2000–2009
Persönlich würdig sein, das Priestertum anzuwenden
April 2002


Persönlich würdig sein, das Priestertum anzuwenden

Unser Verhalten in der Öffentlichkeit muss tadellos sein. Noch wichtiger ist unser privates Verhalten. Es muss den Maßstäben des Herrn genügen.

Liebe Brüder, ich möchte heute Abend über ein Thema zu Ihnen sprechen, das mich sehr beschäftigt. Es ist ein großes Vergnügen, aber auch eine Besorgnis erregende Aufgabe, zu Ihnen zu sprechen. Was für eine großartige Bruderschaft stellen wir doch dar. Wir tragen das kostbare und wundervolle Priestertum. Es kommt von Gott, unserem ewigen Vater, der in dieser herrlichen Evangeliumszeit zusammen mit seinem geliebten Sohn erneut aus den Himmeln gesprochen hat. Beide haben bevollmächtigte Diener entsandt, diese göttliche Vollmacht den Menschen zu übertragen.

Die persönliche Würdigkeit ist der Maßstab dafür, dass man diese heilige Macht empfangen und ausüben kann, und darüber möchte ich heute sprechen.

Zunächst möchte ich Ihnen aus dem Buch Lehre und Bündnisse vorlesen, aus Abschnitt 121.

„Die Rechte des Priestertums sind mit den Himmelskräften untrennbar verbunden, und die Himmelskräfte können nur nach den Grundsätzen der Rechtschaffenheit beherrscht und gebraucht werden.

Sie können uns zwar übertragen werden, doch wenn wir versuchen, unsere Sünden zu verdecken oder unseren Stolz und eitlen Ehrgeiz zu befriedigen, oder wenn wir auch nur mit dem geringsten Maß von Unrecht irgendwelche Gewalt, Herrschaft oder Nötigung auf die Seele der Menschenkinder ausüben wollen – siehe, dann ziehen sich die Himmel zurück, der Geist des Herrn ist betrübt, und wenn er weggenommen wird, dann ist es mit dem Priestertum oder der Vollmacht des Betreffenden zu Ende.“ (LuB 121:36,37.)

So lautet die unmissverständliche Aussage des Herrn in Bezug auf seine göttliche Vollmacht. Das erlegt uns eine ungeheure Verpflichtung auf. Wir als Träger des Priestertums Gottes müssen uns über die Maßstäbe der Welt erheben. Wir müssen uns zügeln. Wir dürfen nicht selbstgerecht sein, sondern können und müssen anständige und ehrbare Männer sein.

Unser Verhalten in der Öffentlichkeit muss tadellos sein. Noch wichtiger ist unser privates Verhalten. Es muss den Maßstäben des Herrn genügen. Wir dürfen uns nicht der Sünde hingeben, geschweige denn unsere Sünden verdecken. Wir dürfen unseren Stolz nicht befriedigen. Wir dürfen keinen eitlen, unrechten Ehrgeiz an uns haben. Wir dürfen weder Gewalt noch Herrschaft noch Nötigung auf unsere Frauen und Kinder oder sonst jemanden ausüben, wenn das auch nur im Geringsten unrecht wäre.

Wenn auch nur ein Punkt davon auf uns zutrifft, werden die Mächte des Himmels zurückgezogen. Der Geist des Herrn ist betrübt. Die Macht unseres Priestertums wird zunichte gemacht, seine Vollmacht verfällt.

Wie wir leben, was wir sagen und wie wir uns Tag für Tag verhalten, hat einen Einfluss darauf, wie wirksam wir als Jungen und Männer, die das Priestertum tragen, handeln können.

Der 5. Glaubensartikel besagt: „Wir glauben, dass man durch Prophezeiung und das Händeauflegen derer, die Vollmacht haben, von Gott berufen werden muss, um das Evangelium zu predigen und seine heiligen Handlungen zu vollziehen.“

Auch wenn diejenigen, die Vollmacht haben, uns bei unserer Ordinierung die Hände auflegen, können wir durch unser Verhalten jedes Recht, diese göttliche Vollmacht auszuüben, völlig zunichte machen.

In Abschnitt 121 heißt es weiter: „Kraft des Priestertums kann und soll keine Macht und kein Einfluss anders geltend gemacht werden als nur mit überzeugender Rede, mit Langmut, mit Milde und Sanftmut und mit ungeheuchelter Liebe, mit Wohlwollen und mit reiner Erkenntnis, wodurch sich die Seele sehr erweitert – ohne Heuchelei und ohne Falschheit.“ (LuB 121:41,42.)

Dies, meine Brüder, sind also die Grenzen, innerhalb derer das Priestertum zur Anwendung kommen muss. Es ist nicht wie ein Mantel, den wir nach Belieben anziehen oder ablegen können. Es ist, sofern rechtschaffen ausgeübt, wie eine Faser unseres Körpers –stets und unter allen Umständen Teil unserer selbst.

Und so wurde euch jungen Männern, die das Aaronische Priestertum tragen, jene Macht übertragen, die die Schlüssel des Dienstes von Engeln innehat. Denkt einen Moment darüber nach.

Ihr könnt es euch nicht leisten, etwas zu tun, was euch hindern würde, den Dienst von Engeln für euch in Anspruch zu nehmen.

Ihr dürft in keinster Weise sittenlos sein. Ihr dürft nicht unehrlich sein. Ihr könnt nicht lügen oder betrügen. Ihr könnt den Namen des Herrn nicht unnütz gebrauchen oder schmutzige Ausdrücke benutzen und trotzdem ein Anrecht auf den Dienst von Engeln haben.

Ich möchte nicht, dass ihr selbstgerecht seid. Ich möchte, dass ihr echte Männer seid – vital, stark und glücklich. Wer von euch sportliche Neigungen hat, soll ein guter Sportler werden und versuchen, Titel zu erringen. Aber auf dem Weg dahin braucht ihr euch nicht unwür- dig verhalten oder fluchen oder schmutzige Ausdrücke benutzen.

Euch jungen Männern, die einer Mission entgegenfiebern, sage ich: Lasst bitte euer Leben nicht von etwas überschatten, was eure Würdigkeit, dass ihr als Diener des lebendigen Gottes auftreten könnt, zweifelhaft erscheinen ließe.

Ihr dürft und könnt auf gar keinen Fall die göttliche Macht missbrauchen, die ihr als ordinierte Diener im Evangelium in euch tragt.

Zur Warnung und Vorwarnung haben die Erste Präsidentschaft und das Kollegium der Zwölf folgende Erklärung abgefasst, die sich direkt an euch richtet:

„Von Ihnen als Missionar wird erwartet, dass Sie den höchsten Verhaltensmaßstäben genügen und auch das Gebot der Keuschheit strikt befolgen …

Bleiben Sie nie mit jemand anderem allein, ob männlich, weiblich, erwachsen oder Kind, [als dem Ihnen zugeteilten Mitarbeiter].

Selbst eine falsche Anschuldigung gegen einen unschuldigen Missionar bedarf möglicherweise monatelanger Untersuchungen und kann dazu führen, dass die Mission unterbrochen oder beendet wird. Schützen Sie sich vor solchen Anschuldigungen, indem Sie Ihrem Mitarbeiter nicht von der Seite weichen, auch dann nicht, wenn Sie Mitglieder oder Untersucher besuchen.“ (Erklärung der Ersten Präsidentschaft zu Verhaltensweisen für Missionare, 22. März 2002.)

Ihr braucht euch über solche Dinge keine Gedanken zu machen, wenn ihr stets die Missionarsregeln befolgt. Tut ihr das, stehen euch wundervolle Erlebnisse bevor, und ihr werdet ehrenhaft zu euren Lieben zurückkehren, ohne dass Schwächen, Zweifel oder Bedauern aufkommen.

Wenn ihr nach Hause zurückkehrt, dann vergesst nicht, dass ihr noch immer Älteste der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage seid.

Ihr werdet euch auf die Suche nach einem Partner fürs Leben begeben. Ihr werdet im Haus des Herrn heiraten wollen. Eigentlich kann es für euch gar keine Alternative geben. Seid aber auf der Hut, dass ihr euer Anrecht auf eine solche Ehe nicht verliert. Amüsiert euch, aber unterwerft eure Annäherungsversuche strikter Selbstdisziplin. Der Herr hat ein Gebot mit einer Verheißung gegeben. Er hat gesagt: „Lass Tugend immerfort deine Gedanken zieren“. Darauf folgt dann die Verheißung: „Dann wird dein Vertrauen stark werden in der Gegenwart Gottes, und … der Heilige Geist wird dir ein ständiger Begleiter sein.“ (LuB 121:45,46.)

Die Frau eurer Wahl wird euch gleichgestellt sein. Paulus hat erklärt: „Doch im Herrn gibt es weder die Frau ohne den Mann noch den Mann ohne die Frau.“ (1 Korinther 11:11.)

In der ehelichen Beziehung gibt es weder Unter- noch Überordnung. Weder geht die Frau dem Mann voraus, noch der Mann der Frau. Seite an Seite begeben sie sich als ein Sohn und eine Tochter Gottes auf eine ewige Reise.

Die Frau ist weder euer Sklave noch euer Eigentum; sie ist nichts dergleichen.

Was für eine tragische und abscheuliche Erscheinung ist doch Missbrauch und Misshandlung in der Ehe! Jeder Mann in der Kirche, der seine Frau missbraucht, sie erniedrigt, sie beleidigt, der unrechte Herrschaft über sie ausübt, ist des Priestertums nicht wert. Auch wenn er ordiniert worden ist, werden sich die Himmel zurückziehen, wird der Geist des Herrn betrübt sein, und dann ist es mit dem Priestertum des Betreffenden zu Ende.

Jeder Mann, der ein solches Verhalten an den Tag legt, ist eines Tempelscheins unwürdig.

Leider muss ich zugeben, dass mir solche Scheußlichkeiten allzu oft unterkommen. Es gibt Männer, die ihre Frau schlagen, und zwar sowohl verbal als auch physisch. Welch eine Tragödie, wenn ein Mann die Mutter seiner Kinder derart erniedrigt.

Es mag wohl sein, dass es auch Frauen gibt, die ihren Mann misshandeln. Aber an diese wende ich mich heute nicht. Ich spreche heute zu den Männern in der Kirche, zu Männern, denen der Allmächtige sein heiliges Priestertum anvertraut hat.

Meine Brüder, wenn mir heute irgendwer zuhört, der sich eines solchen Verhaltens schuldig gemacht hat, so rufe ich ihn zur Umkehr auf. Knien Sie sich nieder und bitten Sie den Herrn um Vergebung. Beten Sie um die Macht, Ihre Zunge und Ihre ungezügelte Hand beherrschen zu können. Bitten Sie Ihre Frau und Ihre Kinder um Vergebung. Präsident McKay hat oft gesagt: „Kein Erfolg kann ein Versagen in der Familie wettmachen.“ (Zitiert in J. E. McCulloch, Home: The Savior of Civilization, 1924, Seite 42; Conference Report, April 1935, Seite 116.) Und Präsident Lee hat gesagt: „Ihre wichtigste Aufgabe im Werk des Herrn ist das, was Sie in Ihren eigenen vier Wänden tun.“ (Harold B. Lee, Doing the Right Things for the Right Reasons, BYU Speeches of the Year, 1961, Seite 5.)

Ich bin sicher, dass es, wenn wir vor dem Richterstuhl Gottes stehen, kaum darum gehen wird, wie viel Vermögen wir im Laufe des Lebens angehäuft haben oder welche Ehrungen wir errungen haben. Aber die Fragen nach unseren häuslichen Verhältnissen werden bohrend sein. Ich bin gleichermaßen überzeugt, dass nur jene, die voller Liebe und Achtung und Dankbarkeit gegenüber ihren Partnern und Kindern durchs Leben gegangen sind, von unserem ewigen Richter die Worte hören werden: „Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener … Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!“ (Matthäus 25:21.)

Ich will noch auf eine weitere Form der Misshandlung eingehen. Es geht um ältere Menschen. Ich glaube nicht, dass es bei uns oft vorkommt. Ich hoffe und bete, dass es nicht so ist.

Ich glaube, dass fast alle unsere Mitglieder sich an das alte Gebot halten: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt“. (Exodus 20:12.)

Wie tragisch, wie durch und durch abstoßend ist doch die Misshandlung älterer Menschen!

Immer mehr von uns leben immer länger, was den Wundern der modernen Wissenschaft und der Medizin zu verdanken ist. Mit dem Altern geht jedoch ein Nachlassen der körperlichen, bisweilen auch der geistigen Fähigkeiten einher. Ich habe früher schon einmal gesagt, dass mir aufgefallen ist, wie viel Blei in den sogenannten goldenen Jahren steckt. Ich bin meinen Kindern zutiefst dankbar für die Liebe und die Fürsorge, die sie ihrer Mutter und ihrem Vater angedeihen lassen. Wie wunderbar ist es, wenn ein Sohn oder eine Tochter daran denken, sich freundlich, gütig und liebevoll um die alten Eltern zu kümmern.

Ich möchte noch eine weitere Form der Misshandlung bzw. des Missbrauchs ansprechen, über die in den Medien viel berichtet wird. Ich meine den widerlichen, üblen Kindesmissbrauch durch Erwachsene, in der Regel Männer. Derlei ist nicht neu. Man darf davon ausgehen, dass es solches schon immer gegeben hat. Es ist äußerst widerwärtig, tragisch und furchtbar. Ich muss leider sagen, dass dieses fürchterliche Übel sehr vereinzelt bei uns vorgekommen ist. So etwas können wir nicht entschuldigen und nicht dulden. Der Herr selbst hat gesagt: „Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde.“ (Matthäus 18:6.)

Das sind sehr deutliche Worte aus dem Munde des Friedensfürsten, des Gottessohns.

Ich zitiere aus dem Handbuch Allgemeine Anweisungen: „Die Kirche vertritt den Standpunkt, dass Misshandlung bzw. Missbrauch in jedweder Form nicht geduldet werden kann. Wer … seine Kinder … misshandelt, … [unterliegt] der Kirchendisziplin. [Er darf] keine Berufung in der Kirche erhalten und keinen Tempelschein haben. Selbst wenn gegen jemand, der ein Kind sexuell missbraucht oder körperlich misshandelt hat, kirchliche Disziplinarmaßnahmen ergriffen worden sind und er später wieder gänzlich in die Gemeinschaft aufgenommen bzw. durch die Taufe wieder zugelassen worden ist, dürfen die Führer ihn dennoch nicht in eine Position berufen, in der er mit Kindern oder Jugendlichen zu tun hat, außer die Erste Präsidentschaft genehmigt die Löschung des entsprechenden Vermerks aus seinem Mitgliedsschein.

Bei Misshandlung und Missbrauch ist es die vorrangige Aufgabe der Kirche, den Opfern zu helfen und potenzielle Opfer zu schützen.“ (Handbuch Anweisungen der Kirche, Seite 158.)

Mit diesem Problem setzen wir uns nun schon lange auseinander. Wir haben die Bischöfe, Pfahlpräsidenten und andere dringend ermahnt, sich um die Opfer zu kümmern, sie zu trösten, sie aufzubauen, sie wissen zu lassen, dass das Geschehene unrecht war, dass sie selbst keine Schuld trifft und dass es sich nie mehr wiederholen muss.

Wir haben Material dazu veröffentlicht und ein Telefon eingerichtet, wo sich die Beamten der Kirche beraten lassen können, was zu tun ist, und wir bieten professionelle Hilfe über LDS Family Services.

Oft handelt es sich hierbei um Gewaltverbrechen, die unter Strafandrohung stehen. Professionelle Berater, darunter Anwälte und Sozialarbeiter, stehen am Nottelefon zur Verfügung, um dem Bischof oder Pfahlpräsidenten mitteilen zu können, was er in so einem Fall zu tun hat. Im Ausland ist der jeweilige Gebietspräsident zuständig.

Das Werk der Kirche ist ein Erlösungswerk. Darauf lege ich großen Wert. Es geht darum, Seelen zu erretten. Wir wollen sowohl dem Opfer wie dem Täter helfen. Uns liegt das Opfer am Herzen, und wir müssen etwas unternehmen, um ihm zu helfen. Uns liegt auch der Täter am Herzen, aber die Sünde, derer er sich schuldig gemacht haben mag, können wir nicht dulden. Auf Übertretungen folgt eine Strafe. Die staatliche Gerechtigkeit muss ihren Lauf nehmen. Und auch die kirchliche Gerechtigkeit muss ihren Lauf nehmen, was oftmals die Exkommunizierung bedeutet. Angelegenheiten wie diese sind sehr heikel und sehr ernst.

Wir sind uns dennoch bewusst – und werden es stets sein – dass wir, wenn die Strafe abgegolten ist und die Forderungen der Gerechtigkeit erfüllt sind, eine hilfreiche und gütige Hand ausstrecken müssen. Einschränkungen mögen fortbestehen, aber es gibt auch Güte.

Brüder, ich glaube, meine Worte heute Abend klangen ein wenig negativ. Das war nicht meine Absicht. Aber ich möchte doch gegenüber dem Priestertum dieser Kirche in aller Welt warnend meine Stimme erheben.

Gott hat uns ein höchst kostbares und wunderbares Geschenk überbracht. Es verleiht uns die Vollmacht, die Kirche zu leiten und ihre Angelegenheiten wahrzunehmen, mit aller Befugnis im Namen des Herrn Jesus Christus zu sprechen, als seine von ihm beauftragten Diener zu handeln, die Kranken zu segnen und unsere Familie und viele andere zu segnen. Es dient uns als Richtschnur im Leben. Seine Macht reicht in ihrer Fülle über den Schleier des Todes hinaus in die Ewigkeit, die vor uns liegt.

Es gibt in der ganzen Welt nichts Vergleichbares. Schützen und bewahren Sie es, lieben Sie es, leben Sie so, dass Sie dessen würdig sind.

„So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (Matthäus 5:16). Darum bete ich demütig. Ich segne Sie und grüße Sie herzlich. Im Namen Jesu Christi. Amen.