Generalkonferenz
A Living Witness of the Living Christ
Frühjahrs-Generalkonferenz 2020


Ein lebendiger Zeuge für den lebendigen Christus

Die zentrale Botschaft des Buches Mormon besteht darin, die wahre Erkenntnis von der entscheidenden Rolle Jesu Christi bei der Errettung und Erhöhung der Menschheit wiederherzustellen

Im Frühjahr 2017, als am Paris-Tempel in Frankreich gerade die Tage der offenen Tür stattfanden, kam eines sonnigen Tages ein Mann mit bekümmerter Miene auf einen der Gästeführer zu. Der Mann erklärte, er wohne neben dem Tempel und sei ein aktiver Gegner des Tempelbaus gewesen. Eines Tages jedoch, so der Mann weiter, habe er aus dem Fenster gesehen und beobachtet, wie mit einem großen Kran eine Jesus-Statue aus dem Himmel herabgesenkt und sachte auf dem Tempelgelände abgesetzt wurde. Dieses Erlebnis, so der Mann, habe seine Empfindungen unserer Kirche gegenüber völlig verändert. Ihm wurde bewusst, dass wir ja Jesus Christus nachfolgen, und so bat er um Vergebung für den Schaden, den er vorher möglicherweise angerichtet hatte.

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Beim Paris-Tempel in Frankreich wird eine Statue aufgestellt

Die Christus-Statue, die das Gelände des Paris-Tempels und andere Grundstücke der Kirche ziert, zeugt von unserer Liebe zum Erretter. Das Original der Marmorstatue schuf der dänische Bildhauer Bertel Thorvaldsen im Jahr 1820 – dem Jahr, in dem sich auch die erste Vision zutrug. Die Statue steht in krassem Kontrast zu den meisten Kunstwerken jener Zeit, die vor allem den leidenden Christus am Kreuz darstellten. Thorvaldsens Werk zeigt den lebendigen Christus, der den Sieg über den Tod errang und mit offenen Armen alle einlädt, zu ihm zu kommen. Nur die Nägelmale in seinen Händen und Füßen und die Wunde in seiner Seite zeugen von den unbeschreiblichen Qualen, die er ertrug, um die ganze Menschheit zu erretten.

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Die Hand des Erretters, wie sie an der Christus-Statue dargestellt ist

Vielleicht gefällt uns Mitgliedern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage die Statue unter anderem deshalb so gut, weil sie uns daran erinnert, wie das Erscheinen des Erretters auf dem amerikanischen Kontinent im Buch Mormon geschildert wird:

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Jesus Christus erscheint in Amerika

„Und siehe, sie sahen einen Mann aus dem Himmel herabkommen; und er war in ein weißes Gewand gekleidet; und er kam herab und stand in ihrer Mitte[.]

Und es begab sich: Er streckte seine Hand aus und sprach zum Volk, nämlich:

Siehe, ich bin Jesus Christus[.]

Und ich habe aus jenem bitteren Kelch getrunken, den der Vater mir gegeben hat, und habe den Vater verherrlicht, indem ich die Sünden der Welt auf mich genommen habe.“1

Dann bat er jeden Einzelnen, ob Mann, ob Frau, ob Kind, zu ihm zu kommen und die Hände in seine Seite zu legen und die Nägelmale in seinen Händen und Füßen zu ertasten, um dadurch selbst ein Zeugnis davon zu erlangen, dass er tatsächlich der lang erwartete Messias war.2

Diese erhabene Szene bildet den Höhepunkt des Buches Mormon. Die gesamte frohe Botschaft des Evangeliums ist in diesem Bild vom Erretter enthalten: Liebevoll streckt er jedem Einzelnen die „Arme der Barmherzigkeit“3 entgegen und lädt ihn ein, zu ihm zu kommen und die Segnungen des Sühnopfers zu empfangen.

Die zentrale Botschaft des Buches Mormon besteht darin, die wahre Erkenntnis von der entscheidenden Rolle Jesu Christi bei der Errettung und Erhöhung der Menschheit wiederherzustellen. Dieses Motiv schimmert vom Titelblatt bis hin zu den allerletzten Worten im letzten Kapitel durch. In den vielen Jahrhunderten des Abfalls vom Glauben und geistiger Verwirrung war die tiefere Bedeutung von dem, was Christus in Getsemani und auf Golgota vollbracht hatte, verlorengegangen oder verdreht worden. Wie aufgeregt muss Joseph Smith gewesen sein, als er 1 Nephi übersetzte und auf diese erstaunliche Verheißung stieß: „Diese letzten Aufzeichnungen [nämlich das Buch Mormon] sollen die Wahrheit der ersten [die der Bibel] bestätigen … und sollen das Klare und Kostbare, das daraus weggenommen worden ist, kundtun und sollen allen Geschlechtern, Sprachen und Völkern kundtun, dass das Lamm Gottes der Sohn des ewigen Vaters und der Erretter der Welt ist und dass alle Menschen zu ihm kommen müssen, sonst können sie nicht errettet werden.“4

Klare und kostbare Wahrheiten im Hinblick auf das Sühnopfer des Erretters durchwehen das ganze Buch Mormon. Während ich nun einige dieser Wahrheiten aufzähle, denken Sie doch bitte einmal darüber nach, inwiefern diese Ihr Leben verändert haben oder es verändern könnten.

  1. Das Sühnopfer Jesu Christi ist ein Geschenk an alle, die auf Erden gelebt haben, derzeit leben oder noch leben werden.5

  2. Der Messias hat nicht nur die Last unserer Sünden getragen, sondern auch unseren Kummer, unsere Schwächen, unser Leid, unsere Krankheiten und alle Arten von Bedrängnis, die man als Sterblicher erleben kann, auf sich genommen. Es gibt keine Seelenqual, kein Leid, keine Betrübnis, die er nicht für uns durchlitten hätte.6

  3. Dank des Sühnopfers des Erretters können wir die negativen Folgen des Falls Adams überwinden, so auch den leiblichen Tod. Dank Christus wird allen Kindern Gottes, die auf dieser Erde geboren wurden, unabhängig von ihrer Rechtschaffenheit der Segen zuteil, dass durch die Macht der Auferstehung7 ihr Geist und ihr Körper wiedervereinigt werden und sie zu Gott zurückkehren, „um gemäß ihren Werken gerichtet zu werden“8.

  4. Im Gegensatz dazu hängt es davon ab, wie eifrig9 wir nach der „Lehre von Christus“10 leben, ob wir sämtliche Segnungen des Sühnopfers des Erretters erlangen. In seinem Traum sah Lehi den „engen und schmalen Pfad“11, der zum Baum des Lebens führt. Die Frucht davon, die die Liebe Gottes darstellt, wie sie durch die außerordentlichen Segnungen des Sühnopfers Christi zum Ausdruck kommt, ist „überaus kostbar und … überaus begehrenswert [und ist] die größte aller Gaben Gottes“12. Um diese Frucht erhalten zu können, müssen wir Glauben an Jesus Christus ausüben, umkehren, „auf das Wort Gottes höre[n]“13, die notwendigen heiligen Handlungen empfangen und bis an unser Lebensende heilige Bündnisse halten.14

  5. Durch sein Sühnopfer hat Jesus Christus nicht nur unsere Sünden fortgewaschen, sondern er stattet seine Jünger auch mit helfender Macht aus, dank der sie „den natürlichen Menschen ableg[en]“15, „Zeile um Zeile“16 Fortschritt machen und an Heiligkeit zunehmen17 können. Dies wiederum ermöglicht es ihnen, eines Tages vollkommene Wesen im Abbild Christi zu werden,18 würdig, wieder bei Gott zu leben19 und alle Segnungen des Himmelreichs zu ererben.20

Eine weitere tröstliche Wahrheit, die wir im Buch Mormon finden, ist die, dass das Sühnopfer des Herrn, obgleich es von ewiger und unbegrenzter Reichweite ist, auch ein ganz persönliches, privates, auf jeden individuell zugeschnittenes Geschenk ist.21 So, wie Jesus einen jeden der nephitischen Jünger aufforderte, seine Wunden zu berühren, starb er für jeden von uns ganz persönlich – als wären Sie oder ich der einzige Mensch auf Erden. Er spricht an uns ganz persönlich die Einladung aus, zu ihm zu kommen und die herrlichen Segnungen seines Sühnopfers in Anspruch zu nehmen.22

Dass das Sühnopfer Christi etwas ganz Persönliches ist, tritt noch deutlicher zutage, wenn wir das Beispiel der bemerkenswerten Frauen und Männer betrachten, von denen im Buch Mormon berichtet wird. Dazu zählen Enos, Alma, Zeezrom, König Lamoni und seine Frau sowie das Volk König Benjamins. Die Geschichten ihrer Bekehrung und ihre kraftvollen Zeugnisse sind ein lebendiges Zeugnis dafür, dass dank der grenzenlosen Güte und Barmherzigkeit des Herrn unser Herz sich wandeln und unser Leben sich von Grund auf ändern kann.23

Der Prophet Alma stellte seinem Volk diese dringliche Frage: „Wenn ihr eine Herzenswandlung erlebt habt und wenn euch so zumute gewesen ist, als solltet ihr den Gesang der erlösenden Liebe singen, so frage ich euch: Ist euch auch jetzt danach zumute?“24 Diese Frage ist heutzutage von entscheidender Bedeutung, denn als Jünger des Herrn brauchen wir jeden einzelnen Tag seine erlösende Macht, die uns begleitet, motiviert und ändert.

Man könnte Almas Frage auch so umformulieren: Wann haben Sie das letzte Mal den wunderbaren Einfluss des Sühnopfers Christi in Ihrem Leben gespürt? Dies ist der Fall, wenn die Freude, die Sie verspüren, außerordentlich und süß25 ist und Ihnen tief im Innern bestätigt, dass Ihnen Ihre Sünden vergeben wurden, oder wenn eine schmerzliche Prüfung plötzlich leichter zu ertragen ist, oder wenn Ihr Herz erweicht wird und Sie jemandem, der Sie verletzt hat, sagen können: „Ich vergebe dir.“ Es kann auch jedes Mal der Fall sein, wenn Sie bemerken, dass Ihre Fähigkeit, andere zu lieben und ihnen zu dienen, größer geworden ist, oder dass die voranschreitende Heiligung Sie zu einem anderen Menschen werden lässt, dem Beispiel des Erretters immer ähnlicher.26

Ich bezeuge, dass man all das wirklich erleben kann, und dies belegt, dass man sein Leben durch Glauben an Jesus Christus und an dessen Sühnopfer ändern kann. Das Buch Mormon verdeutlicht dieses göttliche Geschenk und erweitert unsere Erkenntnis darüber. Wenn Sie sich in dieses Buch vertiefen, werden Sie die Stimme des lebendigen Christus hören, die Sie einlädt, zu ihm zu kommen. Ich verheiße Ihnen: Wenn Sie dieser Einladung folgen und Ihr Leben an seinem Beispiel ausrichten, wird sein erlösender Einfluss in Ihr Leben treten. Durch die Macht des Heiligen Geistes wird der Erretter Sie wandeln, Tag um Tag, „bis zum vollkommenen Tag“27, an dem Sie dann, so wie er es verkündet hat, „mein Angesicht sehen und wissen [werden], dass ich bin“28. Im Namen Jesu Christi. Amen.