1990–1999
Unsere Kinder lehren, die heiligen Schriften zu lieben
April 1998


Unsere Kinder lehren, die heiligen Schriften zu lieben

Durch die Führung liebevoller Eltern und eifriger Lehrer können kleine Kinder mit den heiligen Schriften und dem Geist, der damit einhergeht, vertraut werden.

Als der Erretter das nephitische Volk unterwies, bekräftigte er die Worte des Propheten Jesaja, der über das Israel der Letzten Tagen prophezeit hat: „Einen kleinen Augenblick habe ich dich verlassen, aber mit großem Erbarmen will ich dich herbeiholen… .

Denn die Berge werden weichen, und die Hügel werden wanken, aber mein Wohlwollen wird von dir nicht weichen, noch wird der Bund meines Friedens wanken, spricht der Herr, der Erbarmen mit dir hat.“ (3 Nephi 22:7,10.)

Dann offenbarte der Erretter, wie, unter anderem sein Bund des Friedens für die Rechtschaffenen in den Letzten Tagen bewahrt bleiben sollte: „Und allen deinen Kindern wird die Lehre vom Herrn zuteil werden; und groß wird der Friede deiner Kinder sein.“ (3 Nephi 22:13.)

Diese Worte des Erretters sind das Motto der PV; sie erfüllen sich durch das erklärte Ziel der PV, nämlich die Kinder das Evangelium Jesu Christi zu lehren und ihnen zu helfen, daß sie lernen, danach zu leben.

Wenn wir die Entwicklung der Ereignisse in den Letzten Tagen sehen, können wir nicht daran zweifeln, daß der Herr in dieser Schriftstelle direkt zu uns spricht. Wir sind das Israel der Letzten Tage. Wir sind diejenigen, die unsere Kinder über ihn belehren müssen. Dauerhafter Friede ist nicht von äußeren Kräften abhängig, auf die wir keinen Einfluß haben. „Lerne von mir, und höre meinen Worten zu; wandle in der Sanftmut meines Geistes, dann wirst du Frieden haben in mir.“ (LuB 19:23.)

Die Worte des Herrn, die vor Jahrhunderten gesprochen wurden, sind Worte der Hoffnung und Gewißheit, die den rechtschaffenen Eltern, die ihre Kinder über ihn belehren, Trost spenden. Sie sprechen in einer Zeit zu uns, da innerer Frieden im Herzen der Kinder als schwer faßbarer Traum erscheinen kann, aber der Erretter hat uns versichert, daß er Wirklichkeit werden kann, wenn wir unsere Kinder unterweisen. Die PV unterstützt die Eltern in dieser wichtigen Aufgabe.

Als ich zu einer Führerschaftsschulung in Brasilien war, habe ich auch eine PV-Kindergartenklasse besucht. Etwa acht Kinder saßen mit ihrer Lehrerin um den Tisch. Voller Ehrfurcht beobachtete ich, wie diese Kleinen, zwei und drei Jahre alt, einige wenige Augenblicke lang mit gespannter Aufmerksamkeit ein Bild ansahen, das die Lehrerin ihnen zeigte und auf dem der Erretter mit den Kindern zu sehen war. Ich hörte, wie sie ihnen sagte, wie sehr er Kinder liebt und wie sehr er jedes von ihnen liebt. Sie lehrte sie, daß auch der himmlische Vater sie liebt. Ich sah, wie sie zuhörten, und ich spürte, daß sie viel mehr verstanden, als ich für möglich gehalten hätte. Sie hörten ihre Worte und spürten ihre Liebe. In der Schönheit und Schlichtheit dieser wenigen Augenblicke erfuhren diese Kinder die Antwort auf die wichtigste Frage des Lebens, nämlich „Wer bin ich?“. In ihrem reinen, kindlichen Glauben war ihr Geist im Einklang mit den Wahrheiten, die ihnen vermittelt wurden. Dieses Erlebnis wiederholt sich Sonntag für Sonntag in ihrer Kindergartenklasse. Das sind im Leben dieser kleinen Kinder bedeutende Augenblicke der Belehrung zu einer Zeit, in der sie bereit sind zu lernen.

Bei jüngeren Untersuchungen der Entwicklung des Gehirns eines Kindes hat man neue Einsichten darüber gewonnen, wie und wann ein Kind lernt. Ich zitiere aus einer neuen Studie:

„Von Geburt an vermehren sich die Gehirnzellen eines Babys rasant und stellen Verbindungen her, die die gesamten Lebenserfahrungen formen können. Die ersten drei Jahre sind ganz wesentlich.“ (J. Madeleine Nash, „Fertile Minds“, Time, 3. Februar 1997, 49.)

Wen überrascht es, daß unser Vater im Himmel den Verstand ganz kleiner Kinder so geschaffen hat, daß er in der Zeit, in der man sie lehren muß, wer sie sind und was sie tun müssen, so lernfähig ist? Die ersten zehn Lebensjahre sind die bedeutendsten Jahre für das Erlernen der Sprache, die die Grundlage dafür wird, künftig Wissen und Wahrheit zu begreifen. Diese Grundlage wird durch die Worte, die sie hören, und die Eindrücke, die sie aus ihrer Umgebung erhalten, geformt. Dies ist die ideale Zeit für Eltern, ihren Kindern aus den heiligen Schriften vorzulesen. So fangen sie an, die Sprache der heiligen Schriften kennenzulernen.

Sie haben vielleicht bemerkt, daß die Kinder mit ihren heiligen Schriften in der Hand zur PV gehen. Die PV-Kinder werden in diesem Jahr anhand der heiligen Schriften unterrichtet, und sie lernen, damit umzugehen. Unser Thema für das Miteinander ist „Ich weiß, die Schriften sind wahr“. An einem Sonntagmorgen besuchte ich in einer Gemeinde das Miteinander und bemerkte, daß die Kinder die heiligen Schriften geöffnet auf dem Schoß liegen hatten. Die PV-Leiterin und die Lehrer halfen ihnen, Geschichten von Propheten in ihren heiligen Schriften zu finden. Ich wurde gebeten, den Kindern eine Lieblingsschriftstelle vorzulesen. Als ich damit fertig war, hielt eine Vierjährige aus der ersten Reihe ihre heiligen Schriften hoch und sagte: „Diese Schriftstelle ist auch in meinen heiligen Schriften.“ Durch die Führung liebevoller Eltern und eifriger Lehrer können kleine Kinder mit den heiligen Schriften und dem Geist, der damit einhergeht, vertraut werden.

Eine PV-Leiterin teilte uns mit, wie dankbar sie dafür ist, daß es in der PV in diesem Jahr um die heiligen Schriften geht. Sie sagte, daß sie und ihr Mann ihren kleinen Kindern ­ 2, 3 und 4 Jahre alt ­ jeden Abend vor dem Schlafengehen aus den heiligen Schriften vorlesen. Ich bat sie, mir mehr darüber zu erzählen. Ich muß zugeben, daß ich mich fragte, ob so kleine Kinder die Sprache der heiligen Schriften verstehen können. Sie sagte, daß sie und ihr Mann die gleichen Zweifel hatten, als sie damit begannen, ihren Kindern vorzulesen. Aber sie sagte, daß die Sprache nach der ersten Woche kein Thema mehr war. Die Kinder lieben es, gemeinsam zu lesen und den Geist zu spüren, und es ist erstaunlich, wieviel sie verstehen.

Die Lern- und Erkenntnisfähigkeit eines sehr kleinen Kindes ist oft weitaus größer, als wir annehmen. Es ist tatsächlich möglich, daß Kinder täglich neue Wörter lernen, daß sie den Wörtern Bedeutungen zuordnen und so die Sprache der heiligen Schriften kennenlernen. Mit der Zeit werden sie durch die Führung ihrer Eltern und Lehrer immer besser begreifen, daß der himmlische Vater durch die heiligen Schriften zu ihnen spricht, denn durch sie können sie Lösungen für ihre Probleme finden.

Eine Freundin erzählte, was sie mit ihrem Sohn Alex erlebte, als die Familie in eine andere Stadt zog. Der Umzug war für Alex nicht einfach. Es fiel ihm schwer, eine neue Schule zu besuchen. Er fürchtete sich so sehr davor, von zu Hause und seiner Familie fortzugehen, daß er nicht zur Schule gehen wollte. Eines Tages las seine Mutter ihm 2 Timotheus 1:7 vor:

„Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“

Sie sagte: „Ich sagte Alex, daß mir dieser Vers oft geholfen hatte, wenn ich Angst hatte.“ Durch ihre Liebe und dadurch, daß sie Alex von ihrer persönlichen Erfahrung mit der Schriftstelle erzählte, half sie ihm, seine Angst zu überwinden, aber, was noch viel wichtiger war, sie ermöglichte es ihm, eine Erfahrung mit den heiligen Schriften zu machen und zu verstehen, wie sie zu einer Kraft in seinem Leben werden können.

Nephi hat gesagt: „Denn meine Seele erfreut sich an den Schriften, und mein Herz sinnt darüber nach und schreibt sie nieder zur Belehrung und zum Nutzen meiner Kinder.“ (2 Nephi 4:15.)

Wie können wir unsere Kinder dafür gewinnen, daß sie aus den heiligen Schriften lernen, so daß die Lehren der Propheten in ihrem Leben etwas bewirken? Uns ist geraten worden, gemeinsam als Familie die heiligen Schriften zu lesen. Wenn es in unserer Familie Tradition ist, gemeinsam in der heiligen Schrift zu lesen und darüber zu sprechen, dann ist es auch wahrscheinlicher, daß unsere Kinder es sich auch zur Gewohnheit machen.

Als unsere Kinder noch klein waren, hielten wir es für wichtig, diese Tradition in unserer Familie einzuführen. Wir beschlossen, das Buch Mormon zu lesen, mit dem Ziel, es bis zum Ende des Schuljahres ganz zu lesen. Jeden Morgen lasen wir vor dem Frühstück ein Kapitel, und wir erreichten unser Ziel. Nun möchte ich das Gute, das aus dieser Erfahrung für uns alle erstand, nicht schmälern, aber am Ende dachten wir darüber nach, daß wir uns vielleicht mehr auf unser Ziel konzentriert hatten als auf das, was wir dabei lernten. In der kurzen Zeit vor dem Frühstück hatten wir wenig Zeit, unsere Gedanken zu äußern oder darüber nachzudenken, was die Worte Gottes für uns bedeuteten. Als der Erretter die Nephiten unterwies, sagte er: „Darum geht nach Hause und denkt über das nach, was ich gesagt habe, und bittet den Vater in meinem Namen, damit ihr verstehen und euren Sinn für den morgigen Tag bereitmachen könnt, und ich komme abermals zu euch.“ (3 Nephi 17:3.)

Der Erretter hat uns gezeigt, wie wir die heiligen Schriften studieren sollen. Wir hören das Wort, wir denken über seine Bedeutung nach, wir bitten den himmlischen Vater, daß er uns verstehen hilft, und dann sind unser Sinn und unser Herz bereit, die verheißenen Segnungen zu empfangen. Nachdenken bedeutet mehr als nur Worte zu lesen; es bedeutet, daß wir nach Bedeutungen forschen, die uns beim Umgang miteinander und bei Entscheidungen in unserem Leben helfen. Es bedeutet, daß wir es zulassen, daß das Wort von unserem Verstand in unser Herz gelangt. Der Geist gibt unserem Herzen Zeugnis, wenn wir gebeterfüllt danach trachten, das, was vom himmlischen Vater ist, zu erkennen. Und wenn wir dieses Zeugnis und dieses Wissen erlangt haben, werden wir in der Art und Weise, wie wir denken und leben und miteinander umgehen, Christus ähnlicher.

Unsere Kinder blicken auf uns als Eltern und auf unser Beispiel. Wenn wir beständig nach dem leben, was die heiligen Schriften lehren, geben wir ihnen einen festen Halt, der ihnen hilft, in einer Welt voll gegensätzlicher Werte Wahrheit zu erkennen. Mit den heiligen Schriften als Bezugspunkt können wir ihnen helfen, ihre Erfahrungen und die Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu verarbeiten. Dadurch helfen wir ihnen, die ewige Perspektive immer im Auge zu behalten, damit sie nie vergessen, wer sie sind und wohin sie gehen.

Der Prophet Joseph Smith wurde durch seine engagierten, weisen Eltern, die den Herrn liebten, auf das Werk, das er zu tun hatte, vorbereitet. Sie lasen aus den heiligen Schriften vor und unterwiesen ihre Kinder daraus. Deshalb war es für den jungen Joseph, als er verwirrt war und Weisung brauchte, ganz natürlich, daß er sich an die heiligen Schriften wandte. Er sagte: „Mit etwa zwölf Jahren beschäftigte mich die so wichtige Sorge um das Wohlergehen meiner unsterblichen Seele ernsthaft, was dazu führte, daß ich in den heiligen Schriften forschte, da ich glaubte, wie ich gelehrt worden war, daß sie das Wort Gottes enthielten.“ (The Personal Writings of Joseph Smith, Hg. Dean C. Jessee [1984], 4f.)

Präsident Hinckley hat den Eltern geraten: „Lesen Sie Ihren Kindern vor. Lesen Sie die Geschichte vom Sohn Gottes. Lesen Sie ihnen aus dem Neuen Testament vor. Lesen Sie ihnen aus dem Buch Mormon vor. Das kostet Zeit, und Sie sind sehr beschäftigt, aber es wird sich sowohl in Ihrem als auch im Leben Ihrer Kinder als großer Segen erweisen. Und in ihrem Herzen wächst eine große Liebe zum Erretter der Welt, dem einzigen vollkommenen Menschen, der auf der Erde gelebt hat. Er wird für sie zu einem ganz realen Lebewesen, und sein großes Sühnopfer gewinnt in ihrem Leben eine ganz neue und herrlichere Bedeutung, wenn sie zum Mann und zur Frau heranwachsen.“ (Zitiert in Church News, 6. Dezember 1997, 2.) Brüder und Schwestern, diese herrliche Verheißung unseres Propheten kann sich für uns erfüllen, wenn wir unseren Kindern aus den heiligen Schriften vorlesen.

Es kann keine größere Freude geben als zu wissen, daß unsere Kinder den Herrn lieben, keinen größeren Frieden als den, der uns zuteil wird, wenn wir seine Liebe spüren und die Bedeutung seines Sühnopfers verstehen. Der Geist, den wir spüren, wenn wir miteinander über das Heilige sprechen, das in unserem Herzen ist, verbindet uns als Familie. Johannes hat das hervorragend zum Ausdruck gebracht: „Ich habe keine größere Freude, als zu hören, daß meine Kinder in der Wahrheit leben.“ (3 Johannes 1:4.)

Es ist mein Zeugnis, daß wir diese Segnung erhalten, wenn wir dem Rat unseres Propheten folgen. Im Namen Jesu Christi, amen.