2004
Ein Flug durch den Schnee
Oktober 2004


Ein Flug durch den Schnee

Als in einer Winternacht ein heftiger Schneesturm wütete, gab es in einem kleinen Ort in Idaho, nicht weit von der Grenze zu Utah, einen schweren Verkehrsunfall. Dabei wurde ein kleines Kind schwer verletzt. Ich war Pilot eines Rettungsflugzeugs im Gebiet Salt Lake City und wurde beauftragt, das Mädchen mit meinem kleinen Flugzeug abzuholen und es nach Salt Lake City zurückzubringen.

Der vom Unfallort nächste Flughafen war in Pocatello in Idaho. Wir brauchten für den Flug dorthin nur etwa 45 Minuten, aber der Rettungswagen würde aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse fast drei Stunden für den Transport vom Unfallort nach Pocatello brauchen. Obwohl wir viel früher dort wären als der Rettungswagen, wollte der zuständige Arzt, dass wir frühzeitig dort waren, damit das kleine Mädchen ohne Verzögerung vom Rettungswagen ins Flugzeug gebracht werden und gleich zu einer großen Unfallklinik transportiert werden konnte.

Die Wetterbedingungen waren schlecht; es war gerade noch vertretbar, unter diesen Bedingungen zu landen. Eine kleine Pendlermaschine steuerte Pocatello ebenfalls an und war uns etwa zehn Minuten voraus. Ich hörte aufmerksam die Funksprüche des anderen Piloten an, da ich wusste, dass wir die gleichen Bedingungen antreffen würden. Der Anflug verlief normal bis zu dem Punkt, an dem er die Landebahn hätte sehen müssen. Doch er konnte sie nicht sehen, musste den Anflug abbrechen und noch einmal durchstarten.

Jetzt waren wir an der Reihe. Ich machte mir Sorgen: Was, wenn wir nicht landen konnten und ohne das verletzte Mädchen zurückfliegen mussten? Ich sprach schnell ein stilles Gebet. Ich sagte dem Vater im Himmel, dass ich seine Hilfe brauchte, wenn er wollte, dass wir dieses kleine Mädchen abholten.

Ich setzte zum Landeanflug an. Er schien ewig zu dauern. Das einzige, was ich sah, waren graue Wolken und Schnee, der waagerecht an der Windschutzscheibe vorbeitrieb. Bald erreichte ich den Punkt, an dem ich – wie das andere Flugzeug – den Anflug abbrechen musste. Ich wartete bis zum allerletzten Augenblick, und plötzlich konnte ich die Lichter der Landebahn erkennen. Sie waren schwach, aber gut genug erkennbar. Ich drosselte den Schub, landete und sprach ein stilles Dankgebet für das Wunder, das ich gerade erlebt hatte.

Als ich zu unserem Stellplatz fuhr, bemerkte ich zweierlei: Der Sturm würde nicht aufhören und die Firma, die sonst immer unsere Flugzeuge von Schnee und Eis befreite und deren Hallen wir für die Maschinen nutzen konnten, hatte bereits Feierabend.

Ein paar Minuten später landete auch das andere Flugzeug sicher. Gleich darauf wurde der Kontrollturm geschlossen und die Fluglotsen gingen nach Hause. Nachdem die Passagiere und die Crew des anderen Flugzeugs sich auf den Weg gemacht hatten, schloss das Bodenpersonal das Flughafengebäude ab und ging auch nach Hause. Meine Kollegen und ich hatten keine Möglichkeit, das Flugzeug zu enteisen oder die Maschine in einer Halle unterzustellen, und jetzt fiel der Schnee noch dichter. Es war sehr gut möglich, dass wir erst am folgenden Morgen zurückfliegen konnten.

Das Team und ich beschlossen, dass wir am besten abwarteten, wie die Zustände sein würden, wenn der Rettungswagen ankam. Ich schaute aus dem Fenster und sah, dass der Schnee auf dem anderen Flugzeug, das nicht weit von uns stand, liegen blieb. Ich wusste, dass es gefährlich sein könnte, einen Start zu wagen, wenn Schnee oder Eis am Flugzeug hafteten. Also verließ ich das Flugzeug. Der Schnee fiel sehr dicht und begann, sich an den Tragflächen festzusetzen. Ich lief weiter zu einer Stelle, wo man mich nicht sehen konnte, und sprach noch ein Gebet.

An diesem Abend schien die Zeit dahinzuschleichen. Ab und an blickte ich hinaus und sah, wie sich immer mehr Schnee auf dem anderen Flugzeug anhäufte, aber ich wollte nicht noch einmal hinausgehen und unsere Tragflächen kontrollieren.

Knapp zwei Stunden später kam der Rettungswagen mit dem kleinen Mädchen an. Ich öffnete die Kabinentür und stieg aus. Das andere Flugzeug war mit Schnee und Eis bedeckt. Ich drehte mich um, um nachzuschauen, in welchem Zustand unser Flugzeug war. Ich hatte zwar versucht, Glauben zu haben und optimistisch zu sein, aber ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich von dem Anblick verblüfft war. Mir stiegen vor Dankbarkeit Tränen in die Augen, als ich um das Flugzeug lief. Es war sauber und trocken – kein bisschen Schnee oder Eis war darauf. Es sah aus, als sei es gerade aus einem beheizten Hangar gekommen. Außerdem hatte es aufgehört zu schneien, und die Sicht war für einen Start gut genug.

Der Vater im Himmel hat an diesem Abend die Wunder geschehen lassen, die wir brauchten, um ein kleines Mädchen ins Krankenhaus zu bringen. An diesem Abend neigte ein sehr demütiger Pilot sein Haupt voller Dankbarkeit für die großen Segnungen, die er empfangen hatte.

Der Rückflug nach Salt Lake City verlief ohne Zwischenfälle. Offenbar waren meine Gebete und die der Familie und der Freunde des Mädchens erhört worden. Ich habe nie erfahren, ob das kleine Mädchen wieder gesund geworden ist, aber mein Zeugnis von der überwältigenden Liebe und dem Mitgefühl unseres Vaters im Himmel für seine Kinder wurde in dieser Winternacht gestärkt.

W. Ward Holbrook gehört zur Gemeinde San Diego 13 im Pfahl San Diego Nord in Kalifornien.