2006
Zu Hause
Oktober 2006


Zu Hause

Ich stieg in meinen Sonntagskleidern aus dem Auto und öffnete den Regenschirm. Mein Gastvater lächelte nur und zeigte auf ein rotes Backsteingebäude: „Das Gebäude dort drüben.“ Ich dankte ihm und sah zu, wie er sein Auto wieder in den Verkehr einreihte.

Als ich die Vereinigten Staaten verließ, um nach Deutschland zu fliegen, meinte ich, ich würde die Kirche nicht brauchen, ich würde es gar nicht merken, wenn ich einmal zwei Wochen keine Abendmahlsversammlung besuchte. Doch die letzten beiden Wochenenden hatte ich es sehr wohl bemerkt. Etwas fehlte mir. Deshalb ging ich jetzt auch noch schneller auf das Gebäude zu, das mir die zwei Missionare, die in dieser kleinen deutschen Stadt dienten, am Abend zuvor gezeigt hatten.

Als ich die Tür erreichte, öffnete ein Missionar und bat mich herein. Der Raum war etwa so groß wie mein Zimmer und hatte schlichte weiße Wände. Vier Stuhlreihen und ein einfacher Holztisch mit dem Abendmahlsgeschirr für das Brot und das Wasser waren alles, was dieser winzige Raum an Mobiliar zu bieten hatte. Vor den Fenstern hingen weiße Gardinen.

Doch obwohl der Raum klein war und ich niemanden kannte, war mein erster Gedanke: „Ich bin zu Hause. Ich bin zu Hause.“

Ich setzte mich und der Gottesdienst begann. Wir sangen „Der Geist aus den Höhen“ (Gesangbuch, Nr. 2) laut und klar auf Deutsch, und das vertraute Lied berührte mein Herz. Niemals hat mich dieses Lied mehr bewegt.

Ich wollte lachen und tanzen und den Menschen auf der verregneten Straße zurufen: „Merkt ihr es nicht? Merkt ihr nicht, dass diese Kirche wahr ist? Ist das nicht toll?“

Beim Abendmahlsgebet neigte ich den Kopf und hörte zu, wie das vertraute Gebet auf Deutsch gesprochen wurde. Ich hörte aufmerksam zu und genoss jedes Wort. Ich bin zu Hause. Ich bin zu Hause.

Meine Augen füllten sich mit Tränen, als das Abendmahlsgeschirr aus Plastik herumgereicht wurde. Obwohl nur so wenige Personen da waren, war der Geist stark zu spüren. Auch andere weinten. Der Geist brannte in mir, und mein Herz hüpfte vor Freude wie nie zuvor.

Ich blickte durch die Gardinen auf die trübe Welt draußen und musste trotz meiner Tränen lächeln. Tausende von Meilen von meiner Familie entfernt wusste ich, dass ich in der Kirche zu Hause war.