1990–1999
Glaube ergibt Priestertumskraft
April 1993


Glaube ergibt Priestertumskraft

Laßt uns den Herrn inbrünstig bitten, wie es auch die Apostel in alter Zeit getan haben: „Herr, stärke unseren Glauben!” Dann laßt uns diesen Glauben in all unseren Berufungen als wichtigste Kraftquelle nutzen.

Liebe Brüder, hier in diesem Raum ist genügend Kraft vorhanden, um alles tun zu können, wozu wir berufen sind. Wir sind das Priestertum Gottes.

Kürzlich waren Elder Tai und ich im Hotel Everest in Katmandu, der Hauptstadt von Nepal. Eines Abends fiel der elektrische Strom aus. Glücklicherweise waren zwei kleine Kerzen und Zündhölzer vorhanden.

Aber statt der vierhundert Watt starken Birnen, die vorher unser Zimmer erhellt hatten, gab es nur noch zwei mattstarke Kerzen, und das reichte nicht aus, um uns unsere Arbeit fortsetzen zu lassen.

Das Priestertum Gottes ist nach aller innewohnenden Möglichkeit eine stärkere Kraft als die Elektrizität. In der Gesamtheit gesehen, erfüllen die Brüder des Priestertums ihre Aufgaben gut, aber wir nutzen unsere Möglichkeiten nicht voll aus. Warum? Könnte es sein, daß wir die größte Kraftquelle nicht anzapfen, weil wir unser Priestertum nicht ins Werk setzen? Tauschen wir elektrischen Strom gegen Kerzen ein?

Der Glaube an den Herrn Jesus Christus ist die lebendige Kraftquelle des Priestertums. Wenn wir in unserer Berufung den Glauben nicht an die erste Stelle setzen, verringern wir das Licht und die Kraft des Priestertums. Auch andere Hindernisse blockieren diese wohltuenden Strahlen.

Oliver Cowdery meinte, er könne bei flackerndem Kerzenlicht übersetzen. Der Herr belehrte ihn: „Denke daran: Ohne Glauben kannst du nichts tun; darum bitte im Glauben.” (LuB 8:10.)

Frühere Kirchenführer wie Petrus, Paulus, Joseph und Brigham haben in ihrer Berufung Erstaunliches vollbracht. Und wie? Mit Glauben. Sie hatten ja noch keine Computer und Faxgeräte. Ihre Kraft war Ausfluß des Glaubens. Auf flehentliche Bitten, Jesus möge ein Wunder tun, antwortete er oft: „Wie ihr geglaubt habt, so soll es geschehen.” (Siehe Matthäus 9:29; 15:28.)

Statt daß wir uns auf den Glauben stützen, lassen wir uns lieber verlocken, auf die bequemen und dinglichen irdischen Hilfsmittel zurückzugreifen, um unsere Priestertumsberufung zu erfüllen. Auch die Kirche hat einige Hilfsmittel bereitgestellt, die nützlich sind. Sie haben zu unserem Erfolg beigetragen, uns Kraft vermittelt und gezeigt, wie wir unsere Zeit einteilen sollen. Zu ihnen gehören unsere naturgegebene Intelligenz; Ausbildung und Schulung; Vorbereitung, Leitfäden, Handbücher, Tagesordnungen und Budgets.

Wir bemühen uns eifrig und zielgerichtet und gebrauchen dabei Methoden aus dem Management und den Systemen, die wir gelernt haben. Ich sage nichts gegen diese Hilfsmittel. Sie leisten uns gute Dienste. Nicht selten sind sie selbst aus Glauben und Inspiration, aus Versuch und Irrtum und intelligenter Bemühung erwachsen. Immerhin hat der Herr gesagt: „Organisiert euch; bereitet alles vor, was nötig ist.” (LuB 88:119.)

Kommt aber der Glaube hinzu, so wird der Priestertumsdienst etwas Großartiges. Zwei Kerzen explodieren plötzlich und geben vierhundert Watt Licht. Genauer gesagt, wir zapfen damit die Kraftquelle des Herrn an, und unser Tun hat denselben Rhythmus wie das seine. Der Herr gleicht unsere Mängel aus. Ungeheure, doch unsichtbare Reserven an lebendiger Kraft liefern das, was wir brauchen.

Der Herr hat seinen Aposteln geboten, an ihn zu glauben: „Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen, und er wird noch größere vollbringen, denn ich gehe zum Vater.” (Johannes 14:12.) Offensichtlich kommt die Kraft, große Werke zu vollbringen, aus dem Glauben an Christus.

Wir wollen ein wohlbekanntes Beispiel betrachten. Nephi und seine Brüder erhielten vom Herrn einen Auftrag, nämlich hinzugehen und von Laban die Messingplatten zu holen. Sie versuchten es mit Klugheit, Charme und Überredung - Hilfsmitteln, die sie gern einsetzten. Sie boten sogar an, Kostbarkeiten ihrer Familien, aus ihrem Schatz, gegen die Platten einzutauschen. Nichts brachte Erfolg. Ja, sie mußten sogar um ihr Leben rennen, als man sie für Räuber hielt.

Erst dann nahm Nephi zum reinen Glauben Zuflucht. Und das ging so: Er kam zu der Gewißheit, daß der Herr ihn beauftragt hatte, die Platten zu holen. Dann brachte er die geistige Energie und Zuversicht auf, es noch einmal zu versuchen. „Ich will hingehen und das tun, was der Herr geboten hat.” (l Nephi 3:7.) Ohne zu wissen, was er tun werde, ging Nephi ans Werk, während seine Brüder sich vor der Stadtmauer herumdrückten. „Ich wurde vom Geist geführt; ich wußte nicht im voraus, was ich tun sollte.” (4:6.) Jetzt bewegte er sich im Glauben: Vertrauen auf das Unbekannte, Hoffnung auf Ungesehenes. Sie kennen den Rest.

Beachten Sie, daß zuerst der Glaube an den Herrn und das Vertrauen auf ihn kamen. Dann kam die Tat. Nephi hatte keine Pläne, nur das Vertrauen auf den Herrn. Es war eigentlich ein Fall von „Fertig! Los! Auf die Plätze!”, also so ziemlich das Gegenteil der konventionellen Methode. Laman und Lemuel hielten es für Tollkühnheit, aber der Plan des Herrn ging vonstatten, und Nephi wurde von unsichtbaren Händen geleitet.

Der Glaube wirkt oft auf diese Weise. So erhielt ich einmal den Auftrag, Bruder und Schwester Bateman und Bruder und Schwester Steadman in ihr Missionsgebiet nach Vietnam zu begleiten - sie sollten in Hanoi Englischkurse abhalten. Wir planten und richteten alles ein, hatten aber mehr Fragen als Antworten. Nachdem wir alles, was nach der Ankunft zu geschehen hatte, durchgeplant hatten, blieb noch immer ein voller Tag, wo nichts geplant war. Es war noch einiges zu tun, aber was und wo?

An jenem Vormittag beschlossen wir, im Glauben zu handeln: wir blieben nicht in unserer Unterkunft, sondern gingen hinaus. Das, was dann geschah, schwemmte uns geradezu durch einen wundervollen Tag -Willkommensfeier im Kinderpalast von Hanoi, ein Dinner uns zu Ehren und noch vieles andere, was unsere Gastgeber zwar geplant, uns aber in ihrer Geschäftigkeit vergessen hatten mitzuteilen. Aber der Herr kannte ihre Pläne und bewegte uns an die richtige Stelle - wie Figuren auf einem Schachbrett.

In den Vorlesungen über den Glauben, die auf Joseph Smiths Anordnung von den Brüdern in Kirtland zusammengestellt worden waren, steht die Frage: „Was sollen wir darunter verstehen, daß ein Mensch durch Glauben wirkt? Wir antworten: Wir verstehen darunter, daß der Mensch, wenn er durch den Glauben wirkt, sich geistig anstrengt und nicht körperlich. Ein jeder, der durch den Glauben wirkt, tut dies demnach durch Worte und nicht durch Anwendung seiner Körperkraft.”

Ein kurzer, aber inhaltsschwerer Satz im Buch Abraham beschreibt die ganze Kraft des Glaubens Gottes: „Es gibt nichts, was der Herr, dein Gott, sich im Herzen zu tun vornimmt, was er dann nicht auch tut.” (Abraham 3:17.) Mit Glauben können wir die rechten Dinge, die zu tun sind, in unser Herz sammeln, dazu auch die Worte und die geistige Anstrengung, um sie auszuführen. Es mag nötig sein, in unserer Planung und Tagesordnung etwas freie Zeit zu lassen; dann hat der Glaube Luft zum Atmen.

Obwohl der Glaube oft mit positivem Denken einhergeht, ist er doch viel, viel mehr als das. Der Glaube zapft göttliche Quellen an und ist ein Anzeichen dafür, daß man mit dem Herrn einig ist und zusammenarbeitet. Selbst die Gedanken und Worte, die man im Glauben formuliert, kommen durch Inspiration vom Heiligen Geist zustande, und die Kraft, die durch den Glauben formulierten Worte in die Tat umzusetzen, kommt von Gott.

Was aber noch wichtiger ist: der Glaube führt direkt zum ewigen Leben, denn wenn wir Glauben ausüben, lernen wir Gott und seine Macht kennen und werden wir ihm gleich.

In den Vorlesungen über den Glauben erklären die Brüder, der Plan der Erlösung sei „ein System des Glaubens; er fängt mit dem Glauben an und setzt sich durch den Glauben fort; und jede Segnung, die in bezug darauf erlangt wird, wird durch den Glauben bewirkt”.

Die Priestertumsführer brauchen Ausgeglichenheit, Weisheit und Hilfsmittel für die Organisation, aber warum sollen wir die zur Verfügung stehende Kraft des Glaubens nicht hinzufügen? Ich weiß, daß viele von Ihnen das schon tun.

Es klingt einfach, nicht wahr? Vielleicht klingt es für einige zu allgemein, zu vereinfachend. Nun, in mancher Weise ist es einfach, aber es müssen einige schwere Hindernisse überwunden werden, ehe wir in unseren Dienst die Kraftquelle des Glaubens einbeziehen können. Der schwerste Schritt wird wohl die Einsicht sein, daß vor

allem anderen der Glaube kommt. Dann müssen wir die Hindernisse aus dem Weg räumen, von denen eines der größten oft die Unwürdigkeit ist. Um tatsächlich Glauben zu haben, müssen wir die Instrumente des Glaubens säubern - unseren Verstand, unseren Körper, unseren Geist.

Ironischerweise zeigt es sich, daß für die Dauer der Unwürdigkeit die Anwendung der Evangeliumsprinzipien in umgekehrter Reihenfolge vor sich geht: zuerst die Umkehr, dann der Glaube. Es läßt sich darüber streiten, ob die Umkehr zuerst von einem Funken Glauben entzündet wird, aber wenn man die Kraft des Glaubens erlangen will, ist manchmal zuerst Umkehr erforderlich.

Stolz und Überheblichkeit sperren den Glauben aus.

Eigenständigkeit, oft infolge von finanziellem Erfolg, sowie hoher Bildungsgrad, weltlicher Ruhm und menschliche Ehrung können einen daran hindern, Glauben zu haben.

Religiöser Fanatismus kann unseren Glauben ruinieren. Wie in anderen Bereichen ist auch in der Religion ein Mehr manchmal ein Weniger.

Alkohol, Drogen, obszöne Unterhaltung, Pornographie sowie die Anhäufung materieller Dinge verstopfen die Arterien des Glaubens; und Furcht, Schuldgefühl, Bitterkeit und Groll können ihn ersticken. Ja, der Satan wirft viele Hindernisse auf. Er will nicht, daß wir Glauben haben.

Gehen Sie jetzt noch einmal die Liste der Hindernisse durch. Haben Sie jemals so etwas bei Kindern bemerkt? Kein Wunder, daß der Herr sagt, wir sollten nach einem Glauben trachten, wie ihn kleine Kinder haben.

Und, Brüder, der Glaube ist nicht ausschließlich auf das Priestertum beschränkt. Der römische Hauptmann hatte kein Priestertum, bat aber voll Glauben den Herrn, seinen Diener zu heilen. Er fügte hinzu, er sei es nicht wert, daß Jesus sein Haus betrete, obwohl er jemand war, dem Gehorsam geleistet wurde. Er sagte: „Sprich nur ein Wort, dann wird mein Diener gesund.” (Matthäus 8:8.) Jesus war über diesen Glauben verwundert. „Einen solchen Glauben habe ich in Israel noch bei niemand gefunden.” (Vers 10.)

Die kanaanäische Frau zapfte ebenfalls die Kraftquelle an. Böse Geister quälten ihre Tochter, und sie wandte sich voll Glauben an Jesus, daß er die Dämonen austreibe. Jesus wollte wahrscheinlich ihren Glauben prüfen und sagte daher, er sei nur zum Haus Israel gesandt. Sie ließ sich aber einfach nicht abweisen. „Ja, du hast recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen.” Jesus rief aus: „Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen.” (Matthäus 15:27,28.)

Brüder, über den Glauben können wir von Frauen wie dieser Kanaaniterin viel lernen, auch von Freunden, die nicht unserem Bekenntnis angehören, wie dem römischen Hauptmann, aber ganz besonders von unseren Kindern. Ganz gleich, auf welche Weise wir lernen, die Kraft des Glaubens anzuwenden - wir brauchen sie, damit wir die furchteinflößenden Aufgaben, die uns gestellt sind, bewältigen können.

Wir müssen auch die Gaben des Geistes mehr gebrauchen, die alle durch den Glauben bewirkt werden. Sie stehen uns gerade jetzt zur Verfügung. Sogar die höchste Gabe - die Erweckung von den Toten - wird gelegentlich von Männern mit großem Glauben bewerkstelligt. Kranke werden geheilt, Blinde sehen, Lahme gehen und aus Besessenen werden böse Geister ausgetrieben - alles durch das Zusammenwirken von Glauben und Priestertumsmacht. Ich habe das Gefühl, wir machen uns in unserer Priestertumsberufung die geistigen Gaben nicht genug zunutze.

Wir können damit anfangen, daß wir die Bestandteile des Glaubens, wie sie in den Vorlesungen über den Glauben definiert sind, in uns entstehen lassen:

1. Zu wissen und anzuerkennen, daß es Gott gibt.

2. Zu wissen, wer er wirklich ist, was für Eigenschaften und Vollkommenheiten er hat.

3. Zu wissen, daß der Lebensweg, den wir jetzt gehen, dem Willen Gottes entspricht.

Wir wollen diese drei Elemente unseren Priestertumshilfsmitteln anfügen. Das können wir nur tun, wenn wir unser Leben heiligen und unserem Wissen mehr geistige Tiefe verleihen.

Was aber sollen wir tun, um den Glauben an die erste Stelle zu rücken? Wenn wir gut aufmerken, werden wir den Schlüssel zum Glauben des Simon Petrus entdecken, nämlich in der Aufforderung, die der Erretter ihm vor seiner Auferstehung gab: „Simon, Simon, der Satan hat verlangt, daß er euch wie Weizen sieben darf.

Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder.” (Lukas 22:31,32; Hervorhbg. v. Verf.)

Es ist wohl an der Zeit, daß wir uns demütigen und die Hindernisse vor dem Glauben wegräumen und uns dann wieder bekehren, wie Petrus es getan hat. Warum mit dem Licht von nur zwei Kerzen durchs Leben gehen, wenn mehr als vierhundert Watt vorhanden sind? Unsere Aufgaben sind so groß! Wie sollen wir denn das Evangelium in alle Welt tragen und gleichzeitig die Toten erlösen? Ich weiß es nicht, aber die Kraft dazu muß und wird aus dem Glauben an den Herrn Jesus Christus kommen.

So, Brüder, laßt uns den Herrn inbrünstig bitten, wie es auch die Apostel in alter Zeit getan haben: „Herr, stärke unseren Glauben!” (Lukas 17:5.) Dann laßt uns diesen Glauben in all unseren Berufungen als wichtigste Kraftquelle nutzen. Im Namen Jesu Christi. Amen.