir hatten von Flüchtlingen gehört, die zu Schaden gekommen waren, aber wir schafften es, uns sicher durch die Straßensperren bis zum Sitz der britischen Botschaft durchzuschlagen. Dann brachten uns britische Truppen außer Landes. Meine Angehörigen wussten, dass ihre Gebete erhört worden waren, als sie mich in den Fernsehnachrichten mit zwei anderen Missionaren bei der Evakuierung sahen. Im Schutz der Nacht geleiteten Mitglieder weitere nichtafrikanische Missionare zum Missionsheim. Von dort brachte die italienische Luftwaffe sie nach Ghana, wo wir wieder zusammengeführt wurden.

Trotz dutzender Übergriffe auf Ausländer im ganzen Land wurde keinem der Missionare während der Unruhen ein Leid zugefügt, und die Missionarswohnungen blieben von Einbrüchen verschont. Weil wir auf den Rat unseres Missionspräsidenten gehört hatten, drohte uns bei Ausbruch der Unruhen in unserer Wohnung keine Gefahr, und wir hatten die nötigen Vorräte, die unser Überleben sicherten. Noch mehr als der militärische Schutz tröstete uns jedoch das Wissen, dass wir unter dem Schutz des Herrn standen.

Als wir außer Landes gebracht wurden, erfuhr ich, dass am Sonntagnachmittag nach unserer Abendmahlsversammlung eine Gruppe von Demonstranten vorgehabt hatte, unsere Wohnung zu stürmen. Einer unserer Nachbarn rief: „Das sind keine Franzosen!“ Aber sie wollten nicht gehen. Schließlich rief ein weiterer Nachbar: „Das sind Missionare!“ Daraufhin zogen die Randalierer ab. Wiederum erinnerte ich mich an die Worte: „Mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch“, und ich erkannte, dass ich die Verheißung aus dem Segen meines Pfahlpräsidenten buchstäblich erlebt hatte. Eine Prophezeiung hatte sich erfüllt.

Illustration von Richard Hull