1990–1999
Die modernen Helden Israels
Oktober 1993


Die modernen Helden Israels

Diese Menschen hatten keine unehrliche Gesinnung, die sie hätte bewegen können, ihre eigenen Interessen über das Interesse Israels zu stellen.

Als ich noch klein war, hatte ich in einer meiner ersten PV-Klassen glücklicherweise eine Lehrerin, die mir im Alten Testament die Geschichte von den „Helden Davids” zeigte. Das ist ein ausführlicher Bericht von den Taten der besten Soldaten, die David hatte. Aus der ganzen, riesigen Armee Israels wurden nur 37 Männer für würdig befunden, den Titel „Held” zu tragen (siehe 2 Samuel 23:39).

Befassen wir uns einmal näher mit den Eigenschaften dieser außergewöhnlichen Soldaten. In der Chronik lesen wir: „Sie waren mit dem Bogen ausgerüstet und konnten mit der rechten und mit der linken Hand Steine schleudern und Pfeile mit dem Bogen abschießen.” (l Chronik 12:2.) Diese Männer waren „kampfgeübte Krieger mit Schild und Lanze, waren wie Löwen anzusehen und flink wie die Gazellen auf den Bergen”, (l Chronik 12:9.)

Diese mächtigen Männer hatten sich die Fähigkeiten eines Kriegers in hohem Maße angeeignet. Sie waren fest entschlossen und wie Löwen anzusehen, das heißt, sie waren völlig furchtlos. Sie waren für jede Art von Kampf bereit.

Meine Lehrerin erklärte uns, was diese Männer geleistet und erreicht hatten, und das hat mich tief beeindruckt. Während meine Freunde in ihrer Fantasie Cowboy, Weltraumfahrer oder Sportler spielten, stellte ich mir vor, daß König David mich als einen seiner Helden auserwählt hatte. Ich machte mir sogar Schwerter aus Holz und Speere aus langen Weidenruten, und tat so, als zöge ich gegen die Feinde des Königs in den Kampf. Eigenartig: Wenn ich so zurückdenke, dann waren die Gegner fast immer meine beiden kleinen Brüder. Seit meiner Kindheit waren die Geschichten von der Bereitschaft und der Hingabe dieser Helden mir immer eine Quelle der Inspiration.

Eine dieser inspirierenden Geschichten handelt von drei dieser Helden, die zufällig hörten, wie König David sich einen Schluck Wasser aus der Quelle von Betlehem wünschte. Anscheinend gab es damals in Betlehem eine Quelle besonders erfrischenden Wassers, aus der der König gern getrunken hätte. Der König hatte von niemandem das Wasser verlangt und auch keinen entsprechenden Befehl erteilt; er hatte nur den Wunsch ausgesprochen, das kühle, frische Naß aus dem Brunnen von Betlehem zu schmecken.

Ohne Befehl oder Auftrag, sogar ohne Pflicht, durchbrachen drei der Helden unter großer persönlicher Gefahr die feindlichen Linien und gingen nach Betlehem. Sie schöpften Wasser aus der Quelle und kehrten, erneut unter großer persönlicher Gefahr, zurück, um dem König die wunderbare Erfrischung des Wassers von Betlehem zu bringen. David war so überwältigt von diesem Akt persönlichen, uneingeforderten Dienstes, daß er das Wasser nicht trinken wollte. Er hielt die Tat für so mutig und wunderbar, daß er das Wasser auf den Boden goß.

In der Schrift steht: „Er … goß es für den Herrn als Trankopfer aus.” (2 Samuel 23:14-17; l Chronik 11:17-19.)

Ist das nicht eine inspirierende Geschichte von Hingabe und freiwilligem Dienst? Solch ein Akt der Loyalität und Initiative ohne Befehl war unter diesen Männern nichts Besonderes. Wen wundert es, daß diese Helden die Vorbilder eines kleinen Jungen wurden! Untersuchen wir nun weitere Eigenschaften und Leistungen dieser mächtigen Männer.

Sie waren Männer, „die die Zeiten verstanden hatten und wußten, was Israel zu tun hatte”, (l Chronik 12:33.)

Dieses besondere Verständnis der Zeiten und die daraus entspringende Fähigkeit zu wissen, was Israel zu tun hatte, ist sehr bedeutsam. Mit anderen Worten, diese Helden waren über die Belange und Zustände ihrer Zeit informiert und unterrichtet. Wie kamen sie zu diesem Verständnis? Unter den 37 waren viele der Stämme oder Völker Israels vertreten. Durch ihre kulturelle Verschiedenheit brachten sie den Armeen Israels zusätzliche Stärke. Abgehärtet durch eigene schwere Erlebnisse - einige davon werden in den Geschichten über die 37 erzählt - hatten sie gelernt, ihr Umfeld zu verstehen. Dies gestattete es ihnen, die Bedürfnisse ihres Volkes und die Lösung zu vielen der damaligen Herausforderungen besser kennenzulernen. Und wegen dieses Verständnisses wußten sie, was Israel zu tun hatte. Es waren Männer, die „sich ohne Vorbehalt einordneten”, (l Chronik 12:34.)

Diese mächtigen Männer wußten, wie wichtig eine Organisation ist, die auch in Schwierigkeiten und unter Herausforderungen ihren Platz behauptet. Sie hatten keine unehrliche Gesinnung, die sie hätte bewegen können, ihre eigenen Interessen über das Interesse Israels zu stellen.

Wegen ihrer ehrlichen Gesinnung, die sich in reinen Beweggründen niederschlug, strebten sie nicht nach einer anderen Position oder einem anderen Dienstgrad in den Armeen Davids. Jeder der 37 konnte sich absolut darauf verlassen, daß die anderen den ihnen übertragenen Auftrag erfüllten, wo in der Rangordnung sie auch stehen mochten. Sie verstanden ihre Aufgaben und hielten stand.

Die letzte Eigenschaft der Helden, die ich erwähnen möchte, ist diejenige, die wir als die vielleicht wichtigste betrachten können. Wir lesen wiederum: „Alle diese waren Krieger, die sich willig einordneten. Sie kamen in ehrlicher Gesinnung nach Hebron, um David zum König von ganz Israel zu machen; aber auch alle übrigen Israeliten waren einig im Wunsch, David zum König zu machen.” (l Chronik 12:39.)

Es geht hier um die „ehrliche Gesinnung”, die sich in der völligen Hingabe an den Aufbau des Königreichs Israel zeigt. Außer ihrer Verpflichtung gegenüber dem König und dem Aufbau Israels hatten sie keine anderen Absichten, weder persönlicher noch sonst welcher Art. Sie verstanden, daß Davids Position gottgewollt war, und schenkten ihm ihre völlige Loyalität und Hingabe. Sie waren von ehrlicher Gesinnung. So waren die Helden Israels!

Später erfuhr ich von anderen Menschen, deren Charakter sie zu Helden machte. Denken Sie nur an die Entwicklung und das Wachstum des heldenhaften Petrus. Sorgsam wurde er vom Herrn gefördert, auf daß er die Fähigkeiten und die Selbstverpflichtung entwickelte, die ihn zum Helden werden ließen. Daß er schließlich eine ehrliche Gesinnung gewann, zeigt sich an seiner Antwort, als er zum dritten Mal gefragt wurde:

„Hast du mich lieb? Er gab ihm zur Antwort: Herr, du weißt alles. Du weißt, daß ich dich liebhabe.” (Johannes 21:17.)

Und da ist der heldenhafte Apostel Paulus, dessen Mut und Initiative sich in dem noch sichereren prophetischen Wort zusammenfassen läßt:

„Denn ich werde nunmehr geopfert, und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten.” (2 Timotheus 4:6-7.) Welche Helden! Um nicht mißverstanden zu werden, will ich auch noch eins der schönsten Beispiele für einen heldenhaften Menschen anführen. Der folgende Ausspruch stammt von einer Frau mit den Eigenschaften eines Helden; es ist Rut: „Dränge mich nicht, dich zu verlassen und umzukehren. Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.

Wo du stirbst, da sterbe auch ich, da will ich begraben sein.” (Rut 1:16,17.) Welch eine heldenhafte Frau!

David selbst lieferte in seiner Jugend ein Beispiel für die Eigenschaften der Helden, die er später anführen sollte. Als er dem riesigen Krieger gegenüberstand, hielt er ihm entgegen: „Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Sichelschwert, ich aber komme zu dir im Namen des Herrn der Heere, des Gottes der Schlachtreihen Israels.” (l Samuel 17:45.) Welch ein heldenhafter Jugendlicher!

Unter den Sterblichen läßt sich vielleicht am besten am Beispiel von Joseph Smith verdeutlichen, welche Eigenschaften ein Held hat. Seine Opferbereitschaft und sein persönlicher Einsatz lassen sich in einem seiner letzten Aussprüche zusammenfassen:

„Ich gehe wie ein Lamm zur Schlachtbank, aber ich bin so ruhig wie ein Sommermorgen; mein Gewissen ist frei von Schuld gegenüber Gott und allen Menschen.” (LuB 135:4.) Welch ein machtvoller Held!

Selbst heute noch suche ich nach weiteren Beispielen für heldenmütige Männer und Frauen. Ich will Ihnen etwas über die Generalautoritäten und die Präsidentschaften der Hilfsorganisationen sagen, und zwar über die Männer und über die Frauen. Ich weiß nicht, ob sie einen Speer mit beiden Händen gleich gut werfen können, wie es bei den Helden der Fall war; aber sie bringen ein Leben voll außerordentlicher Vorbereitung in ihre Berufungen ein. Den Familien dieser heutigen heldenmütigen Kämpfer sind die Herausforderungen des Lebens nicht erspart geblieben. Durch die Erfahrungen ihres Lebens - dazu gehören Tragik, Krankheit, Unfall, Armut und, in einigen Fällen, auch die Unzulänglichkeiten des Alters - haben diese machtvollen Diener gelernt, die Zeiten zu verstehen.

Diese Männer und Frauen, und auch ihre tapferen und sie unterstützenden Ehepartner, haben viel Erfahrung im Rechtswesen, in Medizin, Haushaltsführung, Bildungswesen, Geschäftsleben oder Landwirtschaft erlangt. Es ist sicher nicht ohne Herausforderungen gegangen, und doch sind sie in ihrer Rolle als Eltern oder als Haushaltsvorstand bemerkenswert erfolgreich gewesen. Alles in allem haben sie der Kirche viele Jahre vollzeitigen Dienstes gewidmet. Sie haben als Mitglied der gesetzgebenden Körperschaften, in der Stadtverwaltung, im Bildungswesen oder in nationalen wie internationalen Unternehmen gearbeitet. In den Jahren, die sie im Dienst am Gemeinwesen verbracht haben, waren sie in humanitären und bildenden Organisationen tätig und haben für eine Vielzahl öffentlicher Zwecke Spenden aufgebracht.

Wie die Helden vor alters kommen auch diese neuzeitlichen Helden aus vielen Staaten und Völkern; und sie bringen eine große Vielfalt an Erfahrungen und Kulturen ein. Zu dem gemeinsamen Schatz an Erfahrungen gehören auch Hunderte von Jahren des Dienens in fremden Ländern. Einige von denen, die hier vor Ihnen sitzen, leiden noch unter dem Jet Lag und der Erschöpfung von den weiten Reisen, die sie im Rahmen ihrer Berufung machen müssen.

Viele haben sich aus allen Teilen der Welt hier versammelt, und in ein paar Tagen werden sie wieder unterwegs zu den meisten Nationen der Erde sein. Die meisten lassen hier Kinder und Enkel zurück und verfolgen die Absichten, die ihnen ihre ehrliche Gesinnung auferlegt hat. Ich versichere Ihnen, daß diese Helden Israels gelernt haben, diese unsere Zeiten zu verstehen, und wissen, was die Kirche und die Mitglieder der Kirche „zu tun haben”. Dieses Verstehen und das Wissen kommen nicht allein aus ihrem Intellekt, sondern aus der Entwicklung ihrer „ehrlichen Gesinnung”.

Ich meine, daß alle meine Zuhörer davon profitieren würden, das Leben derer zu studieren, die wir als Allgemeine Beamte der Kirche bestätigen. Sie werden unter ihnen einige bedeutende Vorbilder finden und diejenigen kennenlernen, die eine „ehrliche Gesinnung” haben. Welch heldenmütige Männer und Frauen!

Ich möchte, daß Sie wissen: Ich bin einer der Zeugen dessen, der der heldenmütigste von allen ist und dem ähnlich zu sein wir am meisten wünschen. Lesen Sie nochmals, was das Buch Mormon über seine machtvolle Erklärung bezüglich seiner Hingabe und seines Gehorsams gegenüber seinem Vater berichtet:

„Ich bin Jesus Christus, von dem die Propheten bezeugt haben, er werde in die Welt kommen. Und siehe, ich bin das Licht und das Leben der Welt; und ich habe aus dem bitteren Kelch getrunken, den der Vater mir gegeben hat, und habe den Vater verherrlicht, indem ich die Sünden der Welt auf mich genommen habe; und darin habe ich den Willen des Vaters in allem von Anfang an gelitten.” (3 Nephi 11:10-11.)

Brüder und Schwestern, hören Sie während dieser Konferenz auf die Stimme der modernen Helden. Sie sprechen mit einer ehrlichen Gesinnung, die - und das verspreche ich Ihnen - ihnen das nötige Verständnis unserer Zeit und für die Aufgabe der Kirche gibt. Im Namen Jesu Christi. Amen.