2002
Es ist nicht gut, dass Mann oder Frau allein bleibt
Januar 2002


Es ist nicht gut, dass Mann oder Frau allein bleibt

„Keine Ehe oder Familie, keine Gemeinde und kein Pfahl wird wohl ihr volles Potenzial erreichen, wenn nicht Mann und Frau, Mutter und Vater, Männer und Frauen an einem Strang ziehen und die Stärken des jeweils anderen achten und sich darauf stützen.“

Seit fast fünf Jahren darf ich nunmehr mit den Schwestern von der FHV und den Priestertumsführern von Afrika bis zum Amazonas zusammenarbeiten. Diese Erfahrungen zeigen mir immer deutlicher, wie wichtig gewisse grundlegende Evangeliumsprinzipien doch sind. Ich möchte über diese Grundsätze vor allem zu den jungen Männern und Frauen in der Kirche sprechen, denn sie stehen vor einem Lebensabschnitt, der ihnen viel abverlangt.

In diesem Sommer habe ich mich an der Schulter verletzt und konnte den Arm wochenlang nicht gebrauchen. Ich hatte gar nicht gewusst, wie sehr ein Arm des andern bedarf, damit wir das Gleichgewicht halten können. Oder wie viel weniger man mit nur einem Arm tragen kann. Oder dass es einiges gibt, was man mit nur einem Arm überhaupt nicht tun kann. Diese Behinderung hat nicht nur diejenigen in meiner Achtung steigen lassen, die mit einer körperlichen Behinderung leben und das auch schaffen, sondern mir ist auch klar geworden, wie viel mehr zwei Arme leisten können, wenn sie zusammenarbeiten.

Zwei sind meist besser als einer allein.1 So sieht es auch der himmlische Vater, denn er hat gesagt: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt.“2 Er hat daher eine Hilfe für Adam erschaffen – jemanden mit besonderen Gaben, der ihm Ausgewogenheit verleihen sollte, der mit ihm gemeinsam die Bürde des Erdenlebens tragen und ihn fähig machen sollte, das zu tun, was er allein nicht tun konnte. Denn „im Herrn gibt es weder die Frau ohne den Mann noch den Mann ohne die Frau“.3

Der Satan weiß, welche Macht ein Mann und eine Frau haben, die in Rechtschaffenheit vereint sind. Er ist immer noch erbost, dass er auf ewig verbannt wurde, als Michael die Scharen des Himmels gegen ihn geführt hatte – tapfere Männer und Frauen, im Werk Christi vereint. Petrus beschreibt diesen bedrückenden Sachverhalt folgendermaßen: „Der Teufel geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann.“4 Luzifer hat es darauf abgesehen, die Ehe und die Familie zu vernichten, denn wenn es die nicht mehr gibt, ist die Errettung aller Betroffenen gefährdet und ebenso auch der Weiterbestand des Gottesreiches. Deshalb versucht der Satan uns zu verwirren, was die uns anvertraute Aufgabe und unser besonderes Wesen als Mann bzw. Frau betrifft. Er bombardiert uns mit absonderlichen Botschaften über Geschlecht, Ehe, Familie und jegliche Form der Beziehung zwischen Mann und Frau. Er will uns glauben machen, dass Mann und Frau einander so ähnlich sind, dass unsere einzigartigen Gaben gar nicht notwendig sind, oder dass Mann und Frau so verschieden sind, dass wir keinerlei Hoffnung zu haben brauchen, einander je zu verstehen. Keines von beidem ist wahr.

Unser Vater wusste genau, was er tat, als er uns erschuf. Er hat uns ähnlich genug gemacht, dass wir einander lieben können, und verschieden genug, dass wir unsere Stärken und die uns anvertrauten Aufgaben vereinigen müssen, um ein Ganzes zu bilden. Weder Mann noch Frau sind ohne den anderen vollkommen oder vollständig. Keine Ehe oder Familie, keine Gemeinde und kein Pfahl wird wohl ihr volles Potenzial erreichen, wenn nicht Mann und Frau, Mutter und Vater, Männer und Frauen an einem Strang ziehen und die Stärken des jeweils anderen achten und sich darauf stützen.

Diese Wahrheiten bezüglich der von Gott bestimmten Aufgaben von Mann und Frau sind in der Welt von heute weitgehend verloren gegangen. Sie werden sie in keiner Sitcom im Fernsehen finden und leider auch in mancher Familie und Gemeinde nicht. Doch für den Herrn sind sie nicht verloren, denn er hat uns „in allem ein Muster“ gegeben, damit wir nicht getäuscht werden.5 Das Muster des Herrn für Ehepaare und zu einem großen Teil auch für Männer und Frauen, die gemeinsam in seinem Reich dienen, wurde bereits von unseren Stammeltern praktiziert. Adam und Eva arbeiteten6 miteinander. Sie trauerten miteinander,7 sie hatten miteinander Kinder,8 sie unterwiesen gemeinsam ihre Nachkommen im Evangelium,9 sie riefen gemeinsam den Herrn an und vernahmen die Stimme des Herrn10, sie priesen miteinander den Namen Gottes11 und weihten sich Gott. Immer wieder wird in den Schriften gesagt, dass sie alles gemeinsam taten.

Weder Adam mit seinem Priestertum noch Eva mit ihrer Mutterschaft konnte allein den Fall zustande bringen. Ihre einzigartigen Aufgaben waren miteinander verwoben. Sie berieten sich miteinander, sie trugen eine Bürde, die keiner allein hätte tragen können, und sie stellten sich schließlich gemeinsam der Wildnis mit all ihren Unwägbarkeiten. Dies ist das Muster des Herrn für alle rechtschaffenen Männer und Frauen.

Manche von uns sehen sich allerdings mit unvollkommenen Lebensumständen konfrontiert. Ich verstehe das, denn ich selbst zähle auch dazu. Dennoch muss ich Ihnen, meinen lieben jungen Freunden, in deren Händen die Zukunft der Kirche und der Familien der Kirche liegt, sagen, dass sich Ihr Verständnis von diesem göttlichen Muster auf Ihre Ehe, Ihre Familie, Ihre Fähigkeit, das Reich Gottes mit aufzubauen, und auf Ihr ewiges Leben auswirken wird.

Meine jungen Schwestern, man wird Sie vielleicht davon überzeugen wollen, dass Sie übervorteilt worden sind, weil Sie nicht zum Priestertum ordiniert worden sind. Solche Leute irren und verstehen das Evangelium Jesu Christi nicht. Die Segnungen des Priestertums stehen jedem rechtschaffenen Mann und jeder rechtschaffenen Frau offen. Wir alle können den Heiligen Geist empfangen, uns allen kann persönliche Offenbarung zuteil werden, und im Tempel können wir die Begabung erhalten, wodurch wir „mit … Kraft ausgerüstet“12 werden. Die Macht des Priestertums heilt und schützt und ist für alle Rechtschaffenen wie ein Impfstoff gegen die Mächte der Finsternis. Und die Fülle des Priestertums, wie sie in den höchsten Verordnungen im Haus des Herrn enthalten ist, kann – und das ist sehr wichtig – nur von Mann und Frau gemeinsam empfangen werden.13 Präsident Harold B. Lee hat gesagt: „Reines Frauentum gemeinsam mit dem Priestertum bedeutet Erhöhung. Doch Frauentum ohne Priestertum oder Priestertum ohne Frauentum ist keine Erhöhung.“14

Schwestern, wir Frauen werden durch die Macht des Priestertums nicht abgewertet, sondern sie macht uns groß. Ich weiß, dass das wahr ist, denn ich erlebe es immer wieder.

Ihr zukünftiger Ehemann und die Männer, mit denen Sie gemeinsam dienen, brauchen Unterstützung von Ihnen, wie sie nur Sie geben können. Sie haben eine innere geistige Stärke, von der Präsident James E. Faust sagt, dass sie der des Mannes gleichkommt oder sie sogar übertrifft.15 Geben Sie Ihre spirituelle Verantwortung nicht auf! Ihr Glaube hält die eindrucksvollsten Predigten. Auch wenn Sie noch so viel Zeit vor dem Spiegel verbringen, macht Sie das nicht so attraktiv, als wenn Sie den Heiligen Geist bei sich haben. Seien Sie ein Segen für Ihre Familie und für die Kirche, so wie nur eine Frau Gottes es sein kann – durch Tugend, Glauben, Rechtschaffenheit und fortwährendes Mitgefühl.

Junge Männer, Ihre Ordinierung zum Priestertum ist ein großer Vorzug und eine Verantwortung und kein Freibrief, um über andere zu herrschen. Seien Sie immer würdig, diese göttliche Macht auszuüben, die Ihnen zum Dienen übertragen worden ist. Ein Mann ist dann am größten, wenn er sich vom Geist dazu bewegen lässt, das Priestertum, das er trägt, zu ehren.

Wenn Sie eine tugendhafte Frau heiraten, die die Stimme des Herrn vernehmen kann, wird sie jeden Tag Ihres Lebens ein Segen für Sie sein. Denken Sie an Eva. Sie war die erste, die sah, dass die Frucht von dem Baum gut war, und nachdem sie davon gegessen hatte, „gab [sie] auch ihrem Mann, … und er aß.“16 Wäre Eva nicht gewesen, dann wäre unser Fortschritt zu Ende gewesen. Elder Dallin H. Oaks bestätigt, dass Evas Tat eine „herrliche Notwendigkeit [war], die das Tor zum ewigen Leben auftat. Adam bewies Weisheit, indem er das Gleiche tat.“17

Junge Männer, Sie werden zu Hause und in der Kirche präsidieren. Seien Sie aber demütig genug, auf die Frauen in Ihrem Leben zu hören und von ihnen zu lernen. Sie tragen Einsicht, Ausgewogenheit und eine einzigartige Weisheit bei. Und wenn Herausforderungen kommen, werden Sie sehen, wie belastbar eine Frau ist, die sich Gott Vater und Jesus Christus verpflichtet hat.

Dieses gottgegebene Muster für Männer und Frauen stärkt nicht nur Ehe und Familie, sondern es macht auch die Kirche stark, denn sie kann das Maß ihrer Erschaffung nur erfüllen, wenn beide – glaubenstreue Männer, die das Priestertum tragen, und rechtschaffene Frauen, die Freude daran haben, auf Weisung des Priestertums zu dienen – zusammenarbeiten. Ich erlebe diese Freude immer wieder.

Ich erinnere mich an eine Versammlung in Brasilien, wo ich eine Dolmetscherin hatte, die unsicher war, ob sie meine englische Ansprache ins Portugiesische übertragen konnte. Aber es stellte sich heraus, dass das Übersetzen recht gut klappte. Nach der Versammlung fand ich auch den Grund dafür heraus. Die präsidierende Generalautorität hatte sich nicht nur weit nach vorne gebeugt und nötigenfalls der Dolmetscherin das richtige Wort zugeflüstert, sondern auch einen anderen Priestertumsführer gebeten, die Versammlung über für uns beide zu beten.

Diese Generalautorität hatte ein Sicherheitsnetz geschaffen, so dass ich meine Aufgabe erfüllen konnte. Solche Sicherheitsnetze gibt es allenthalben, denn allenthalben gibt es auch die guten Werke rechtschaffener Männer und Frauen, die einander achten und Seite an Seite im Weinberg des Herrn die Sichel einschlagen und ernten. Wenn wir das Reich Gottes aufbauen wollen, müssen wir Männer und Frauen Gottes einander aufbauen. Es gibt keine Herausforderung – Aktivierung, Aktiverhaltung, Familie, was auch immer –, die wir nicht bewältigen können, wenn wir uns in den Ratsversammlungen beraten und einander helfen, die Bürde zu tragen.

Liebe junge Freunde, lernen Sie das Muster des Herrn für Männer und Frauen jetzt. Sinnen Sie über das nach, was die Schriften über Adam und Eva berichten, und finden Sie heraus, was der Herr Sie lehren will, damit Sie Ihre Ehe und Ihre Familie stärken und den Dienst in der Kirche besser machen können. Die jüng-sten verheerenden Ereignisse in den Vereinigten Staaten scheinen darauf hinzuweisen, dass schwere Zeiten vor uns liegen. Sie werden aber gekennzeichnet sein von Zuversicht und Mut, sofern sich die Männer und Frauen Ihrer Generation in Rechtschaffenheit zusammentun wie nie zuvor. Es gibt keine Grenzen für das, was sich erreichen lässt, wenn Mann und Frau gemeinsam unter der Leitung des Priestertums zusammenarbeiten.

Die Muster des himmlischen Vaters helfen uns, Täuschung zu entgehen. Blicken Sie auf den Herrn und nicht auf die Welt, um eine Vorstellung und ein Idealbild in Bezug auf Mann und Frau zu erhalten. Denn Sie, meine jungen Freunde, Sie sind die Mütter, die Väter, die Führerinnen und Führer, die für diese beispiellose Zeit aufbewahrt worden sind. Der himmlische Vater kennt Sie und weiß, dass Sie alles haben, was Sie brauchen, um sich der Welt zu stellen und furchtlos das Reich Gottes aufzubauen. Tun Sie es gemeinsam, denn es nicht gut, dass Mann oder Frau allein bleiben. Erbauen Sie einander, und gemeinsam werden Sie die herrliche Bürde des Erdenlebens tragen können und Herrlichkeit auf Ihr Haupt hinzugefügt bekommen für immer.18 Der Herr braucht rechtschaffene Männer und Frauen, um sein Reich aufzubauen. Ich weiß das. Gott ist unser Vater. Sein einziggezeugter Sohn ist der Messias. Dies ist ihr Werk und ihre Herrlichkeit. Im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Siehe Kohelet 4:9.

  2. Mose 3:18; siehe auch Abraham 5:14.

  3. 1 Korinther 11:11.

  4. 1 Petrus 5:8.

  5. LuB 52:14.

  6. Mose 5:1.

  7. Mose 5:27.

  8. Siehe 2 Nephi 2:20.

  9. Siehe Mose 5:12.

  10. Mose 5:4.

  11. Siehe Mose 5:12.

  12. Siehe LuB 109:22.

  13. Siehe LuB 131:1–4; LuB 132:19,20.

  14. The Teachings of Harold B. Lee, [1996], Seite 292.

  15. James E. Faust, „Was es bedeutet, eine Tochter Gottes zu sein“, Liahona, Januar 2000, Seite 120ff.

  16. Mose 4:12.

  17. Der Stern, „Der große Plan des Glücklichseins“, Januar 1994, Seite 68.

  18. Siehe Abraham 3:26.