Generalkonferenz
Sollen wir in einer so großen Sache nicht vorwärtsgehen?
Frühjahrs-Generalkonferenz 2020


Sollen wir in einer so großen Sache nicht vorwärtsgehen?

Wir sollten wir immer an den Preis denken, den Joseph und Hyrum Smith zusammen mit so vielen anderen treuen Männern, Frauen und Kindern gezahlt haben, um die Kirche aufzurichten

Vielen Dank, Präsident, für diesen wunderbaren Auftakt. Brüder und Schwestern, vor 215 Jahren wurde Joseph und Lucy Mack Smith in Vermont in einer Region im Nordosten der USA, die als Neuengland bekannt ist, ein kleiner Junge geboren.

Joseph und Lucy Mack glaubten an Jesus Christus, befassten sich mit den heiligen Schriften, beteten aufrichtig und wandelten im Glauben an Gott.

Sie nannten ihren neugeborenen Sohn Joseph Smith Jr.

Brigham Young hat über die Familie Smith gesagt: „Der Blick des Herrn ruhte auf [Joseph Smith] und auf seinem Vater und auf seinem Vatersvater und auf allen ihren Vorfahren – bis hin zu Abraham und von Abraham bis zur Flut, von der Flut bis zu Henoch und von Henoch bis zu Adam. Er wachte über die Familie und über das Blut, das seit der Quelle bis zu diesem Mann in ihren Adern fließt. [Joseph Smith] wurde in der Ewigkeit … vorherordiniert.“1

Joseph Jr. wurde von seiner Familie sehr geliebt; besonders nahe stand er seinem älteren Bruder Hyrum, der fast sechs Jahre alt war, als Joseph geboren wurde.

Letzten Oktober saß ich neben der Kaminplatte in dem kleinen Haus der Familie Smith in Sharon in Vermont, wo Joseph geboren wurde. Ich spürte Hyrums große Zuneigung zu Joseph, und ich stellte mir vor, wie er seinen kleinen Bruder in den Armen hielt und wie er ihm das Laufen beibrachte.

Vater und Mutter Smith erlitten Rückschläge, die sie zu häufigen Umzügen mit der Familie zwangen, ehe sie Neuengland schließlich hinter sich ließen und die mutige Entscheidung trafen, weiter nach Westen in den Bundesstaat New York zu ziehen.

Weil die Familie vereint war, überstanden sie diese Schwierigkeiten und stellten sich gemeinsam der ernüchternden Aufgabe, auf einem vierzig Hektar großen bewaldeten Grundstück in Manchester in der Nähe von Palmyra neu anzufangen.

Ich bin mir nicht sicher, ob viele von uns sich der körperlichen und seelischen Herausforderungen bewusst sind, die sich für die Familie Smith aus diesem Neuanfang ergaben – die Rodung von Land, das Anpflanzen von Obst und Getreide, der Bau eines kleinen Blockhauses und anderer Hofeinrichtungen, die Arbeit als Tagelöhner und die Herstellung hausgemachter Produkte, die in der Stadt verkauft werden konnten.

Als die Familie im Westen New Yorks eintraf, war die Gegend von religiösem Eifer entflammt – bekannt als die zweite große Erweckungsbewegung.

In dieser Zeit der Auseinandersetzungen und Streitigkeiten zwischen religiösen Strömungen hatte Joseph eine erstaunliche Vision, die wir heute als erste Vision bezeichnen. Uns liegen vier vorrangige Schilderungen vor, auf die ich mich heute stütze.2

Joseph hielt fest: „In dieser Zeit großer [religiöser] Erregung wurde mein Sinn von ernstem Nachdenken und innerer Unruhe bewegt; zwar nahm ich lebhaften Anteil und hatte sehr ausgeprägte Gefühle, aber ich hielt mich doch von allen diesen Parteien fern, wenn ich auch ihre verschiedenen Versammlungen besuchte, sooft sich mir die Gelegenheit bot. … Die Verwirrung und der Streit zwischen den verschiedenen Konfessionen [waren aber so groß], dass es für einen jungen Menschen wie mich, der mit Menschen und Dingen wenig Erfahrung hatte, gar nicht möglich war, mit Sicherheit zu entscheiden, wer nun Recht und wer Unrecht hatte.“3

Joseph suchte in der Bibel nach Antworten auf seine Fragen und las in Jakobus 1:5: „Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, so erbitte er sie von Gott, der allen gern gibt und keine Vorwürfe macht; dann wird sie ihm gegeben werden.“4

Er berichtete: „Nie ist einem Menschen eine Schriftstelle mit mehr Macht ins Herz gedrungen als diese damals mir. Es war so, als ergieße sie sich mit großer Stärke in jede Regung meines Herzens. Wieder und wieder dachte ich darüber nach.“5

Joseph erkannte, dass die Bibel nicht alle Antworten auf die Fragen des Lebens enthielt; vielmehr zeigte sie den Menschen auf, wie man Antworten auf Fragen finden kann, nämlich indem man im Gebet direkt mit Gott kommuniziert.

Er schrieb weiter: „Also zog ich mich gemäß diesem meinem Entschluss, Gott zu bitten, in den Wald zurück, um den Versuch zu machen. Es war an einem strahlend schönen Morgen in den ersten Frühlingstagen achtzehnhundertzwanzig.“6

Kurz darauf, berichtete Joseph, „[ruhte eine Säule aus] Licht auf mir [und ich sah] zwei Personen von unbeschreiblicher Helle und Herrlichkeit über mir in der Luft stehen. Eine von ihnen redete mich an, nannte mich beim Namen und sagte, dabei auf die andere deutend: [Joseph,] dies ist mein geliebter Sohn. Ihn höre!“7

Daraufhin sagte der Erretter: „Joseph, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. Gehe deines Weges, handle nach meinen Satzungen und halte meine Gebote. Siehe, ich bin der Herr der Herrlichkeit. Ich bin für die Welt gekreuzigt worden, damit alle, die an meinen Namen glauben, ewiges Leben haben können.“8

Joseph berichtete weiter: „Sobald ich mich so weit gefasst hatte, dass ich imstande war zu sprechen, fragte ich … die über mir im Licht stehenden Personen, welche von allen Glaubensgemeinschaften die richtige sei.“9

Er hielt fest: „Sie sagten mir, keine Glaubensgemeinschaft glaube an die wahre Lehre und Gott erkenne keine von ihnen als seine Kirche und sein Reich an. … Zugleich [wurde mir verheißen,] dass mir die Fülle des Evangeliums zu einem späteren Zeitpunkt kundgetan werden solle.“10

Joseph Smith vermerkte außerdem: „Bei dieser Vision sah ich viele Engel.“11

Nach dieser herrlichen Vision schrieb Joseph: „Meine Seele war von Liebe erfüllt; und viele Tage lang verspürte ich die allergrößte Freude. … Der Herr war mit mir.“12

Als er den heiligen Hain verließ, begann seine Vorbereitung darauf, ein Prophet Gottes zu werden.

Nach und nach erlebte Joseph auch, was den Propheten in alter Zeit widerfahren war: Ablehnung, Widerstand und Verfolgung. Joseph erinnerte sich an einen Geistlichen, der bei der Erweckungsbewegung sehr rührig war und dem er erzählte, was er gesehen und gehört hatte:

„Ich war von seinem Benehmen sehr überrascht, denn er nahm meine Mitteilung nicht nur geringschätzig auf, sondern sogar mit großer Verachtung: Er sagte, das sei alles vom Teufel, so etwas wie Visionen oder Offenbarungen gebe es in diesen Tagen nicht mehr, das hätte alles mit den Aposteln aufgehört, und es würde so etwas nie wieder geben.

Ich musste jedoch bald feststellen, dass ich durch das Erzählen meiner Geschichte bei den Glaubensbekennern sehr viel Vorurteil gegen mich weckte und viel Verfolgung verursachte, die ständig zunahm; … und das hatten alle Glaubensgemeinschaften gemeinsam – alle vereinigten sich, um mich zu verfolgen.“13

Drei Jahre später, 1823, öffneten sich die Himmel im Verlauf der fortdauernden Wiederherstellung des Evangeliums Jesu Christi in den Letzten Tagen erneut. Joseph hielt fest, dass ihm ein Engel namens Moroni erschien und sagte, „Gott habe eine Arbeit für mich zu tun [und dass] ein Buch verwahrt [sei], auf Goldplatten geschrieben“, das „die Fülle des immerwährenden Evangeliums [enthalte], wie es der Erretter den Bewohnern [Amerikas] vor alters gebracht habe“.14

Schließlich erhielt, übersetzte und veröffentlichte Joseph den alten Bericht, der heute als Buch Mormon bekannt ist.

Sein Bruder Hyrum, der ihn beständig unterstützt hatte – besonders nach Josephs schmerzhafter, lebensbedrohlicher Beinoperation im Jahr 1813 –, war einer der Zeugen für die Goldplatten. Er war auch eines der sechs Gründungsmitglieder der Kirche Jesu Christi im Jahr 1830.

Im Laufe ihres Lebens stellten Joseph und Hyrum sich gemeinsam feindseligen Horden und der Verfolgung. Beispielsweise schmachteten sie im kalten Winter 1838/39 fünf Monate lang unter jämmerlichsten Bedingungen im Gefängnis zu Liberty in Missouri.

Im April 1839 schrieb Joseph seiner Frau Emma über ihre Situation im Gefängnis zu Liberty: „Ich glaube, ich bin nun schon fünf Monate und sechs Tage von diesen Wänden, Gittern und quietschenden Eisentüren in diesem einsamen, dunklen und schmutzigen Gefängnis umgeben und muss die Grimassen der Wächter Tag und Nacht ertragen. … Man wird uns in jedem Fall von diesem [Ort] verlegen, und darüber sind wir froh. Was auch aus uns werden mag, wir können in keinem Loch landen, das schlimmer ist als dieses hier. … Uns wird niemals wieder etwas auch nur im Geringsten nach Liberty im Kreis Clay in Missouri ziehen. Wir haben genug davon, um für immer davon zehren zu können.“15

Angesichts der Verfolgung stellte Hyrum Glauben an die Verheißungen des Herrn unter Beweis, unter anderem an die Zusicherung, dass er seinen Feinden entrinnen werde, wenn er es nur wolle. In einem Segen, den Hyrum 1835 unter den Händen Joseph Smiths empfing, verhieß ihm der Herr: „Du sollst die Macht haben, der Hand deiner Feinde zu entkommen. Man wird dir mit unerschöpflichem Eifer nach dem Leben trachten, aber du sollst entrinnen. Wenn es dir gefällt und du es wünschst, wirst du die Macht haben, dein Leben freiwillig niederzulegen, um Gott zu verherrlichen.“16

Im Juni 1844 stand Hyrum vor der Entscheidung, zu leben oder sein Leben niederzulegen, um Gott zu verherrlichen und „sein Zeugnis mit seinem Blut [zu] besiegeln“17 – Seite an Seite mit seinem geliebten Bruder Joseph.

Eine Woche vor der schicksalhaften Reise nach Carthage, wo sie von einer bewaffneten Bande von Feiglingen, die sich die Gesichter geschwärzt hatten, um nicht erkannt zu werden, kaltblütig ermordet wurden, notierte sich Joseph: „Ich riet meinem Bruder Hyrum, mit seiner Familie das nächste Dampfschiff zu besteigen und nach Cincinnati zu fahren.“

Es berührt mich immer wieder aufs Neue, wenn ich an Hyrums Antwort denke: „Joseph, ich kann dich nicht zurücklassen.“18

Also begaben Joseph und Hyrum sich nach Carthage, wo sie für die Sache und den Namen Christi zu Märtyrern wurden.

Die Worte, mit denen ihr Märtyrertod offiziell bekanntgegeben wurde, lauten: „Joseph Smith, der Prophet und Seher des Herrn, hat … das Buch Mormon hervorgebracht, das er durch die Gabe und Macht Gottes übersetzte, und ist das Werkzeug zu dessen Veröffentlichung in zwei Erdteilen gewesen; [er hat] die Fülle des immerwährenden Evangeliums, die darin enthalten ist, an die vier Enden der Erde gesandt; [er hat] die Offenbarungen und Gebote, die dieses Buch Lehre und Bündnisse bilden, hervorgebracht, dazu noch viele andere weise Dokumente und Belehrungen zum Nutzen der Menschenkinder; [er hat] viele tausend Heilige der Letzten Tage gesammelt, eine große Stadt gegründet und einen Namen und Ruf hinterlassen, der nicht getötet werden kann. … Und wie die meisten Gesalbten des Herrn in alter Zeit, so hat auch [Joseph] seine Mission und sein Werk mit seinem eigenen Blut besiegelt; gleichermaßen sein Bruder Hyrum. Im Leben waren sie vereint, und der Tod hat sie nicht getrennt!“19

Nach ihrer Ermordung wurden die Leichen Josephs und Hyrums nach Nauvoo zurückgebracht und dort gewaschen und eingekleidet, damit die Familie Smith von ihren Lieben Abschied nehmen konnte. Ihre liebe Mutter erinnerte sich: „Schon lange zuvor hatte ich jeden Nerv angespannt, alle Kraft, die meiner Seele innewohnte, zusammengenommen und Gott angefleht, mich zu stärken, doch als ich das Zimmer betrat und meine beiden ermordeten Söhne dort liegen sah und das Schluchzen und Seufzen meiner Angehörigen hörte und vernahm, wie die Lippen der Ehefrauen, Kinder und Geschwister tiefe Trauer zum Ausdruck brachten, hielt ich es nicht mehr aus. Ich sackte in mich zusammen und rief in meiner Seelenpein zum Herrn: ‚Mein Gott! Mein Gott! Warum hast du diese Familie verlassen?‘“20

In diesem Augenblick des Kummers und der Not erinnerte sie sich, dass ihre Söhne ihr gesagt hatten: „Mutter, weine nicht um uns. Wir haben die Welt durch Liebe überwunden.“21

Sie hatten die Welt wahrhaftig überwunden. Wie die treuen Heiligen, die im Buch Offenbarung beschrieben werden, sind Joseph und Hyrum Smith „aus der großen Bedrängnis [gekommen]; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht [und stehen] vor dem Thron Gottes und dienen ihm bei Tag und Nacht in seinem Tempel; und der, der auf dem Thron sitzt, wird sein Zelt über ihnen aufschlagen.

Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden und weder Sonnenglut noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten.

Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen.“22

Wenn wir nun diesen freudigen Anlass, den 200. Jahrestag der ersten Vision, begehen, sollten wir immer an den Preis denken, den Joseph und Hyrum Smith zusammen mit so vielen anderen treuen Männern, Frauen und Kindern gezahlt haben, um die Kirche aufzurichten, damit Sie und ich die vielen Segnungen und all die offenbarten Wahrheiten genießen können, die wir heute haben. Ihre Treue darf niemals in Vergessenheit geraten!

Ich habe mich oft gefragt, warum Joseph und Hyrum und ihre Familien so viel leiden mussten. Es kann sein, dass sie durch ihr Leid Gott in einer Weise kennengelernt haben, wie es andernfalls nicht möglich gewesen wäre. In ihrem Leid dachten sie über Getsemani und das Kreuz des Heilands nach. Paulus hat ja gesagt: „Denn euch wurde die Gnade zuteil, für Christus da zu sein, also nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch seinetwegen zu leiden.“23

Vor seinem Tod im Jahr 1844 schrieb Joseph einen begeisterten Brief an die Heiligen. Es war ein Aufruf zum Handeln, der auch heute noch für die Kirche gilt:

„Brüder [und Schwestern], sollen wir in einer so großen Sache nicht vorwärtsgehen? Geht vorwärts und nicht rückwärts! Mut, Brüder [und Schwestern], und auf, auf zum Sieg! …

Darum lasst uns, als Kirche und als Volk und als Heilige der Letzten Tage, dem Herrn in Rechtschaffenheit ein Opfer darbringen.“24

Wenn wir nun bei der Zweihundertjahrfeier an diesem Wochenende auf den Heiligen Geist hören, überlegen Sie, welches Opfer Sie dem Herrn in den kommenden Tagen in Rechtschaffenheit darbringen werden. Seien Sie mutig – erzählen Sie jemandem, dem Sie vertrauen, davon und nehmen Sie sich bitte vor allem die Zeit, es wahrzumachen!

Ich weiß, dass der Erretter sich freut, wenn wir ihm von Herzen ein Opfer in Rechtschaffenheit darbringen, so wie er sich über das von Glauben getragene Opfer dieser bemerkenswerten Brüder, Joseph und Hyrum Smith, und all der anderen treuen Heiligen gefreut hat. Dafür lege ich feierlich Zeugnis ab im hochheiligen Namen unseres Herrn Jesus Christus. Amen.