2010–2019
Persönliche Offenbarung und ein eigenes Zeugnis
Oktober 2011


Persönliche Offenbarung und ein eigenes Zeugnis

Wenn wir die Gebote eifrig halten und im Glauben bitten, erhalten wir Antwort vom Herrn auf seine Weise und zu der von ihm bestimmten Zeit.

Vor vielen Jahren, als ich noch studierte, hörte ich mir einmal die Generalkonferenz im Radio an, da wir in unserer kleinen Studentenwohnung keinen Fernseher hatten. Die Ansprachen gingen mir zu Herzen, und ich verspürte in reichem Maße den Heiligen Geist.

Ich weiß noch, dass eine Generalautorität über den Heiland und sein geistliches Wirken gesprochen und am Ende äußerst bewegend Zeugnis gegeben hat. Der Heilige Geist bestätigte mir damals, dass dieser Mann die Wahrheit gesagt hatte. Ich spürte damals zweifelsfrei, dass es den Erlöser wirklich gibt. Und mir war auch zweifelsfrei klar, dass ich soeben eine persönliche Offenbarung empfing, die mir bestätigte, „dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist“.1

Ich war mit acht Jahren getauft und konfirmiert worden und hatte die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Schon damals war sie ein großer Segen für mich gewesen, doch als ich heranwuchs und dabei mannigfache Erfahrungen mit der Gabe des Heiligen Geistes sammelte, wurde sie für mich immer wertvoller.

Wenn ein Kind zum Jugendlichen und dann zum Erwachsenen heranwächst, erlebt es so manche Herausforderung, die ihm bewusst macht, dass es Hilfe von Gott braucht, die es durch den Heiligen Geist erhält. In solch schweren Zeiten fragen wir uns vielleicht: „Wie lässt sich dieses Problem lösen?“, und „Woher weiß ich, was ich machen soll?“

Mir kommt dabei oft jene Begebenheit aus dem Buch Mormon in den Sinn, als Lehi seine Kinder im Evangelium unterwies. Er ließ sie viele Offenbarungen und Lehren darüber, was sich in den Letzten Tagen ereignen wird, wissen. Nephi bemühte sich um göttliche Führung, um das, was sein Vater gesagt hatte, besser verstehen zu können. Er wurde erbaut, gesegnet und mit der Erkenntnis erleuchtet, dass die Worte seines Vaters der Wahrheit entsprachen. Das versetzte Nephi in die Lage, die Gebote des Herrn noch sorgfältiger zu beachten und ein rechtschaffenes Leben zu führen. Er empfing persönliche Offenbarung und Führung.

Seine Brüder jedoch stritten miteinander, weil sie die Worte ihres Vaters nicht verstehen konnten. Daraufhin stellte ihnen Nephi eine grundlegende Frage: „Habt ihr den Herrn befragt?“2

Ihre Antwort klang nicht gerade überzeugend: „Das haben wir nicht; denn der Herr tut uns so etwas nicht kund.“3

Nephi nahm dies zum Anlass, seinen Brüdern zu erklären, wie man persönliche Offenbarung empfängt. Er sagte: „Erinnert ihr euch nicht dessen, was der Herr gesagt hat? – Wenn ihr euer Herz nicht verhärtet und mich im Glauben bittet, im Vertrauen darauf, dass ihr empfangen werdet, mit Eifer im Halten meiner Gebote, so wird euch dies gewisslich kundgetan werden.“4

Die Art und Weise, wie man persönliche Offenbarung empfängt, ist eigentlich recht klar: Wir müssen den Wunsch haben, Offenbarung zu empfangen, wir dürfen unser Herz nicht verhärten, wir müssen sodann im Glauben bitten und wirklich darauf vertrauen, dass wir eine Antwort erhalten werden, und schließlich müssen wir Gottes Gebote eifrig befolgen.

Wenn wir so vorgehen, bedeutet das aber nicht, dass uns nun jedes Mal, wenn wir Gott eine Frage stellen, sofort ganz genau gesagt wird, was wir tun sollen. Es bedeutet vielmehr: Wenn wir die Gebote eifrig halten und im Glauben bitten, erhalten wir Antwort vom Herrn auf seine Weise und zu der von ihm bestimmten Zeit.

Als Kind dachte ich, persönliche Offenbarung oder eine Antwort aufs Gebet bedeute, dass man eine Stimme hört. Manchmal wird einem Offenbarung auch tatsächlich dadurch gegeben, dass man eine Stimme vernimmt. Ich habe jedoch erkannt, dass der Geist auf vielerlei Weise zu uns spricht.

Im Buch Lehre und Bündnisse, Abschnitt 6, werden einige Arten beschrieben, wie wir Offenbarung empfangen:

„Du hast mich gefragt, und siehe, sooft du gefragt hast, hast du von meinem Geist Belehrung empfangen.“5

„Ich [habe] deinen Verstand erleuchtet.“6

„Habe ich deinem Sinn nicht Frieden in dieser Angelegenheit zugesprochen?“7

Auch in weiteren Schriftstellen erfahren wir mehr darüber, wie man Offenbarung empfängt:

„Ich werde es dir in deinem Verstand und in deinem Herzen durch den Heiligen Geist sagen, der über dich kommen wird und der in deinem Herzen wohnen wird. Nun siehe, dies ist der Geist der Offenbarung.“8

„Ich [werde] machen, dass dein Herz in dir brennt; darum wirst du fühlen, dass es recht ist.“9

„Ich werde dir von meinem Geist geben, der dir den Verstand erleuchten wird und der dir die Seele mit Freude erfüllen wird.“10

Sehr oft empfangen wir persönliche Offenbarung, wenn wir in den heiligen Schriften lesen, auf den Rat der Propheten und sonstigen Führer der Kirche hören und bestrebt sind, glaubenstreu und rechtschaffen zu leben. Manchmal empfangen wir Inspiration durch eine einzige Schriftstelle oder eine Zeile aus einer Konferenzansprache. Manchmal erhalten wir die Antwort, während die PV-Kinder ein schönes Lied singen. Auch das sind Formen der Offenbarung.

In den Anfangstagen der Wiederherstellung waren viele Mitglieder eifrig bestrebt, Offenbarung zu empfangen, und sie wurden gesegnet und es wurde ihnen eingegeben, was sie tun sollten.

Schwester Eliza R. Snow erhielt vom Propheten Brigham Young den Auftrag, sich an der Erbauung und Unterweisung der Schwestern in der Kirche zu beteiligen. Sie fand, „dass jede Frau Inspiration empfangen konnte, um für ihr Leben, ihre Familie und ihre Aufgaben in der Kirche Führung zu erhalten. Sie sagte: ‚Sagt den Schwestern, sie sollen darangehen, ihre Aufgaben in Demut und Glaubenstreue zu erfüllen, dann wird der Geist Gottes auf ihnen ruhen und sie werden in ihrer Arbeit gesegnet. Lasst sie nach Weisheit streben, nicht nach Macht, dann werden sie all die Macht haben, die sie dank ihrer Weisheit ausüben können.‘“11

Schwester Snow legte den Schwestern nahe, sich um Führung durch den Heiligen Geist zu bemühen. „Sie sagte, dass der Heilige Geist ‚jedes Sehnen des Herzens stillt und jede Leere füllt. Wenn ich von diesem Geist erfüllt bin …, ist meine Seele zufrieden.‘“12

Präsident Dieter F. Uchtdorf hat gesagt: „Offenbarung und ein Zeugnis empfängt man nicht unbedingt mit erdrückender Wucht. Viele erlangen ein Zeugnis ganz allmählich – Schritt für Schritt.“ Er sagte außerdem: „Bemühen wir uns doch aufrichtig um das Licht persönlicher Inspiration. Bitten wir den Herrn inständig, in unserem Verstand und unserer Seele den Funken Glauben zu entfachen, der uns befähigt, das göttliche Wirken des Heiligen Geistes … zu empfangen und zu erkennen.“13

Unser Zeugnis macht uns stark, damit wir uns den Herausforderungen des Alltags stellen können. Manche schlagen sich mit gesundheitlichen Beschwerden herum, andere haben finanzielle Schwierigkeiten oder stehen in der Ehe oder mit den Kindern vor Herausforderungen. Einige leiden unter Einsamkeit oder erleben, wie Hoffnungen und Träume ihnen zwischen den Fingern zerrinnen. In solch schweren, prüfungsreichen Zeiten ist es unser Zeugnis – zusammen mit unserem Glauben an den Herrn Jesus Christus und unserem Wissen um den Erlösungsplan –, das uns durchhalten lässt.

In dem Buch Die Töchter in meinem Reich lesen wir von Schwester Hedwig Biereichel, einer Deutschen, die im Zweiten Weltkrieg viel Leid und Entbehrung erdulden musste. Sie war so liebevoll und großzügig, dass sie selbst unter größten Entbehrungen ihr karges Essen gern mit hungernden Kriegsgefangenen teilte. Als sie später gefragt wurde, wie sie in all diesen Prüfungen ihr Zeugnis bewahren konnte, entgegnete sie sinngemäß: „Ich habe mein Zeugnis in diesen Zeiten nicht bewahrt – mein Zeugnis hat mich bewahrt.“14

Wenn man heute ein starkes Zeugnis hat, bedeutet das aber nicht, dass das immer so bleiben muss. Wir müssen unser Zeugnis nähren und stärken, damit es weiterhin tragfähig bleibt. Aus diesem Grund versammeln wir uns oft – um vom Abendmahl zu nehmen, unsere Bündnisse zu erneuern und „durch das gute Wort Gottes genährt“ zu werden. Das gute Wort Gottes nämlich hält uns „beständig wachsam … zum Beten, [uns] allein auf die Verdienste Christi verlassend, des Urhebers und Vollenders [unseres] Glaubens“.15

Elder David A. Bednar hat gesagt: „Ich verheiße Ihnen, wenn Sie sich aufrichtig um den Geist der Offenbarung bemühen und davon Gebrauch machen, werden Sie ‚im Licht des Herrn [gehen]‘ (Jesaja 2:5; siehe auch 2 Nephi 12:5). Manchmal spüren Sie den Geist der Offenbarung plötzlich und intensiv, ein andermal eher unmerklich und allmählich, und oftmals so sanft, dass sie ihn gar nicht bewusst wahrnehmen. Doch unabhängig davon, wie Sie diese Segnung empfangen, wird das Licht, das sie Ihnen schenkt, Ihre Seele erleuchten und erweitern und Ihr Verständnis erleuchten (siehe Alma 5:7; 32:28) und Sie und Ihre Familie führen und schützen.“16

Der Herr möchte uns Führung zukommen lassen und uns mit Weisheit und Orientierung segnen. Er möchte so gern seinen Geist über uns ausgießen. Nochmals: Wenn wir persönliche Offenbarung empfangen wollen, müssen wir uns dies wirklich wünschen. Wir dürfen unser Herz nicht verhärten. Sodann müssen wir im Glauben bitten und wirklich darauf vertrauen, dass wir eine Antwort erhalten werden, und schließlich müssen wir Gottes Gebote eifrig befolgen. Wenn wir dann nach Antworten auf unsere Fragen suchen, segnet der Herr uns mit seinem Geist. Davon gebe ich Zeugnis im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. Lehre und Bündnisse 46:13

  2. 1 Nephi 15:8

  3. 1 Nephi 15:9

  4. 1 Nephi 15:11; siehe auch Vers 10

  5. Lehre und Bündnisse 6:14

  6. Lehre und Bündnisse 6:15

  7. Lehre und Bündnisse 6:23

  8. Lehre und Bündnisse 8:2,3

  9. Lehre und Bündnisse 9:8

  10. Lehre und Bündnisse 11:13

  11. Die Töchter in meinem Reich: Die Geschichte und das Werk der Frauenhilfsvereinigung, Seite 52

  12. Die Töchter in meinem Reich, Seite 52

  13. Dieter F. Uchtdorf, „Ihr Potenzial, Ihr Anrecht“, Liahona, Mai 2011, Seite 59f.

  14. Siehe Die Töchter in meinem Reich, Seite 88

  15. Moroni 6:4-6

  16. David A. Bednar, „Der Geist der Offenbarung“, Liahona, Mai 2011, Seite 90