2004
Ein tragisches Übel unter uns
November 2004


Ein tragisches Übel unter uns

Pornografie ist wie ein tobender Sturm, der den Einzelnen und ganze Familien zerstört und das, was einmal gut und schön war, völlig zugrunde richtet.

Meine lieben Brüder, es ist schön, mit Ihnen in dieser großen Priestertumsversammlung zu sein. Es ist wohl die größte Priestertumsversammlung dieser Art, die es je gegeben hat. Welch ein Kontrast zu damals, als Wilford Woodruff beschrieb, wie das gesamte Priestertum der ganzen Welt in einem Raum in Kirtland in Ohio versammelt war und vom Propheten Joseph Smith unterwiesen wurde.

Wir haben heute Abend ausgezeichneten Rat gehört, den ich Ihnen ans Herz lege.

Eigentlich zögere ich, in meiner Schlussansprache auf ein Thema einzugehen, über das ich bereits gesprochen habe. Ich tue es aber im Sinne der Worte Almas: „Dies ist mein Ruhm, dass ich vielleicht ein Werkzeug in den Händen Gottes bin, um irgendeine Seele zur Umkehr zu führen.“ (Alma 29:9.)

In diesem Sinne spreche ich also heute Abend zu Ihnen. Was ich zu sagen habe, ist nicht neu. Ich habe bereits darüber gesprochen. In der September-Ausgabe des Liahonas ist eine Ansprache veröffentlicht, die ich vor einigen Jahren über das gleiche Thema gehalten habe. Bruder Oaks hat dieses Thema heute ebenfalls angesprochen.

Das, worüber ich spreche, war schon früher ein Problem, aber heute ist es noch viel schlimmer. Und es wird noch immer schlimmer. Es ist wie ein tobender Sturm, der den Einzelnen und ganze Familien zerstört und das, was einmal gut und schön war, völlig zugrunde richtet. Ich spreche von Pornografie in allen Erscheinungsformen.

Das tue ich, weil ich Briefe von verzweifelten Ehefrauen erhalte.

Ich möchte Teile eines Briefes vorlesen, den ich erst vor wenigen Tagen erhalten habe. Das tue ich mit der Zustimmung der Verfasserin. Ich habe alles ausgelassen, was auf die betroffenen Personen hinweisen könnte. Zudem habe ich den Text ein wenig überarbeitet, damit er klarer und flüssiger wird.

Ich zitiere nun:

„Sehr geehrter Präsident Hinckley, mein Mann, mit dem ich 35 Jahre verheiratet war, ist vor kurzem gestorben. … Nach seiner letzten Operation suchte er so schnell wie möglich unseren guten Bischof auf. Noch am selben Abend kam er zu mir, um mir mitzuteilen, dass er süchtig nach Pornografie gewesen war. Er wollte, dass ich ihm vergab, [ehe er starb]. Außerdem sagte er, dass er es satt hatte, ein Doppelleben zu führen. [Er hatte in vielen wichtigen Berufungen] in der Kirche gedient, obwohl er wusste, dass er zugleich auch von einem ‚anderen Herren‘ beherrscht wurde.

Ich war fassungslos und verletzt, fühlte mich verraten und missbraucht. Ich konnte ihm in diesem Moment keine Vergebung versprechen, sondern bat um Zeit. … Ich blickte zurück auf unsere Ehe [und erkannte], dass die Pornografie … unsere Ehe schon sehr früh im Würgegriff gehabt hatte. Wir waren erst ein paar Monate verheiratet, als er ein [pornografisches] Magazin mitbrachte. Ich schloss ihn aus dem Auto aus, weil ich so verletzt und wütend war. …

Viele Jahre lang … war er in vielen Forderungen, die er an mich stellte, sehr grausam. Ich war nie gut genug für ihn. … Damals war ich so niedergeschlagen, dass ich unter schweren Depressionen litt. … Heute weiß ich, dass ich immer mit dem neuesten Pornostar verglichen wurde. …

Einmal gingen wir zu einer Eheberatung und … mein Mann würdigte mich mit seiner Kritik und seiner Verachtung herab. …

Danach konnte ich nicht einmal mehr mit ihm ins Auto steigen, sondern ging [stundenlang] durch die Stadt … und dachte über Selbstmord nach. [Ich dachte,] warum soll ich überhaupt weiterleben, wenn das alles ist, was mein ‚ewiger Partner‘ für mich empfindet?

Ich fing mich wieder, umgab mich aber nun mit einem Schutzschild. Ich existierte aus anderen Gründen, nicht für meinen Mann. Ich fand Freude an meinen Kindern und an Projekten und Leistungen, die ich ganz allein verwirklichen konnte. …

Nach seinem ‚Bekenntnis am Sterbebett‘ und [nachdem ich mir Zeit genommen hatte], mein Leben zu durchleuchten, [sagte ich zu ihm]: ‚Weißt du nicht, was du da getan hast?‘ Ich sagte ihm, ich hätte ein reines Herz in die Ehe gebracht und mir dessen Reinheit während der Ehe bewahrt und ich wolle sie mir auch weiterhin bewahren. Warum konnte er das Gleiche nicht für mich tun? Ich wollte doch nur geschätzt und mit ein klein wenig Freundlichkeit behandelt werden … und nicht wie etwas, was man besitzt. …

Nun trauere ich nicht nur um seinen Tod, sondern auch um eine Beziehung, die [so schön] hätte sein können, [es aber nicht war]. …

Bitte warnen Sie die Brüder (und die Schwestern). Pornografie ist kein erregender Augenschmaus, der einen vorübergehenden Reiz ausübt. [Vielmehr] verursacht sie Schaden bis in die Tiefen des Herzens und der Seele, erstickt die Beziehungen, die heilig sein sollten, und verletzt die Menschen, die man am meisten lieben sollte, bis ins Innerste.“

Darunter folgt die Unterschrift.

Was für eine erschütternde, tragische Geschichte. Ich habe einige Einzelheiten ausgelassen, aber ich habe genügend vorgelesen, um die Tiefe ihrer Gefühle deutlich zu machen. Und was ist mit ihrem Mann? Er ist qualvoll an Krebs gestorben und seine letzten Worte waren das Geständnis, dass sein Leben von Sünde durchsetzt war.

Denn das ist Sünde. Es ist teuflisch. Es ist absolut unvereinbar mit dem Geist des Evangeliums, mit dem persönlichen Zeugnis von dem, was von Gott kommt, und mit dem Leben eines Menschen, der zum heiligen Priestertum ordiniert worden ist.

Das ist nicht der einzige Brief, den ich erhalten habe. Ich habe so viele bekommen, dass ich überzeugt bin, dass dies selbst unter uns ein äußerst schwerwiegendes Problem ist. Es geht auf vielerlei Quellen zurück und kommt auf vielfältige Weise zum Ausdruck. Nun wird es noch durch das Internet verschlimmert. Das Internet ist nicht nur Erwachsenen zugänglich, sondern auch jungen Leuten.

Ich habe neulich gelesen, dass die Pornoindustrie weltweit einen Umsatz von 57 Milliarden Dollar erreicht hat. Zwölf Milliarden davon werden in den Vereinigten Staaten von bösen und „verschwörerischen Menschen“ (LuB 89:4) erzielt, die sich auf Kosten leichtgläubiger Menschen bereichern. Es heißt, dass diese Industrie in den Vereinigten Staaten mehr Einnahmen erzielt als sämtliche Unternehmen, die mit professionellem Football, Baseball und Basketball Geld verdienen, zusammengenommen, mehr als die großen Sender ABC, CBS und NBC zusammengenommen. (Internetstatistik: Pornografie 2003, http://www.healthymind.com/5-port-stats.html.)

Der Arbeitgeber wird um die Zeit und die Talente seiner Angestellten betrogen. „20 Prozent der Männer geben zu, dass sie bei der Arbeit pornografisches Material anschauen. 13 Prozent der Frauen tun es. … 10 Prozent der Erwachsenen gestehen, dass sie süchtig sind nach sexuellen Darstellungen im Internet.“ (Internetstatistik: Pornografie 2003.) Das ist nur, was zugegeben wird; die Dunkelziffer kann noch viel höher liegen.

Der nationale Bund zum Schutz von Kindern und Familien stellt fest, dass sich „etwa 40 Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten mit sexuellem Material im Internet beschäftigen“.

„Jedes fünfte Kind zwischen 10 und 17 Jahren [hat] schon einmal über das Internet eine Aufforderung zum Sex erhalten.

Drei Millionen der Besucher, die im September 2000 Websites zum Thema Sex besucht haben, waren 17 Jahre alt oder jünger.

Sex ist das Thema, nach dem im Internet am allerhäufigsten gesucht wird.“ (NCPCE Online, „Current Statistics“, Internet, http://www.nationalcoalition.org/stat.html.)

Ich könnte noch fortfahren, aber auch Sie wissen genug darüber, wie ernst dieses Problem ist. Nur so viel sei gesagt: Alle, die etwas damit zu tun haben, werden zu Opfern. Kinder werden ausgebeutet und ihnen wird schwerer Schaden zugefügt. Jugendliche bekommen völlig verzerrte Vorstellungen. Wer sich dem immer wieder aussetzt, wird süchtig und kommt kaum noch davon los. So ungeheuer viele Männer stellen fest, dass sie die Finger nicht davon lassen können. Ihre ganze Energie und ihre Interessen werden von ihrem sinnlosen Verlangen nach diesem rohen, widerlichen Material verzehrt.

Man entschuldigt sich damit, dass es nur schwer zu umgehen sei, nur einen Mausklick entfernt sei und dass man dem nicht entkommen könne.

Stellen Sie sich vor, ein Sturm tobt, der Wind heult und Sie sind mitten im Schneegestöber. Sie können es nicht aufhalten. Aber Sie können sich dementsprechend anziehen und Schutz suchen, dann kann Ihnen der Sturm nichts anhaben.

Auch wenn das Internet mit widerlichem Material durchsetzt ist, müssen Sie es nicht anschauen. Sie können Zuflucht suchen im Evangelium und seiner Lehre über Reinheit und Tugend.

Ich weiß, dass ich klar und deutlich spreche. Das tue ich, weil Pornografie durch das Internet noch leichter zugänglich ist als das, was auf DVD, Video, im Fernsehen und im Zeitschriftenhandel zu finden ist. Sie führt zu Fantasien, die einem die Selbstachtung nehmen. Sie führt zu unerlaubten Beziehungen, oft zu Krankheit und zu verbrecherischem Missbrauch.

Brüder, wir können besser sein. Als der Erretter die Menschenmenge lehrte, sagte er: „Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.“ (Matthäus 5:8.)

Könnte sich jemand ein größeres Glück wünschen? Der erhabene Weg des Anstands, der Selbstdisziplin, eines guten Lebens ist der Weg für jeden Mann, jung oder alt, der das Priestertum Gottes trägt. Die jungen Männer frage ich: „Könnt ihr euch vorstellen, Johannes der Täufer, der das Priestertum, das ihr tragt, wiederhergestellt hat, könnte sich mit Derartigem befassen?“ Und Sie, die Männer, frage ich: „Können Sie sich vorstellen, Petrus, Jakobus und Johannes, Apostel unseres Herrn, könnten sich mit so etwas befassen?“

Nein, natürlich nicht. Nun, Brüder, für jeden, der sich damit abgibt, ist die Zeit gekommen, sich aus diesem Morast zu befreien, sich über dieses Übel zu erheben und auf Gott zu blicken und zu leben (siehe Alma 37:47). Wir brauchen uns keine obszönen Zeitschriften anzuschauen. Wir brauchen keine Bücher zu lesen, die voll Schund sind. Wir brauchen uns keine Fernsehsendungen anzusehen, die ein gewisses Niveau unterschreiten. Wir brauchen uns keine Filme auszuleihen, die Schmutziges darstellen. Wir brauchen nicht am Computer zu sitzen und mit pornografischem Material herumzuspielen, das wir im Internet finden.

Ich wiederhole noch einmal: Wir können besser sein. Wir müssen besser sein. Wir sind Männer, die das Priestertum tragen. Das ist eine sehr heilige und wunderbare Gabe, mehr wert als aller Unrat der Welt. Doch Amen zur Wirksamkeit des Priestertums all derer, die es nach pornografischem Material verlangt.

Sollte mich jemand hören, der das tut, dann flehen Sie den Herrn aus der Tiefe Ihrer Seele an, dass er Sie von der Sucht befreit, die Sie gefangen hält. Mögen Sie auch den Mut haben, die liebevolle Führung Ihres Bischofs in Anspruch zu nehmen und, falls nötig, eine professionelle Beratung.

Möge jeder, der von diesem Laster beherrscht wird, in der Stille seiner Kammer auf die Knie gehen und den Herrn um Hilfe anflehen, dass er ihn von diesem bösen Ungeheuer befreit. Sonst wird dieser verwerfliche Schandfleck das ganze Leben lang und sogar bis in die Ewigkeit bestehen bleiben. Jakob, Nephis Bruder, hat gesagt: „Und es wird sich begeben: Wenn alle Menschen von diesem ersten Tod zum Leben geschritten sind, insoweit, dass sie unsterblich geworden sind, … [werden] diejenigen, die rechtschaffen sind, … auch dann noch rechtschaffen sein, und diejenigen, die schmutzig sind, werden auch dann noch schmutzig sein.“ (2 Nephi 9:15,16.)

Präsident Joseph F. Smith sah in seiner Vision vom Besuch Jesu Christi bei den Geistern der Toten, dass der Erretter nicht „zu den Schlechten ging … und bei den Gottlosen und den Umkehrunwilligen, die sich, als sie im Fleische weilten, verunreinigt hatten, erhob sich seine Stimme nicht“ (LuB 138:20).

Nun, meine Brüder, ich möchte nicht schwarz malen. Ich bin von Natur aus optimistisch. Aber in einer solchen Angelegenheit bin ich Realist. Wenn wir uns damit abgeben, ist es jetzt an der Zeit, uns zu ändern. Fassen wir in dieser Stunde einen Entschluss. Machen wir kehrt und begeben wir uns auf einen besseren Weg.

Der Herr hat gesagt: „Lass Tugend immerfort deine Gedanken zieren; dann wird dein Vertrauen in der Gegenwart Gottes stark werden, und die Lehre des Priestertums wird auf deine Seele fallen wie der Tau vom Himmel.

Der Heilige Geist wird dein ständiger Begleiter sein und dein Zepter ein unwandelbares Zepter der Rechtschaffenheit und Wahrheit, und deine Herrschaft wird eine immerwährende Herrschaft sein, und ohne Nötigung wird sie dir zufließen für immer und immer.“(LuB 121:45,46.)

Was könnte sich ein Mann mehr wünschen? Diese himmlischen Segnungen sind denen verheißen, die tugendhaft vor dem Herrn und vor allen Menschen wandeln.

Wie wunderbar sind doch die Wege des Herrn. Wie herrlich seine Verheißungen. Wenn wir versucht werden, können wir böse Gedanken durch Gedanken an ihn und seine Lehren verdrängen. Er hat gesagt: „Und wenn euer Auge nur auf meine Herrlichkeit gerichtet ist, so wird euer ganzer Leib mit Licht erfüllt werden, und es wird in euch keine Finsternis sein; und jener Leib, der mit Licht erfüllt ist, erfasst alles.

Darum heiligt euch, damit euer Sinn nur auf Gott gerichtet sei, dann werden die Tage kommen, da ihr ihn sehen werdet; denn er wird für euch den Schleier von seinem Angesicht nehmen.“ (LuB 88:67,68.)

Den Diakonen, Lehrern und Priestern, die heute Abend bei uns sind, euch wunderbaren jungen Männern, die mit dem Abendmahl betraut sind, euch hat der Herr gesagt: „Seid rein, die ihr die Gefäße des Herrn tragt.“ (LuB 133:5.)

Für jeden Priestertumsträger ist folgende offenbarte Aussage klar und eindeutig: „Die Rechte des Priestertums [sind] untrennbar mit den Mächten des Himmels verbunden … und … die Mächte des Himmels [können] nur nach den Grundsätzen der Rechtschaffenheit beherrscht und gebraucht werden.“ (LuB 121:36.)

Ich weiß, Brüder, dass die meisten von Ihnen von diesem Übel nicht betroffen sind. Bitte verzeihen Sie mir, dass ich Ihre Zeit in Anspruch genommen habe, um darüber zu sprechen. Sind Sie aber Pfahlpräsident oder Bischof, Distrikts- oder Zweigpräsident, kann es gut sein, dass sie jemand helfen müssen, der davon betroffen ist. Der Herr gebe Ihnen Weisheit, Führung, Inspiration und Liebe für diejenigen, die das so dringend brauchen.

Und alle, ob jung oder alt, die nichts damit zu tun haben, beglückwünsche ich und ich lasse Ihnen meinen Segen. Wie schön ist das Leben, wenn es nach den Lehren des Evangeliums dessen, der ohne Sünde war, ausgerichtet ist. Ein Mann, der so lebt, wandelt makellos im Sonnenlicht der Tugend und Stärke.

Mögen die Segnungen des Himmels bei Ihnen sein, meine lieben Brüder. Reichen wir alle denen die Hand, die Hilfe brauchen. Das erbitte ich im heiligen Namen Jesu Christi. Amen.