2009
Das Unterrichtsgespräch
June 2009


Das Unterrichtsgespräch

Bruder Johnson stellte der Sonntagsschulklasse eine Frage. Ein langes Schweigen folgte, das offenbar sowohl dem Lehrer als auch den Schülern unangenehm war. Als Pfahl-Sonntagsschulleiter beobachtete ich die Klasse, und mir fiel auf, dass gerade in dem Moment, als der eine oder andere Schüler antworten wollte, Bruder Johnson die Frage selbst beantwortete und mit dem Unterricht fortfuhr.

Das kann sowohl im Unterricht in der Kirche als auch bei der Unterweisung in der Familie vorkommen. Ich habe festgestellt, dass zwei Faktoren sehr wichtig sind, um ein Unterrichtsgespräch in Gang zu bringen: 1.) Stellen Sie Fragen mit mehr als einer möglichen Antwort. 2.) Geben Sie den Schülern ausreichend Zeit, nach einer Antwort zu suchen oder über eine Antwort nachzudenken.

Stellen Sie offene Fragen

Durch die richtige Art von Fragen kann ein gutes Unterrichtsgespräch angeregt werden. Die Leitfäden der Kirche enthalten viele sorgsam formulierte Fragen, die darauf abzielen, dass die Schüler sich mit den Lehren befassen, um eine Antwort zu finden, oder dass sie über das, was sie gehört haben, nachdenken und es umsetzen.

Sie können Fragen stellen, die es erforderlich machen, dass die Schüler sich mit den heiligen Schriften oder den Worten der neuzeitlichen Apostel und Propheten befassen, um eine Antwort zu finden. Hier sind zwei Beispiele für Fragen, die zum Nachforschen anregen; sie beruhen auf den Anregungen für den Unterricht in dem Leitfaden Lehren der Präsidenten der Kirche: Joseph Smith: „Lesen Sie den Abschnitt, der auf Seite 57 beginnt, noch einmal durch. Was hat der Erretter getan, damit wir seine Miterben werden können?“ Oder: „Lesen Sie noch einmal den Abschnitt, der auf Seite 231 beginnt. Was hat Joseph Smith darüber gesagt, welche Bedeutung der physische Körper für uns hat?“

Mit anderen Fragen werden die Schüler dazu aufgefordert, über die Bedeutung dessen nachzudenken, was sie gerade gelesen haben, oder das, was besprochen wurde, auf sich zu beziehen. Solche Fragen stellt man gewöhnlich erst dann, wenn die Schüler mit dem Unterrichtsstoff vertraut sind. Sie können beispielsweise zuerst die obigen Fragen stellen, die zum Nachforschen anregen, und dann Folgendes fragen, damit die Schüler nachdenken und das Gelesene auf sich beziehen: „Wie können wir dem Herrn zeigen, dass wir für sein Sühnopfer dankbar sind?“ Oder: „Wenn wir begreifen, welche Bedeutung unser physischer Körper hat, wie wirkt sich das darauf aus, wie wir auf unseren Körper achten?“

Warten Sie auf die Antworten der Schüler

Geben Sie den Schülern, ganz unabhängig von der Frage, die Sie gestellt haben, ausreichend Zeit, eine Antwort zu suchen oder zu überlegen. Die Schüler werden Ihre Fragen beantworten, wenn sie wissen, dass Sie die Antwort nicht selbst geben werden.

Nach meiner Beobachtung in Bruder Johnsons Unterricht beschloss ich, einmal darauf zu achten, wie lange Lehrer auf eine Antwort warten, nachdem sie eine Frage gestellt haben. Ich stellte fest, dass die meisten Lehrer nur zwei, drei Sekunden warteten. Als ich sie darauf ansprach, waren sie aber der Meinung, sie hätten viel länger gewartet. Die Schüler dagegen sagten, dass sie mehr Zeit brauchten, um über eine Antwort nachzudenken.

In dem Bemühen, die Mitarbeit im Unterricht zu verbessern, schlug ich den Lehrern vor, still bis zwanzig zu zählen, nachdem sie eine Frage gestellt hatten, und damit den Schülern Zeit zum Nachdenken zu geben. Sie lernten auch, Sätze zu sagen wie: „Ich gebe Ihnen Zeit nachzudenken.“ Oder: „Denken Sie bitte einen Moment über diese Frage nach; ich werde Sie dann um Antworten bitten.“ Als die Lehrer in meinem Pfahl sich daran hielten, nahm die Mitarbeit im Unterricht zu und die Schüler spürten den Geist, als sie anfingen, „einander … zu lehren“ (LuB 88:77).

In einem Unterricht, den ich besuchte, gab der Lehrer den Schülern mehr als zwei Minuten Zeit, über eine Frage nachzudenken, nämlich wie man einen bestimmten Evangeliumsgrundsatz auf sich beziehen konnte. Für mich war es eine Zeit stiller Einkehr. Ich spürte den Geist und gewann neue Einsichten zu dieser Lehre, die ich wahrscheinlich nicht entdeckt hätte, wenn ich nicht diese stille Zeit für mich gehabt hätte. Durch dieses Erlebnis wurde mir bewusst, dass man den Schülern, wenn man ihnen Zeit lässt, über eine Frage nachzudenken, auch Zeit gibt, tiefer nachzusinnen und auf den Geist zu achten (siehe 3 Nephi 17:1-3).

Auch Ihre Klasse oder Ihre Familie kann ähnliche geistige Erlebnisse haben, wenn Sie im Unterrichtsgespräch offene Fragen stellen und jedem Zeit geben, erst nachzudenken und dann zu antworten.

Fotos von Welden C. Andersen

Nutzen Sie diese Tipps im Unterricht, um die Schüler zur Mitarbeit anzuregen.