1990–1999
Die Missionsarbeit - unsere Verantwortung
Oktober 1993


Die Missionsarbeit - unsere Verantwortung

Der Herr braucht Boten, die seiner Botschaft in nichts nachstehen.

Ich habe gebetet, daß der Himmel mich bei dem, was ich heute sagen will, segnet, damit ich Ihnen die Wünsche meines Herzen übermitteln kann. Vor einigen Wochen wurde unsere Unterhaltung von Freude und Wehmut beherrscht, als meine Frau und ich zum Flughafen fuhren, um unseren elften Enkel auf Mission zu verabschieden. Im Laufe unseres kurzen Gesprächs, das von herzlichen Begrüßungen und Umarmungen begleitet war, erinnerten wir uns an einige der historischen Berichte darüber, wie die Botschaft von der Wiederherstellung des Evangeliums unsere Familie beeinflußt hat. Wie Joseph Toronto, der Ururgroßvater unseres Enkels, den wir auf Mission verabschiedeten, 1845, vor etwa 150 Jahren, die Botschaft von Missionaren gehört und ihr Glauben geschenkt hatte.

Joseph Toronto half beim Bau des Tempels in Nauvoo mit. Am Sonntag, dem 6. Juli 1845, appellierte Brigham Young eindringlich an die Heiligen, an den Tempel zu denken und für ihn zu beten und den Zehnten zu zahlen. Die Heiligen waren ängstlich darauf bedacht, den Tempel weit genug fertigzustellen, so daß mit den heiligen Handlungen noch vor dem großen Zug nach Westen begonnen werden konnte. Es wurden noch mehr Arbeiter und Zehnten benötigt.

Joseph Toronto, der Neubekehrte, besuchte Brigham Young nach der Versammlung und erklärte, er wolle sich und alles, was er besaß, dem Reich Gottes geben. Er überreichte Brigham Young 2600 $ in Goldmünzen (siehe Church News, 20. Juni 1981, Seite 16). Brigham Young segnete den italienischen Bekehrten und verhieß ihm, er werde an der Spitze seiner Nachkommen stehen und weder ihm noch seiner Familie würde es jemals an Brot mangeln.” 1849 wurde er berufen, den neuen Apostel Lorenzo Snow in sein Geburtsland Italien zu begleiten, um das Land für die Verkündigung des Evangeliums zu öffnen (siehe Church News, 20. Juni 1981, Seite 16).

Wir sprachen auch über Hector C. Haight, einen weitern Vorfahr, aus Farmington in Utah, der 1856 berufen wurde, über die Skandinavische Mission zu präsidieren, und der kaum Dänisch, Schwedisch oder Norwegisch sprach. Mit Vertrauen in den Herrn und der Hilfe der skandinavischen Mitglieder erfüllte er seinen Auftrag. 1858 berichtete er, daß „2610 Seelen getauft worden waren … und 990 Mitglieder nach Zion ausgewandert waren” (Andrew Jenson, History of the Scandinavian Mission, Salt Lake City: Deseret News Press, 1927, Seite 128).

Diese und viele andere Vorfahren vermittelten die Inspiration und das Beispiel der Liebe zum Evangelium, seinen göttlichen Wahrheiten und zur Missionsarbeit, die unsere Kinder und Enkel erben, aber selbst erleben und sich erarbeiten müssen.

An jenem Morgen wurde unser Herz leicht, als wir erneut Zeugen des Wunders wurden, das bereits begonnen hatte und von dem wir wußten, daß es sich fortsetzen würde - nicht nur im Verlauf der kommenden zwei Jahre, sondern für den Rest seines Lebens: die Verwandlung eines jungen Mannes in einen mächtigen Verkünder des Herrn Jesus Christus. Unsere Dankbarkeit für das Missionsprogramm der Kirche - mit all seinen geistigen Ausmaßen - und unser Vertrauen darein, sowie unsere Dankbarkeit für seinen anhaltenden Einfluß auf unsere Familie wurde vertieft und verstärkt.

Während wir sahen, wie die Angehörigen Liebe und Freude zum Ausdruck brachten und Tränen vergossen, dachte ich an die Hunderte junger Männer und Frauen und Ehepaare, die Woche für Woche unsere Missionarsschulen auf der ganzen Welt verlassen, um die großartigste Erfahrung ihres Lebens anzutreten - auszugehen, um dem himmlischen Vater „mit ganzem Herzen, aller Macht, ganzem Sinn und aller Kraft” zu dienen. Das ist in der Tat eines der größten Wunder unserer Zeit.

Die Church News berichtete vor kurzem über Aaron Thatcher, einem begeistern jungen Baseballspieler. Er wurde oft von Einkäufern wegen seiner einzigartigen Talente angesprochen, doch er sagte ihnen wiederholt, er unterschreibe einen Vertrag erst, wenn er seiner Verpflichtung dem Herrn gegenüber nachgekommen sei und eine zweijährige Mission erfüllt habe.

„Wie kann ein junger Mann nur so ein Angebot ausschlagen?”, fragten sich die Leute. Er hat es getan! Sein Wunsch, dem Herrn zu dienen, war größer als sein Wunsch, schnell berühmt zu werden. Aaron sagte: „Ich gehe auf Mission, nicht, weil mein Vater gegangen ist. Ich gehe, weil ich ein Zeugnis vom Evangelium habe und die Propheten uns gesagt haben, daß jeder gesunde junge Mann eine Vollzeitmission erfüllen soll. Ich will aus ganzem Herzen gehen.” (Church News, 4. September 1993, Seite 5.)

Brüder und Schwestern, der Herr bereitet den Weg und macht es möglich, daß sich das Werk in der ganzen Welt ausbreitet. Welch ein Segen ist es doch, daß wir - jeder auf seine Weise - daran teilnehmen können. Im Lauf der vergangenen fünf Jahre ist die Zahl der Missionare auf der Welt von 36000 auf 49 700 angestiegen. Die Anzahl der Missionen ist von 220 auf 294 gestiegen. Fast anderthalb Millionen haben sich in dem gleichen Zeitraum der Kirche angeschlossen. Und unsere Missionare lehren das Evangelium in über vierzig zusätzlichen Ländern, in denen wir vor fünf Jahren noch nicht vertreten waren.

Wer - außer den Propheten Gottes - hätte das Wunder der schnellen Ausbreitung des Werkes des Herrn voraussehen können? Wahrlich, der Herr beschleunigt sein Werk in seiner Zeit, wie er es in LuB 88 vorausgesagt hat. Es beflügelt mich, wenn ich die Tiefe und die Bedeutung der Vision und Inspiration besser verstehe, die der Prophet Joseph Smith von Himmelsboten empfangen hat, als er das Fundament der wiederhergestellten Kirche legte. Nach allem, was er erlebt hatte und wußte, konnte Joseph Smith im März 1842 ohne Furcht schreiben:

„Unsere Missionare gehen aus zu den verschiedenen Völkern … das Banner der Wahrheit ist errichtet; … Gottes Wahrheit wird kühn, edel und unabhängig vorangehen, bis sie jeden Kontinent durchdrungen, alle Breiten erreicht, jedes Land erfüllt hat und jedes Ohr sie vernommen hat, bis die Absichten Gottes verwirklicht sind und der große Jahwe sagt: das Werk ist vollbracht.” (History ofthe Church, 4:540.)

Es gibt einen Geist, der in unseren Mitgliedern den Wunsch hervorruft, ihr Leben im Einklang mit der Wahrheit zu führen, damit sie eines Tages die Gelegenheit zum Dienen wahrnehmen können. Eben dieser Geist und himmlische Einfluß bewegten John Taylor, Wilford Woodruff und andere, von den Heiligen in der Stadt Far West am frühen Morgen des 26. April 1839 Abschied zu nehmen, ehe sie auf Mission nach Großbritannien gingen. (Siehe LuB 118:4,5.) Damals beteten sie der Reihe nach am Tempelgrundstück und gaben Zeugnis. Nach einem Lied verabschiedeten sie sich, geführt durch Offenbarung, erfüllt von den Segnungen des Himmels und dem bestätigenden Einfluß des Heiligen Geistes. Diese frühen Apostel begaben sich auf Mission, nachdem sie geistig gespeist und auf eine Weise gesegnet worden waren, die sie und ihre Angehörigen durch ihre zahlreichen Schwierigkeiten bringen und ihnen das machtvolle Zeugnis eingeben würde, daß die Botschaft von der Wiederherstellung des Evangeliums auf Erden wahr ist.

Was für ein Vorzug und Segen ist es doch, ein kleiner Teil dieses großen Werks zu sein. Mit diesem Vorzug geht jedoch eine große Verantwortung einher. Der Herr braucht Boten, die seiner Botschaft in nichts nachstehen. Er braucht welche, die imstande sind, mit dem großen und ewigen Einfluß, den er ihnen anvertraut, umgehen zu können. Im Buch, Lehre und Bündnisse’, Abschnitt 88, wo der Herr davon spricht, daß er das Werk beschleunigen werde, gibt er den Arbeitern in seinem Reich das Gebot: „Macht euch bereit, und heiligt euch; ja, macht euer Herz rein und säubert euch die Hände und Füße vor mir, damit ich euch reinigen kann” (LuB 88:74).

Die Berufung, dem Herrn zu dienen, erlegt uns eine immense, aber edelnde Verantwortung auf. 1839 sandte das Kollegium der Zwölf Apostel ein Schreiben der Inspiration und der Weisung an diejenigen, die berufen waren, das Evangelium zu verbreiten. Zusätzlich zu den Segnungen, Zeugnissen und Gebeten heißt es darin: „Gott hat euch zu einem heiligen Amt berufen; … ja, Boten an die Nationen der Erde zu sein; und von eurem Eifer, … und der Richtigkeit der Lehre, die ihr predigt, hängt das Schicksal der Menschheit ab. Ihr seid die Männer, die Gott berufen hat, sein Reich auszubreiten. Er hat euch die Fürsorge für die Seelen anvertraut, und der große Gott erwartet von euch, daß ihr standhaft seid.” (History ofthe Church, 3:395.)

Präsident Spencer W. Kimball läutete ein neues Zeitalter der Missionsarbeit ein, als er sagte: „Wenn ich nach mehr Missionaren rufe, rufe ich nicht nach Missionaren, die kein Zeugnis haben oder unwürdig sind. Ich bitte darum, daß unsere Missionare in jedem Zweig und in jeder Gemeinde … besser geschult werden. Die jungen Leute müssen begreifen, daß

es ein großer Vorzug ist, auf Mission zu gehen; daß man dazu körperlich, geistig und seelisch gesund sein muß und daß der Herr „nicht mit der geringste Billigung auf Sünde blicken” kann. (Wir rufen) nach Missionaren, die in der Familie und in den Organisationen der Kirche sorgfältig ausgebildet wurden und aus großem inneren Antrieb heraus auf Mission gehen.” (Ensign, Oktober 1974, Seite 7.)

„[Aber] wir müssen unsere Missionare besser vorbereiten, nicht nur sprachlich, sondern auch hinsichtlich der Schriften und vor allem in bezug auf das Zeugnis und ein brennendes Feuer, das ihr Worte mit Macht erfüllt.” (Seminar für Regionalrepräsentanten, April 1976.)

Erst im März dieses Jahres betonte die Erste Präsidentschaft diesen wichtigen Aufruf erneut. Es ist ein Vorzug, dem Herrn als Vollzeitmissionar zu dienen. Der Hauptzweck des Dienstes als Vollzeitmissionar besteht darin, das Reich Gottes aufzubauen. Und der Herr braucht seine Besten. Wenn ein junger Mann oder eine junge Dame dem Ruf folgen will, müssen sie auf die härtesten Anforderungen in ihrem jungen Leben vorbereitet sein, und zwar geistig, intellektuell, seelisch und körperlich.

Auch wenn ein Missionar durch den Dienst gestärkt, aufgebaut und großgemacht wird, so ist das nicht der Hauptzweck; und weder der Missionar noch seine Eltern noch seine Führer sollen die Mission als Lösung für offene Probleme betrachten. Der Herr braucht unsere Besten; er braucht diejenigen, die rennen und nicht nur gehen können - körperlich und geistig -, diejenigen, die seinen ewigen Einfluß rein und mit Kraft und Überzeugung ausüben können.

Heißt das, daß diejenigen, die noch nicht bereit sind, abgelehnt oder zurückgewiesen werden? Natürlich nicht! Das heißt, daß unsere jungen Menschen, ihre Familie und ihre Führer die Verantwortung auf sich nehmen müssen, würdige, fähige und engagierte Freiwillige für Gottes Heerschar bereitzumachen.

Wenn wir diese große Verantwortung auf uns nehmen, wird der Herr unsere Anstrengungen und unsere Missionare großmachen. Sie werden das Werkzeug sein, mit deren Hilfe der Herr seine Wunder vollbringen wird.

Vor kurzem habe ich einen Brief von einem jungen Freund in Kalifornien erhalten, der in Chile auf Mission gewesen war. Er erzählte in seinem Brief von der Taufe eines Mannes, einer Frau und deren zwei Kinder, an der er teilhatte und die er nie vergessen hatte. Er erinnerte sich an den unfaßbaren Glauben des Vaters, der seinen Lebensunterhalt als einfacher Stallknecht verdiente, kaum Bildung, dafür aber großen Glauben an die Evangeliumsgrundsätze hatte. Dieser Mann nahm das Evangelium an, lebte es und lehrte seine Familie durch sein Beispiel.

„Als Missionare”, schrieb mein Freund, „betrachteten wir diese Familie vielleicht als unsere besten Bekehrten. Der Vater hatte eine ungewöhnliche Einstellung zur Arbeit - harte Arbeit -, um für seine Familie zu sorgen und dem Herrn dienen zu können.”

Mein Freund hatte gerade erfahren, daß dieser gute Mann vor kurzem - 13 Jahre nach der Taufe - als Ratgeber in der Präsidentschaft eines Pfahles in Chile berufen worden war.

Vor fünfzehn Jahren forderte Präsident Kimball, daß „jede Familie jeden Abend und jeden Morgen … im Familiengebet und im stillen zum Herrn beten solle, daß er die Tür zu anderen Nationen öffnen möge, so daß auch diese Völker das Evangelium Jesu Christi haben können”. (The Teachings of Spencer W. Kimball, Hg. Edward L. Kimball, Salt Lake City: Bookcraft, 1982, Seite 586.) In den vergangenen Jahren haben wir gesehen, daß die Vision des Propheten in Erfüllung gegangen ist. Türen sind aufgegangen; die Mauern von Ländern sind gefallen. Wir müssen vorbereitet sein, im Rahmen der Gesetze und in angemessener Weise einzutreten, wenn der Herr diese Türen öffnet.

Wir sind dankbar für die Tausenden, die dem Ruf zu dienen gefolgt sind, und wir sind dankbar für die tapferen Missionare, die jede Woche ausgehen, um sich an der großen Ernte zu beteiligen, die der Herr beschleunigt. Wir wissen das Opfer und den Dienst Ihrer Söhne und Töchter und das wunderbare Werk, das sie verrichten, zu schätzen. Wir schätzen auch die reifen Ehepaare, die den Komfort ihres Zuhauses aufgeben und sich von ihren geliebten Kindern und Enkelkindern verabschieden. Ihre Anstrengungen und Opfer werden Ihnen zum Segen gereichen.

Ich schließe mit diesen inspirierten Worten, die das Kollegium der Zwölf in einem Brief der Ermunterung am 3. Juli 1839 an die Heiligen schrieb. Die Schlußworte des Briefes lauten: „Inmitten des Menschenlärms, des Kriegsgetöses, des Wütens von Seuchen, des Aufruhrs der Nationen, des Untergangs von Reichen und der Auflösung von Staaten wird die Wahrheit, geführt vom Arm des Allmächtigen, mit großer Macht vorwärtsgehen und diejenigen, die im Herzen ehrlich sind, berühren; Zion soll prächtig blühen wie eine Rose, und die Völker sollen sich bei seinem Banner sammeln, und die Reiche der Welt werden bald die Reiche unseres Gottes und seines Christus werden, und er wird herrschen in alle Ewigkeit.” (History of the Church, 3:397.)

Mögen wir, wenn dieser herrliche Tag kommt, daran teilhaben. Darum bitte ich demütig im Namen Jesu Christi. Amen,