1990–1999
Die reine Lehre kommt vom lebenden Propheten
Oktober 1998


Die reine Lehre kommt vom lebenden Propheten

Die Kirche gründet sich auf kontinuierliche Offenbarung an den jeweiligen lebenden Propheten.

Etwa zwei Jahre vor seinem Tod veröffentlichte der Prophet Joseph Smith die Glaubensartikel. Der neunte Glaubensartikel lautet: „Wir glauben alles, was Gott offenbart hat, und alles, was er jetzt offenbart; und wir glauben, daß er noch viel Großes und Wichtiges offenbaren wird, was das Reich Gottes betrifft.“ Ich werde heute über den letzten Satz sprechen, nämlich „daß er noch viel Großes und Wichtiges offenbaren wird, was das Reich Gottes betrifft“. Der Grundsatz der kontinuierlichen Offenbarung gehört ganz wesentlich zum Reich Gottes.

In Lehre und Bündnisse 21, Vers 4 und 5, legt der Herr dar, daß die Kirche verpflichtet ist, auf die Weisungen des Propheten zu achten:

„Darum sollst du, nämlich die Kirche, allen seinen Worten und Geboten Beachtung schenken, die er dir geben wird, wie er sie empfängt, in aller Heiligkeit vor mir wandelnd.

Denn sein Wort sollt ihr empfangen, als sei es aus meinem eigenen Mund, voller Geduld und Glauben.“

Der Prophet Joseph Smith übersetzte das Buch Mormon und empfing die Offenbarungen, auf die sich die wiederhergestellte Kirche gründet. Er ahnte seinen Tod voraus und beeilte sich, dem Kollegium der Zwölf alle Schlüsselgewalt des Priestertums zu übertragen. Wilford Woodruff schreibt darüber: „So wandte sich [Joseph] also an die Zwölf und sagte: Auf euren Schultern ruht nun das Reich Gottes, und ihr müßt euch beugen und diese Last tragen, denn ich habe sie bisher tragen müssen. Aber nun ruht die Verantwortung auf euch.’“ (Times and Seasons, 5:698.)

Offenbarung und Weisung aus dem Himmel hörten nicht auf, als Joseph Smith starb. „Viel Großes und Wichtiges, … was das Reich Gottes betrifft“, ist denen offenbart worden, die seine Nachfolger als Präsident der Kirche waren. Präsident Spencer W. Kimball drückt das folgendermaßen aus:

„Seit jenem schicksalsträchtigen Tag im Jahre 1820 ist fortwährend zusätzliche heilige Schrift entstanden, darunter auch zahlreiche, wesentliche Offenbarungen, die in ununterbrochener Abfolge von Gott an seine Propheten auf Erden ergangen sind.… Es gibt Menschen, die die Meinung vertreten, daß mit dem Druck und der Herausgabe dieser heiligen Berichte [er meinte damit die vier Bücher der heiligen Schriften] die Prophezeiungen ein Ende haben. Aber wir bezeugen der Welt erneut, daß Offenbarung fortdauert und daß in den Gewölben und Archiven der Kirche alle die Offenbarungen zu finden sind, die jeden Monat, die jeden Tag empfangen werden. Wir bezeugen, daß es seit dem Jahr 1830, als die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gegründet wurde, immer einen Propheten gegeben hat und auch in Zukunft immer einen Propheten geben wird, der weiterhin die Absicht und den Willen des Herrn auslegt.“ („Revelation: The Word of the Lord to His Prophets“, Ensign, Mai 1977, 78.)

Uns stehen große Mengen an schriftlichen Aufzeichnungen aus der Anfangszeit der Kirche zur Verfügung, darunter auch Redender ersten Führer der Kirche. Sie vermitteln uns das Hintergrundwissen, das die Ereignisse der Wiederherstellung und die damalige Situation verständlich macht. In diesem Jahr lernen wir im Priestertums- und im FHV-Unterricht aus den Lehren des Propheten Brigham Young. Diese Lehren und die der neueren Propheten harmonieren miteinander und bauen aufeinander auf.

Die Richtlinien und Bestimmungen der Kirche werden durch kontinuierliche Offenbarung und Inspiration weiter entwickelt, aber es gibt immer wieder Menschen, die sich von etwaigen Änderungen aus dem Gleichgewicht bringen lassen. Manche suchen geradezu nach Stellen, in denen ein früherer Führer oder ein früheres Mitglied der Kirche etwas gesagt hat, was nicht ganz mit unserer heutigen Sichtweise und den heutigen Gepflogenheiten übereinstimmt. Manch einer meint, was früher gewesen ist, müsse deswegen auch besser sein.

Ich möchte dazu etwas sagen. Erstens: Einige Bestimmungen der Kirche waren zu Beginn dieser Evangeliumszeit noch nicht völlig ausgereift und wurden von späteren Propheten erweitert oder klargestellt. Zweitens: Vor Irrlehren schützen wir uns vorrangig durch unseren Glauben an kontinuierliche Offenbarung durch den heutigen Propheten.

Präsident Harold B. Lee hat dazu einmal folgendes erzählt:

„Vor vielen Jahren war ich einmal als junger Missionar mit meinem Missionspräsidenten in Nauvoo und Carthage. Wir hielten eine Missionarsversammlung in dem Raum des Gefängnisses ab, in dem Joseph und Hyrum Smith sich zum Zeitpunkt ihres Todes aufgehalten hatten. Der Missionspräsident sprach über die Ereignisse, die schließlich zu ihrem Märtyrertod geführt hatten, und schloß seine Rede mit der folgenden Bemerkung: Als der Prophet Joseph Smith starb, starben geistig viele mit ihm.’ So war es auch nach dem Tod von Brigham Young, so war es nach dem Tod von John Taylor. Haben denn die Offenbarungen, die Präsident John Taylor gegeben wurden, mehr Gewicht als das, was unser heutiger Präsident und Prophet sagt? Einige Mitglieder der Kirche starben geistig mit Wilford Woodruff, einige mit Lorenzo Snow, einige mit Joseph F. Smith, einige mit Heber G. Grant und mit George Albert Smith. Und auch heute gibt es Menschen, die bereitwillig jemandem glauben, der schon tot ist, und die seinen Worten mehr Gewicht beimessen als den Worten einer heute lebenden Autorität.“ (Harold B. Lee, Stand Ye In Holy Places, 153.)

Präsident Lee hat das in seinem Bericht von dem Mann, der mit einer neuen Bestimmung in der Kirche nicht zurecht kam, weil sie nicht mehr dem entsprach, was zur Zeit von Joseph Smith üblich war, recht anschaulich dargestellt. Diesem Bruder erklärte Präsident Lee folgendes:

„Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, daß etwas, was 1840 gegen die Ordnung des Himmels war, nicht unbedingt auch 1960 gegen die Ordnung des Himmels sein muß? So hatte er die Sache noch nie gesehen. Da war wieder jemand, der einem toten Propheten folgte und dabei vergaß, daß es heute einen lebenden Propheten gibt. Deshalb heben wir das Wort lebend’ so sehr hervor.“ (Harold B. Lee, Stand Ye In Holy Places, 153.)

Die Kirche beruht somit auf kontinuierlicher Offenbarung durch den heute lebenden Propheten. „Viel Großes und Wichtiges, … was das Reich Gottes betrifft“, ist bereits offenbart worden, und durch den lebenden Propheten werden noch weitere Offenbarungen erfolgen. Seit Joseph Smith und dann weiter über jeden seiner Nachfolger als Präsident der Kirche hat es eine ständige Folge von Offenbarungen gegeben, wodurch unser Einblick in das Evangelium vervollkommnet wird. Wir verstehen die Lehren der Kirche heute umfassender als je zuvor in dieser Evangeliumszeit. Das bezeuge ich im Namen Jesu Christi, amen.