2000–2009
Drei Entscheidungen
Oktober 2003


Drei Entscheidungen

Ich möchte Ihnen mein eigenes Programm zur Persönlichkeitsentfaltung vorstellen. Es besteht aus drei Schritten, die mir zugute gekommen sind.

Neulich habe ich bemerkt, wie viele Programme zur Persönlichkeitsentfaltung auf dem Markt sind. Es muss wohl eine riesige Nachfrage danach geben, denn kaum schaltet man den Fernseher oder das Radio an, wird man schon mit Werbung für Produkte überschwemmt, die einem alles von Gewichtsverlust bis hin zu dichtem Haarwuchs versprechen. Manchmal frage ich mich, ob die Hersteller dieser Produkte mich persönlich kennen.

Heute möchte ich Ihnen mein eigenes Programm zur Persönlichkeitsentfaltung vorstellen. Es besteht aus drei Schritten, die mir zugute gekommen sind und, da bin ich bin sicher, auch Ihnen helfen werden. Darüber hinaus gibt es dieses Programm gratis. Sie brauchen nicht Ihre Kreditkarte zu zücken. Es flimmert keine gebührenfreie Nummer über Ihren Bildschirm, die Sie warnt, dass Sie nur noch fünf Minuten Zeit haben, dieses einmalige Angebot wahrzunehmen.

Die Grundsätze lassen sich vielleicht am besten durch ein Gleichnis vermitteln.

Es war einmal ein Mann namens John, der, obwohl er noch relativ jung war, schon viel Leid und Kummer durchgemacht hatte. Obdachlos und von Alkohol und anderen Drogen abhängig, war John schwer krank und des Lebens überdrüssig. Je mehr er in Krankheit und Hoffnungslosigkeit versank, desto klarer wurde ihm, dass er schnellstens etwas ändern musste, weil er sonst wohl sehr bald elend, nutzlos und einsam sterben würde.

John war ein paar Mal zur PV gegangen, als er noch klein war, und vielleicht war das der Grund, warum er in einem nahe gelegenen Gemeindehaus auftauchte und nach dem Bischof fragte.

„Ich habe mein Leben ruiniert“, sagte John unter gequältem Schluchzen, das aus den Tiefen seiner gepeinigten Seele hervordrang. Er erzählte von seinen Fehlern und vom Weg der Selbstzerstörung und des Elends, den er eingeschlagen hatte.

Als sich der Bischof Johns traurige Geschichte anhörte, spürte er, dass der Mann wirklich umkehren und sein Leben ändern wollte. Er spürte aber auch, dass John nur wenig Zuversicht besaß, dass er sich ändern konnte.

Der Bischof überlegte einen Augenblick, was er sagen konnte. Schließlich blickte er auf und sagte: „John, in meinem Leben habe ich drei Entscheidungen getroffen, die für mich von großem Wert waren. Sie können vielleicht auch Ihnen helfen.“

„Bitte, sagen Sie sie mir“, bat John. „Ich tue alles. Ich möchte einfach noch einmal von vorn anfangen. Ich möchte alles rückgängig machen.“

Der Bischof lächelte und sagte zu ihm: „Als Erstes müssen Sie einsehen, dass Sie nicht an den Ausgangspunkt zurückkehren und von vorn anfangen können. Aber es ist nicht alles verloren. Sie können dort beginnen, wo Sie jetzt sind. Entscheiden Sie sich, jetzt umzukehren.“

In gewisser Weise sind wir alle wie John. Wir alle haben Fehler begangen, und wenn wir uns auch noch so sehr wünschen, sie rückgängig zu machen und von vorne anzufangen, es geht nicht. Aber wir können dort anfangen, wo wir jetzt stehen.

Im Buch Mormon lesen wir von Alma dem Jüngeren. Er war der Sohn eines großen Propheten, doch stellte er sich gegen seinen Vater und trachtete danach, Böses zu tun. Nachdem er sich nach dem Besuch eines Engels nicht mehr bewegen konnte und mit Stummheit geschlagen war, kehrte Alma um und brachte sein restliches Leben damit zu, den angerichteten Schaden wieder gutzumachen. Infolgedessen gereichte er Tausenden zum Segen und bereicherte ihr Leben. Alma fand sich nicht damit ab, dass er wegen früherer Fehler verdammt sein sollte. Es war ihm klar, dass er die Vergangenheit nicht auslöschen konnte. Aber es war ihm auch klar, dass es in seiner Macht lag, umzukehren und von seinem gegenwärtigen Stand aus neu anzufangen.

Wie beginnen wir mit der Umkehr?

Zuerst gestehen wir unsere Fehler ein und dann beschließen wir, umzukehren. Wir müssen uns heute, ja, jetzt, verpflichten, es besser zu machen und großmütiger, mitfühlender und mehr wie Jesus Christus zu sein.

Letzlich hängt unser Schicksal von unseren täglichen Entscheidungen ab.

Der große Prophet Josua im Alten Testament war sich dessen bewusst, als er sagte: „Entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt … Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.“1

Josua verstand, wie entscheidend es ist, dass man sich auf der Stelle entschließt, rechtschaffener zu sein. Auch wir müssen uns jetzt entscheiden. Wird unser Leben von Reue und Hoffnungslosigkeit gezeichnet sein? Oder wollen wir umkehren und jeden Tag danach streben, unserem Leben Sinn zu verleihen und es der Mühe wert zu machen?

Ob wir morgen Freude oder Hoffnungslosigkeit ernten, hängt davon ab, wie wir uns heute entscheiden. Vielleicht denkt sich der eine oder andere: „Ich weiß, dass ich in meinem Leben manches ändern muss. Vielleicht später, aber nicht jetzt.“

Wer ständig auf den richtigen Zeitpunkt wartet, sein Leben zu ändern, ist wie jemand, der am Ufer eines Flusses steht und darauf wartet, dass das Wasser endlich vorbeifließt, damit er trockenen Fußes auf die andere Seite gelangen kann.

Heute ist der Tag der Entscheidung.

Als John die Worte des Bischofs hörte, versprach er zu tun, was der Bischof gesagt hatte. Aufgrund seiner Sucht wusste John, dass er etwas für seine Gesundheit tun musste. Also begab er sich in eine Einrichtung, wo er langsam wieder genas. Er fing an, sich gesund zu ernähren, zu laufen und anderen Sport zu treiben.

Wochen vergingen. Es gelang John, sich von seiner Sucht zu befreien. Er merkte, dass er immer gesünder und stärker wurde. Aber er war noch nicht zufrieden. So viel in seinem Leben musste noch geändert werden, dass er sich überfordert und mutlos fühlte.

Also vereinbarte er einen weiteren Termin mit seinem Bischof.

Dabei erfuhr er von der zweiten Entscheidung: „John“, sagte der Bischof, „Sie machen es sich ziemlich schwer, wenn Sie glauben, dass Sie schlagartig vollkommen werden können. Sie müssen lernen, sich Prioritäten zu setzen. Sie müssen das Wichtigste an die erste Stelle setzen.“

Meistens geht das Wachstum langsam vonstatten – einen Schritt nach dem anderen. Wir können das nachvollziehen, wenn es darum geht, ein Musikinstrument zu beherrschen, Leistungssportler zu werden oder ein Flugzeug zu steuern. Trotzdem können wir es uns oft kaum verzeihen, wenn wir nicht den Fortschritt machen, den wir von uns in sämtlichen Lebensbereichen erwarten.

Große Bildhauer und Künstler bringen zahllose Stunden damit zu, ihr Talent zu vervollkommnen. Wenn sie einen Meißel oder Pinsel und Palette zur Hand nehmen, erwarten sie kein perfektes Ergebnis. Sie wissen, dass sie beim Lernen viele Fehler machen werden, aber sie beginnen mit den Grundlagen.

So ist es auch mit uns.

Wir alle können unser Leben auf dieselbe Weise meistern – indem wir uns zuerst auf das Wichtigste konzentrieren. Wir alle haben eine ziemlich genaue Vorstellung von den wichtigsten Entscheidungen, die wir treffen müssen – Entscheidungen, die unser Leben verbessern und uns glücklicher machen und mehr Frieden bringen. Damit müssen wir anfangen. Darauf müssen wir unsere größten Anstrengungen konzentrieren.

Jeden Abend, bevor ich zu Bett gehe, nehme ich mir eine kleine Karte zur Hand und liste auf, was ich am nächsten Tag erledigen muss – nach Wichtigkeit geordnet.

Wenn ich am Morgen im Büro ankomme, schaue ich die Karte an und konzentriere mich dann ganz auf den ersten Punkt auf der Liste. Wenn ich ihn erledigt habe, gehe ich zum zweiten über und so weiter. An manchen Tagen arbeite ich die ganze Liste ab. An anderen Tagen werden manche Aufgaben nicht fertig. Ich lasse mich davon jedoch nicht entmutigen, weil ich meine Kraft für die Dinge aufwende, die am wichtigsten sind.

Langsam verstand John, dass er nicht alles, was in seinem Leben falsch lief, augenblicklich ändern konnte, dass er sich aber Prioritäten setzen konnte. Er konnte sich auf das konzentrieren, was am wichtigsten war, und mit der Zeit würde sein Leben eine positive Wendung nehmen.

Mit Hilfe des Ältestenkollegiumspräsidenten fand John eine bescheidene Unterkunft. Er wusste, dass er eine Möglichkeit finden musste, für sich selbst zu sorgen, und als sich seine Gesundheit und seine Einstellung verbesserten, fand er eine Teilzeitstelle.

Jeden Abend, bevor er zu Bett ging, stellte John eine Liste der wichtigsten Dinge auf, die am nächsten Tag erledigt werden mussten.

Schließlich hatte John ein festes Einkommen. Er zog in eine schönere Wohnung um und kaufte sich ein Auto. Wenngleich er mit seinem Leben nun viel zufriedener war, hatte er immer noch das Gefühl, dass ihm etwas fehlte.

Also traf sich John ein drittes Mal mit seinem Bischof.

„Der Grund, warum Sie sich noch immer leer fühlen“, sagte der Bischof, „ist, dass Sie die dritte Entscheidung noch nicht getroffen haben.“

John fragte, worum es denn gehe.

„Es reicht nicht aus, Entscheidungen zu treffen und täglich daran zu arbeiten“, sagte der Bischof. „Viele haben ihr Leben lang produktiv gearbeitet und viel erreicht. Aber sie fühlen sich immer noch leer. Am Ende ihres Lebens klagen sie darüber, dass es wenig Sinn hatte.“

Genau das hatte John empfunden.

Der Bischof fuhr fort: „Es reicht nicht aus, etwas zu tun. Wir müssen das Richtige tun – das, was unser himmlischer Vater von uns erwartet.“

„Wie kann ich wissen, was das Richtige ist?“, fragte John.

Der Bischof lächelte und nahm die heiligen Schriften von seinem Schreibtisch. Der Ledereinband war abgewetzt und rissig. Der Goldschnitt der Seiten war fast völlig verblichen. „Durch die heiligen Schriften und die Worte der neuzeitlichen Propheten“, antwortete der Bischof. „Das ist das ‚Richtige‘“, sagte er. „Manche Menschen meinen, die Gebote unseres himmlischen Vaters schränkten uns ein und seien schwer zu halten. Im Gegenteil: Sie sind ein Handbuch zum Glücklichsein. Jeder Aspekt des Evangeliums Jesu Christi – die Grundsätze, die Lehren und die Gebote – gehört zum Plan unseres himmlischen Vaters für unseren Frieden und unser Glücklichsein.“

Der Bischof schlug das Buch Mormon auf und las die Worte König Benjamins vor: „[Betrachtet] den gesegneten und glücklichen Zustand derjenigen …, die die Gebote Gottes halten. Denn siehe, sie sind gesegnet in allem, zeitlich sowohl als auch geistig; und wenn sie bis ans Ende getreulich aushalten, werden sie in den Himmel aufgenommen, sodass sie dann mit Gott in einem Zustand nie endenden Glücks weilen.“2

Während der Bischof sprach, dachte John über sein Leben nach. Was er erreicht hatte, hatte ihn noch nicht glücklich gemacht. Vielleicht war das, was der Bischof sagte, wahr. Vielleicht wird man dann glücklich, wenn man im Einklang mit den Geboten unseres himmlischen Vaters lebt.

„Denken Sie an die Worte des Erretters“, sagte der Bischof, als könne er Johns Gedanken lesen. „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?“3

An diesem Abend beschloss John, sich dem Wort Gottes zuzuwenden und sich mit den Geboten und den Lehren des himmlischen Vaters zu beschäftigen. Er leistete gegen die Worte des Herrn nicht länger Widerstand, sondern nahm sie bereitwillig an und hielt sie in Ehren. Dadurch begann die Leere in seinem Innern zu weichen, und stattdessen fand er allmählich eine Freude und einen Frieden, den er sich nicht hätte vorstellen können.

Was der Bischof zu John gesagt hatte, hatte wirklich sein Leben verändert. Einst war er gebrochen, voll Kummer und dem Tod nahe; jetzt war er voller Leben und Elan und von Freude erfüllt.

Brüder und Schwestern, unser liebevoller himmlischer Vater hat uns die heiligen Schriften gegeben, um uns zu lehren, wie wir Frieden und Glück finden können. In unserer Zeit haben wir allen Grund zur Freude, denn sein Sohn spricht jetzt zu uns allen!

Der Herr sitzt nicht stumm im Himmel, verborgen hinter undurchdringlichen Mauern. Auf Weisung des himmlischen Vaters führt der Herr seine gesalbten Diener. In dieser Stunde leitet unser Prophet, Präsident Gordon B. Hinckley, das heilige Werk des Herrn hier auf Erden.

Zudem führt das Licht Christi jeden Menschen zum himmlischen Vater und seiner Wahrheit. Es lehrt uns, den Herrn und unsere Mitmenschen zu lieben, denn „jedem Menschen ist der Geist Christi gegeben, damit er gut von böse unterscheiden könne.“4

Wir haben kaum eine Entschuldigung dafür, uns gegen den Weg des Herrn zu entscheiden. Glauben Sie etwa, dass sich unser Erlöser am Tag des Gerichts auch nur im Geringsten dafür interessiert, welchen Reichtum wir erlangt oder wie viel Lob wir erhalten haben? Er möchte, dass wir zu ihm kommen, dass wir von ihm lernen und die reine Christusliebe verspüren, die uns dadurch zuteil wird, dass wir sein Wort annehmen und den Geboten gehorchen.

So können wir die Leere aus unserem Leben verbannen und uns mit unaussprechlicher Freude erfüllen.

Ich möchte diese drei Entscheidungen wiederholen, damit Sie darüber nachdenken können. Zweifelsohne haben Sie Entscheidungen getroffen, an die Sie sich Ihr Leben lang stets gehalten haben.

Erstens: Entscheiden Sie sich, jetzt umzukehren. Schieben Sie es nicht auf. Besuchen Sie die Versammlungen und dienen Sie gern in der Kirche. Machen Sie sich mit den Grundsätzen des Evangeliums vertraut und leben Sie danach. Fangen Sie jetzt an, Ihre Schritte zum Tempel zu lenken.

Zweitens: Setzen Sie Ihre Prioritäten. Stellen Sie Ihre Familie an die erste Stelle. Führen Sie sinnvolle Familienabende durch. Die Zeit, die Sie mit Ihrer Familie verbringen, muss widerspiegeln, wie wichtig sie ist. Zeigen Sie Ihrer Familie, dass Sie sie schätzen, und kümmern Sie sich um sie. Lassen Sie nicht zu, dass volle Terminkalender und Frust einen Keil zwischen Sie und Ihre Lieben treiben. Bemühen Sie sich jeden Tag, die Gebote des Herrn besser zu halten.

Drittens: Wählen Sie das Rechte. Studieren Sie die heiligen Schriften und die Worte unseres heutigen Propheten, Präsident Gordon B. Hinckley. Wenden Sie diese heiligen Lehren an. Nehmen Sie sich der Bedrängten an – der Einsamen, der Kranken und der Bedürftigen. Tun sie alles, was Sie können, um das Leiden anderer zu lindern und ihnen zu helfen, selbständig zu werden. Dann wird der Herr mit Ihnen sehr zufrieden sein.

Brüder und Schwestern, ich weiß, dass unser himmlischer Vater und sein geliebter Sohn leben. Ich bezeuge Ihnen, dass Joseph Smith ausersehen war, die Kirche des Herrn in der Evangeliumszeit der Fülle aufzurichten. Als besonderer Zeuge für Jesus Christus weiß ich, dass der Erretter für uns sein Leben niedergelegt hat. Durch sein Sühnopfer können alle Menschen umkehren und von ihren Sünden gereinigt werden. Wir können zu unserem Vater im Himmel zurückkehren und den Wert des unbegrenzten Opfers unseres Erretters erkennen. Dies bezeuge ich im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. Josua 24:15

  2. Mosia 2:41

  3. Markus 8:36

  4. Moroni 7:16