1990–1999
„Das alles hat sich ja nicht in irgendeinem
Oktober 1996


„Das alles hat sich ja nicht in irgendeinem

Keiner von uns braucht jemals zu zögern, wenn es darum geht, sich für die Kirche, für die Lehre, für die Mitglieder … einzusetzen. Sie ist wahr. Dies ist das Werk Gottes.

Meine lieben Brüder, wir haben heute abend guten Rat erhalten. Seit wir im April dieses Jahres zusammengekommen sind, habe ich viele, viele Mitglieder besucht. Ich habe mir vorgenommen, mit den Heiligen zusammenzukommen, solange ich noch die Kraft dazu habe. Ich liebe sie so sehr, die jungen Leute und die Erwachsenen. Ich habe in den letzten Monaten an vielen Versammlungen mit über 300 000 Mitgliedern der Kirche in 17 verschiedenen Ländern teilgenommen. Wir sind in den Vereinigten Staaten von Küste zu Küste gereist und sind auch in Asien und in Europa weit gereist. Mir macht das Reisen keinen Spaß. Es ermüdet mich. Der Jetlag macht mir zu schaffen. Aber ich freue mich immer sehr, wenn ich die glaubenstreuen Heiligen der Letzten Tage sehen und ihnen die Hand geben kann, und ich danke denen, die dies möglich machen.

Wenn ich in der Welt umherreise, habe ich gelegentlich auch Interviews mit Vertretern der Medien. Das ist immer ein beunruhigendes Unterfangen, weil man nie weiß, was sie fragen werden.

Diese Reporter sind sehr fähige Männer und Frauen, die sich darauf verstehen, Fragen zu stellen, die wie ein Speer geschossen kommen. Es ist nicht unbedingt eine angenehme Erfahrung, aber dabei bietet sich auch die Möglichkeit, der Welt etwas von unserer Geschichte zu erzählen. Wie Paulus zu Festus und Agrippa gesagt hat: „Das alles hat sich ja nicht in irgendeinem Winkel zugetragen.” (Apostelgeschichte 26:26.)

Wir haben etwas, das die Welt hören muß, und solche Interviews sind eine Möglichkeit, dem Ausdruck zu verleihen.

Eins der ausführlichsten Interviews hatte ich mit Mike Wallace von der CBS-Sendung 60 Minutes. Ich bedanke mich bei Senator Orrin Hatch, Willard Marriott jun., und Steve Young, die dabei mitgemacht haben.

Millionen haben sich am Ostersonntag angesehen, was dabei herausgekommen ist. Die Herausgeber haben die vielen Stunden Filmmaterial auf etwa 15 Minuten gekürzt.

Ich empfinde tiefe Hochachtung vor Mr. Wallace. Er versteht sein Geschäft glänzend. Er war höflich und respektvoll, er hat durchdringende Fragen gestellt, und man könnte ihn einen zähen, lebenserfahrenen Reporter nennen, der weiß, wie es in der Welt zugeht, der aber auch ein Gentleman im besten Sinne des Wortes ist.

Ich habe ihn etwa vor einem Jahr bei einem Luncheon im Harvard Club in New York kennengelernt. Er ist dann zweimal nach Salt Lake City gekommen und hat mich ausführlich in meinem Büro interviewt. Ich möchte Ihnen heute Abend Auszüge aus diesen Interviews vorlesen, wie sie aufgenommen wurden, seine Fragen und meine spontanen Antworten, so wie sie gegeben wurden. Ich habe sie nicht überarbeitet und nur hier und da wegen der Kürze der Zeit etwas ausgelassen und gelegentlich in Klammern nach Bedarf etwas eingefügt. Ich möchte damit der Haltung der Kirche in verschiedenen wichtigen Fragen von allgemeinem Interesse Nachdruck verleihen. Zum größten Teil handelt es sich hier um Auszüge, die nicht gesendet worden sind.

Hier sind die Fragen von Mr. Wallace und meine spontanen, nicht vorformulierten Antworten:

Mr. Wallace: „Machen Ihnen falsche Vorstellungen von der Mormonenkirche zu schaffen?”

Meine Antwort: „Es gibt immer noch viele Vorstellungen von uns, die sich hartnäckig halten. Wir sind nicht sehr bekannt. Wir sind im Westen groß geworden [zum größten Teil]. Die Kirche stammt aus Palmyra in New York. Sie haben vom Auszug der Mormonen in den Westen gehört, … wo wir rund drei bis vierhundert Gemeinwesen gegründet haben. … Wir möchten gern, … daß die Menschen erfahren, wer wir sind und was wir erreichen wollen.”

Frage: „Gibt es irgendwelche Konflikte t zwischen Ihren Vorstellungen von der Familie und von der Rolle der Frau in der Familie und dem Bestreben mancher Frauen, in Ihrer Kirche Führungsämter zu übernehmen?”

Antwort: „Wir haben ein paar Frauen, die meinen, Frauen sollten das Priestertum tragen. Wir haben eine großartige Frauenorganisation. Ich glaube, es ist die größte Frauenorganisation in der Welt unsere FHV. Sie haben ihre eigenen Führungskräfte in der Organisation. Sie führen unter den Frauen ein gewaltiges Bildungsprogramm durch. Ich glaube, sie sind glücklich. Sie leisten großartige Arbeit. …”

Mr. Wallace: „Seit dem Zweiten Weltkrieg findet ein Auflösungsprozeß statt; wir werden egoistischer, denken eher an uns selbst als an die Gemeinschaft. Die Familie bedeutet offensichtlich nicht mehr so viel, und die Sittlichkeit ist zum Teufel [sein Ausdruck]. Warum?”

Antwort: „Im Grunde hat die Familie versagt. Die Eltern kommen ihrer Verantwortung nicht nach. Das ist offensichtlich. Ein Land kann sich nie höher erheben, als die Stärke seiner Familien es erlaubt. Wenn man ein Land reformieren will, muß man bei den Familien anfangen, damit, daß die Eltern ihren Kindern Grundsätze und Wertvorstellungen vermitteln, die positiv und bestimmt sind und sie dazu führen, daß sie etwas Nützliches mit sich anfangen. Das ist im Grunde das, was in Amerika falsch gelaufen ist. Und wir strengen uns gewaltig an, um in den Familien mehr Solidarität zu schaffen. Eltern haben in dieser Welt keine größere Aufgabe, als ihre Kinder in der rechten Weise zu erziehen, und wenn die Jahre vergehen, schenkt ihnen nichts größere Zufriedenheit als Kinder, die in Redlichkeit und Ehrlichkeit heranwachsen und aus ihrem Leben etwas machen. …”

Seine Frage: „Ihre Kirche hat einen sehr strengen Gesundheitskodex. Warum ist das Teil der Religion?”

Antwort: „Der Körper ist der Tempel des Geistes. Der Körper ist heilig. Er ist als Abbild Gottes erschaffen. Wir müssen für ihn sorgen und ihn zu guten Zwecken nutzen. Ja, wir müssen für ihn sorgen, und das, was wir als Wort der Weisheit bezeichnen, das ja unser Gesundheitskodex ist, hilft uns dabei sehr.”

Seine Frage: „Manche, vor allem Nichtmormonen, meinen, Ihre Lehren verlangten Konformität und seien sehr starr. Solche Klagen hört man.”

Antwort: „Ach, ja, solche Klagen mag man hören. Ich glaube nicht, daß es so ist. Ich glaube nicht, daß sie begründet sind. Unsere Mitglieder haben enorme Freiheit. Es steht ihnen frei, so zu leben, wie sie wollen.”

Er fragte: „Wirklich?”

Antwort: „Völlig! Natürlich. Sie müssen sich entscheiden. Es ist der ewige alte Kampf, der seit dem Kampf im Himmel tobt, von dem in der Offenbarung die Rede ist. Die Mächte des Bösen gegen die Mächte des Guten. Wir alle nehmen bei den Entscheidungen, die wir treffen, unsere Entscheidungsfreiheit wahr.”

Mr. Wallace: „Sie haben auch einen Sittenkodex.”

Antwort: „Wir treten für Keuschheit vor der Ehe und völlige Treue in der Ehe ein. Das ist alles. So lebt man glücklich. So wird man zufrieden. Es bringt inneren Frieden mit sich, und in der Familie herrscht Frieden.”

„Nächste Frage: Manche Studenten, mit denen wir uns unterhalten haben, sagen der Gesundheitskodex sei im Vergleich dazu, daß es keinen vorehelichen Sex geben soll, einfach. … Sie sagen, daß man nicht rauchen und nicht trinken darf, sei eine klare Linie, aber die sexuelle Linie liege irgendwo … [na ja] sie sind verwirrt, zumindest einige von ihnen, und wissen nicht genau, wo die Linie ist.”

Antwort: „Ach, ich glaube, das wissen sie sehr wohl. Jeder junge Mann und jede junge Frau, die in dieser Kirche aufgewachsen sind, wissen, wo diese Linie ist. Wenn man das Gefühl hat, man könnte ausrutschen, muß man Selbstdisziplin üben. Und wenn es sich um ein schwerwiegendes Problem handelt, muß man es dem Herrn vortragen. Reden Sie mit Gott darüber. Vertrauen Sie ihm an, was Sie belastet. Er macht Sie stark. Er hilft Ihnen. Das wissen sie. Ich bin ganz sicher, daß sie das wissen.”

Mr. Wallace: „Warum haben in der Kirche eigentlich nur die Männer etwas zu sagen?”

Antwort: „Es stimmt gar nicht, daß in der Kirche nur die Männer etwas zu sagen haben. Die Männer haben in der Kirche ihren Platz. Die Männer haben in der Kirche die Priestertumsämter inne. Aber die Frauen sind in dieser Kirche ungeheuer wichtig. Sie haben ihre eigene Organisation. Sie wurde 1842 von dem Propheten Joseph Smith gegründet und Hilfsvereinigung genannt, weil sie ursprünglich dazu da war, den Bedürftigen zu helfen. Ich glaube, es ist inzwischen die größte Frauenorganisation in der Welt, mit über drei Millionen Mitgliedern. Sie haben ihre eigenen Ämter, ihre eigene Präsidentschaft, ihren eigenen Ausschuß, und zwar bis hin in die kleinste Einheit irgendwo in der Welt.”

Seine nächste Frage: „Aber sie haben nicht die Macht.”

Antwort: „Sie haben Ämter. Sie tragen Verantwortung. Sie haben die Gewalt über ihre Organisation.”

Mr. Wallace: „Aber Sie haben das Sagen. Die Männer haben das Sagen. Also, ich will nicht. …”

Antwort: „Die Männer tragen das Priestertum, ja. Aber meine Frau steht mir zur Seite. In dieser Kirche geht der Mann weder vor seiner Frau noch hinter seiner Frau her, sondern er geht an ihrer Seite. Sie sind in diesem Leben gleich und haben beide Großes zu leisten.”

Mr. Wallace: „Warum haben die Mormonen eigentlich so viele Kinder?”

Antwort: „Wir schreiben nicht vor, wie groß die Familie zu sein hat. Das bleibt dem Vater und der Mutter, Mann und Frau, überlassen. Und wir erwarten von ihnen, daß sie das zum wichtigsten Anliegen in ihrem Leben machen, die Erziehung ihrer Kinder. …”

Nächste Frage: „Manche behaupten, der Mormonismus habe als Kult begonnen. Das hören Sie nicht gern.”

Antwort: „Ich weiß nicht recht, was damit gemeint ist. Aber wenn es einen negativen Beigeschmack hat, akzeptiere ich es nicht als Wertung dieser Kirche. Es gibt Menschen, die das behaupten; sie beziehen sich vielleicht auf die Anfangszeit. Aber jetzt ist da diese große Kirche. Es gibt in Amerika nur sechs Kirchen mit mehr Mitgliedern. Im Bundesstaat Kalifornien stehen wir mit der Zahl der Mitglieder an zweiter Stelle. Wir gehen in die ganze Welt. Wir sind in über 150 Ländern vertreten. Dies ist eine große, starke, lebensfähige Organisation mit einer gewaltigen Reichweite. … Sie treffen unsere Leute in großen Unternehmen, an hohen Positionen im Bildungswesen, in der Politik, im Staat, überall an. Wir sind [ziemlich] gewöhnliche Menschen, die sich bemühen, außergewöhnliche Arbeit zu leisten.”

Mr. Wallace: „Es ist teuer, Mormone zu sein.”

Antwort: „Ach nein, es ist nicht teuer. Wir leben nach dem Gesetz des Herrn dem Zehnten.”

Frage: „Aber 10 Prozent Ihres Bruttoeinkommens gehen an die Kirche, und Sie haben nichts zu sagen, wenn es darum geht, wie das Geld ausgegeben wird. Zumindest der Durchschnittsmormone.”

Antwort: „Der Durchschnittsmormone hat dabei sehr viel zu sagen. Er ist Mitglied der Kirche.”

Mr. Wallace: „Aber er hat keinen Einfluß darauf, wie das Geld ausgegeben wird.”

Antwort: „Wenn er Bischof ist, hat er über die Ausgaben seiner Gemeinde zu bestimmen. Ein Großteil des Geldes geht an die örtlichen Einheiten zurück. Und wofür wird das Geld verwendet? Für kirchliche Zwecke.”

Seine Frage: „Was genau sind kirchliche Zwecke?”

Antwort: „Der Bau von Gemeindehäusern. Etwa 375 pro Jahr. Denken Sie einmal darüber nach. Jedes Jahr neue Gebäude, damit wir mit der wachsenden Mitgliederzahl Schritt halten. Das Geld wird für Bildungszwecke ausgegeben. Wir unterhalten die größte private, kircheneigene Universität der Welt, die Brigham Young University, mit 27 000 Studenten in Provo und mehreren Zweigstellen. Wir unterhalten das gewaltige Religionsinstituts-Programm, das den großen Universitäten in Amerika angeschlossen ist. Es ist an der UCLA, USC, in Harvard, Yale, Princeton, der University of New York, der University of Massachusetts, dem Massachusetts Institute of Technology usw. vertreten.

Was das Finanzgebaren der Kirche betrifft, so gibt es für alle Ausgaben eine gründliche Buchprüfung. Wir haben einen Trupp von Buchprüfern, die alle amtlich zugelassene Wirtschaftsprüfer sind, die von allen anderen Stellen der Kirche unabhängig sind und nur der Ersten Präsidentschaft der Kirche unterstehen. Wir bemühen uns, sehr sorgfältig zu sein. Ich habe auf dem Bücherschrank hinter meinem Schreibtisch eine kleine Münze, die ich vor Jahren in Jerusalem geschenkt bekommen habe und die für mich das Opfer der Witwe symbolisiert. Sie erinnert mich immer daran, wie heilig die Gelder sind, mit denen wir umgehen. Sie kommen von der Witwe, sie sind ihr Opfer, ebenso wie der Zehnte des Reichen, und wir müssen sie umsichtig und mit Bedacht für die Zwecke des Herrn ausgeben. Wir gehen sehr sorgsam damit um und wachen darüber und sind in jeder Hinsicht bemüht, sie so zu verwenden, wie der Herr sie wohl zum Aufbau seines Werks und zur Verbesserung der Menschen verwendet sehen will.”

Mr. Wallace: „Die jungen Männer und Frauen geben zwei Jahre ihres Lebens, um als Missionare zu dienen?”

Antwort: „Die jungen Frauen dienen 18 Monate. Die Arbeit ist anstrengend; sie ist schwer. Es ist nicht leicht, nach New York oder London oder Tokio zu reisen und dort an die Türen zu klopfen und Menschen ins Angesicht zu sehen, die man gar nicht kennt. Aber es wirkt sich auf

einen aus - in zweierlei, dreierlei Hinsicht. Zunächst lernt man, sich auf den Herrn zu verlassen. … [Der junge Mann] entwickelt seine Stärken und Fähigkeiten. Wenn er ins Ausland geht, lernt er die Sprache; er lernt die Sprache der Menschen sprechen. Wo er auch hingeht, lernt er die Menschen, wo er dient, kennen und bringt ein bißchen von ihrer Kultur, von der Art, wie sie leben, mit zurück, voll Wertschätzung und Achtung für sie und ihre Lebensumstände. Es gibt nichts Vergleichbares. Wir haben derzeit fast 50 000 Missionare, und es ist ein ständiges Kommen und Gehen, es hat also seine Auswirkungen auf Hunderttausende. … Ich kann mit Ihnen durch die Straßen von Salt Lake City gehen und Menschen begegnen, die fließend Japanisch und Chinesisch, Schwedisch und Norwegisch, Finnisch und Spanisch und Portugiesisch sprechen und die die Menschen, bei denen sie gedient haben, von Herzen lieben.”

Frage: „Warum wird von den Mitgliedern der Kirche erwartet, daß sie einen Jahresvorrat an Lebensmitteln, Kleidung und Brennstoff haben?”

Antwort: „Wir lehren die Selbständigkeit als Lebensgrundsatz, also daß wir für uns selbst sorgen und für das, was wir brauchen, aufkommen sollen. Wir halten also unsere Mitglieder dazu an, daß sie etwas haben, daß sie planen, daß sie ein paar Lebensmittel lagern, daß sie möglichst ein Sparkonto haben, für den Fall, daß schwierige Zeiten kommen. Katastrophen kommen manchmal dann, wenn man am wenigsten damit rechnet -Arbeitslosigkeit, Krankheit, also so etwas. Jeder soll, das lehren wir, für sich selbst tun, was er kann. Wenn seine Rücklagen erschöpft sind, soll er sich an seine Familie wenden. Wenn die Familie ihm nicht helfen kann, springt die Kirche ein. Und wenn die Kirche einspringt, möchten wir ihm vor allem erst einmal geben, was er unmittelbar braucht, und ihm dann so lange helfen, wie er Hilfe braucht, ihm dabei aber auch helfen, sich weiterzubilden, Arbeit zu finden, eine Möglichkeit zu finden, wieder auf die Beine zu kommen. Darum geht es bei diesem großen Wohlfahrtsprogramm. …”

Mr. Wallace: „Warum ist Salt Lake City so sauber?”

Antwort: „Na ja, wir hoffen, daß darin zum Ausdruck kommt, wie die Menschen sind, die hier leben.”

Mr. Wallace: „Es ist erstaunlich, wenn man in Salt Lake City durch die Straßen geht.” [Er war gerade aus New York City gekommen.]

Antwort: „Wir hoffen, daß es so bleibt. Wir hoffen, daß darin, zumindest in

gewisser Hinsicht, manche der Lehren der Kirche zum Ausdruck kommen. Sehen Sie sich den wunderschönen Tempelplatz hier mitten in der Stadt an, das Herz der Stadt. Sehen Sie sich den prächtigen Tempel und das große Tabernakel an. Sie wurden mit Weitblick errichtet, von Menschen mit Kultur, mit Bildung, mit Kunstsinn. Das ist nicht das Werk von Scharlatanen, sondern das Werk von Menschen, die großen Weitblick besaßen und Schönes geschaffen haben.”

Mr. Wallace: „Die Mormonen, Herr Präsident, nennen Sie einen gebenden Mose’, der buchstäblich mit Jesus spricht. Wie machen Sie das?”

Antwort: „… Ich möchte zunächst sagen, daß diese Kirche eine ungeheure Geschichte hat, eine Geschichte der Prophetie, eine Geschichte der Offenbarung und … der Entscheidungen, die für die Kirche zum Standard geworden sind, so daß es also nicht ständig wiederkehrende Probleme gibt, die irgendwelcher besonderen göttlichen Lenkung bedürfen. Aber es gibt gelegentlich etwas, wo es erforderlich ist, daß wir den Willen des Herrn erkunden, und den Vorgang möchte ich am liebsten mit etwas vergleichen, was Elija erlebt hat und das im ersten Buch der Könige steht. Elija sprach mit dem Herrn, und es kam Wind auf, heftiger Wind, aber der Herr war nicht im Wind. Dann gab es ein Erdbeben, und der Herr war nicht im Erdbeben. Und dann gab es ein Feuer, und der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln, wie eine Stimme, die ich die Eingebungen des Geistes nennen möchte. Ich möchte noch mit Nachdruck sagen: das, was von Gott ist, muß man durch den Geist Gottes verstehen, und

man muß diesen Geist mit sich haben und sich unablässig darum bemühen, dann kommt die Einsicht, und sie ist real. Davon kann ich Zeugnis geben.”

Frage: „Warum ist Ihre Kirche so sehr darauf bedacht, das Wort zu verbreiten, darauf, daß die Missionare an Türen klopfen, wo sie vielleicht nicht willkommen und wo sie offensichtlich nicht eingeladen sind?”

Antwort: „Wir glauben, daß der Herr es ernst gemeint hat, als er gesagt hat: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!” [Markus 16:15.] Wir glauben an diesen Auftrag. Wir sind der Meinung, daß es unsere Aufgabe ist, ihn zu erfüllen zu suchen. Wir tun das mit aller Kraft und allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.”

Mr. Wallace: „Wie stehen Sie zu Nichtmormonen?”

Antwort: „Mit Liebe und Achtung. Ich habe viele Freunde, die keine Mormonen sind. Ich achte sie. Ich bewundere sie sehr.”

Frage: „Obwohl sie das Licht noch nicht sehen?”

Antwort: „Ja. Jedem, der nicht dieser Kirche angehört, sage ich: wir erkennen alle Tugenden und alles Gute an, das Sie haben. Bringen Sie es mit, und stellen Sie fest, ob wir dem etwas hinzuzufügen haben.”

Mr. Wallace: „Erzählen Sie mir etwas über Brigham Young.”

Antwort: „Brigham Young hatte prophetischen Weitblick. Kann das jemand bezweifeln, der sich heute hier umsieht? Nein. Und so ist es mit dieser Kirche. Sie wird durch Offenbarung geführt. Wir glauben alles, was Gott offenbart hat, alles, was er jetzt offenbart, und wir glauben, daß er in bezug auf das Gottesreich und zum Segen seiner Söhne und Töchter, wo immer sie sein mögen, noch viel Großes und Wichtiges offenbaren wird.”

Frage: „Wie Sie wissen, meinen manche Skeptiker, wesentliche Veränderungen in den Richtlinien der Kirche seien auf politischen Druck hin vorgenommen worden und nicht unbedingt auf Offenbarungen von Gott hin. Die Skeptiker sagen beispielsweise, die Polygamie sei nicht wegen einer Offenbarung beendet worden, sondern weil Utah Bundesstaat werden wollte.”

Antwort: „Ein Prophet ist unter anderem dazu da, daß er die Weisheit und den Willen des Herrn zu ergründen sucht und daß er sein Volk dementsprechend unterweist. Das war bei Mose der Fall, als er die Israeliten aus Ägypten geführt hat. Das war bei den Propheten des Alten Testaments der Fall, wenn die Leute unterdrückt und in Schwierigkeiten waren. Dazu ist ein Prophet da, daß er den Leuten Antworten auf die schwierigen Fragen gibt, die ihnen zu schaffen machen. Das geschieht. Das erleben wir. Hat das etwas mit Zweckmäßigkeit zu tun? Mit politischer Zweckmäßigkeit? Nein! Mit inspirierter Führung? Ja!”

Mr. Wallace: „Wie sehr, Herr Präsident, macht Ihnen in der Mormonenkirche das Problem des Kindesmißbrauchs zu schaffen?”

Antwort: „Ich hoffe, daß es kein großes Problem ist. … Es ist eine schwerwiegende Angelegenheit, die wir überall in der Welt finden. Das ist etwas Schreckliches. Es ist schlecht. Es ist verwerflich. Es ist etwas, was ich immer wieder anspreche.”

Frage: „Was tun Sie, um den Kindesmißbrauch zu reduzieren?”

Antwort: „Wir tun, was wir können, um ihn zu reduzieren. Wir unterweisen unsere Mitglieder. Wir reden darüber. Wir haben für unsere Bischöfe im ganzen Land einen Schulungskurs eingerichtet. Das ganze letzte Jahr haben wir ein Fortbildungsprogramm durchgeführt. Wir haben Stellen eingerichtet, an die sie sich wenden können, wenn sie bei solchen Problemen professionelle Beratung und Hilfe brauchen. Wir haben ein Heft herausgegeben, in dem es um den Kindesmißbrauch geht, um den Ehegattenmißbrauch, um den Mißbrauch älterer Menschen, das ganze Problem des Mißbrauchs. Wir machen uns Sorgen darum. Ich mache mir große Sorgen um die Opfer. Mein Herz ist ihnen zugewandt. Ich möchte alles tun, was wir können, um die Schmerzen zu lindern, um zu verhindern, daß diese böse und schlechte Sache passiert. … Ich kenne keine Organisation in dieser Welt, die umfangreichere Maßnahmen ergriffen, sich mehr bemüht und mehr getan hat, um dieses Problem in Angriff zu nehmen, um dagegen anzugehen, um etwas zu ändern. Uns ist bewußt, wie schrecklich es ist, und wir wollen unseren Mitgliedern helfen und uns ihrer annehmen.

Mr. Wallace: „Ein Soziologe sagt uns, die Wurzel des Übels liege darin, daß die Männer in Ihrer Kirche praktisch über die Frauen bestimmen, so daß Ihre Geistlichen eher mit den Männern sympathisieren, die Mißbrauch treiben, als mit den Opfern des Mißbrauchs.”

Antwort: „Das ist die Meinung eines einzelnen. Ich glaube, daß sie der Grundlage entbehrt. Ich glaube, daß die Männer dieser Kirche, die Bischöfe dieser Kirche, genauso sehr um das Wohlergehen der Frauen besorgt sind wie um das Wohlergehen der Männer und der Kinder der Kirche. Ich zögere nicht einen Augenblick lang, das zu sagen. Ich bin fest davon überzeugt. Ich bin schon sehr lange hier. Ich kenne diese Kirche von Grund auf, durch und durch, und zwar schon sehr, sehr lange. Ich bin jetzt 85 Jahre alt und kenne die Kirche schon mein Leben lang, und ich glaube, ich weiß, wie sie funktioniert. Ich glaube, ich kenne die Einstellung unserer Mitglieder. Nun ja, es gibt hier einen Fleck und da einen Fleck, hier einen Fehler und da einen Fehler. Aber im großen und ganzen läuft die Arbeit wunderbar, und es wird viel Gutes bewerkstelligt, und das Wohlergehen der Frauen und Kinder wird in dieser Kirche genauso ernst genommen wie das Wohlergehen der Männer, wenn es nicht sogar noch wichtiger ist.

Nun, Brüder, das reicht für heute. Es erübrigt sich zu sagen, daß der Herr uns gesegnet hat. Zum Abschluß möchte ich sagen: keiner von uns braucht jemals zu zögern, wenn es darum geht, sich für die Kirche, für die Lehre, für die Mitglieder, für die gottgegebene Organisation und die gottgegebene Verantwortung einzusetzen. Sie ist wahr. Dies ist das Werk Gottes. Das einzige, was dieses Werk jemals in Verlegenheit bringen kann, ist Ungehorsam gegenüber den Lehren und Grundsätzen seitens der Mitglieder. Das erlegt jedem von uns eine ungeheure Verantwortung auf. Dieses Werk wird nach dem beurteilt, was die Welt von unserem Verhalten sieht. Gebe Gott uns den Willen, im Glauben zu leben, die Disziplin, jederzeit und unter allen Umständen das Rechte zu tun, die Entschlossenheit, durch unser Leben vor allen, die uns sehen, diese Sache zu verkünden. Darum bete ich von Herzen im Namen Jesu Christi, amen.