Generalkonferenz
Das Hervorkommen des Buches Mormon
Frühjahrs-Generalkonferenz 2020


Das Hervorkommen des Buches Mormon

Die historischen Tatsachen und die besonderen Zeugen für das Buch Mormon bestätigen, dass das Hervorkommen dieses Buches tatsächlich ein Wunder war

Als der Prophet Joseph Smith einmal mit den Ältesten der Kirche zusammenkam, erklärte er: „Man nehme uns das Buch Mormon und die Offenbarungen, und wo ist dann unsere Religion? Wir haben keine mehr.“1 Meine lieben Brüder und Schwestern, nach der ersten Vision ist das wundersame Hervorkommen des Buches Mormon der zweite wichtige Meilenstein der sich immer weiter entfaltenden Wiederherstellung des Evangeliums Jesu Christi in dieser Evangeliumszeit. Das Buch Mormon zeugt von Gottes Liebe zu seinen Kindern, vom selbstlosen und göttlichen Sühnopfer des Herrn Jesus Christus und von dessen alles überragendem Wirken unter den Nephiten kurz nach seiner Auferstehung.2 Es zeugt auch davon, dass durch das Werk Gottes in den Letzten Tagen der Überrest des Hauses Israel eins werden wird und nicht für immer verstoßen ist.3

Wenn wir uns mit dem Hervorkommen dieses heiligen Buches in den Letzten Tagen befassen, erkennen wir, dass dieses ganze Unterfangen ein Wunder war – wie etwa der Prophet Joseph Smith die Goldplatten von einem heiligen Engel erhielt bis hin zu ihrer Übersetzung durch die „Gabe und Macht Gottes“4, ihrer Bewahrung und ihrer Veröffentlichung durch die Hand des Herrn.

Das Hervorkommen des Buches Mormon begann schon lange bevor Joseph Smith die Goldplatten aus den Händen des Engels Moroni erhielt. Propheten aus alter Zeit sagten voraus, dass dieses heilige Buch in unserer Zeit bekannt sein werde.5 Jesaja sprach von einem versiegelten Buch und davon, dass die Menschen zur Zeit seines Erscheinens über das Wort Gottes streiten würden. In ebendiesen Umständen sollte Gott sein „wunderbares Werk und ein Wunder“ vollbringen. Dadurch sollten „die Weisheit [der] Weisen und Gelehrten … zugrunde gehen“ und „das Verständnis [der] Klugen … verborgen werden“, während die Freude der Sanftmütigen im Herrn zunehmen sollte „und die Armen unter den Menschen … sich am Heiligen Israels erfreuen“ sollten.6 Ezechiel sprach davon, dass das Holz Judas (die Bibel) und das Holz Efraims (das Buch Mormon) zusammengefügt werden würden. Sowohl Ezechiel (im Alten Testament) wie auch Lehi (im Buch Mormon) weisen darauf hin, dass beide „zusammenwachsen“ würden, sodass falsche Lehren zuschanden werden würden, Friede aufgerichtet werden würde und wir zur Erkenntnis der Bündnisse gebracht werden würden.7

Am Abend des 21. Septembers 1823, dreieinhalb Jahre nach der ersten Vision, erschien Joseph als Antwort auf dessen innige Gebete dreimal der Engel Moroni, der letzte Prophet der Nephiten im alten Amerika. Im Verlauf seiner Besuche, die sich über die ganze Nacht erstreckten, sagte Moroni zu Joseph, Gott habe ein wunderbares Werk, das er, Joseph, verrichten solle: die Übersetzung und weltweite Veröffentlichung der Worte, die inspirierte Propheten auf dem amerikanischen Kontinent vor alters niedergeschrieben hatten.8 Tags darauf begab sich Joseph zu dem Ort, nicht weit entfernt von seinem Elternhaus, wo Moroni die Platten Jahrhunderte zuvor gegen Ende seines Lebens vergraben hatte. Dort sah Joseph Moroni erneut, und dieser trug ihm auf, sich darauf vorzubereiten, die Platten zu einem späteren Zeitpunkt zu erhalten.

In den folgenden vier Jahren, immer am 22. September, erhielt Joseph von Moroni weitere Anweisungen und Auskunft darüber, wie das Reich des Herrn in den Letzten Tagen zu leiten sei. Zu Josephs Vorbereitung gehörte auch der Besuch von Engeln Gottes, worin die Erhabenheit und Herrlichkeit all dessen, was sich in dieser Evangeliumszeit zutragen sollte, offenbar wurde.9

Josephs Eheschließung mit Emma Hale im Jahr 1827 gehörte ebenfalls zu dieser Vorbereitung. Emma spielte im Leben und Wirken des Propheten eine wichtige Rolle und unterstützte ihn beständig. Sie war es auch, die Joseph im September 1827 zu dem Hügel begleitete, wo die Platten verborgen waren, und auf ihn wartete, als der Engel Moroni den Bericht an Joseph übergab. Joseph wurde verheißen, dass die Platten geschützt sein würden, wenn er alle Kräfte dafür einsetzen wolle, sie sicher zu verwahren, bis sie in die Hände Moronis zurückgegeben würden.10

Meine lieben Freunde im Evangelium, wenn heutzutage eine große Entdeckung gemacht wird, geschieht dies meist bei einer archäologischen Ausgrabung oder gar zufällig bei Bauarbeiten. Doch Joseph Smith wurde von einem Engel zu den Platten geführt. Schon dies allein war ein Wunder.

Die Übersetzung des Buches Mormon war ebenfalls ein Wunder. Dieser heilige alte Bericht wurde nicht in der herkömmlichen Weise „übersetzt“, die darin besteht, dass Gelehrte erst eine alte Sprache erlernen, um einen Text aus alten Zeiten zu übersetzen. Wir müssen diesen Vorgang eher als „Offenbarung“ unter Zuhilfenahme der vom Herrn bereitgestellten Instrumente betrachten denn als „Übersetzung“ eines Sprachkundigen. Joseph Smith erklärte: „Durch die Macht Gottes übersetzte ich das Buch Mormon von [Hieroglyphen], deren Bedeutung die Welt nicht mehr kannte. Bei dieser wunderbaren Arbeit stand ich allein da – ein ungebildeter junger Mann, der mit einer neuen Offenbarung die weltliche Weisheit und die vervielfachte Unwissenheit aus 18 Jahrhunderten bekämpfen sollte.“11 Die Hilfe des Herrn bei der Übersetzung – oder sozusagen der Offenbarung – der Platten ist ebenso offenkundig, wenn man bedenkt, in welch unglaublich kurzer Zeit Joseph Smith die Übersetzung fertigstellte.12

Josephs Schreiber bezeugten, dass bei der Übersetzungsarbeit am Buch Mormon die Macht Gottes offenbar wurde. Oliver Cowdery sagte einmal: „Das waren unvergessliche Tage – dazusitzen und einer Stimme lauschen zu dürfen, die unter der Eingebung des Himmels sprach, das erweckte in meinem Herzen tiefste Dankbarkeit! Tag für Tag, ohne Unterbrechung, schrieb ich immerfort nieder, was aus seinem Mund kam, als er … das Buch Mormon … übersetzte.“13

Aus historischen Quellen geht hervor, dass von dem Augenblick an, als Joseph die Platten 1827 erhielt, mehrfach versucht wurde, sie ihm zu stehlen. Er selbst merkte an, dass „die heftigsten Anstrengungen unternommen wurden, [mir die Platten] wegzunehmen“, und dass zu diesem Zweck „jede nur erdenkliche List … angewandt [wurde]“14. Um die Übersetzungsarbeit aufnehmen zu können, waren Joseph und Emma schließlich gezwungen, von Manchester im Bundesstaat New York nach Harmony in Pennsylvania zu ziehen, auf der Suche nach einem sicheren Ort fern vom Pöbel und von anderen Leuten, die die Platten stehlen wollten.15 Ein Historiker schrieb: „So endete die erste schwierige Phase, in der Joseph für den Schutz der Platten verantwortlich war. … Doch der Bericht war nun in Sicherheit und bei all seinen Mühen, ihn zu bewahren, hatte Joseph zweifellos über die Wege Gottes und die der Menschen vieles gelernt, was ihm in Zukunft noch sehr nützlich sein sollte.“16

Beim Übersetzen des Buches Mormon erfuhr Joseph, dass der Herr Zeugen auswählen würde, die die Platten sehen sollten.17 Dies war ein Teil dessen, was der Herr selbst festgelegt hatte, als er sagte, dass eine Sache durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden solle.18 Oliver Cowdery, David Whitmer und Martin Harris gehörten zu denen, die Joseph praktisch von Anfang an dabei zur Seite gestanden hatten, das wunderbare Werk Gottes in dieser Evangeliumszeit aufzubauen. Sie wurden als die ersten Zeugen berufen, die der Welt ein besonderes Zeugnis für das Buch Mormon ablegen sollten. Sie bezeugten, dass ein Engel, der aus der Gegenwart des Herrn herabgekommen war, ihnen den alten Bericht gezeigt hatte und dass sie die Schriftzeichen gesehen hatten, die in die Platten eingraviert waren. Sie bezeugten ferner, dass sie die Stimme Gottes aus dem Himmel vernommen hatten, die bestätigte, dass der alte Bericht mit der Gabe und Macht Gottes übersetzt worden war. Dann wurde ihnen geboten, der ganzen Welt dafür Zeugnis abzulegen.19

Auf wunderbare Weise berief der Herr weitere acht Zeugen, die die Goldplatten sehen und als besondere Zeugen der Welt bestätigen sollten, dass das Buch Mormon wahr ist und von Gott stammt. Sie bezeugten, dass sie die Platten und die darauf eingravierten Schriftzeichen gesehen und eingehend begutachtet hatten. Trotz Widerstand, Verfolgung und allerart Schwierigkeiten und obwohl einige von ihnen später sogar im Glauben wankten, verleugneten diese elf erwählten Zeugen des Buches Mormon niemals, dass sie die Platten gesehen hatten. Joseph Smith war nun mit seinem Wissen um das Erscheinen Moronis und die goldenen Platten nicht mehr allein.

Lucy Mack Smith berichtete, dass ihr Sohn, nachdem den Zeugen die Platten gezeigt worden waren, überglücklich nach Hause gekommen sei. Joseph sagte seinen Eltern: „Mir ist, als sei eine Last von mir genommen, die mir fast zu schwer war, und es erfreut meine Seele, dass ich damit nicht mehr ganz allein auf der Welt bin.“20

Joseph Smith stieß auf viel Widerstand, als das Buch Mormon nach Beendigung der Übersetzungsarbeit gedruckt werden sollte. Er konnte einen Drucker namens Egbert B. Grandin in Palmyra erst dafür gewinnen, den Auftrag anzunehmen, nachdem Martin Harris großen Glauben und Opferbereitschaft an den Tag gelegt und als Kreditsicherheit für die Druckkosten seine Farm verpfändet hatte. Teils wegen des Widerstands, der sich nach der Veröffentlichung des Buches Mormon weiterhin regte, verkaufte Martin Harris in treuem Glauben gut 60 Hektar Land, um für die Publikationskosten aufzukommen. Durch eine Offenbarung an Joseph Smith wurde Martin Harris vom Herrn angewiesen, seinen Besitz nicht zu begehren und die Druckkosten für das Buch, das „die Wahrheit und das Wort Gottes enthält“21, zu begleichen. Im März 1830 wurden die ersten 5000 Exemplare des Buches Mormon veröffentlicht. Bis heute sind über 180 Millionen Exemplare in über 100 Sprachen gedruckt worden.

Die historischen Tatsachen und die besonderen Zeugen für das Buch Mormon bestätigen, dass das Hervorkommen dieses Buches tatsächlich ein Wunder war. Und doch beruht die Kraft dieses Buchs nicht nur auf seiner einmaligen Geschichte, sondern auch auf der darin enthaltenen kraftvollen, unvergleichlichen Botschaft, die das Leben zahlloser Menschen verändert hat – auch meines!

Ich habe das Buch Mormon zum ersten Mal als junger Seminarschüler von vorn bis hinten gelesen. Der Empfehlung meiner Lehrer folgend, begann ich bei den Seiten mit den einleitenden Worten. Die Verheißung auf den ersten Seiten des Buches Mormon ist mir noch immer im Gedächtnis: „Denk in deinem Herzen nach und frage dann Gott voller Glauben und im Namen Christi, ob das Buch wahr ist. Wer dies tut, wird durch die Macht des Heiligen Geistes ein Zeugnis von dessen Wahrheit und Göttlichkeit erlangen.“22

Mit dieser Verheißung im Sinn, ernsthaft bestrebt, mehr über dessen Wahrheit zu erfahren, und gebeterfüllt studierte ich das Buch Mormon, Schritt um Schritt, und erledigte die wöchentlichen Aufgaben zu den Seminarlektionen. Ich weiß noch, als wäre es erst gestern gewesen, dass ein warmes Gefühl allmählich meine Seele und mein Herz erfüllte, meinen Verstand erleuchtete und immer herrlicher wurde – so wie Alma es beschrieb, als er seinem Volk das Wort Gottes predigte.23 Dieses Gefühl wandelte sich schließlich in Wissen, schlug in meinem Herzen Wurzeln und wurde zum Fundament meines Zeugnisses von den bedeutsamen Ereignissen und Lehren, die in diesem heiligen Buch festgehalten sind.

Durch diese unbezahlbaren persönlichen Erfahrungen ist das Buch Mormon tatsächlich zu dem Schlussstein geworden, der meinen Glauben an Jesus Christus und mein Zeugnis von den Lehren seines Evangeliums stützt. Es ist eine der Säulen geworden, die mir das göttliche Sühnopfer Christi bestätigt. Es ist mir mein ganzes Leben hindurch ein Schild gegen die Vorstöße des Widersachers geworden, meinen Glauben zu schwächen und mir Unglauben in den Kopf zu setzen, und gibt mir Mut, der Welt unerschrocken mein Zeugnis vom Erretter zu verkünden.

Meine lieben Freunde, mein Zeugnis vom Buch Mormon gelangte als ein Wunder Zeile um Zeile24 in mein Herz. Bis zum heutigen Tag wächst dieses Zeugnis, da ich immer noch beständig und aufrichtigen Herzens bestrebt bin, das Wort Gottes, wie es in dieser außergewöhnlichen heiligen Schrift enthalten ist, besser zu verstehen.

Alle, die mich heute hören, fordere ich auf, in ihrem eigenen Leben Anteil am wunderbaren Hervorkommen des Buches Mormon zu haben. Ich verheiße Ihnen: Wenn Sie die Worte darin gebeterfüllt und beständig studieren, können Sie die darin enthaltenen Verheißungen und reichen Segnungen in Ihrem Leben erhalten. Ich bekräftige erneut die Verheißung, die aus allen Seiten spricht: Wenn Sie „Gott, den ewigen Vater, im Namen Christi [fragen], ob es wahr ist; und wenn [Sie] mit aufrichtigem Herzen, mit wirklichem Vorsatz [fragen] und Glauben an Christus [haben]“, wird er Ihnen in seiner Barmherzigkeit „durch die Macht des Heiligen Geistes kundtun, dass es wahr ist“25. Ich kann Ihnen versichern, dass er Ihnen die Antwort auf ganz individuelle Weise geben wird, so wie er es bei mir und bei vielen anderen überall auf der Welt getan hat. Diese Erfahrung wird für Sie genauso herrlich und heilig sein wie es Joseph Smiths Erfahrungen für ihn waren, ebenso wie es bei den ersten Zeugen der Fall war und bei allen, die ein Zeugnis von der Echtheit und Glaubwürdigkeit dieses heiligen Buches erlangen wollten.

Ich gebe Zeugnis, dass das Buch Mormon tatsächlich das Wort Gottes ist. Ich bezeuge, dass dieser heilige Bericht „die Lehren des Evangeliums [darlegt,] den Plan der Errettung [umreißt und] den Menschen [erklärt], was sie tun müssen, um Frieden in diesem Leben zu erlangen und ewige Errettung im künftigen Leben“26. Ich bezeuge, dass das Buch Mormon Gottes Werkzeug ist, die Sammlung Israels in unserer Zeit zustande zu bringen und den Menschen zu helfen, seinen Sohn, Jesus Christus, kennenzulernen. Ich weiß, dass Gott lebt und uns liebt und dass sein Sohn Jesus Christus der Erretter der Welt ist, der Schlussstein unserer Religion. Ich sage dies im heiligen Namen unseres Erlösers, unseres Meisters und unseres Herrn, ja, Jesus Christus. Amen.