2000–2009
Als Glaubende gehen wir unseren Weg
April 2002


Als Glaubende gehen wir unseren Weg

Wir greifen nach dem Unbekannten; aber der Glaube erleuchtet den Weg. Wenn wir diesen Glauben gedeihen lassen, werden wir nie in Finsternis wandeln.

Hier bei uns ist ein herrlicher Sabbatmorgen im April. Die Tulpen schauen schon ein gutes Stück aus dem Boden und werden sich bald in ihrer ganzen Schönheit entfalten. In den Winter des Zweifels ist die Hoffnung des Frühlings gekommen. Wir haben gewusst, dass er kommen würde. Wir haben aufgrund der Erfahrungen aus früheren Jahren daran geglaubt.

Und so verhält es sich auch mit den Angelegenheiten des Geistes und der Seele. Im Leben eines jeden Menschen kommen dunkle Zeiten des Zweifels, der Entmutigung und der Enttäuschung. In einer solchen Lage schauen einige durch das Licht des Glaubens nach vorn, die meisten jedoch stolpern in der Dunkelheit dahin, und manche verlieren sogar die Hoffnung.

Mein Appell an Sie heute Morgen ist ein Appell zum Glauben, jenem Glauben, der bedeutet: „Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebräer 11:1), wie Paulus es beschrieb.

Während der Zeit der Bekehrung hört jemand, der die Kirche untersucht, dieses und jenes. Er liest dieses und jenes. Das vollständige Wunder versteht er nicht und er kann es auch nicht verstehen. Aber wenn er ernsthaft sucht, wenn er bereit ist, sich auf seine Knie zu begeben und darüber zu beten, berührt der Geist sein Herz, wenn auch vielleicht nur ganz leicht. Dies weist ihm die richtige Richtung. Er sieht ein wenig von dem, was er nie zuvor gesehen hat. Und mit Glauben macht er ein paar vorsichtige Schritte. Dann eröffnet sich vor ihm eine andere, strahlendere Perspektive.

Vor langer Zeit arbeitete ich für eine unserer Eisenbahngesellschaften, deren Schienen über die Pässe der Berge hier im Westen verliefen. Ich fuhr häufig auf dieser Strecke. Es war die Zeit der Dampflokomotiven. Diese großen Ungeheuer auf Schienen waren riesig, schnell und gefährlich. Ich fragte mich oft, wie der Lokomotivführer die lange Reise durch die Nacht wagen konnte. Dann wurde mir bewusst, dass es nicht eine lange Reise, sondern vielmehr eine ständige Folge kurzer Reisen war. Die Lokomotive hatte einen starken Scheinwerfer, der den Weg bis auf eine Entfernung von 350 bis 450 Metern erhellte. Der Lokführer sah nur dieses Stück und das reichte, weil er es die ganze Nacht vor sich sah, bis ein neuer Tag heranbrach.

Der Herr hat von diesem Vorgang gesprochen. Er sagte: „Was nicht erbaut, ist nicht von Gott, sondern Finsternis.

Was von Gott ist, das ist Licht, und wer Licht empfängt und in Gott verbleibt, empfängt mehr Licht; und das Licht wird heller und heller bis zum vollkommenen Tag.“ (LuB 50:23,24.)

So ist es auch mit unserer ewigen Reise. Wir machen einen Schritt nach dem anderen. Wenn wir dies tun, greifen wir nach dem Unbekannten; aber der Glaube erleuchtet den Weg. Wenn wir diesen Glauben gedeihen lassen, werden wir nie in Finsternis wandeln.

Ich möchte Ihnen von einem Mann erzählen, den ich kenne. Ich werde seinen Namen nicht erwähnen, um ihn nicht in Verlegenheit zu bringen. Seine Frau hatte das Gefühl, dass etwas in ihrem Leben fehlte. Sie sprach eines Tages mit einem Verwandten, der Mitglied der Kirche war. Der Verwandte schlug vor, sie solle die Missionare anrufen. Das tat sie. Aber der Ehemann war ihnen gegenüber unfreundlich und sagte ihnen, dass sie nicht wieder kommen bräuchten.

Monate vergingen. Eines Tages beschloss ein anderer Missionar, als er den Bericht über diesen Besuch fand, dass er und sein Mitarbeiter es noch einmal versuchen sollten. Es war ein großer Elder aus Kalifornien, der stets ein breites Lächeln zur Schau trug.

Sie klingelten und der Mann öffnete. Ob sie für ein paar Minuten hereinkommen dürften, fragten sie. Er willigte ein.

Der Missionar sagte im Wesentlichen: „Ich frage mich, ob Sie wissen, wie man betet.“ Der Mann antwortete, dass er das Vaterunser kennt. Der Missionar sagte: „Das ist gut, aber lassen Sie mich erzählen, wie man ein persönliches Gebet spricht.“ Er fuhr fort und erklärte, dass wir uns in demütiger Haltung vor dem Gott des Himmels niederknien. Der Mann tat es. Der Missionar sagte daraufhin: „Wir sprechen Gott als den Vater im Himmel an. Dann danken wir ihm für seine Segnungen wie Gesundheit, unsere Freunde, unser Essen. Danach bitten wir ihn um Segnungen. Wir bringen unsere geheimsten Hoffnungen und Wünsche zum Ausdruck. Wir bitten ihn, die Bedürftigen zu segnen und wir tun alles im Namen seines geliebten Sohnes, des Herrn Jesus Christus, und schließen mit ‚Amen‘.“

Es war ein angenehmes Erlebnis für den Mann. Er hatte ein bisschen Licht und Verständnis aufgelesen, einen Hauch von Glauben. Er war bereit, den nächsten Schritt zu versuchen.

Zeile auf Zeile belehrten die Missionare ihn geduldig. Er reagierte darauf, weil sein Glaube zu einem schwachen Licht des Verstehens wurde. Freunde aus seinem Zweig kamen, um ihm Mut zu machen und seine Fragen zu beantworten. Die Männer spielten Tennis mit ihm, und er und seine Familie wurden zu ihnen nach Hause zum Essen eingeladen.

Er wurde getauft und das war ein riesiger Schritt im Glauben. Der Zweigpräsident bat ihn, für vier Jungen als Scoutführer zu fungieren. Das führte zu anderen Aufgaben und das Licht des Glaubens wurde mit jeder neuen Gelegenheit und Erfahrung stärker.

So ging es weiter. Heute ist er ein fähiger und geliebter Pfahlpräsident, ein Führer mit großer Weisheit und großem Verständnis und vor allem ein Mann mit großem Glauben.

Die Herausforderung, der sich jedes Mitglied dieser Kirche gegenübersieht, besteht darin, diesen nächsten Schritt zu tun, die Aufgabe anzunehmen, zu der man berufen wurde, selbst wenn man sich dem nicht gewachsen fühlt, und es im Glauben zu tun, in der sicheren Erwartung, dass der Herr den Weg vor einem erhellt.

Ich möchte Ihnen eine Geschichte über eine Frau in São Paulo in Brasilien erzählen. Sie arbeitete, während sie zur Schule ging, damit sie für ihre Familie sorgen konnte. Ich gebe die Geschichte in ihren eigenen Worten wieder. Sie sagt:

„An der Universität, an der ich studierte, gab es eine Bestimmung, die es den Studenten, die Schulden hatten, verbot, Prüfungen zu absolvieren. Aus diesem Grund legte ich, wenn ich mein Gehalt bekam, zuerst das Geld für den Zehnten und die anderen Spenden beiseite, der Rest war für die Bezahlung der Schule und für andere Ausgaben bestimmt.

Ich erinnere mich an eine Zeit, als ich … große finanzielle Schwierigkeiten hatte. Es war ein Donnerstag, als ich mein Gehalt erhielt. Als ich das Monatsbudget aufstellte, stellte ich fest, dass das Geld nicht reichte, um [sowohl] den Zehnten als auch die Universität zu bezahlen. Ich musste mich für eines entscheiden. Die Prüfungen, die alle zwei Monate stattfanden, sollten in der nächsten Woche beginnen, und wenn ich nicht an ihnen teilnahm, konnte es sein, dass ich ein Schuljahr verlor. Ich litt große Qualen … Das Herz tat mir weh. Ich hatte eine schmerzliche Entscheidung vor mir und ich wusste nicht, wie ich mich entscheiden sollte. Ich wog die zwei Möglichkeiten gegeneinander ab: den Zehnten nicht zu zahlen oder zu riskieren, dass ich nicht die nötigen Punkte bekam, die nötig waren, damit meine Leistungen von der Schule anerkannt wurden.

Dieses Gefühl nahm mich ganz gefangen und hielt sich bis Samstag. An jenem Tag erinnerte ich mich daran, dass ich mich bei meiner Taufe damit einverstanden erklärt hatte, das Gesetz des Zehnten zu leben. Ich hatte eine Verpflichtung auf mich genommen; ich war sie nicht gegenüber den Missionaren, sondern gegenüber dem himmlischen Vater eingegangen. In jenem Augenblick ließ die Qual nach und machte einem angenehmen Gefühl der Ruhe und der Entschlossenheit Platz. …

Als ich an jenem Abend betete, bat ich den Herrn, mir meine Unschlüssigkeit zu vergeben. Am Sonntag vor der Abendmahlsversammlung ging ich auf den Bischof zu und bezahlte mit großer Freude meinen Zehnten und die anderen Spenden. Es war ein besonderer Tag. Ich fühlte mich einfach glücklich und war mit mir und dem himmlischen Vater im Reinen.

Als ich am nächsten Tag im Büro war, versuchte ich einen Weg zu finden, so dass ich die Prüfungen machen konnte, die am nächsten Mittwoch beginnen sollten. Je mehr ich darüber nachdachte, desto weiter fühle ich mich von einer Lösung entfernt. Ich arbeitete zu der Zeit in einem Rechtsanwaltsbüro und mein Arbeitgeber war der strengste und nüchternste Mensch, der mir je begegnet war.

Die Arbeitszeit neigte sich dem Ende zu, als mein Arbeitgeber kam und die letzten Anweisungen für den Tag gab. Als er damit fertig war, verabschiedete er sich mit der Aktentasche in der Hand … Plötzlich hielt er aber inne, sah mich an und fragte: ‚Wie läuft’s am College?‘ Ich war überrascht und wollte meinen Ohren nicht trauen. Das Einzige, was ich mit zitternder Stimme erwidern konnte, war: ‚Es ist alles in Ordnung!‘ Er sah mich nachdenklich an und verabschiedete sich noch einmal. …

Plötzlich kam die Sekretärin in den Raum und sagte, dass ich mich glücklich schätzen könne. Als ich sie fragte warum, entgegnete sie schlicht: ‚Der Chef hat gerade gesagt, dass von heute an die Firma Ihren College-Besuch und Ihre Bücher vollständig bezahlt. Kommen Sie, bevor Sie gehen, bei mir vorbei und nennen Sie mir die Kosten, damit ich Ihnen morgen den Scheck geben kann.‘

Nachdem sie gegangen war, kniete ich mich weinend und sehr demütig an Ort und Stelle nieder und dankte dem Herrn für seine Großzügigkeit. Ich … sagte zum himmlischen Vater, dass er mich nicht so sehr segnen müsse. Ich brauchte nur den Betrag für eine Monatsrate, und der Zehnte, den ich am Sonntag gezahlt hatte, war sehr gering, verglichen mit dem Betrag, den ich jetzt erhielt! Während des Gebets kamen mir die Worte aus Maleachi in den Sinn: ‚Stellt mich auf die Probe damit, spricht der Herr der Heere, und wartet, ob ich euch dann nicht die Schleusen des Himmels öffne und Segen im Übermaß auf euch herabschütte.‘ (Maleachi 3:10.) Bis zu jenem Augenblick hatte ich nie das Ausmaß jener Verheißung erkannt und dass dieses Gebot wahrhaftig ein Zeugnis für die Liebe ist, die Gott, der himmlische Vater, seinen Kindern hier auf der Erde entgegenbringt.“

Glaube ist der grundlegende Bestandteil, der diesem Werk Kraft verleiht. Wo auch immer diese Kirche in dieser weiten Welt aufgerichtet wird, ist das deutlich zu sehen. Es beschränkt sich nicht auf ein Land, eine Nation, eine Sprache oder ein Volk. Es ist überall so. Wir sind ein Volk des Glaubens. Als Glaubende gehen wir unseren Weg. Wir gehen auf unserer ewigen Reise vorwärts, einen Schritt nach dem anderen.

Groß ist die Verheißung des Herrn an die Glaubenstreuen überall. Er hat gesagt:

„Ich, der Herr, bin barmherzig und gnädig zu denen, die mich fürchten, und es freut mich, die zu ehren, die mir in Rechtschaffenheit und Wahrheit bis ans Ende dienen.

Groß wird ihr Lohn sein und ewig ihre Herrlichkeit.

Und ihnen will ich alle Geheimnisse offenbaren, ja, alle verborgenen Geheimnisse meines Reiches von den alten Zeiten an, und für die künftigen Zeiten …

Ja, selbst die Wunder der Ewigkeit werden sie wissen, …

Und ihre Weisheit wird groß sein und ihr Verständnis wird bis zum Himmel reichen; und vor ihnen wird die Weisheit der Weisen zugrunde gehen und das Verständnis der Klugen zunichte werden.

Denn durch meinen Geist will ich sie erleuchten und durch meine Macht werde ich ihnen die Geheimnisse meines Willens kundtun – ja, selbst das, was das Auge nicht gesehen und das Ohr nicht gehört hat und was dem Menschen noch nicht ins Herz gedrungen ist.“ (LuB 76:5–10.)

Wie kann jemand mehr verlangen? Wie wunderbar ist doch dieses Werk, in dem wir tätig sind. Wie wundersam sind die Wege des Allmächtigen, wenn wir im Glauben vor ihm unseren Weg gehen.

Der Glaube eines Untersuchers ist wie ein Stück grünes Holz, das in ein glühendes Feuer geworfen wird. Es wird durch die Flammen erwärmt und getrocknet und beginnt dann zu brennen. Wenn es jedoch herausgezogen wird, kann es allein nicht weiter brennen. Seine flackernde Flamme verlischt. Wenn man es jedoch im Feuer lässt, wird es mit der Zeit hell brennen. Es ist bald Teil des glühenden Feuers und wird anderes, grüneres Holz entzünden.

Und so geht es voran, meine Brüder und Schwestern, dieses große Werk des Glaubens; es hebt Menschen auf dieser weiten Erde zu einem größeren Verständnis der Wege des Herrn und zu größerem Glücklichsein im Befolgen seines Plans empor.

Möge Gott, unser ewiger Vater, weiterhin auf dieses, sein Reich herablächeln und es gedeihen lassen, während wir, seine Kinder, als Glaubende unseren Weg gehen. Das ist mein demütiges Gebet. Im Namen des Herrn Jesus Christus. Amen.