2000–2009
„Hätte Christus meine Möglichkeiten …”
Oktober 2005


„Hätte Christus meine Möglichkeiten …“

Unser Erretter Jesus Christus lehrt uns, wie wichtig es ist, den Einen zu suchen, der sich verirrt hat.

Vor vielen Jahren, als unsere ältesten Kinder sechs, vier und zwei Jahre alt waren, überraschten meine Frau und ich sie mit einem Fragespiel. Wir hatten als Familie jeden Tag gemeinsam im Buch Mormon gelesen. Meine Frau fragte: „Wer war der Mann, der in den Wald ging, um zu jagen, der stattdessen aber den ganzen Tag und bis in die Nacht hinein betete?“ Nachdem es eine Weile ruhig war, gab sie Hilfestellung: „Sein Name fängt mit E an, … E … E … E!“ Aus der Ecke des Zimmers rief da unser Zweijähriger: „-nos!“ Das sagte ausgerechnet das Kind, das in der Ecke spielte – von dem wir gedacht hatten, es sei zu klein, um es zu verstehen. Enos! Enos war es, der in den Wald ging, um zu jagen, dessen Seele aber hungerte. Der Bericht sagt zwar nicht, dass Enos sich in dem Wald verirrte, seine Geschichte lehrt uns aber, dass er, als er herauskam, seinen Weg gefunden hatte – und dann wurde in ihm der Wunsch nach dem Wohlergehen seiner Brüder wach.

Im Neuen Testament lehrt uns Jesus Christus, wie wichtig es ist, den Einen zu suchen, der sich verirrt hat: „Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern.“ (Lukas 15:4,5.)

Seit dem Fall Adams ist die ganze Menschheit in einem verlorenen und gefallenen Zustand. Wie bei den meisten von Ihnen fing mein „Gefundenwerden“ mit zwei glaubensstarken Missionaren an. Im Jahre 1913 unterwiesen Elder C. Earl Anhder und Elder Robert H. Sorenson in Kopenhagen meine Großeltern im Evangelium Jesu Christi und tauften sie. Meine Eltern brachten mir bei, wie wichtig harte Arbeit, Ehrlichkeit und Redlichkeit sind. Doch innerhalb einer Generation ließen unsere aktive Mitwirkung in der Kirche und unsere Evangeliumskenntnis nach. Rückblickend erinnere ich mich, dass mich meine Spielkameraden zur Primarvereinigung eingeladen haben, als ich noch sehr klein war. Meine ersten Erfahrungen mit der Kirche beruhten auf Freundschaften mit PV-Kindern.

Als ich ein Junge war, ging ich einige Monate vor meinem 12. Geburtstag eines Samstagnachmittags zur Tür, weil es geklopft hatte. Ein paar meiner Freunde – Diakone mit weißem Hemd und Krawatte – wollten mich zu meiner allerersten Priestertumsversammlung abholen. Unser Leiter schritt neben mir her, als wir den Hügel hinab zum Tabernakel auf dem Tempelplatz gingen. Es ging um die Priestertumsversammlung bei der Frühjahrs-Generalkonferenz.

Lloyd Bennett war mein Scoutführer. Er holte mich oft samstagnachmittags ab und nahm mich mit zum Scout-Büro, um dort Abzeichen und Zubehör zu kaufen, das wir benötigten. Unterwegs unterhielten wir uns. Er wurde ein Freund, dem ich vertraute. Lloyd Bennett nahm sich wie viele andere auch Zeit für den Einzelnen.

Diese wunderbaren Freunde und Führer hatten das verinnerlicht, was Elder M. Russell Ballard uns vor kurzem nahe gelegt hat, nämlich „einen mehr“ zu finden (siehe „Einen mehr“, Liahona, Mai 2005, Seite 71), und sie wussten, was dazugehört. Manchmal ist es der in der Ecke, an den niemand gedacht hat.

Ich hatte mein eigenes Enos-Erlebnis mit 18 Jahren, als ich in meiner Kaserne in Fort Ord in Kalifornien kniete. Als das Licht aus war und ich auf dem harten Fußboden kniete, fand ich, wie Enos, meinen Weg. Ich sollte eine Vollzeitmission erfüllen. Ich bin den vielen Menschen von Herzen dankbar, die mir geholfen haben, herauszufinden, wer ich war, und Christus und sein Evangelium kennen zu lernen. Ich lernte, dass mein Weg nach Hause über unseren Erlöser, Jesus Christus, führt.

„Und er wird in die Welt kommen, um sein Volk zu erlösen; und er wird die Übertretungen derjenigen auf sich nehmen, die an seinen Namen glauben; und diese sind es, die ewiges Leben haben werden, und niemandem sonst wird die Errettung zuteil.“ (Alma 11:40.)

Jesaja, der Prophet im Alten Testament, sah unsere Zeit, in der das Evangelium vollständig wiederhergestellt sein würde, und erklärte:

„So spricht Gott, der Herr: Sieh her, ich hebe die Hand in Richtung der Völker, ich errichte für die Nationen ein Zeichen, und sie bringen auf ihren Armen deine Söhne herbei und tragen deine Töchter auf ihren Schultern.“ (Jesaja 49:22.)

Wenn wir uns um den Einzelnen kümmern, Brüder und Schwestern, werden wir sehen, wie diese Prophezeiung sich erfüllt. Erkennen Sie, wie Sie im Arm gehalten und auf Schultern getragen und in Sicherheit gebracht worden sind?

Was würde der Erretter tun, wenn er unsere Möglichkeiten hätte, den Einen zu erreichen? Wenn wir uns die grundlegende Frage stellen: Hätte Christus meine Möglichkeiten, was würde er tun?, richten wir unsere Entscheidungen an Christus aus.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass unser lieber Elder Neal A. Maxwell sich immer bemühte, den Einen zu finden, denn er arbeitete „eifrig daran zu schreiben“, um alle von uns „zu bewegen, dass sie an Christus glauben und sich mit Gott versöhnen lassen“ (2 Nephi 25:23). Ich weiß, dass Elder Maxwell mehr als einmal nach denen – ja, selbst nach dem Einzelnen – rief, die er zu Christus zu bringen suchte.

Ob wir PV-Lehrer, JM-Leiter oder JD-Leiterin, Scoutführer, Heimlehrer, Besuchslehrerin oder einfach ein Freund sind – der Herr wird uns einsetzen, den Einen zu suchen und zu finden, wenn wir nur zuhören.

Ich bin sehr dankbar für meine Entscheidung, eine Vollzeitmission zu erfüllen. Meine Mission war ein großer Wendepunkt in meinem Leben. Junge Männer, ihr habt das besondere Recht, zu dienen, ja, eifrig zu arbeiten. Bleibt würdig, bereitet euch darauf vor, das Evangelium zu verkünden; schiebt es nicht hinaus, sondern geht und dient! Junge Damen, ihr könnt so viel dafür tun, das Reich des Herrn aufzubauen. Liebe Brüder und Schwestern im vorgerückten Alter: Wir brauchen Sie!

Unsere Familie durfte in Kanada mit wunderbaren, eifrigen Missionaren dienen, mit jungen und älteren. Von Herz zu Herz, Geist zu Geist und mit der Kraft des Herrn suchten sie nach dem Einen und fanden ihn, wie die eifrigen Missionare es in der ganzen Welt tun.

„Und so waren sie Werkzeuge in den Händen Gottes, um viele zur Erkenntnis der Wahrheit zu bringen, ja, zur Erkenntnis ihres Erlösers.“ (Mosia 27:36.)

Jeder von uns kann im Leben eines anderen etwas verändern, sogar in dessen ewigem Leben. Aber wir müssen handeln. Wir müssen etwas tun. Wir müssen eifrig arbeiten! Vielleicht haben Sie das Gefühl, jemanden auffordern zu sollen, dass er in die Kirche zurückkehrt oder sich zum ersten Mal die Botschaft des wiederhergestellten Evangeliums anhört. Tun Sie das, folgen Sie diesem Gefühl! Warum laden wir nicht alle jemanden ein, morgen zu kommen und der Stimme eines Propheten zu lauschen? Würden Sie das tun? Werden Sie das heute noch tun? Mit Glauben und einem bereitwilligen Herzen (ja, voller Verlangen) müssen wir darauf vertrauen, dass der Geist uns „zur selben Stunde, ja, im selben Augenblick“ eingeben wird, was wir sagen sollen (siehe LuB 100:6). Ich weiß, dass das stimmt.

Wie dankbar bin ich für diese Berufung, noch einmal dienen zu dürfen, dieses Mal in Australien. Ich liebe meine Frau und unsere neun missionsbegeisterten Kinder auf ewig und danke ihnen für ihre Liebe und Unterstützung. Ich gebe feierlich Zeugnis, dass die Fülle des Evangeliums auf der Erde wiederhergestellt ist, dass Joseph Smith ein Prophet Gottes und das Buch Mormon das Wort Gottes ist. Heute werden wir von einem lebenden Propheten geführt, nämlich Präsident Gordon B. Hinckley. Ich weiß, dass Gott lebt, und ich weiß, dass Jesus der Messias ist, unser Erretter und Erlöser. In den liebevollen Armen des Hirten und auf seinen Schultern werden wir nach Hause getragen. Wie Enos möchte ich in aller Demut sagen: Ich muss „diesem Volke predigen … und das Wort gemäß der Wahrheit, die in Christus ist, verkünden. … Und ich … habe an ihm mehr Freude gehabt als an dem von der Welt.“ (Enos 1:26.) Diese Wahrheit bezeuge ich im Namen Jesu Christi. Amen.