2008
Gute Musik – reine Gedanken
April 2008


Gute Musik – reine Gedanken

Nach einer Ansprache bei der Herbst-Generalkonferenz 1973.

Als ich ein Junge war, wohnten wir in einem Haus, das von einem Obstgarten umgeben war. Wir hatten nie genug Wasser für die Bäume. Die Gräben, die im Frühjahr immer frisch gepflügt wurden, waren bald voller Unkraut. Als ich eines Tages mit dem Wässern an der Reihe war, sah ich mich vor ein großes Problem gestellt. Als das Wasser nämlich die Reihen entlanglief, die voller Unkraut waren, floss es in alle Richtungen davon. Ich rannte durch die Pfützen und versuchte, den Rand aufzuschichten. Aber sobald ich eine Bruchstelle geschlossen hatte, brach eine andere auf. Da kam ein Nachbar durch den Garten, sah einen Augenblick zu, nahm dann die Schaufel und befreite den Wassergraben mit ein paar kräftigen Spatenstichen vom Unkraut, sodass das Wasser wieder durchlaufen konnte. „Wenn du willst, dass das Wasser seine Richtung beibehält, musst du ihm den Weg bahnen.“

Seither habe ich erkannt, dass Gedanken ebenso wie Wasser ihre Richtung beibehalten, wenn wir ihnen den Weg bahnen. Andernfalls folgen sie dem Weg des geringsten Widerstands und bleiben so weit unten wie möglich. Die wahrscheinlich schwerste Aufgabe, die Sie hier auf der Erde zu meistern haben, besteht darin, dass Sie lernen, Ihre Gedanken zu beherrschen. Es heißt, dass der Mensch so ist, wie er im Herzen denkt. Wer seine Gedanken zu beherrschen vermag, hat über sich selbst gesiegt.

Der Geist ist wie eine Bühne

Wenn Sie Herr über Ihre Gedanken sind, können Sie Gewohnheiten überwinden, sogar entwürdigende Gewohnheiten. Sie fassen Mut, besiegen die Furcht und führen ein glückliches Leben. Während meiner Kindheit habe ich hundert Mal oder öfter gehört, dass man seine Gedanken beherrschen muss, aber niemand hat mir erklärt, wie das geht. Ich habe viele Jahre darüber nachgedacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass der Geist wie eine Bühne ist, auf der der Vorhang immer hochgezogen ist, außer wenn wir schlafen. Irgendein Stück wird immer auf dieser Bühne aufgeführt. Es mag eine Komödie sein oder auch eine Tragödie, es mag interessant oder langweilig, gut oder schlecht sein, aber immer wird irgendein Stück auf der Bühne unseres Geistes gespielt.

Haben Sie schon einmal bemerkt, dass manchmal, ohne dass Sie das eigentlich wollen und mitten in einer Vorstellung, ein schattenhafter kleiner Gedanke hinter der Bühne hervorkriecht und Ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkt? Diese Gedanken versuchen stets, alle anderen von der Bühne zu verdrängen. Wenn Sie ihnen nicht Einhalt gebieten, verlassen alle Gedanken, die auch nur ein bisschen Anstand besitzen, die Bühne. Und dann sind Sie, weil Sie nichts unternommen haben, dem Einfluss der schlechten Gedanken überlassen. Wenn Sie ihnen nachgeben, führen sie auf der Bühne Ihres Geistes alles auf, was Sie zulassen. Sie können Themen wie Verbitterung, Hass oder Neid darstellen. Sie können vulgär, unsittlich oder sogar lasterhaft sein. Wenn sie einmal die Bühne erobert haben und Sie sie gewähren lassen, wenden sie die raffiniertesten Überredungskünste an, um sich Ihre Aufmerksamkeit zu sichern. Sie können sich interessant machen und Sie sogar davon überzeugen, dass sie harmlos sind, denn sie sind ja nur Gedanken. Aber was tun Sie in einem solchen Augenblick, wenn die Bühne Ihres Geistes von den Dämonen unreinen Denkens beherrscht wird, unabhängig davon, ob es nun die grauen sind, die fast rein zu sein scheinen, oder die schmutzigen, an deren Farbe kein Zweifel besteht? Wenn Sie gute, reine Gedanken hegen, ist kein Platz für derartige schlechte Gedanken, und sie werden verschwinden.

Wie beherrscht man seine Gedanken?

Mir ist bewusst, dass es in der heutigen Zeit oft schwer ist, seinen Geist immer mit reinen Gedanken zu beschäftigen. Dazu muss man sich wirklich im Griff haben. Man kann es aber schaffen, wenn man für seine Gedanken eine Zufluchtsstätte schafft. Ich habe eine Möglichkeit dazu gefunden, und davon möchte ich Ihnen gerne erzählen. Sie hat etwas mit Musik zu tun – mit guter Musik. Ein weiser Mann hat einmal gesagt: „Musik ist ein machtvolles Instrument zur Beherrschung des Verstandes.“ Ob Musik den Verstand nun auf positive oder negative Weise beherrscht, hängt davon ab, was sie auf der Bühne Ihres Geistes hervorruft. Wenn Sie von einem Lied sagen können, dass es Sie erbaut oder Sie veranlasst, sich selbst in einem besseren Licht zu sehen, dann ist es hörenswert. Wenn es sich um einfache Unterhaltungsmusik handelt oder um Musik, die Ihre Lebensgeister weckt, dann erfüllt sie auch ihren Zweck. Aber wenn sie in Ihnen entwürdigende, sinnliche Gedanken hervorruft oder sündige Wünsche weckt, dann sollten Sie solche Musik meiden, denn sie ist nicht gut für Ihren Geist.

Es hat immer Menschen gegeben, die Schönes für ihre bösen Absichten missbraucht haben. Das war so mit der Natur, der Literatur, der Kunst und ist ganz sicher auch mit der Musik so. Seit Jahrhunderten ist es bekannt, dass Musik einen Menschen zum Schlechten beeinflussen kann, wenn zum Beispiel zu einer eingängigen Melodie ein Text mit schlechtem Inhalt gesungen wird. Auch die Musik selbst kann durch die Art, wie sie gespielt wird, und durch Tempo, Takt und Intensität das geistige Wahrnehmungsvermögen eines Menschen vernebeln.

Wir leben in einer Zeit, wo die Gesellschaft einem fast unmerklichen, aber dennoch gewaltigen Wandel unterzogen wird. Heutzutage neigt man dazu, alle möglichen Unterhaltungsformen zu tolerieren. Die Folge davon ist, dass ein großer Teil der Musik, die von bekannten und beliebten Stars gemacht wird, wohl eher beabsichtigt, das Publikum zu erregen, anstatt zu beruhigen, es zu stimulieren, anstatt zu besänftigen. Einige Musiker scheinen ganz öffentlich für schlechte Gedanken und Taten einzutreten.

Liebe junge Brüder und Schwestern, Sie können es sich nicht leisten, Ihren Sinn mit der entwürdigenden Musik unserer Zeit zu erfüllen. Sie ist nämlich nicht harmlos. Sie kann unreine Gedanken auf die Bühne Ihres Geistes locken und das Tempo bestimmen, zu dem Sie tanzen und nach dem Sie dann vielleicht handeln. Sie würdigen sich selbst herab, wenn Sie sich mit all dem identifizieren, was heute zu extremer Musik gehört – Unordentlichkeit, Ehrfurchtslosigkeit, Unsittlichkeit, Abhängigkeit. Solche Musik ist Ihrer nicht würdig.

Seien Sie wählerisch in dem, was Sie sich anhören oder selbst spielen. Es wird nämlich ein Teil von Ihnen, kann Herr über Ihre Gedanken und Ihr Leben werden und auch andere beeinflussen. Ich empfehle, dass Sie einmal Ihre Musiksammlung durchgehen und alles aussortieren, was niedrige Gedanken fördert. Solche Musik gehört nicht in den Besitz von jungen Leuten, die sich um geistige Weiterentwicklung bemühen.

Damit will ich nicht sagen, dass alle Musik, die heute produziert wird, schlechte Gedanken weckt. Es gibt auch heute Musik, die zu besserem Verständnis unter den Menschen führt; Musik, die Mut einflößt; Musik, die die geistige Gesinnung weckt, Ehrfurcht hervorruft, das Bewusstsein für Schönheit erweckt und glücklich macht.

Entscheiden Sie sich für aufbauende Musik

Der Herr hat gesagt: „Denn meine Seele erfreut sich am Lied des Herzens; ja, das Lied der Rechtschaffenen ist ein Gebet für mich, und es wird mit einer Segnung auf ihr Haupt beantwortet werden.“ (LuB 25:12.) Die Erste Präsidentschaft der Kirche hat sich zum Einfluss der Musik so geäußert: „Durch Musik kann sich der Mensch über die Grenzen der gesprochenen Sprache hinaus ausdrücken, sowohl was das Ausdrucksvermögen als auch die Eindringlichkeit anbelangt. Die Musik kann dazu dienen, dass der Mensch erbaut wird und dem Geist Gottes nahe ist; sie kann aber auch dazu missbraucht werden, herabzuwürdigen und zu zerstören. Daher ist es wichtig, dass wir als Heilige der Letzten Tage zu jeder Zeit die Grundsätze des Evangeliums befolgen und uns um die Führung des Geistes bemühen, wenn es darum geht, die Musik auszuwählen, mit der wir uns umgeben.“1

Den jugendlichen Führern lege ich ans Herz, die Musik, die Sie bei Aktivitäten in der Kirche spielen wollen, mit besonderer Sorgfalt auszuwählen. Sprechen Sie dazu vorher mit Ihren Beratern. Sie brauchen deren Rat, denn die Kluft zwischen der Kirche und der Welt mit ihren extremen Auswüchsen in der Musik ist heute breiter als je zuvor.

Präsident J. Reuben Clark Jr. (1871–1961), einer der großen Führer der Kirche, hat dazu einmal gesagt: „Wir dürfen in der Kirche auf keinen Fall unangemessene Veranstaltungen durchführen oder tolerieren, weil wir meinen, dass unsere jungen Leute das sonst woanders suchen werden. Es geht ja wohl nicht an, dass wir einen Roulette-Tisch im Gemeindehaus aufstellen, und zwar mit der Begründung, dass unsere jungen Leute sonst in eine Spielhalle gehen würden. Auf diese Weise würde es uns nie gelingen, unsere jungen Leute in der Kirche zu halten.“

Ebenso falsch ist es, der Jugend die gleiche Musik und Atmosphäre bieten zu wollen, die die Jugend der Welt anzieht. Sie müssen fest bleiben und dürfen keine Kompromisse auf Kosten dessen schließen, was gut und richtig ist; Sie müssen den Mut haben, das Licht aufzublenden und die Musik leiser zu stellen, wenn es dem Geist nicht förderlich ist; Sie müssen auf anständiger Kleidung und gutem Benehmen aller Teilnehmer bestehen.

Ich lege Ihnen ans Herz, Ihre Talente zu entfalten, und wenn Sie musikalisch sind, dann bedenken Sie bitte: Zahllose Musikwerke müssen noch komponiert und aufgeführt werden. Ihre Musik kann erbaulich sein. Sie kann das Evangelium verbreiten helfen; sie kann Menschen anrühren und den Bedrückten Trost und Kraft spenden.

Viele Beispiele aus alter und neuer Zeit bestätigen den Einfluss guter Musik. Mutlosigkeit schwindet, und Frieden zieht in die Seele ein. Genauso wie den Pionieren durch die Worte ‚Kommt, Heilge, kommt‘ Mut zugesprochen wurde, mit allen Anfechtungen fertig zu werden, so haben diese Worte seitdem vielen geholfen. Einmal unterhielt ich mich mit einem Piloten der Luftwaffe, der gerade von einer gefährlichen Mission zurückgekehrt war. Wir sprachen über Mut und über Furcht, und ich fragte ihn, wie er das alles habe überstehen können. Er antwortete: „Ich habe ein Lieblingslied, und wenn ich verzweifelt war und wenig Hoffnung hatte, jemals von meinem Flug zurückzukehren, dann dachte ich an das Lied, und mir war, als ob die Motoren meines Flugzeugs mit mir einstimmten:

Kommt, Heilge, kommt!

Nicht Müh und Plagen scheut,

wandert froh euern Pfad!

Ob rau und schwer

der Weg erscheinet heut,

jeder Tag bringt euch Gnad!2

Dadurch festigte er seinen Glauben, das Einzige, was er brauchte, um den Mut nicht zu verlieren.

Der Herr selbst bereitete sich auch mit Musik auf seine größte Prüfung vor, denn es heißt in der heiligen Schrift: „Nach dem Lobgesang gingen sie zum Ölberg hinaus.“ (Markus 14:26.)

Suchen Sie sich ein Lieblingslied aus

Denken Sie daran, meine jungen Brüder und Schwestern, denken Sie daran, dass dies Ihre Kirche ist und dass Jesus, der Herr und Heiland, an ihrer Spitze steht. Seine fortwährende Führung und Inspiration sind Ihnen sicher, wenn Sie Ihren Sinn mit dem erfüllen, was gut, schön und erbaulich ist. Das gelingt Ihnen unter anderem dadurch, dass Sie sich ein Lieblingslied auswählen, so wie es auch der Pilot in meinem Beispiel getan hat, ein Lied mit erbaulichem Text und andächtiger Musik, das Ihnen Inspiration vermittelt. Es gibt viele schöne Lieder, aus denen Sie auswählen können. Streben Sie bei der Auswahl nach Führung durch den Heiligen Geist. Lassen Sie sich das Lied durch den Kopf gehen. Lernen Sie es auswendig. Auch wenn Sie nicht musikalisch gebildet sind, können Sie ein einfaches Lied in Gedanken durchgehen. Verwenden Sie dieses Lied nun als Zufluchtsort für Ihre Gedanken. Machen Sie es zum Notausgang.

Immer, wenn Sie merken, dass zweifelhafte Schauspieler aus den Kulissen Ihres Denkens auf die Bühne Ihres Geistes schlüpfen, spielen Sie sozusagen die CD mit Ihrem Lieblingslied ab. Dadurch ändert sich die gesamte Stimmung.

Weil die Musik rein und erbaulich ist, schleichen die niedrigen Gedanken schamerfüllt davon, denn so wie Tugend nichts mit Unreinheit zu tun haben will, so kann das Böse auch das Licht nicht ertragen. Mit der Zeit werden Sie feststellen, dass Sie die Musik beinahe automatisch innerlich summen, wenn Sie unreine Gedanken vertreiben wollen. Befassen Sie sich stets mit dem, was rechtschaffen und lohnenswert ist, und beschäftigen Sie Ihren Geist nur mit reinen Gedanken, denn der Mensch ist, was er denkt. Dann haben Sie die Fähigkeit, all das zu vollbringen, was Ihnen Erfüllung schenken wird.

Sie sind ein Sohn beziehungsweise eine Tochter des allmächtigen Gottes. Ich bezeuge, dass Gott unser Vater ist, dass wir seine Kinder sind, und dass er uns liebt und hier auf der Erde Großes und Herrliches für uns bereitet hat. Ich weiß das mit Bestimmtheit, und ich danke ihm für den positiven Einfluss, den gute Musik auf mein Denken ausgeübt hat, wodurch meine Seele erbaut wurde.

Anmerkungen

  1. Priesthood Bulletin, August 1973, Seite 3

  2. Gesangbuch, Nr. 19