2011
Konnte ich meine Urgroßmutter alleine zurücklassen?
Januar 2011


Konnte ich meine Urgroßmutter alleine zurücklassen?

Hugo Fabián Lallana, Córdoba, Argentinien

Als ich 21 wurde, hatte ich den Wunsch, auf Mission zu gehen. Meine Urgroßmutter Margarita Sippo de Lallana befürwortete meinen Entschluss, obwohl das bedeutete, dass sie alleine sein würde. Sie hatte mich von klein auf großgezogen, und ich fragte mich, wer wohl für sie sorgen würde, während ich fort war.

Wir hatten uns beide im Jahr 1978 taufen lassen. Damals war ich 11 und meine Urgroßmutter war 73. Schon bald danach kamen wir nicht mehr zu den Versammlungen. Brüder und Schwestern aus der Kirche, die sich um uns sorgten, kamen jedoch, um nach uns zu sehen.

Ich wurde wieder aktiv, und die Mitglieder meiner Gemeinde freuten sich auf meine Ordinierung. „Bald haben wir einen Diakon!“, sagten sie voller Begeisterung. Zu dieser Zeit gab es in unserer Gemeinde keinen einzigen Jungen Mann. Ich wurde der Präsident des Diakonskollegiums, weil es keine anderen Diakone gab. Im Stillen fragte ich mich, warum man mir wohl diese Berufung gegeben hatte. Dann merkte ich aber bald, dass die Priestertumsführer der Gemeinde mir auf diese Weise meine Priestertumspflichten beibrachten. Daher bemühte ich mich, glaubenstreu zu sein.

Meine Urgroßmutter hingegen blieb weniger aktiv und besuchte die Versammlungen nur gelegentlich. Dennoch befürwortete sie meinen Entschluss, auf Mission zu gehen, denn im Herzen wusste sie, dass das Evangelium wahr ist.

Als ich 1990 meine Missionspapiere einreichte, wurden die meisten aus Córdoba stammenden Vollzeitmissionare in die Argentinien-Mission Buenos Aires Nord oder Süd berufen. Ich war mir sicher, dass auch ich in eine dieser beiden Missionen berufen werden und somit in der Nähe meiner Urgroßmutter bleiben würde.

Als mich bald darauf mein Pfahlpräsident anrief, teilte er mir mit, dass ich einen Reisepass benötigte, da man mich nach Kolumbien sandte! Trotz meiner anhaltenden Bedenken bestärkte mich meine Urgroßmutter darin, zu gehen. Kurz vor meiner Abreise versprach sie, dass sie gleich am darauffolgenden Sonntag in die Kirche gehen und noch vor meiner Rückkehr in den Tempel gehen wolle. Das war zwar schwer zu glauben, erleichterte es mir jedoch, sie zurückzulassen.

Als ich auf Mission war, tat sie genau das, was sie versprochen hatte. Obwohl sie bereits über 80 war, besuchte sie nicht nur alle Versammlungen, sondern war auch noch pünktlich. Und sie bereitete sich auf den Tempel vor und ging schließlich in den Buenos-Aires-Tempel in Argentinien.

Als meine Urgroßmutter von ihrem ersten Tempelbesuch zurückkehrte, hatte sie eine zwölfstündige Fahrt im Nachtbus hinter sich und kam am Sonntagmorgen um 8:30 Uhr kurz vor Versammlungsbeginn am Gemeindehaus an. Unser Pfahlpräsident Rúben Spitale bot ihr an: „Ich fahre Sie nach Hause, damit Sie sich ausruhen können.“

„Nein“, entgegnete sie. „Ich gehe in die Kirche.“ Und das tat sie auch.

Nachdem ich von Mission zurückgekehrt war, besuchten wir dreimal gemeinsam den Tempel, bevor sie im Jahr 2000 verstarb. Durch meine Mission wurden wir beide gesegnet. Ich bin mir sicher, dass wir keine dieser Segnungen erlangt hätten, wenn ich zu Hause geblieben wäre.