2000–2009
Von Gott berufen
Oktober 2002


Von Gott berufen

Uns wurde die große Macht des Priestertums gegeben. Sie stellt für uns persönlich und für unsere Familie einen Segen dar.

Der fünfte Glaubensartikel lautet: „Wir glauben, dass man durch Prophezeiung und das Händeauflegen derer, die Vollmacht haben, von Gott berufen werden muss, um das Evangelium zu predigen und seine heiligen Handlungen zu vollziehen.“1

Eine unserer wichtigsten Priestertumsberufungen, eine, die unsere ständige Aufmerksamkeit erfordert, haben wir bei uns zu Hause, in unserer Familie. Brüder, als Vater und Patriarch in unserer Familie müssen wir „über die Familie [präsidieren] und [haben] die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Familie alles hat, was sie zum Leben und für ihren Schutz braucht. …

Mann und Frau tragen die feierliche Verantwortung, einander und ihre Kinder zu lieben und zu umsorgen. … Die Eltern haben die heilige Pflicht, ihre Kinder in Liebe und Rechtschaffenheit zu erziehen, für ihre physischen und geistigen Bedürfnisse zu sorgen, sie zu lehren, dass sie einander lieben und einander dienen, die Gebote Gottes befolgen und gesetzestreue Bürger sein sollen, wo immer sie leben. Mann und Frau – Vater und Mutter – werden vor Gott darüber Rechenschaft ablegen müssen, wie sie diesen Verpflichtungen nachgekommen sind.“2

Wir leben in einer Welt, die dringend rechtschaffene Führung braucht, die auf vertrauenswürdigen Grundsätzen beruht.

In unserer Kirche werden uns, wie es bei uns üblich ist, auf Weisung des Priestertums die richtigen Grundsätze der Führung vermittelt. Ich glaube, dass nur wenige von uns das Potenzial des Priestertums erkennen und welch ein Segen es ist. Je mehr wir darüber lernen, was es heißt, das Priestertum zu tragen, und verstehen, wie es funktioniert, desto mehr schätzen wir die Segnungen, die der Herr uns schenkt.

John Taylor hat einmal gesagt:

„Ich werde kurz antworten, dass [das Priestertum] die Regierung Gottes ist, sei es auf der Erde oder im Himmel, denn durch diese Macht, dieses Werkzeug oder diesen Grundsatz wird auf der Erde und in den Himmeln alles aufrechterhalten und regiert. Diese Macht regiert alles, leitet alles, hält alles in Gang und hat mit allem zu tun, was mit Gott und Wahrheit in Verbindung steht.

Es ist die Macht Gottes, delegiert an die Intelligenzen in den Himmeln und an die Menschen auf der Erde. … Wenn wir in das celestiale Reich Gottes gelangen, werden wir dort die vollkommenste Ordnung und Harmonie vorfinden, weil dort das vollkommene Muster, die vollkommenste Regierungsordnung besteht, und wann und wo auch immer sich diese Grundsätze auf der Erde in einem Maße entwickelt haben, dass sie sich ausbreiteten und danach gehandelt wurde, haben sie auch im gleichen Maß Segnungen und Errettung für das Menschengeschlecht hervorgebracht. Und wenn die Regierung Gottes in größerem Maß angenommen wird und das Gebet, das Jesus seine Jünger lehrte, erhört wird und das Reich Gottes auf die Erde kommt und sein Wille hier wie im Himmel getan wird, dann und erst dann werden allumfassende Liebe, Frieden, Harmonie und Einigkeit herrschen.“3

Der Herr vermittelte uns eine Vorstellung davon, was das Priestertum sein kann, als er seinen Aposteln mitteilte, wer das Werk nach seinem Tod fortführen sollte. Er sagte ihnen: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet.“4

Eine der Segnungen, die damit einhergehen, dass wir das Priestertum empfangen, besteht darin, dass wir zu einem Kollegium gehören. Ein Kollegium des Priestertums besteht aus einer bestimmten Gruppe von Männern, die das gleiche Amt im Priestertum innehaben; es wurde gebildet, damit das Reich Gottes besser voranschreiten kann.

Präsident Stephen L. Richards stellte einmal drei Definitionen für das Priestertumskollegium auf. Er sagte, ein Priestertumskollegium sei dreierlei: „erstens eine Klasse, zweitens eine Bruderschaft und drittens eine Diensteinheit.“5

Vor vielen Jahren, als ich eine Versammlung der Hohen Priester in einem kleinen Ort in Süd-Wyoming besuchte, lernte ich, wie ein Kollegium diese drei Aspekte verwirklicht. In der Lektion jener Woche ging es um Rechtfertigung und Heiligung. Als der Unterricht begann, war es offensichtlich, dass der Lehrer gut darauf vorbereitet war, seine Brüder zu unterweisen. Dann erfolgte auf eine Frage eine Antwort, die den Unterricht in eine ganz andere Bahn lenkte. Als Antwort auf die Frage bemerkte ein Bruder: „Ich folge dem Unterricht mit großem Interesse. Mir kam der Gedanke, dass die Unterweisung schnell vergessen sein wird, wenn wir keine Möglichkeit finden, das, was wir gehört haben, im täglichen Leben umzusetzen.“ Dann schlug er vor, wie man in Aktion treten könnte.

Am Abend zuvor war ein Bürger in diesem Ort verstorben. Seine Frau war Mitglied der Kirche, er jedoch nicht. Dieser Hohe Priester hatte die Witwe besucht und ihr sein Mitgefühl ausgedrückt. Als er das Haus verließ, schweifte sein Blick über die schöne Farm des verstorbenen Mannes. Er hatte so viel von seinem Leben und so viel Arbeit darauf verwandt, sie aufzubauen. Die Luzerne konnte geschnitten werden, auch das Getreide konnte man bald ernten. Wie sollte die arme Schwester mit den Problemen zurechtkommen, die jetzt plötzlich über sie hereinbrachen? Sie brauchte Zeit, um sich auf ihre neuen Aufgaben einzustellen.

Da schlug er der Gruppe vor, die Grundsätze, die ihnen gerade vermittelt worden waren, anzuwenden, indem sie der Witwe bei der Arbeit halfen, so dass der Farmbetrieb weitergehen konnte, bis sie mit ihrer Familie eine dauerhafte Lösung fand. Die übrige Versammlungszeit wurde darauf verwandt, das Hilfsprojekt zu organisieren.

Als wir das Klassenzimmer verließen, herrschte unter den Brüdern eine gute Stimmung. Ich hörte, wie einer von ihnen im Hinausgehen sagte: „Dieses Projekt ist genau das, was wir brauchten, damit wir wieder als Gruppe zusammenarbeiten.“ Eine Lektion war vermittelt und die Bruderschaft war gestärkt worden und man hatte ein Dienstprojekt organisiert, um jemandem in Not zu helfen.

Diese Prinzipien, die in der Kollegiumsorganisation angewandt werden sollen, gelten nicht nur für das Kollegium; die gleichen Grundsätze gelten auch in der Familie für die Führung durch das Priestertum. Uns ist das göttliche Gebot auferlegt, „[unsere] Kinder in Licht und Wahrheit aufzuziehen“6. Erzieht der Vater seine Kinder nicht in Licht und Wahrheit, dann ist der Herr unzufrieden mit ihm. Dies ist die Botschaft:

„Aber wahrlich, ich sage dir, mein Knecht … Du verbleibst unter … Schuldspruch;

du hast deine Kinder nicht Licht und Wahrheit gelehrt, wie es gemäß den Geboten hätte sein sollen; und jener Schlechte hat noch immer Macht über dich, und das ist die Ursache deiner Bedrängnis.

Und nun gebe ich dir ein Gebot: Wenn du davon befreit sein willst, musst du selbst dein Haus in Ordnung bringen; denn es gibt noch vieles, was in deinem Haus nicht recht ist.“7

Die Kirche muss ihre Ausrichtung auf die Familie beibehalten. Wir müssen den Gedanken vermitteln, dass wir aufeinander folgende Generationen von Mitgliedern schaffen wollen, die im Tempel heiraten und glaubenstreu sind. Wir müssen die grundlegenden Lehren vermitteln und den Zusammenhang zwischen persönlichem geistigen Wachstum und dem der Familie verstehen. Wir müssen das Ergebnis deutlich zeigen: die Mitglieder einladen, zu Christus zu kommen und bis ans Ende auszuharren.

Eine der ersten Anweisungen, die dem Mann und der Frau gegeben wurden, besagt: „Darum soll ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und an seiner Frau festhalten; und sie sollen zu einem Fleisch werden.“8

Gott hat in seinem Plan die Ehe verordnet, um seine grundlegende organisatorische Einheit – die Familie – zu schaffen. Einer der ersten Grundsätze, die er Adam und Eva vermittelte, war der, dass sie eine funktionierende Beziehung aufbauen sollten. In den heiligen Schriften steht:

„Und Adam und Eva, seine Frau, riefen den Namen des Herrn an, und sie vernahmen die Stimme des Herrn vom Garten von Eden her, wie er zu ihnen sprach; und sie sahen ihn nicht, denn sie waren aus seiner Gegenwart ausgeschlossen.

Und er gab ihnen das Gebot, dass sie den Herrn, ihren Gott, anbeten und die Erstlinge ihrer Herden dem Herrn als Opfer darbringen sollten. Und Adam war dem Gebot des Herrn gehorsam.“9

Dann wies der Herr unsere ersten irdischen Eltern an, ihre Kinder hinsichtlich des Gehorsams gegenüber seinen Geboten zu belehren, „und Adam und Eva priesen den Namen Gottes und taten ihren Söhnen und Töchtern alles kund“.10

Präsident Spencer W. Kimball hat uns über die ewige Beschaffenheit der Familie belehrt:

„Das Rezept ist einfach; es gibt nur wenige Zutaten, wenngleich es bei jeder Familie verschiedene Varianten gibt.

Zuerst muss man mit der richtigen Einstellung an die Ehe herangehen, wozu gehört, dass man sich einen Ehepartner wählt, der in allem, was für den Einzelnen wichtig ist, so vollkommen wie möglich ist. Dann müssen diese beiden Menschen vor den Altar des Tempels treten und erkennen, dass sie sich anstrengen müssen, um einmal erfolgreich miteinander leben zu können.

Zweitens ist große Selbstlosigkeit erforderlich. Man muss sich selbst vergessen und das ganze Familienleben und alles, was dazugehört, zum Wohl der Familie lenken und sich selbst bezwingen.

Drittens muss man ständig umeinander werben und Liebe, Freundlichkeit und Rücksichtnahme zeigen, damit die Liebe am Leben bleibt und wächst.

Viertens muss man vollständig nach den Geboten des Herrn leben, wie sie im Evangelium Jesu Christi dargelegt sind.“11

Das Zuhause soll ein Anker sein, ein sicherer Hafen, ein Zufluchtsort, ein glücklicher Ort, wo die Familie zusammen wohnt, ein Ort, wo Kinder Liebe erfahren können. In der Familie sollen die Eltern ihre Kinder die wichtigen Lektionen des Lebens lehren. Die Familie soll der Mittelpunkt der irdischen Erfahrungen eines Menschen sein, wo Liebe und gegenseitige Achtung in richtiger Weise miteinander verschmelzen.

Ewige Partner zu sein ist das Wichtigste, an zweiter Stelle kommt gleich unsere Rolle als irdische Eltern. Vater und Mutter müssen bedenken, welche Rolle sie bei dieser großen Aufgabe spielen. Meine Kinder haben mir vor vielen Jahren eine wichtige Lektion erteilt. Unsere Familie war von Kalifornien nach New York gezogen, wo ich eine Stellung bei einer neuen Firma angenommen hatte. Zuerst suchten wir in der näheren Umgebung der Stadt nach einer neuen Bleibe. Nach und nach entfernten wir uns bei unserer Suche jedoch weiter von der Stadt, um ein Haus in einer Gegend zu finden, die unseren Bedürfnissen entsprach. Wir fanden in einiger Entfernung von New York ein schönes Haus. Es war ein eingeschossiges Haus, das in den schönen, dichten Wäldern Connecticuts lag. Als letzte Prüfung, bevor wir das Haus kauften, fuhr ich mit dem Nahverkehrszug nach New York, um zu sehen, wie lang der Zug brauchte. Ich kam ziemlich entmutigt zurück. Die Fahrt dauerte pro Strecke anderthalb Stunden. Ich ging in unser Motelzimmer, womeine Familie auf mich wartete, und stellte sie vor die Wahl.

„Ihr könnt entweder dieses Haus oder einen Vater haben“, sagte ich. Zu meiner großen Überraschung erwiderten sie: „Wir nehmen das Haus, du bist sowieso nicht oft da.“ Ich war am Boden zerstört. Was meine Kinder mir sagten, stimmte. Ich musste schnell Umkehr üben. Meine Kinder brauchten einen Vater, der mehr zu Hause war. Schließlich fanden wir einen Kompromiss und kauften ein Haus näher an der Stadt, von wo aus ich nicht so lange unterwegs war. Ich änderte meine Arbeitsgewohnheiten, so dass ich mehr Zeit für meine Familie hatte.

In jedem Zeitalter gebietet der Herr seinem Volk, die Kinder in Wahrheit und Rechtschaffenheit aufzuziehen. Wir halten Sie dazu an, Ihre Familie zum Familiengebet, zum Evangeliumsstudium, zum gemeinsamen Arbeiten und für Familienaktivitäten um sich zu versammeln. Wir raten Ihnen dringend, sich mit den einzelnen Familienmitgliedern zu beraten und sie dazu anzuhalten, sich an den wichtigen Entscheidungen wie der Planung gemeinsamer Aktivitäten zu beteiligen.

Präsident Brigham Young hat erklärt: „Das Priestertum … ist ein vollkommenes Regierungssystem, und nur es allein kann das Menschengeschlecht von allem Bösen befreien, das es jetzt noch bedrängt, und ihm Glücklichsein im Jenseits sichern.“12

Uns wurde die große Macht des Priestertums gegeben. Sie stellt für uns persönlich und für unsere Familie einen Segen dar; sie wirkt sich als Segen auf die Kollegien aus, zu denen wir gehören, auf die Versammlungen, in denen wir zu dienen berufen sind, und sogar auf die Welt, in der wir leben. Wir müssen lernen, wie wir auf rechtschaffene Weise die Lehren und Unterweisungen, die der Herr uns als Trägern seines heiligen Priestertums gegeben hat, befolgen. Wir haben den folgenden Rat erhalten:

„Darum lasst einen jeden lernen, was ihm obliegt, und lasst ihn mit allem Eifer das Amt ausüben lernen, zu dem er bestimmt worden ist.

Wer träge ist, wird nicht für würdig erachtet werden zu stehen; und wer nicht lernt, was ihm obliegt, und nicht zeigt, dass er sich bewährt, wird nicht für würdig erachtet werden zu stehen.“13

Möge der Herr uns Mitglieder seiner Kirche segnen, dass wir erkennen, welch ein Segen es ist, das Priestertum auf der Erde zu haben und es zum Wohl unserer Familie und der ganzen Menschheit einsetzen zu können. Mögen wir unsere Beziehung zu Gott, unserem himmlischen Vater, und dem Priestertum, das er uns gegeben hat, immer besser verstehen, das ist mein demütiges Gebet im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. 5. Glaubensartikel.

  2. „Die Familie – eine Proklamation an die Welt“, Der Stern, Oktober 1998, Seite 24.

  3. „On Priesthood“, Improvement Era, Juni 1935, Seite 372.

  4. Johannes 15:16.

  5. Generalkonferenz, Oktober 1938.

  6. LuB 93:40.

  7. LuB 93:41-43.

  8. Mose 3:24.

  9. Mose 5:4,5.

  10. Mose 5:12.

  11. Marriage and Divorce, 1976, Seite 17f.

  12. Discourses of Brigham Young, Hg. John A. Widtsoe, 1954, Seite 130.

  13. LuB 107:99,100.