2000–2009
Auf ewig von seiner Liebe umschlossen
Oktober 2006


Auf ewig von seiner Liebe umschlossen

Ich weiß, dass der Vater im Himmel, wie auch sein Sohn Jesus Christus, uns Schwestern liebt. Diese Liebe ist unwandelbar – sie bleibt immer gleich.

Als ich diese Berufung erhielt, bat ich den Herrn flehentlich, mir erkennen zu helfen, was die Schwestern in der Kirche brauchen. Ich empfing ein starkes Zeugnis davon, dass wir als seine Töchter wissen müssen, dass er uns liebt. Wir müssen wissen, dass er das Gute in uns sieht. Wenn wir seine Liebe fühlen, werden wir ermutigt, voranzustreben, wir erhalten die Gewissheit, dass wir zu ihm gehören, und er bestätigt uns, dass er uns lieb hat, auch wenn wir stolpern und bisweilen Rückschläge erleiden.

Dies wurde mir erneut vor Augen geführt, als ich in der Sonntagnachmittagsversammlung der Frühjahrs-Generalkonferenz 2002 Zeugnis gab. An jenem Morgen sagte man mir, Elder David B. Haight könne eventuell nicht an der Konferenz teilnehmen. In diesem Fall hätte ich fünf Minuten Zeit, mein Zeugnis zu geben. An dem Tag habe ich besonders inständig für Elder Haight gebetet! Am Sonntagmorgen sah ich ihn ins Konferenzzentrum kommen, und meine Anspannung ließ nach – aber nur, bis er während des gemeinsamen Liedes wieder ging. Als ich an dem Nachmittag am Pult stand, hatte ich einen leeren Teleprompter-Bildschirm vor mir. Eine Botschaft drang mir immer wieder in Herz und Sinn: Die Frauen müssen jeden Tag die Liebe des Herrn in ihrem Leben spüren. Ich wusste, dass dies die Botschaft war, die ich an dem Tag überbringen sollte, und es ist nach wie vor unsere Botschaft.

Wie feinfühlig Sie auf diese Botschaft reagiert haben, hat mich demütig gestimmt. Vielen Dank, dass Sie uns mitgeteilt haben, was sie in Ihrem Leben bewirkt hat. Ihre Worte haben bestätigt, dass eine jede von uns berechtigt ist, die Liebe des Herrn im täglichen Leben zu fühlen, und dass wir das auch brauchen.

Unser himmlischer Vater hat uns geliebt, bevor wir auf diese Erde kamen. Ich weiß, dass er, wie auch sein Sohn Jesus Christus, uns Schwestern liebt. Diese Liebe ist unwandelbar – sie bleibt immer gleich. Sie können sich darauf verlassen. Wir können darauf vertrauen.

So, wie das Motto der Frauenhilfsvereinigung uns daran erinnert, dass „die Liebe … niemals auf[hört]“, müssen wir glauben, dass Christi Liebe zu uns nie vergeht. Alles, was wir in der Frauenhilfsvereinigung tun, sollte die Liebe unseres Erretters und die Liebe unseres himmlischen Vaters widerspiegeln. Diese große Liebe sollte der Ursprung unserer Motivation sein, anderen zu dienen. Sie muss sowohl unser Ausgangspunkt als auch unser Ziel sein!

Ich kenne eine junge Mutter von fünf kleinen Kindern, die einmal eine ältere Schwester, zu der sie bewundernd aufblickte, anrief und fragte: „Wollen wir nicht wandern gehen?“ Ihre Freundin wusste, was das hieß: Sie musste mit jemandem reden. Ihre Strecke war dreizehn Kilometer lang und auf halbem Weg sagte die junge Mutter schließlich: „Ich kann einfach nicht glauben, dass der himmlische Vater mich liebt. Ich habe in meinem Leben so viel falsch gemacht. Es will sich einfach nicht das Gefühl einstellen, dass ich seiner Liebe würdig bin. Wie kann er mich bloß lieben?“ Schwestern, diese Frau hatte Bündnisse im Tempel geschlossen und war ein aktives Mitglied der Kirche. Dennoch fühlte sie sich immer noch seiner Liebe unwürdig. Die ältere Schwester erwiderte schnell: „Natürlich liebt er dich. Du bist seine Tochter.“

Weisen wir die Liebe des Herrn vielleicht allzu oft zurück, weil er sie reichlicher über uns ausgießt, als wir sie anzunehmen bereit sind? Glauben wir, wir müssten vollkommen sein, um seine Liebe zu verdienen? Wenn wir uns gestatten, uns „auf ewig ringsum umschlossen von den Armen seiner Liebe“1 zu fühlen, dann fühlen wir uns sicher, und wir erkennen, dass wir nicht gleich vollkommen sein müssen. Wir müssen akzeptieren, dass die Vollkommenheit ein Vorgang ist. Beim Evangelium geht es um ewigen Fortschritt, und wir müssen immer daran denken, für diese Reise dankbar zu sein. Ewig bedeutet ohne Anfang und Ende, der Herr umfasst uns also Tag für Tag mit seiner Liebe. Bedenken Sie auch: Sie ist beständig – selbst, wenn wir das nicht erkennen. Mir gefällt, wie Nephi diese große Gabe beschreibt: „Die Liebe Gottes [ergießt] sich überall den Menschenkindern ins Herz …; darum ist sie das Begehrenswerteste von allem … und die größte Freude für die Seele.“2 Ich bezeuge, dass dasstimmt.

Ich weiß, dass es einigen vielleicht schwer fällt, sich vorzustellen, wie seine Liebe sich anfühlt. Denken Sie an eine Mutter mit einem neugeborenen Baby. Mit welcher Wärme und Geborgenheit, wie liebevoll und friedlich eine Mutter ihr Kind im Arm hält – das kann uns verständlich machen, was für ein Gefühl es ist, von den Armen seiner Liebe umschlossen zu sein. Eine junge FHV-Schwester schrieb: „Nur in der Liebe meiner Mutter wird mir annähernd das Ausmaß und die Macht der Liebe des Erretters begreiflich.“

Mütter, sehen Sie, wie wichtig Sie dabei sind, dass Ihre Kinder diese Wahrheit erkennen? Wenn Sie Ihre Kinder mit Ihrer Liebe umschließen, bekommen sie einen Eindruck von der Liebe Christi. Präsident Gordon B. Hinckley hält uns an: „Lieben Sie den Herrn, Ihren Gott, und lieben Sie seinen Sohn, und seien Sie immer dankbar dafür, dass sie uns lieben. Wenn auch jede andere Liebe dahinschwindet – Gottes strahlende, erhabene, immerwährende Liebe und die Liebe seines Sohnes, der sein Leben für uns hingegeben hat, bleibt bestehen.“3

Eine Mutter, die ihre Beziehung zu Gott kennt, hilft ihren Kindern, mit ihm vertraut und von seiner Liebe umschlossen zu sein. Es hat mich berührt, was eine Tochter bei der Beerdigung ihrer 100 Jahre alten Mutter sagte: „Wenn ich als Teenager meinen Stundenplan zusammenstellen wollte, ging ich in die Küche, wo Mutter bügelte. Ich legte ihr mögliche Fächerkombinationen vor … und sie hörte sich alle an. Wir sprachen die Varianten durch … und dann sagte sie immer: ‚Schön, Cathy. Hast du darüber gebetet?‘ Das war mir irgendwie peinlich, und ich sagte dann zögerlich: ‚Muss man denn über alles beten?‘ Sie erwiderte einfach: ‚Ich mache es jedenfalls.‘“4

Diese Mutter hörte zu. Sie gab ihren Glauben an den Herrn weiter. Sie gab ihrer Tochter ein Beispiel und gab ihr zu verstehen, dass sie von ihr erwartete, dass sie sich stets an den Herrn wendet. Wenn wir uns dem Herrn nähern, fühlen wir, wie seine Liebe uns ihm näher bringt. Mütter, lehren Sie Ihre Kinder, dass sie den Herrn immer in ihr Leben einbeziehen, und helfen Sie ihnen, seinen liebevollen Einfluss zu erkennen.

Meine Mutter und ich haben unseren Patriarchalischen Segen gemeinsam empfangen. Ich war 20 und meine Mutter 49. Ich werde diesen Tag nie vergessen – wie der Patriarch Mutter seine Hände auflegte und ihr sagte, wie oft ihr Leben in Zeiten, in denen sie rheumatisches Fieber, eine Herzerkrankung oder manch andere Krankheit hatte, bewahrt worden war. Er ließ ihr Leben Revue passieren und zählte auf, wie oft sie anderen schon Gutes getan hatte. Er sprach von dem, was der Herr für sie bereithielt, und gab ihr Hinweise, was sie zu tun habe. Ich kannte das Leben meiner Mutter und hörte zu, wie dieser Patriarch, der sie nicht kannte, ihr Leben beschrieb. Das war für mich ein Zeugnis, dass Gott lebt, dass er uns liebt und dass er jeden Einzelnen von uns persönlich kennt. An diesem denkwürdigen Tag fühlte ich, wie sehr der Herr meine Mutter – und mich – liebt.

Der größte Beweis dafür, wie sehr der Erretter uns liebt, ist sein Sühnopfer. Seine Liebe strömt über an Gnade, Geduld, Langmut, Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft.

Als Großmütter haben wir die heilige Pflicht, unsere Enkelkinder mit Liebe zu umschließen. Ein dreijähriges Mädchen wurde, als es etwas frech war, von seiner Großmutter belehrt: „Sprich nicht so mit deiner Großmutter – wir werden nämlich für Abermillionen von Jahren Freundinnen sein.“ Ist Großmutter sein nicht das Beste? Schwestern, denken Sie daran: Liebe und Bündnisse verbinden uns zu ewigen Familien.

Oft wird die Liebe des Herrn durch andere überbracht, indem sie den Eingebungen des Geistes folgen. Hören wir diese Stimme, und folgen wir ihr?

Eine Schwester musste wegen Geldschwierigkeiten aus ihrem schönen Haus ausziehen und ihre geliebte Gemeinde verlassen, nachdem sie dort 22 Jahre gewohnt hatte. Das war schmerzlich. Über den ersten Sonntag in ihrer neuen Gemeinde sagte sie: „Ich fühlte mich sehr einsam, obwohl ich einige Leute kannte. Ich war an diesem Morgen als eine der Ersten in der FHV. Ich saß dort und beobachtete, wie die Schwestern nacheinander hereinkamen und ihren Platz einnahmen. Sie schienen alle ihre eigene Reihe zu brauchen, nicht nur ihren eigenen Sitzplatz. Sie saßen nicht beieinander und auch nicht bei mir. Ich kam mir vor wie eine Insel.“ Schwestern, warum tun wir einander so etwas an?! Die Schwester fuhr fort: „Dann kam Lisa herein. Ihr Gesicht strahlte, als sie mich sah, und sie kam auf mich zu, setzte sich neben mich, legte ihren Arm um mich und drückte mich herzlich. Es ist erstaunlich, wie viel so eine kleine Geste bedeuten kann. Ihre Wärme“ – und ich möchte hinzufügen: ihre Liebe – „wischte meine Einsamkeit einfach fort.“

Ich befürchte, dass wir die Liebe des Herrn manchmal nur in den großen Ereignissen im Leben erkennen. Wir müssen sie aber auch in ganz kleinen Dingen sehen. Unterschätzen Sie nicht Ihre Fähigkeit, seine Liebe durch einfache, aufrichtige Gesten weiterzugeben, zum Beispiel, wenn Sie sich neben eine andere Schwester setzen und ihr damit das Gefühl geben, willkommen zu sein.

Spüren Sie die Liebe des Herrn in Ihrem Leben? Ich spüre seine Liebe vielleicht auf ganz andere Weise als Sie. Das Entscheidende ist, dass Sie erkennen, wie Sie diese Liebe fühlen. Und wenn Sie sie einmal gespürt haben, seien Sie bereit, sie weiterzugeben.

Wir haben als Präsidentschaft nach dem Hurrikan Katrina die verwüstete Küste am Golf von Mexiko besucht. Eines Abends stand ich während einer Fireside am Rednerpult. Da hatte ich das Gefühl, dass jede der anwesenden Schwestern jemanden brauchte, der ihr buchstäblich die Hand reichte und sie stärkte. Nach der Versammlung standen Schwester Hughes, Schwester Pingree und ich jede an einer anderen Tür und umarmten jede Schwester, die den Raum verließ. Wir wollten ihnen einfach zeigen, wie lieb wir sie hatten. Falls eine dieser Schwestern heute Abend zuhört: Wir haben die Kapelle mit neuer Kraft verlassen, weil Sie uns an der Liebe Gottes teilhaben ließen. Danke, dass Sie füreinander gesorgt haben – und für uns drei!

Wenn ich morgens bete, bitte ich den himmlischen Vater, mich mit seiner Liebe zu erfüllen, damit ich sein Werk noch besser tun kann. Ich weiß, dass ich wegen dieser täglichen Bitte gesegnet worden bin. Als FHV-Schwestern müssen wir uns bemühen, die Liebe Christi widerzuspiegeln. Er war stets darauf bedacht, seinen Vater zu erfreuen, indem er dessen Willen tat. Schwestern, wir müssen alles tun, um seinem überragenden Beispiel zu folgen – um bei allem, was wir tun und sind, solche Liebe in Gedanken, Wort und Tat auszudrücken. Wir dürfen nicht zulassen, dass Stolz, Eitelkeit, Selbstsucht oder unser Terminplan verhindern, dass wir anderen liebevoll die Hand reichen. Wir müssen uns schlicht und einfach zuerst selbst gestatten, uns von Gottes Liebe umschließen zu lassen. Das geht am besten, indem wir das ewige Sühnopfer des Erretters freudig annehmen. Wir können dann unsere Familie und andere Menschen in den Kreis der Liebe aufnehmen. Ein solcher Kreis ist wirklich der Himmel.

Meine lieben Schwestern, möge der Herr Sie segnen, dass Sie täglich seine Liebe fühlen, Ihre Bündnisse halten, Nächstenliebe üben und die Familie stärken. Im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. 2 Nephi 1:15

  2. 1 Nephi 11:22,23; Hervorhebung hinzugefügt

  3. „Worte des lebenden Propheten“, Der Stern, Dezember 1996, Seite 8

  4. Privatkorrespondenz