2005
Polynesische Perlen
Oktober 2005


Polynesische Perlen

Der Glaube der Mitglieder aus Französisch-Polynesien wächst wie die Perlen, für die diese Inseln ja berühmt sind – nämlich Schicht um Schicht. Er gewinnt im Laufe der Zeit an strahlender Schönheit.

Perlen brauchen Zeit. Sie wachsen Schicht um Schicht und bekommen ihren Glanz erst im Lauf der Zeit. Genau so ist auch der Glaube an das wiederhergestellte Evangelium in Französisch-Polynesien gewachsen. Als 1844 die ersten Missionare ankamen, begann dieser Glaube zu wachsen, und Generation um Generation hat er Hoffnung gebracht und die Richtung gewiesen. Die Mitglieder machen heutzutage acht Prozent der Bevölkerung aus – 20 000 Mitglieder in 79 Gemeinden. Man kennt sie als Menschen, die füreinander und für ihre Mitmenschen da sind. Wie bei einer Perle strahlen auch sie einen sanften Glanz aus. Doch sie spiegeln das Licht wider, das von Christus kommt, und das bringt sie wahrhaft zum Leuchten. Werfen wir nun einen Blick auf einige der dortigen Mitglieder:

Tubuai – wo alles begann

Ganz am Ende der Insel Tubuai pflegen Ronny Harevaa und seine Frau, Sandrine, gleich neben der Straße das Grundstück rund um ein kleines, steinernes Denkmal. Der Stein ist Elder Addison Pratt gewidmet, dem ersten Missionar der Kirche, der seinen Fuß auf diese Insel 700 km südlich von Tahiti gesetzt hat. Addison Pratt wuchs in New Hampshire in den USA auf, doch mit 19 Jahren ging er zur See. Er kam bis zur heutigen Inselgruppe von Hawaii und befuhr den Pazifik, den Atlantik, die Karibik und das Mittelmeer, doch schließlich heiratete er und ließ sich in New York nieder. 1838 schlossen er und seine Frau sich der Kirche an. 1841 hatten sie sich mit den Heiligen in Nauvoo in Illinois niedergelassen. Im Mai 1843 wurde Addison Pratt vom Propheten Joseph Smith als einer der ersten Missionare im pazifischen Raum berufen. Am 30. April 1844 kamen er sowie zwei weitere Missionare, Noah Rogers und Benjamin Grouard, auf Tubuai an.

Die Insulaner freuten sich, einen Missionar bei sich zu haben, und so blieb Elder Pratt dort. Er lernte Tahitianisch und verkündete das Evangelium. Der Erste, der sich bekehrte, war sein Dolmetscher, ein Amerikaner. Auch sechs der sieben Matrosen auf der Insel wurden getauft und konfirmiert. Am 22. Juli 1844 – drei Jahre vor der Ankunft der Pioniere in Utah – wurden die ersten einheimischen Bekehrten getauft. Ende Februar 1845 hatten sich 60 der 200 Bewohner von Tubuai der Kirche angeschlossen. Aus diesen Anfängen und aus der Arbeit von Elder Rogers und Elder Grouard auf anderen Inseln verbreitete sich die Kirche im gesamten heutigen Französisch-Polynesien.

Heute ist auf Tubuai Ronny Harevaa Präsident des Distrikts Australes auf Tubuai, zu dem 593 Mitglieder in fünf Zweigen gehören. Einige Mitglieder dort sind mit ihm verwandt, und Präsident Harevaa hat viel von ihnen gelernt. „Das Bewusstsein für Tradition und Geschichte ist hier sehr stark“, sagt er, „und die Menschen lieben die Kirche und die Familie.“

„Die meisten Einwohner von Tubuai haben wenig materiellen Besitz, aber sie haben doch alles, was sie brauchen, um glücklich zu sein“, sagt Lucien Hoffmann, der Präsident des Zweiges Mahu. „Man pflückt das Obst von den Bäumen und erntet das Gemüse vom Feld, und man kann fischen gehen, wann immer man will. Und wenn man die Leute bittet, jemandem zu helfen, der krank ist oder Not leidet, dann sind sie immer dazu bereit.“

„Meine Frau und ich wohnen auf Tubuai, weil wir in der Nähe unserer Eltern leben wollten“, sagt Präsident Harevaa. „Es ist wunderschön, hier als Familie zusammen sein zu können.“ Ein Bruder wohnt im Haus nebenan, ein anderer im nächsten Haus, und sein Vater ist einer seiner Ratgeber. Der Name Harevaa ist auf Tubuai so häufig, dass viele Leute ihn „Präsident Ronny“ nennen, um Verwechslungen auszuschließen.

Vor dem Gemeindehaus von Mahu, einem der drei Gemeindehäuser auf Tubuai, zeigt uns Sandrine ein weiteres Denkmal zu Ehren von Addison Pratt. „Ich glaube, er würde sich freuen, dass die Kirche hier nach über 160 Jahren noch immer stark ist“, sagt sie. Und die Kirche wächst weiter.

Vor kurzem hat sich Johan Bonno der Kirche angeschlossen; er stammt von den Marquesas-Inseln, dem nördlichsten Teil Französisch-Polynesiens. Er hatte kein leichtes Leben gehabt, doch als er von den Marquesas nach Tubuai zog, begann er sich für das wiederhergestellte Evangelium zu interessieren – und schuld daran war eine Lehrerin. „Maimiti hat mir von der wahren Kirche erzählt“, sagt er. „Sie hat mir vom Buch Mormon erzählt. Schritt für Schritt ließ ich das, was schlecht war, hinter mir. Sie lud mich zur Kirche ein, und Schritt für Schritt nahm ich Gutes in mich auf.“

Die beiden heirateten und zogen nach Tubuai. „Mein Schwiegervater nahm mich zu einem Tag der offenen Tür mit, den die Missionare veranstalteten, und dort fühlte ich mich so geborgen. Es herrschte ein starker Geist“, sagt Johan. „In mir wurde der Wunsch wach, die Wahrheit zu erkennen. Ich betete ernsthaft wegen Joseph Smith. Ich erkannte, dass der Herr durch ihn die Kirche wiederhergestellt hat.“ Bald ließ sich Johan taufen und konfirmieren.

Nun bereiten sich Johan und Maimiti darauf vor, im Papeete-Tempel in Tahiti gesiegelt zu werden. „Dann werden wir das Licht des Tempels haben, und das wird so sein, als hätten wir eine 15-Watt-Glühbirne gegen den hellsten Sonnenschein eingetauscht“, sagt er. Johan musste sich sozusagen eine Schicht Glauben zulegen, als er vom wiederhergestellten Evangelium hörte. Es folgten weitere Schichten, als die beiden heirateten, nach Tubuai zogen und sich der Kirche anschlossen. Dass die beiden jetzt in den Tempel gehen, ist die nächste Schicht dieser Perle, die immer weiter wächst.

Raiatea – ein sicherer Hafen

Als der dreiundzwanzigjährige Spencer Moroni Teuiau seine Missionsberufung erhielt, konnte er gar nicht mehr aufhören zu lächeln. Vier Jahre lang – bis seine Zähne endlich in Ordnung waren – hatte er darauf gewartet, aber dann erhielt der junge Mann aus Raiatea an seinem Geburtstag die Berufung auf Mission. Er weiß noch, dass er Ausschnitte aus dem Brief vorgelesen hat, wie etwa „das wiederhergestellte Evangelium verkündigen, die Kirche offiziell repräsentieren“, „den Herrn vertreten“, und dabei gedacht hat: „Ich muss mich also ganz auf den Herrn verlassen, denn ich selbst bin ja nur ein schwacher Mensch!“

Aber das ist er bereits gewohnt. Moroni gehört von klein auf der Kirche an. Er ist von sechs Kindern das dritte, das eine Vollzeitmission erfüllt, und er weiß noch, dass er „schon als kleiner Junge davon geträumt“ hat, auf Mission zu gehen. Im Seminar lernte er die Missionarsschriftstellen auswendig, und er hörte zurückgekehrte Missionare von ihrer Mission erzählen. Aber auch die zahnärztlichen Untersuchungen und Behandlungen hat er ebenso wenig vergessen wie die Jahre, in denen er eine Zahnspange tragen musste. „Manchmal war ich nahe daran aufzugeben“, sagt er. Aber seine Familie machte ihm immer wieder Mut, und er hatte Ausdauer genug und gab die Hoffnung nicht auf. Zur Zeit dient er in der Tahiti-Mission Papeete.

Für Moroni und weitere junge Mitglieder wie ihn ist die Kirche auf Raiatea ein sicherer Hafen, der ihnen Kraft gibt. Der sechzehnjährige Garry Mou Tham aus der Gemeinde Avera, dessen Familie schon seit drei Generationen der Kirche angehört, fasst das so zusammen: „Hier ist es anders als in der Welt draußen. Wir verstehen uns gut mit unseren Freunden und mit unseren Eltern. Die Propheten erinnern uns immer wieder daran, dass wir der Familie nahe bleiben, dass wir gemeinsam in den Schriften lesen und den Familienabend halten sollen. Wir wissen, dass die Kirche weiter wachsen wird, und wir haben uns dazu entschlossen, im großen Werk des Herrn mitzuarbeiten.“

Garrys Freund, der vierzehnjährige Fari Le Bronnec, stimmt dem zu. Für ihn gibt es zweierlei, was ihn vor der Welt beschützt: das Seminar und das Beten. „Das Seminar baut einen jeden Morgen auf“, sagt er. „Und immer, wenn man mit Glauben betet, gibt das neuen Schwung.“ Das Seminar und das Institut sind in Französisch-Polynesien sehr gut besucht; im Studienjahr 2004/2005 waren insgesamt 740 Seminarschüler und 524 Institutsstudenten eingetragen.

Eine weitere Kraftquelle ist das gute Beispiel, das die Mitglieder denen geben, die sich für das Evangelium interessieren. Dadurch sind auch Adrien und Greta Teihotaata und ihre Kinder zur Kirche gekommen. „Wir hatten jahrelang keiner Kirche angehört“, sagt Schwester Teihotaata, „aber das wollten wir ändern. Wir baten den Herrn um Führung.“ Ein paar Tage später luden ihre Nachbarn sie zum Tag der offenen Tür in der Gemeinde Uturoa ein. „Wir gingen am Sonntag wieder hin“, sagt Bruder Teihotaata, „und es gefiel uns, dass jeder mitmachen konnte – als Lehrender, als Lernender oder beim Hüten der Kinder. Diese Leute schienen einander wirklich gern zu haben.“

Es war Fastsonntag, und „als die Zeugnisversammlung begann, verspürten wir einen Frieden, wie wir ihn nie zuvor gespürt hatten – nämlich den Heiligen Geist. Wir sagten uns: ‚Genau das brauchen wir!‘“, erzählt Schwester Teihotaata. Die Familie traf sich mit den Missionaren und erfuhr mehr über die Kirche. Der älteste Sohn schloss sich nicht der Kirche an, doch Bruder und Schwester Teihotaata sowie die fünf jüngeren Kinder wurden 1998 getauft und konfirmiert. Seit damals wird die Familie in ihrem Zeugnis stärker dadurch, „dass wir die Gebote halten, in den Schriften lesen und zum Tempel gehen. Auch das gute Beispiel der Mitglieder, die uns unterwiesen und uns geholfen haben, ist uns eine Stütze“, sagt Schwester Teihotaata.

Noch ein Mitglied ist an diesem Tag im Pfahlzentrum – eine Schwester, die schon seit 1956 der Kirche angehört. „Damals war die Kirche auf Raiatea nicht sehr bekannt“, sagt Harriet Brodien Terooatea. „Es gab damals nur wenige Mitglieder, und die Versammlungen fanden in einer kleinen Hütte statt, die bloß zwei Räume hatte – einen als Kapelle und einen für die Missionare. Aber nach und nach ist die Kirche gewachsen.“ Wie eine Perle eben wächst.

Tahiti – Zentrum der Kraft

Um in Erfahrung zu bringen, wie weit die Kirche in Französisch-Polynesien gekommen ist, haben wir uns beim Rat für Öffentlichkeitsarbeit in Papeete auf Tahiti erkundigt. Vor kurzem wurde dort bei einer Sitzung über einige wichtige Ereignisse der letzten Zeit gesprochen:

  • Die Kirche in Französisch-Polynesien hat im Oktober 2004 den Jahrestag ihres 160. Bestehens gefeiert. Dabei gab es unter anderem folgende Veranstaltungen: eine öffentliche Ausstellung über die Kirche, ein Fest im Stadion mit Tanz, Gesang, Chören und einer Multimedia-Schau, einen Sporttag (auch mit traditionellen Wettbewerben wie etwa dem, dass Bananen auf einer Bambusstange getragen werden), und eine Fireside mit Reden von Führern der Kirche sowie von politischen Würdenträgern und einem Chor mit 500 Stimmen. Über viele dieser Veranstaltungen wurde in den Zeitungen und bei den landesweiten Fernsehsendern berichtet.

  • Führer der Kirche statteten mehreren Regierungsvertretern einen offiziellen Besuch ab, und mehrere Heilige der Letzten Tage sind derzeit als Abgeordnete in der Nationalversammlung, dem Parlament. Die Regierung bedankte sich für all das Positive, was die Kirche der Gesellschaft bringt – vor allem dafür, dass sie sich für die Familie einsetzt.

  • Als Präsident Jacques Chirac im Juli 2003 Französisch-Polynesien besuchte, sang ein Chor aus 400 Mitgliedern vor etwa 30 000 Zuhörern. Die Veranstaltung wurde nicht nur in Französisch-Polynesien im Fernsehen übertragen, sondern auch in Frankreich. Der Chor rührte mit den Liedern „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (Gesangbuch, Nr. 85) und „Gott sei mit euch“ (Gesangbuch, Nr. 98) so manchen Zuhörer zu Tränen.

  • Der Papeete-Tempel auf Tahiti feierte im Oktober 2003 sein zwanzigjähriges Bestehen. Aus diesem Anlass waren die Mitglieder des Pfahls Paea auf Tahiti von 7.00 Uhr bis 21.00 Uhr mit Tempelarbeit befasst, sodass alle Mitglieder mit Endowment wenigstens eine heilige Handlung vollziehen konnten.

„Die Kirche steckt hier längst nicht mehr in den Kinderschuhen“, sagt Marama Tarati, der Direktor für Öffentlichkeitsarbeit in Französisch-Polynesien. „In ganz Französisch-Polynesien sind wir als eine Kraft anerkannt, die Gutes bewirkt.“ Auf Tahiti gibt es wunderschöne Gemeindehäuser, Gemeinden mit vielen starken, glaubenstreuen Mitgliedern und – als herrlichste aller Perlen – den Tempel, eine weithin bekannte Sehenswürdigkeit der Hauptstadt.

Das Licht des Tempels hat so manchen erreicht. „Ehe ich mich der Kirche anschloss, hatte ich nicht gewusst, wie mein Leben nach dem Tod weitergehen würde“, sagt Marguerite Teriinohopua. Ihre Familie lernte die Kirche kennen, weil eine andere Familie darum gebetet hatte, jemand zu finden, der sich der Kirche anschließen würde. Ernest Montrose, derzeit Erster Ratgeber in der Präsidentschaft des Pfahles Faaa auf Tahiti, war damals Bischof der Gemeinde Heiri. Als die Missionare die Mitglieder aufforderten, zu beten, um Untersucher zu finden, „dachte ich mir, meine Familie solle da doch wohl mit gutem Beispiel vorangehen“. Sie hatten eine Eingebung. Bischof Montrose lud seinen Arbeitskollegen Danielson Teriinohopua samt Familie zu einem Abend mit den Missionaren ein.

„Damals haben wir gerade darum gebetet, dass wir zur Wahrheit geführt werden“, sagt Danielson, der nun dem Hoherat angehört. „Als der Abend zu Ende ging, sagten wir ihnen, dass wir auf der Stelle noch mehr erfahren wollten.“ Bischof Montrose machte einen Termin für den nächsten Abend aus, und danach gleich wieder einen für den nächsten und so weiter. Es dauerte nur ein paar Wochen, da war die Familie Teriinohopua getauft und konfirmiert, und ein Jahr später ließ sie sich im Tempel siegeln. „Heute kenne ich die Antwort auf meine Fragen“, sagt Marguerite. „Im Tempel verspüre ich großen Frieden und große Freude.“

Chanterel Hauata aus der Gemeinde Heiri weiß ebenfalls, was für Freude es bringt, wenn man in den Tempel gehen kann. Ein gutartiger Gehirntumor raubte ihm vor sechs Jahren das Sehvermögen, doch im Tempel kann er alles klar und deutlich erkennen. „Im Tempel herrscht Klarheit“, sagt er. „Im Tempel erfahren wir etwas über die Ewigkeit. Das erhebt uns über das Erdenleben hinaus.“

Auch die Familie von Pepe Mariteragi kennt die Segnungen des Tempels. Als sie im Oktober 2003 daheim auf Paea zusammenkamen, gedachten sie Pepes Frau, Tepahu – ihrer Mutter bzw. Großmutter. „Sie ist vor sieben Monaten verstorben“, sagt Lucien, ein Sohn, „und wir vermissen sie noch immer sehr.“

„Dank des Evangeliums können wir mit solchen Ereignissen umgehen“, sagt Jean-Marie, ein weiterer Sohn. „Durch die Segnungen des Tempels wissen wir, dass wir eine ewige Familie sein können.“

Dass sich das Evangelium hier nun schon über Generationen erstreckt, ist ein weiterer Beweis dafür, wie stark und gefestigt die Kirche hier ist. Bischof Moroni Alvarez aus der Gemeinde Tavararo und seine Frau, Juanita, sprechen über ein Vermächtnis, das bis auf seinen Großvater zurückreicht. Sie zeigen uns die Seminar- und Institutsurkunden aller sechs Kinder und Fotos von allen sechs Kindern auf Mission. Sie erzählen von den Kindern, die im Tempel geheiratet haben, und den Enkeln, die in der Kirche aufwachsen. „Wir haben miteinander gesprochen, in den Schriften gelesen, gebetet und einander Zeugnis gegeben“, sagt Bischof Alvarez. „Jetzt tun sie das mit ihren eigenen Kindern.“

Wir unterhielten uns mit dem einundzwanzigjährigen Jared Peltzer aus der Gemeinde Matatia im Pfahl Paea auf Tahiti, der gerade die letzten Vorbereitungen für seine Mission in den Philippinen trifft; bei ihm sind auch sein Bruder, der dreißigjährige Lorenzo, der vor einigen Jahren Missionar in Französisch-Polynesien gewesen ist, sowie die beiden jüngeren Brüder, der achtzehnjährige Narii und der vierzehnjährige Hyrum, die beide später auch auf Mission gehen wollen. „Aus unserer Familie ist vor uns noch niemand auf Mission gewesen“, sagt Jared. „Aber dann ist Lorenzo auf Mission gegangen, und da wollte ich auch gehen, und jetzt machen wir unseren jüngeren Brüdern Mut, dass sie auch gehen.“ So wächst die Perle Schicht um Schicht.

Takaroa – Land des Erbteils

Wer auf der Insel Takaroa lebt, kennt sich mit Perlen aus. Viele Leute hier leben von der Perlenzucht. Die einen züchten die Austern. Andere wiederum säubern die Austernschalen, befestigen sie an Schnüren, fügen das Sandkorn ein, aus dem eine Perle werden soll, hängen die Austern ins Wasser, ernten die Perlen oder fertigen Schmuck und Souvenirs an.

„Wir nehmen das, was der himmlische Vater uns gibt, und lassen die Schönheit darin zum Vorschein kommen“, sagt Tahia Brown, die auf einer der vielen Austernzuchten der Insel arbeitet. Sie und Marie Teihoarii – beide ehemalige Zweig-FHV-Leiterinnen – zeigen gern die Ketten, Tischdekorationen und anderes Kunsthandwerk, das die Mitglieder herstellen. „Ich habe das von meiner Mutter gelernt“, sagt Schwester Brown. „Die meisten Schwestern haben gelernt, wie man diese oder andere Gegenstände anfertigt. Wir arbeiten, um zum Lebensunterhalt beizutragen, um unsere Zeit sinnvoll zu nutzen und um etwas Schönes zu schaffen.“

Perlen und Perlmutt sind aber nicht das einzige Schöne, was hier auf der Insel geschaffen wird. Schwestern wie Tera Temahaga flechten aus Strandpflanzen herrliche Fächer, Hüte und Körbe, andere – wie etwa Tipapa Mahotu – nähen Steppdecken und Kissen in leuchtenden Farben. Der Überlieferung zufolge geht das Anfertigen von Steppdecken zurück auf Louisa, die Frau von Addison Pratt, die 1850 auf die Insel kam.

Die handwerklichen Fertigkeiten der Leute von Takaroa lassen sich auch an dem höchstgelegenen Gebäude der Insel ermessen, dem wunderschönen weißen Gemeindehaus, mit dessen Bau 1891 begonnen worden war. Dieses Gebäude stellt ein beachtenswertes Vermächtnis dar. Aufgrund der politischen Situation in Französisch-Polynesien und in den Vereinigten Staaten mussten die Missionare die Insel 1852 verlassen. Erst 1892 kamen wieder Missionare dorthin. Sie fanden auf Takaroa eine Gemeinde mit 100 Mitgliedern vor, die dem Glauben treu geblieben waren. Sie waren gerade dabei, ein geräumiges Gemeindehaus zu bauen, wo sie alle gemeinsam Gott verehren konnten. Innerhalb eines Monats tauften und konfirmierten die Missionare 33 neue Mitglieder, und die Gemeinde wuchs wieder.

„Heute bestimmt das Gemeindehaus das Erscheinungsbild unseres Dorfes, so, wie die Kirche unser Leben bestimmt“, sagt die zweiundachtzigjährige Schwester Mahotu. Ihre Urgroßeltern hatten sich der Kirche angeschlossen. „Die Kapelle“, so sagt sie, „erinnert uns an das Vermächtnis, das uns unsere Vorfahren hinterlassen haben. Sie ruft uns in Erinnerung, dass wir ebenso treu bleiben können wie sie.“

In der Genealogie-Forschungsstelle gleich neben dem Gemeindehaus arbeitet die Leiterin, Suzanne Pimati, daran, dass der Vorfahren gedacht wird. Sie organisiert immer wieder Firesides und telefoniert stundenlang, um alle Bewohner der Insel einzuladen. „Ich möchte, dass jeder hier seine Vorfahren ausfindig macht“, sagt sie. Auf Takaroa herrscht der Geist des Elija in starkem Maß. Und weil Schwester Pimati ja auch mit dem Computer arbeitet, hat sie vor, viele, viele Namen zum Tempel zu schicken.

„Es gab einmal eine Zeit, da waren 90% der Bewohner von Takaroa Mitglieder der Kirche“, sagt Thierry Teihoarii, der Präsident des Distrikts Tuamotu. In den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts wanderten die Menschen ab, doch mit dem Aufschwung der Perlenzucht ließen sich wieder mehr Menschen auf der Insel nieder. Heute gibt es auf Takaroa zwei Zweige mit insgesamt 380 Mitgliedern, und das bei einer Gesamteinwohnerzahl von 1000. Auf den Nachbarinseln gibt es vier Zweige mit insgesamt 450 Mitgliedern.

„Unser größtes Problem“, sagt Präsident Teihoarii, „sind die vielen, die abwandern. Vor allem die jungen Leute ziehen von hier weg.“ Viele Jugendliche besuchen anderswo ein Internat, aber für die, die bleiben, sind Seminar und Institut die Hauptbildungseinrichtungen. „Das Seminar hilft ihnen, das Evangelium nicht zu vergessen“, sagt Präsident Teihoarii.

Das gilt auch für den Besuch des Tempels. „Jedes Jahr organisieren wir Fahrten zum Tempel, um dort die heiligen Handlungen zu vollziehen, und die Jugendlichen lassen sich für die Verstorbenen taufen“, sagt Präsident Teihoarii. „Das motiviert die Jugendlichen sehr. Es geht nicht allein darum, dass sie genug Geld für die Fahrt zusammensparen müssen. Sie wissen: Wenn sie zum Tempel wollen, müssen sie würdig sein, und dieses Wissen hilft ihnen, stark zu bleiben.“

Präsident Teihoarii muss zwar aufgrund seiner Berufung immer wieder auch andere Inseln besuchen, findet aber trotzdem, dass seine Familie sehr gesegnet ist. „Wenn ich nach so einer Fahrt heimkomme, erzähle ich gleich Marie und meinen beiden Töchtern vom Glauben und von den Zeugnissen der dortigen Mitglieder. Das baut meine Familie auf. Wir spüren den Geist sehr stark.“ Seine Frau stimmt dem zu. „In der Kirche kann man so vieles lernen“, sagt sie, „und man wird so sehr gesegnet. Es gibt so viel Gutes, was wir tun können, und wenn wir uns einbringen, gedeiht die Kirche.“

Es ist Abend auf Takaroa. Die Sonne versinkt im Meer. Die Schatten um das weiße Gemeindehaus werden länger, die Jugendlichen kommen zum Seminar zusammen, Schwester Pimati ist wegen der Genealogie da, und Präsident Teihoarii trifft sich mit zwei Zweigpräsidenten. Die Dämmerung taucht alles in einen sanften Schimmer – einen Schimmer wie den einer Perle.